E-Impfpass kommt früher – er könnte längst da sein

   Manches dauert in Österreich, bis es kommt. Aber es kommt. Vielleicht.

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   Es musste also erst eine Pandemie kommen, damit tatsächlich etwas weitergeht. Die bevorstehenden Corona-Impfungen sowie die bereits laufenden Influenza-Impfungen werden nämlich als Grund genannt, die Einführung des elektronischen Impfpasses vorzuziehen. Seit Ende Oktober laufen dazu erste Pilotprojekte.

   Es hat ja nur 15 Jahre gedauert. Genauso lange haben wir nämlich die E-Card, die im Dezember 2005 den Krankenschein ablöste. Eine tolle Innovation, keine Frage. Bloß könnte man die vielen versprochenen Möglichkeiten schon lange ausschöpfen. Der archäologische Befund zeigt: Die Krankenkassen luden am 8. April 2008 zum Pressegespräch „Alle Impfungen auf einen Klick – mit dem elektronischen Impfpaß“ (sic!). Laut GfK-Umfrage waren damals 64 Prozent der Bevölkerung für eine automatische Verbindung von Impfpass und E-Card. Aber gut Ding will Weile haben, und was sind schon knapp 13 Jahre?

   Detail am Rande: Ursprünglich hatte in Wien der Gesundheitsstadtrat den E-Impfpass schon für 2020 versprochen. Der Gesundheitsminister lobte nun diesen Freitag das Tempo der Regierung, denn „man hatte ja vor kurzem noch davon geträumt, ihn 2030 einzuführen“.

   Wien startete übrigens im September 2003 – vor bloß 17 Jahren – ein Service, das via E-Mail an fällige Impfungen erinnerte. Das Ganze wurde halt irgendwann wieder still und heimlich abgestellt. Vielleicht war der Datenschutz schuld oder waren Haftungsfragen ungeklärt – oder bei der MA 15 ist bloß der zuständige Beamte in Pension gegangen. Oder aber man wollte dem Bürger einfach nicht zumuten, Impfungen selbst im System einzutragen, weil der so viel Verantwortung gar nicht selbst tragen kann.

   Die Elektronische Gesundheitsakte (Elga) lässt solche Eigenverantwortungsflausen erst gar nicht aufkommen. Eingespielt wird nur, was die Systemverantwortlichen wollen. So berichtet ein verärgerter Bandscheibenpatient, der angesichts zweier OPs seine alten Befunde einscannen und hochladen wollte, um sich beim nächsten Gang zum Arzt Mühen zu ersparen, dass ihm beschieden wurde: Rückwirkend wird ins System gar nichts aufgenommen. Aber auch akut wird offenbar ausgesiebt: Selbst sein aktueller MR-Befund wurde nicht in die Elga eingespielt. Dafür hat er vom Institut die Bilder digital mitbekommen – inklusive Abspielsoftware.

   Aber was erwartet man in einem Land, in dem mitunter im selben Spital die eine Abteilung nicht die Daten eines Patienten einer anderen abrufen kann? (Wahrscheinlich schlägt auch hier der Datenschutz zu.) Und in dem Ärzte auf die Barrikaden gegen Elga steigen, damit bloß keiner mitlesen kann. Vor den Patienten ist das System sowieso sicher – oder haben Sie schon einmal versucht, sich selbständig einzuloggen? Viel Spaß dabei.    Der Spaß hört allerdings auf, wenn es um Leben und Tod geht. So wie bei einem Fünfjährigen, der voriges Jahr nach einer Mandeloperation verblutet ist. Dessen Vater glaubt, die OP hätte womöglich gar nicht erst stattgefunden, hätte man im Spital bei der Indikationsstellung einen Blick in die Krankenakten bei Haus- und Kinderarzt werfen können. Denn laut denen waren die Mandeln vielleicht gar nicht oft genug entzündet, um die Tonsillotomie zu rechtfertigen.

„Wiener Zeitung“ vom 24.12.2020  

Impfpflicht?

Österreich gehört seit Jahrzehnten zu den Ländern mit den meisten Masernfällen – weil wir Impfmuffel sein dürfen.

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   Wir haben ein Problem mit der Durchimpfungsrate. Darunter versteht man den Bevölkerungsanteil, der zweimal geimpft wurde – empfohlen wird, dass diese Rate bei Kindern mindestens 95 Prozent betragen soll. Zwischen 2000 und 2009 meldete Österreich der OECD schwankende Durchimpfungsraten, errechnet aufgrund verkaufter Impfdosen (Impfdaten gab es keine), zwischen 74 Prozent und 81 Prozent. Damit war Österreich europaweit immer Schlusslicht.

