Der Ärztemangel in Zahlen

(Lesezeit 7 Minuten) Es ist irgendwie völlig absurd. Wegen einer angeblichen Pensionierungswelle* und dem EU-Arbeitzeitgesetzt droht also ein Ärztemangel, der aus einem aktuellen Absolventenmangel hervorgehen wird, den auch die EU verursacht hat.

Das weiß Minister a.D. und amtierender Landesgesundheits-Referent des Burgenlandes N. Darabos  und fordert 1.000 zusätzliche Studienplätze für Medizin. Und das bitte umgehend, wie die amtierende Kärntner Landesgesundheits-Referentin B. Prettner konstatiert: „das Festhalten an der derzeitigen Studienplatzbeschränkung führt schrittweise und unausweichlich zu einem Engpass an Medizinern.“

Wie nicht anders zu erwarten, applaudieren alle Landesfürsten, wissen Sie doch, dass das eh alles der Bund zahlen muss. Und um ein Gefühl zu kriegen, was 1.000 zusätzliche Studienplätze bedeuten: Wien und Graz gemeinsam kommen etwa auf 1.000 Studienplätze – also müssten wir, wollten wir das realisieren, umgehend in jedem Bundesland eine eigene MedUni errichten – ein sehnlicher Wunsch aller Landesfürsten rückt zum Greifen nah!

Im Hintergrund laufen zwei Diskussionen

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Kriegserklärung über den Finanzausgleich

Die Wiener Ärztekammer hat dem Verhandlungsduo aus Stadtregierung und Gebietskrankenkasse ein „10-Punkte-Programm“ vorgelegt.

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   Diese Punkte lasen sich wie ein Ultimatum. Gefordert wurden unter anderem etwa 50 Prozent mehr Kassenstellen für Fachärzte, Eingliederung von Röntgenambulatorien in die Ärztekammer, Rücknahmen diverser Maßnahmen und natürlich zusätzliche finanzielle Mittel. Und Ärztekammer Vize Johannes Steinhart weiß auch, woher die kommen sollten: aus dem Finanzausgleich. Wird alles erfüllt, führt das zur Beruhigung der Ärzteschaft (oder der Ärztekammerfunktionäre- wer weiß das schon).

   Erstaunlich war die damalige, besonnene Reaktion von Stadträtin Sonja Wehsely und WGKK-Obfrau Ingrid Reischl – beide nicht für konfliktscheue Politik berühmt. Ruhig formulieren sie, dass, „die Zusammenarbeit aller wichtigen Institutionen im Gesundheitswesen unumgänglich ist.“ Nun, im Nachhinein hat das eine andere Konnotation. Denn, wie es aussieht, haben „alle wichtigen Institutionen“ (Landesräte und Kassenobleute) die Kriegserklärung der Ärztekammer angenommen und kontern mit Geheimverhandlungen rund um den Finanzausgleich.

   Finanzausgleichsverhandlungen dienen normalerweise nicht dazu, große Reformen zu konzipieren. Umso überraschender nun die Informationen, die jedoch nur durch die Ärztekammer verbreitet werden. Kein regierender Politiker oder Kassenfunktionär hat sich geäußert. Medienberichte sind dürftig – was damit zusammenhängt, dass sich keine der „wichtigen Institutionen“ äußert, und damit Journalisten zwingt, zu spekulieren – was die wegen der Sorgfaltspflicht jedoch nicht sollen. Aber in diesem unüberprüfbaren geheimen Geheimpapier – von dem ich ausgehe, dass es existiert – steht revolutionäres.

   Wahlärzte sollen in Versorgungswirksame und die Nicht-Versorgungswirksame geteilt werden. Patienten, die zu letzteren gehen, werden von ihren Pflichtkrankenkassen keine Rückerstattung bekommen. Kassenstellen sollen ohne Mitsprache der Ärztekammer gestrichen werden können, es soll zu einer Gleichstellung von Ambulatorien und Kassenärzten kommen (was das heißt, wurde das letzte Mal hier erläutert), und deren Verteilung völlig neu aufgestellt werden. Dazu die Idee, Spitalsambulanzen auf Kosten niedergelassener Ärzte zu stärken. Und über alles entscheiden ausschließlich „alle wichtigen Institutionen“ – die uns aber nicht sagen, wie und warum.

   Wenn das wahr ist, ist das eine Revolution, keine Reform. Denn, meiner Einschätzung nach geht das ohne Verfassungsänderung gar nicht und widerspricht wohl auch dem EU-Recht.

   Aber das gravierendste ist, dass hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit etwas beschlossen wird, nur um die Ärztekämmerer auszuschalten. Zwar ist es verständlich, dass die überschießenden und heftigen Aktionen der Ärztekammer irgendwann einmal zu deren Ausschaltung führen müssen – aber ich frage mich, ob das der Weg ist? Denn, liege ich richtig, wird hinkünftig Gesundheitspolitik nur mehr in den hintersten Hinterzimmern „aller wichtigen Institutionen“ gemacht. Doch so ein paternalistisches, intransparentes und bürokratisches Vorgehen ist für uns alle schlecht, weil es nicht funktionieren kann.

„Wiener Zeitung“ Nr. 210 vom 27.10.2016