Ein Monopolist müsste man sein – Teil 3

Wer mit wenig nicht auskommt, der kommt mit viel auch nicht aus! Eine uralte Weisheit, die man sich beim heutigen Kassensystem zu Herzen nehmen sollte – bevor man wieder das Füllhorn leert!

Warnung: Sanfte Gemüter sollten jetzt zu lesen aufhören – oder sich damit abfinden, dass Auswandern vielleicht eine Alternative ist.

In Österreich leben gerade einmal acht Millionen Menschen. Für diese wird „ein“ Gesundheitssystem organisiert. Wäre es ein privates, dann würden sich viele Versicherungen am Markt tummeln. Da es aber ein öffentliches und noch dazu ein Pflichtsystem ist (niemand kann sich seine Versicherung aussuchen – dies Entscheidung trifft man für ihn), sollte man denken, wäre eine deutlich geringere Zahl an Versicherungen, vielleicht auch nur eine – oder gar keine – nötig. Allein so ist es nicht. Hierzulande wird das Volk in mehr als 20 Krankenkassen und über 60 Krankenfürsorgeanstalten organisiert.

Jede Institution hat Chefs, die Obleute. Diesen zur Seite werden (bis zu 27!) Stellvertreter gestellt. Die Arbeit erledigen Direktoren und deren Stellvertreter. Wer glaubt, dass es sich bei dieser Führungsgilde um Fachleute handelt, irrt. Um in diese Kreise vorzudringen, ist Kompetenz unnötig, sehr wohl jedoch die richtige Abstammung. Wenn man in der WGKK was werden will, dann sollte (muss) man SPÖler und Drucker-Gewerkschafter sein, bei der OÖGKK dagegen Metaller, bei der Kasse der Beamten natürlich ÖVPler und GÖD, bei der Kasse der gewerblichen Wirtschaft vom Wirtschaftsbund und bei der der Bauern idealerweise seit Generationen Bauernbündler – alles Erbpachten. Dass da nicht gerade große Ehrlichkeit, sondern partei- und klientelpolitische Raison regiert, das sollte nicht verwundern. Ja, man sollte nicht einmal überrascht sein, dass das Wort Patient eine nur untergeordnete Rolle spielt.

Wer sich gefragt hat, warum die Prognosen der Kassen in den letzten Jahren immer falsch waren, dem sei erklärt, dass sie kein Planungsinstrument haben, das auf demographische oder medizinische Veränderungen eingehen könnte. Das einzige, was Kassen gern tun ist Verhandeln – Vorausdenken oder gar kunden- bzw. patientenorientiert Gestalten, das ist nicht das Ihre, sind sie doch alle primär Gewerkschafter. Kassen warten darauf, dass der Bund (möglichst viel) Geld gibt. Wie das dann verteilt wird, das verhandeln sie alleine mit den eigenen Unterorganisationen und den Ärztekammern.

Die Ärztekammern sind ebenfalls eigentlich Gewerkschaften und ebenfalls alles andere als demokratisch legitimiert. Man muss sich vorstellen, dass der derzeitige Präsident, bzw. dessen Fraktion, gerade einmal von 1500 Ärzten gewählt wurde und nun so tut, als ob er für alle Österreicher reden darf. Auch die Ärztekammern sind nicht daran interessiert, das Gesundheitssystem zu gestalten (in den letzten 15 Jahren wurde von ihnen kein einziger Reformvorschlag der Regierung befürwortet), sondern nur daran, über (möglichst viel) Geld zu verhandeln. Aber wer kann ihnen das auch verdenken.

Wen wundert es, dass mittlerweile jede Kasse eine eigene Klasse bildet und schon lange keine „Gleichheit“ mehr zwischen den Pflichtversicherten besteht. Was ein Niederösterreicher bekommt, das wird möglicherweise dem Wiener bereits verweigert. Wer Beamter ist, kriegt möglicherweise eine bessere Behandlung, weil seine Kasse für die gleiche Leistung mehr bezahlt als die OÖGKK.

Als Mediziner, Gesundheitsökonom und, viel wichtiger, als Demokrat bin ich dafür, dieses Kassenmonopol eher abzuschaffen, als immer weiter Geld hinein zu stecken. Darauf, meine ich, hätten die Menschen in diesem Land ein Recht.

