Mein Körper gehört mir – nicht immer

   Es ist unvernünftig, sich – sofern medizinisch möglich – nicht gegen Covid impfen zu lassen. Noch unvernünftiger ist aber eine allgemeine Impfpflicht.

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   In der Verteidigung der Covid-Impfpflicht wurden und werden sehr viele Argumente ins Feld geführt. Da erklärte etwa Agnes Sirkka Prammer von den Grünen im Parlament, die allgemeine Impfpflicht sei ein kleinerer Schaden, als das Prinzip der sozialen Krankenkassen aufzuweichen. Dieses Prinzip ermöglicht jedem – theoretisch – den gleichen Zugang „zum weltbesten Gesundheitssystem“, ohne dass das persönliche Risiko als Grundlage für die Beitragshöhe herangezogen wird. Egal, wie man sich verhält, ob man gesund lebt oder nicht, der finanzielle Beitrag ist für alle gleich. Und weil dieses Prinzip besteht, sind etwaige Selbstbehalte oder sonstige ungleiche Beteiligung Ungeimpfter an den Kosten der Gesundheitsversorgung abzulehnen. Daher, so die grüne Abgeordnete, sei die allgemeine Impfpflicht unausweichlich und eben der geringere Schaden.

   Das sehe ich ganz anders. Eine Impfung, egal wie geringfügig, ist jedenfalls ein invasiver Eingriff, der die Integrität des Köpers verletzt. Diese Integrität ist aber ein unveräußerliches Recht des Individuums – ein Menschenrecht. Es gibt dieses fundamentale Menschenrecht nicht umsonst: An ihm orientiert sich die Abschaffung der Prügelstrafe genauso wie das Ende der Sklaverei. An diesem Recht kristallisiert sich das Recht auf Abtreibung genauso wie das Verbot verstümmelnder Strafen, etwa der Brandmarkung oder des Schlitzens von Ohren, und natürlich auch der Todesstrafe.

   Die allgemeine Impfpflicht veräußert nun diese unveräußerliche Rechte, und ich hoffe, dass damit kein Präzedenzfall entsteht – denn theoretisch wäre nun etwa eine Zwangssterilisation bei Erbkrankheiten genauso wieder verhandelbar.

   Und was heißt das praktisch? Nun, stellen wir uns eine Frau vor, etwa 80 Jahre alt, Impfbefürworterin. Sie gehört zu denen, die früh geimpft wurden und daher auch früh den zweiten Stich bekam. In zeitlicher Nähe zur zweiten Impfung kam es zu einem Herzproblem – was genau, ist völlig unwichtig. Wichtig ist, dass sie ins Spital kam und dort vom behandelnden Kardiologen erfuhr, dass das wohl eine Reaktion auf die Impfung war. Damals, als eine Impfpflicht völlig ausgeschlossen schien, wurde der Vorfall nicht weiter untersucht. Warum auch, es rechnete ja keiner damit, dass Derartiges nötig würde.

   Als es nun um den dritten Stich ging, hatte diese Frau, völlig logisch, Angst und wollte ihn nicht. Daher verlor sie ihr gültiges Impfzertifikat. Versuche, vom Dritt-Stich befreit zu werden, scheiterten. Also war klar: Sie musste geduldig sein, bis die Beschränkungen aufgehoben würden. Und sie war geduldig.

   Doch jetzt kommt die Impfpflicht. Die Dame sitzt zu Hause, wird sich keine Impfung mehr geben lassen und irgendwann automatisch für ihr Verhalten bestraft – doch für welches Verhalten? Die impfwillige Impfbefürworterin hat einfach nur Todesangst, der man nicht vernünftig begegnen kann – doch die reicht eben nicht aus, weil ihr Köper in dem Fall nicht mehr ihr gehört.

   Klar, das ist eine Anekdote – aber sie ist plausibel. Es wird tausende ähnliche Fälle geben. Und das Gesetz wird diese automatisiert für ihre Angst bestrafen.

„Wiener Zeitung“ vom 27.01.2022