Haltet den Dieb – das Machtspiel rund um die Spitalsärzte

Spitalsärzte pochen auf ein Recht, das ihnen elf Jahre lang vorenthalten wurde. Doch wer sauer reagiert, sind die, die das Gesetz gebrochen haben.

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   „Der Schlächter ruft! Die Augen fest geschlossen! Das Kalb marschiert mit ruhig festem Tritt. Die Kälber, deren Blut im Schlachthaus schon geflossen, marschier’n im Geist in seinen Reihen mit“, schrieb Berthold Brecht in seinem „Kälbermarsch“ als Parodie auf ein ganz anderes Lied, das so lautet:

   „Die Fahne hoch! Die Reihen fest geschlossen! SA marschiert mit ruhig festem Schritt. Kameraden, die Rotfront und Reaktion erschossen, marschier’n im Geist in unseren Reihen mit.“

   Was das mit Gesundheitspolitik zu tun hat? Nichts. Erstaunlich ist aber, dass dem SPÖ-Klubobmann in Kärnten Herwig Seiser der „Kälbermarsch“ einfällt und das mittels Presseaussendung kund tut, wenn er an Spitalsärzte und ihre Führer, den Ärztekammerpräsidenten Josef Huber und die Spitalsärzte-Vertreterin Petra Preiß, denkt.

   Dass die damit nicht leben können, versteht er übrigens als eine bewusste Fehlinterpretation, die ihn wundert. Er meinte und machte dazu gleich wieder eine Presseaussendung, dass es ihm darum ging, „aufzuzeigen, dass Ärztekammervertreter, die vor nicht allzulanger Zeit unter der Herrschaft der FPÖ in Kärnten gelitten haben, sich offensichtlich jetzt wieder genau von dieser FPÖ instrumentalisieren lassen“. Wahrlich eine deeskalierende Aussage.

   Hintergrund dieser Schlammschlacht ist, dass Kärntens Spitalsärzte etwas Unerhörtes gewagt haben.

   Statt der Obrigkeit und dem Betriebsrat, dessen Vorsitzender der ehemaligen SPÖ-Landtagsabgeordnete Arnold Auer ist, der sogar in gemeinsamen Pressekonferenzen mit dem Kabeg-Vorstand Arnold Gabriel, ehemaliger Büroleiter von Landeshauptmann Peter Kaiser, Ärzte unter Androhung dienstrechtlicher Konsequenzen vor Alleingängen warnte, zu gehorchen, organisierten sich die Ärzte selbst und folgten den lege artis gar nicht zuständigen Kammerfunktionären. Ein Affront, gar eine Majestätsbeleidigung.

   Kärnten ist aber nur die Spitze eines durch und durch politisierten und absolut regierten Spitalswesens. Ein Blick in andere Länder zeigt das.

   Da fällt natürlich Landeshauptmann Josef Pühringer auf, der die Ärztekammer, wenn sie nicht spurt, in die Pfanne hauen will, „bis dass das Fett nur so spritzt“.

   Ganz so krass passiert das meist nicht, aber es passiert. Schauen wir nach Niederösterreich. Dort wurde das Land gerade verurteilt, weil es ärztliche Überstunden nicht gesetzeskonform sondern willkürlich (nicht) ausbezahlte. Oder nach Wien, wo jahrelange gesetzlich vorgeschriebene Ausgleichstage einfach unterschlagen wurden.

   In all diesen Fällen haben Länder und Gewerkschaften (aber auch Ärztekammern, die sich in der Vergangenheit lieber um Kassen- als um Spitalsärzte kümmerten und wenigstens das gleiche Machtstreben an den Tag legen) gezeigt, dass Gesetze für sie nur gelten, wenn sie den eigenen Interessen dienen. Sonst eben nicht.

   Nun jedoch hat die Europäische Union Österreich gezwungen, ein elf Jahre altes Gesetz zu exekutieren, in dem der Mitarbeiterschutz auch für Spitalsärzte gilt. Das beendet (wenigstens für kurze Zeit) die Willkür – und damit können die Herrscher so gar nicht umgehen.

„Wiener Zeitung“ Nr. 014 vom 22.01.2015