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein Monopolist müsste man sein – Teil 2

Wenn man Dir gibt, dann nimm, wenn man Dir nimmt, dann schrei! Die konkreten Auswirkungen des Sittenbildes in unserem Gesundheitssystem.

Die Krankenkassen (KK) schreien, sie werden von der Politik ausgehungert. Einmal abgesehen, dass demokratisch legitimierte Politiker das tun dürften, ist diese Aussage falsch und volksverblendend.

Zwischen 2002 und 2006 hat man den KK zwar einiges aufgebürdet, doch dafür auch einen Haufen Geld gegeben.

Die Rezeptgebühr ist in diesem Zeitraum angehoben worden und hat zu 19 Prozent Mehreinnahme geführt (die Wirtschaft ist gerade um 7 Prozent gewachsen). Gebracht hat das 140 Mio. Euro. 2004 und 2005 wurden die Höchstbemessungsgrundlagen angehoben, was zu zusätzlichen 65 Mio. geführt hat. Ab 2004 wurden die Beiträge zwischen Arbeitern und Angestellten „harmonisiert“, ein Plus von 290 Mio. Die Anhebung der Unfallversicherung seit 2004 hat 300 Mio. gebracht, die zusätzlichen Einnahmen aus der Tabaksteuer seit 2002 ebenfalls 300 Mio. Die Beiträge für die Mitversicherten bei den Selbständigen fallen mit 60 Mio. gering aus, haben dafür die Klein- und Kleinstbetriebe richtig getroffen. Mit ein paar anderen Maßnahmen, wie der e-Card-Gebühr, haben die KK – neben den „normalen“ Erhöhungen durch steigende Löhne (unsere Beiträge sind ja Prozentsätze und nicht absolut) – zwischen 2002 und 2006 zusätzlich über 2 Mrd. Euro mehr gekriegt.

Demgegenüber hat man die KK zusätzlich belastet. Das Wichtigste ist wohl die Sache mit den Arbeitslosen und dem Kindergeld. Hier wurden Pauschalierungen vorgenommen. Gekostet hat das 400 Mio. Und dann die Sache mit dem Hebesatz. Da Pensionisten keinen Arbeitgeber haben, bezahlt der Bund aus Steuern einen fiktiven Arbeitgeberanteil, den sogenannten „Hebesatz“. Der wurde gesenkt. Die „Verluste“ daraus sind mit etwa 45 Mio. gering. Aber argumentiert wird ja mit ganz was anderem. Nämlich, dass die Beiträge nicht kostendeckend wären, und daher der Bund mehr zahlen soll. Komisch, man hört kaum, dass die Beiträge der „Reichen und Gesunden“ viel höher sind als die Kosten, die sie verursachen. Und schon gar keiner will deswegen deren Beiträge kürzen. Tja, wenn man Dir gibt, dann nimm, wenn man Dir nimmt, dann schrei! Nichtsdestotrotz, in Summe war die Mehrbelastung 1,3 Mrd. wert.

Wer rechnen kann, wird sich fragen, ob zusätzliche 700 Mio. in fünf Jahren wirklich Zeichen einer Aushungerung sind! Die 1,3 Mrd. waren nie für die KK gedacht, sondern sollten nur ihren „Cash-Flow“ aufblasen, damit sie liquid bleiben. Es war quasi geliehenes Geld. Die Zinsen, die hätten die KK behalten können – aber halt nicht das Geld. Jetzt die 1,3 Mrd. einzufordern ist echte Chuzpe.

Und wie schaut es mit ihren Leistungen aus? Haben die KK wenigstens mehr geleistet? – Nun, die Besuche in den Spitalsambulanzen sind um 30 Prozent auf 6,5 Mio. gestiegen, die Wahlärzte, die man ja zu einem nicht unbeträchtlichen Teil selbst bezahlen muss, haben um 50 Prozent auf über 11.000 zugenommen. Einmal ganz abgesehen von den echten Leistungskürzungen, nenne ich das versteckte Leistungseinschränkung!

Und nur um keinen falschen Eindruck zu erwecken: Die Länder sind, wenn man von den wenigen vernünftigen wie Bugendland absieht, keinen Deut besser. Aber, und das ist wesentlich, fabrizieren sie demokratisch legitimierten Blödsinn, den das Volk theoretisch abstellen könnte. Die Kassen allerdings, die entziehen sich dieser Kontrolle – eben echte Monopolisten!