Nun, die Masernausbrüche blieben nicht aus und verborgen, und nach einem größeren Ausbruch 2008 hat das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sich die Situation einmal angeschaut. Dabei wurde festgestellt, dass wir noch nicht einmal vernünftige Daten haben. Wir haben dann fest versprochen, dass ab 2009 das bereits für 2006 versprochene Impfregister eingerichtet sein wird, damit Impflücken identifiziert und gezielt geschlossen werden können. Das geschah natürlich nicht, womit halt weiter keine Daten erhoben werden konnten, die Impflücken offenblieben und die Masern immer wieder kamen.

Und wohl weil es einigen peinlich war, wurden ein paar Jahre keine Daten gemeldet – Kopf, Sand und so. 2014 mussten wir aber dann doch wieder etwas melden – und was lag näher, als einen Erfolg zu melden. Wegen fehlender Daten konnte ja niemand das Gegenteil beweisen. Und so behaupteten offizielle Stellen einfach mal, die Rate liege bei den empfohlenen 95 bis 96 Prozent – und das wird seither jedes Jahr gemeldet.

   Alleine – es ist falsch. Denn 2016 wurde, statt über die Verkaufszahlen zu rechnen, ein mathematisches Modell (Impfdaten gab es ja immer noch nicht) etabliert, das für 2015 von einer Durchimpfungsrate von 82 Prozent ausgeht – eine Rate, die besser zur Historie vor 2009 und den fehlenden Impfinitiativen seither passt. Man bedenke, in Italien wurde die Impfpflicht eingeführt, weil die Rate auf 86 Prozent gesunken ist – ein Wert, den wir noch nie erreicht haben.

   Wäre jetzt also auch bei uns eine allgemeine Impfpflicht eine Lösung? Nein, denn diese ist erst sinnvoll, wenn man weiß, wo und warum es Impflücken gibt, und zuerst versucht, dort Impfskeptiker (das sind noch keine Impfgegner) zu informieren und aufzuklären und dieses Feld nicht germanischen Medizinern, Loibner-Jüngern, Homöopathen oder Esoterikern überlässt. Solange die das Sagen haben, wäre eine allgemeine Impfpflicht nur kontraproduktiv.

Aber, es entsteht der Eindruck, Politiker wollen eigentlich diese Impflücken gar nicht kennen, um nicht Wählerstimmen in diesen Kreisen zu verlieren. Und genau deswegen wird auch der E-Impfpass, der 2021 kommen soll, nicht weiterhelfen. Erstens ist er eine Elga-Anwendung, die Auswertungen nicht oder kaum erlaubt, und zweitens muss, wegen der Opt-out-Regeln, niemand seine Impfungen eintragen lassen. Damit bleibt alles, wie es ist, und wir werden weiterhin mit Masernausbrüchen konfrontiert sein.

PS: Etwa jedes tausendste Kind, das sich mit Masern ansteckt, stirbt. Diese Mortalität liegt deutlich höher als die, ohne Gurt Auto zu fahren – sollten wir die Gurtenpflicht überdenken?

„Wiener Zeitung“ vom 16.05.2019  

Pro oder Contra ELGA – eine ausführliche politische Würdigung

(11 Min. Lesezeit) Alle Informationen zu haben, um einen Fall richtig einzuschätzen und die passende Therapie zu finden, das sollte doch außer Streit zu stellen sein. Und trotzdem dauert die ELGA- Diskussion nun schon so viele Jahre. Und irgendwie will sie einfach nicht aufhören – berechtigt? Ich jedenfalls bin hin und her gerissen.

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Irrtümer bei der Debatte um die elektronische Gesundheitsakte

Wie berechtigt ist die jahrelange Debatte um die Elektronische Gesundheitsakte Elga? Eine Entwirrung der Begrifflichkeiten.

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   Während der endlosen, oft inferior geführten Debatte wurde die Idee von Elga, durch raschere, orts- und zeitunabhängige Verfügbarkeit medizinischer Informationen die Versorgung von Patienten zu verbessern, immer mehr aus den Augen verloren. Die Diskussion hat sich immer stärker von der Versorgungsebene auf die (politische) Systemebene verlagert.

