Wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen

Und immer höher fliegt die Sozialpartnerschaft, immer höher, näher und näher an die Sonne. Mal sehen, wie die Federn angeklebt sind.

Stephanie K. ist mit dem Medizinstudium fertig. Jetzt will sie die Wartezeit auf einen Turnusplatz mit einer Lehrpraxis überbrücken.

Eine sechsmonatige Lehrpraxis ist verpflichtender Teil der postpromotionellen Ausbildung und soll eigentlich dazu dienen, nach der Spitalsausbildung, Erfahrungen in einer richtigen Ordination zu sammeln. Trotzdem machen es die meisten direkt nach dem Studium. Der Grund ist einfach, es gibt kaum Geld dafür.

Rund 800 Jungärzte versuchen jährlich Lehrpraktikanten zu werden. Aber nur für etwa 250 gibt es eine geförderte Stelle. Gefördert heißt, dass sie monatlich 1.000 Euro brutto erhalten. Der Dienstherr erhält die Arbeitgeberbeträge erstattet, sodass er kostenfrei bleibt. In diesem Fall kostet der Lehrpraktikant also nur Zeit, aber kein Geld.

Die, die keine geförderte Stelle ergattern, denen geht es bereits heute deutlich schlechter. Die meisten werden nur geringfügig angestellt (bis 357 Euro). Aber, und das ist peinlich, um den Dienstherren kostenfrei zu halten, zahlen sich nicht wenige ihr Gehalt sogar selbst, nur um eine Stelle zu kriegen! Eine Stelle, die sie kriegen müssen, wenn sie die Ausbildung beenden wollen.

Seit Jahren wird um das Thema zwischen Ministerium und Ärztekammer gestritten. Jetzt kommt eine neue Facette dazu – ein Kollektivvertrag, abgeschlossen zwischen zwei Abteilungen innerhalb der Ärztekammer.

Wie das funktioniert, wenn eine Kammer gleichzeitig für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verhandelt, ist fraglich. Rechtlich dürfte das aber passen – die Sozialpartnerschaft und ihre Blüten. Andererseits verhandelt da die linke mit der rechten Hand ohnehin über Geld, das ganz andere bezahlen sollen.

Im Kollektivvertrag wurde jedenfalls festgelegt, dass künftig ein Praktikant brutto zwischen 1600 (direkt nach dem Studium) und 2.000 Euro (am Ende des Turnus) erhalten muss. Aus Arbeitgebersicht kostet daher ein Praktikant pro Jahr zwischen 29.400 und 36.750 Euro (zum Vergleich, die heutige Förderung beträgt 18.400 Euro).

Schön schaut das aus, auf dem Papier. Aber glaubt man ernsthaft damit viel mehr Fördergeld erzwingen zu können? Wohl nicht!

Es wird stattdessen bald noch weniger geförderte Stellen geben (für einen unbestimmten Zeitraum soll die Ärztekammer angeblich die Differenz bezahlen). Die, die „Glück“ (ausreichend Vit. B) haben, so eine Stelle zu ergattern, können sich freuen, weil sie mehr verdienen. Alle anderen werden schlechter gestellt.

Jene Ärzte, die bereit waren, ihre Praktikanten aus eigener Tasche geringfügig anzustellen, werden ihre Bereitschaft bei solchen Gehältern verlieren. Die, die sich ihre sechsmonatige Lehrpraxis selbst finanzieren müssen – und die werden jetzt mehr – mussten früher nur geringfügige Mittel aufbringen; dank Kollektivvertrag sind es jetzt richtig heftige Summen (15 bis 18 Tausend Euro)

Tja, so stell ich mir das vor, wenn ein Kollektivvertrag zu populistischen Zwecken missbraucht wird. Dass die Kammerfunktionäre offenbar den Boden der Realität verlassen haben, sieht man an der Aussage der Obfrau der Bundessektion Turnusärzte (die oberste Kammervertreterin aller Turnusärzte) Dr. Gordon, die mit der Inbrunst der Überzeugung festhält: „Die katastrophalen Zustände, dass Jungmediziner zu Dumpingpreisen oder gar zum Nulltarif in Ordinationen arbeiten, sind damit Geschichte.“

Tja, wenn sie kein Brot haben, sollen sie Kuchen essen! (Marie Antoinette, wenige Wochen vor ihrer Dekapitation)

Dieser Artikel wurde im November 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.