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Monopolist müsste man sein – Teil 1

Wenn man dir gibt, dann nimm. Wenn man Dir nimmt, dann schrei.

Kinz & Kunz (KK) betreiben ein Geschäft mit vielen Filialen und noch mehr Chefs. Hauptsächlich organisieren sie Dienstleistungen. Eigentlich ist es aber ein Versicherungsgeschäft, aber auch nicht richtig. Denn die Kunden – und das macht ihr Geschäft so anders – müssen bei ihnen einkaufen und im Vorhinein bezahlen. Sie haben seit jeher Privilegien, die man eher aus dem Mittelalter kennt und dort dem Adel vorbehalten waren.

Ihre Geschäfte sind in neun Brav & Lieb-Einkaufszentren (BL) eingemietet. Die Besitzer sind so etwas wie Aktionäre. Theoretisch handelt es sich um eine Publikumsgesellschaft mit 100% Streubesitz. Ein Aufsichtsrat und neun Vorstände (sehr skurril!) machen – sagen sie – alles zum Wohle der Aktionäre (die ja wegen dem Streubesitz oft gleichzeitig Kunden sind!). Aber wie bei allen selbstherrlichen Gesellschaften scheint es, dass auch hier der Wurm drinnen ist und die Aktionäre wurst sind.

Wie auch immer, die eingemieteten KK-Geschäfte sind seit Jahren finanziell marode. Nicht, dass die Kunden zu wenig bezahlen; nein, ganz im Gegenteil. Um die Geschäfte am Laufen zu halten, wurden sie trickreich immer kräftiger geschröpft. Am Schluss hat man von ihnen sogar Eintrittgelder verlangt, auch wenn sie gar nicht Einkaufen gingen! Jaja, Monopolist müsste man sein! Gleichzeitig haben KK immer mehr Leistungen gestrichen und die Kunden sich selbst überlassen. Wenn BL nicht begonnen hätten, Kunden zu übernehmen, dann hätte diese gar nichts erhalten – obwohl sie bezahlt haben.

Kurz, KK sind nicht in der Lage, ihre Geschäfte richtig zu führen. Das ist aber auch verständlich, sind doch alle Chefs und Chefstellvertreter – wie im Übrigen auch bei BL – keine Profis, sondern nach anderen Kriterien amtseingesetzt. Viele sind zudem mit Vorstands- oder Aufsichtsratsmitgliedern von BL verbandelt und verwandt – eine Geschichte, die auch an feudale Strukturen erinnert. Jedenfalls haben unergründlicherweise BL KK nie fallen lassen.

Trotz aller Finanztricks hat es trotzdem nicht gereicht. Der letzte Trick aber ist nach hinten losgegangen. Um, wie üblich, die Geldgeschenke vor dem Volke zu tarnen hat der BL-Aufsichtsrat (sic!) KK mit Aufgaben betraut, die eigentlich nicht ihre sind. Dafür erhalten sie im Vorhinein eine Menge Geld. Das muss man sich so vorstellen, also ob ein guter Vater bereits Anfang des Jahres Geld leiht, das man erst Ende des Jahres braucht, um sein Konto abzudecken. Dazwischen kann man mit dem Geld machen was man will und die Zinsen behalten – also ehrlich, das ist doch nett! Dass KK irgendwann einmal auf die Idee kämen, das geliehene Geld als das „eigene“ zu bezeichnen, daran hat niemand gedacht. Aber genau das passiert jetzt. Trotz aller Wohltaten kommen KK wieder nicht über die Runden. Und listig wie sie sind, versuchen sie das geliehene Geld schlicht als das eigene zu reklamieren – anderenfalls gehen sie in Konkurs, an dem nicht sie Schuld sind, sondern der, der das Geld geliehen hat!? – verkehrte Welt!

Über was hier gesprochen wird ist wohl klar – Die Einkaufszentren sind unser Gesundheitssystem, die BL die Bundesländer, die KK die Krankenkassen, der Aufsichtsrat das Parlament, die neun Vorstände die Landesregierungen und die Aktionäre alle Österreicher – die man für blöd verkauft. Jaja, Lebenskunst ist die Fähigkeit auf etwas Notwendiges zu verzichten, um sich etwas Unnötiges zu leisten – ebenfalls ein sehr aristokratischer Ansatz.

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Outlaws der Gesundheitspolitik

Gesetzte sind dazu da, sie zu befolgen oder zu übertreten – oder, wenn man sie selbst macht, einfach zu ignorieren.

Wer falsch parkt, kriegt einen Strafzettel – man hat ein Gesetz übertreten. Das ist normal, für die meisten jedenfalls.

Gehen wir zurück ins Jahr 2000. Das Jahr war in der Gesundheitspolitik besonders. Nach langen Verhandlungen haben sich die hohen Politiker der Länder und des Bundes geeinigt, die Gesundheitsplanung komplett neu zu gestaltet.

Bis dahin gab es den Österreichischen Krankenanstalten Plan (ÖKAP). Darin enthalten waren alle Krankenhäuser mit einer fixierten Anzahl an Betten. Die Zahl wurde einerseits wissenschaftlich errechnet, andererseits politisch verhandelt. Ziel war es, die stationäre Versorgung – und ausschließlich diese – in einen vernünftigen Rahmen zu bringen. Nun gut, um die Wahrheit zu sagen, an den ÖKAP hat sich sowieso niemand gehalten. Jedes Bundesland, ja beinah jedes einzelne Krankenhaus, hat trotzdem gemacht was es wollte – meist wider die Vernunft. Und wenn was nicht ÖKAP-konform war, dann hat man die Politik losgeschickt, um den ÖKAP umschreiben zu lassen. Einmal wurde der ÖKAP sogar evaluiert. Das Ergebnis war so desaströs, dass man sich hinter verschlossenen Türen geeinigt hat, einfach so zu tun, als ob es das gar nicht gäbe – muss ja keiner wissen, dass man sich an die eigenen Pläne nicht hält.

Aber ab 2000 wird alles anders. Ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Gesundheitsplanung ist eingeleitet worden: Die herkömmliche Planung wird durch eine gemeinsame, einheitliche, auf der bedarfsorientierten Leistungsangebotsplanung basierende Rahmenplanung aller Teilbereiche abgelöst. Die Planung umfasst so die stationäre UND ambulante Versorgung, die Rehabilitation und sogar ein bisschen die Pflege. Sie plant auch nicht mehr Betten, sondern soll vom Patienten ausgehend jene Leistungen planen, die man braucht, um eine gute Versorgung zu erreichen. Die Leistungen selbst dürfen nur erbracht werden, wenn man dafür auch bestimmte Qualitätskriterien erfüllen kann. Somit soll die Planung erstmals das gesamte Gesundheitswesen quantitativ und qualitativ umfassen.

Unzählige Arbeitgruppen haben getagt und Projekte wurden gestartet. In einem fünfjährigen Prozess, der so zwei, drei Millionen Euro gekostet haben dürfte, wurde der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG) entwickelt. In der Endphase – so ab Mitte 2005 – jagt eine Sitzung die andere. Die Politik – obwohl in den gesamten Prozess eingebunden – hat am Ende noch jede Menge Änderungswünsche parat und oft auch wider jede Vernunft durchgesetzt. Wie auch immer, mit großem Pomp wurde die Gesundheitsreform 2005 beschlossen und als großer Wurf verkauft. Jedes Bundesland hat in seinen Landesgesetzen festgelegt, das der ÖSG geltendes Recht ist.

Heute, 2008, schaut man nach, was denn umgesetzt wurde. Und sieh da, kaum etwas. Obwohl Gesetz, ist die Planung der Teilbereiche nicht aufeinander abgestimmt; Länder machen weiter die Krankenhäuser, die Kassen die niedergelassenen Ärzte, der Hauptverband die Rehabilitation und die Pflege – naja, darüber ein Wort zu verlieren ist unnötig. Qualitätskriterien, ebenfalls Gesetz, werden nicht eingehalten. Oder kennen Sie Krankenhäuser bzw. Abteilungen, die, weil sie die zur Aufrechterhaltung der Qualität nötigen Fallzahlen – z.B. bei Geburten – nicht erreichten, geschlossen wurden?

So endet wieder ein Kapitel. Und wir harren dem nächsten Gesundheitsreform-Gesetz, das auch wieder nicht umgesetzt wird – Gesetze gelten halt nur für Parksünder.

Dieser Artikel wurde im September 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.