   Die Systemebene dient dazu, die Versorgung entsprechend der politischen Willensbildung zu regeln, also einen Rahmen abzustecken; das System selbst kann weder versorgen noch behandeln.

   Die Versorgung ihrerseits ist von der eigentlichen Behandlung zu unterscheiden. Behandlung bedeutet, dass die richtige Leistung erbracht wird. Aufgabe der Versorgung ist es sicherzustellen, dass der richtige Patient zur richtigen Zeit vom richtigen Arzt behandelt wird.

   Die Unterscheidung zwischen System- , Versorgungs- und Behandlungsebene ist alles andere als eine semantische Spitzfindigkeit; jede Ebene funktioniert nach eigenen Grundsätzen – es ist ein bisschen so wie Auto/Straße/Verkehrspolitik: Alles hängt zusammen, ist aber doch komplett unterschiedlich.

   Wenn Elga, und so war die Gesundheitsakte angedacht, zur Versorgungsebene gehört, dann dienen die in Elga enthaltenen Informationen dazu, die Behandlung zu ermöglichen und die für die Behandlung nötige und von einem besonderen Vertrauen getragene Arzt-Patienten-Beziehung effektiver und zielgerichteter zu gestalten – also darauf zu achten, dass der richtige Patienten schneller beim richtigen Arzt ist, um dort die richtige Behandlung zu erhalten.

   Was Elga dann nicht kann, ist die Versorgung zu regeln oder zu kontrollieren, und schon gar nicht kann Elga den strukturellen Reformstau beheben – das sind definitiv Aufgaben der Systemebene.

   Nichtsdestotrotz wird Elga als Instrument der Systemebene gehandelt. Politiker sehen in Elga ein Instrument, das System transparenter zu machen, Kosten zu sparen und bekannte Systemprobleme (zum Beispiel die hochgradige Fragmentierung der Kompetenzen) aufzubrechen und zu lösen. Dinge, die Elga eigentlich nicht tun sollte und kann.

   Wird Elga als Kontroll- und Steuerungsinstrument, also als Instrument der Systemebene, eingerichtet, ist abzusehen, dass die Informationen, die dort gespeichert werden, nicht dazu dienen werden, die Versorgung zu verbessern. Die Daten werden zunehmend so eingespeist, dass sie der Kontrolle entsprechen (also Absicherungsmedizin fördern), aber nicht so, dass verschiedene Ärzte entlang einer Patientenkarriere miteinander kommunizieren und arbeiten können. In weiterer Folge besteht das Risiko, dass Elga für die Behandlungsebene unbrauchbar wird.

   Wenn es nicht gelingt, die wesentlichen Beteiligten – die behandelnden Ärzte und Patienten – davon zu überzeugen, dass Elga ausschließlich ihnen dient und sonst niemandem, wird Elga zu einem teuren Datenfriedhof, der am Ende die Versorgung nicht verbessert, sondern verschlechtert. Damit wird das System intransparenter, teurer und die Systemprobleme werden größer.

„Wiener Zeitung“ Nr. 016 vom 23.01.2014  

Nutzen einer elektronischen Patientenakte (ELGA)

 Management Summary

 

Die IAS Horn stellt eine Einrichtung dar, die eine abgestufte Versorgung zwischen „rein“ intramural und „rein“ extramural ermöglicht. Als Reformpoolprojekt ist sie weder dem einen noch dem anderen Bereich eindeutig zuzuordnen und kann nach selbsterstellten Regeln arbeiten.

Der gesamte Patientenweg wird elektronisch erfasst. Die elektronische Patientenakte, die historische Informationen über stationäre Aufenthalte im Haus und etwaige Vorbesuche in der IAS enthält, wird bei Aufnahme durch die Administration freigegeben und erscheint auf den Displays in den Behandlungszimmern. Diese sind wie eine „normale“ Hausarztpraxis ausgestattet. Die IAS verfügt weder über ein Labor noch über eine radiologische Ausstattung oder ein Ultraschall (US)-Gerät. Die Behandlungszimmer sind 7 Tage in der Woche, 24 Stunden pro Tag durch Ärzte mit jus practicandi (Allgemeinmediziner AM) besetzt. Das Leistungsspektrum entspricht dem eines niedergelassenen AM (eine Mitgabe von Medikamenten, bzw. das Ausstellen eines Kassenrezeptes, sowie ein „Krankschreiben“ ist NICHT möglich!). Zur Diagnostik können radiologische und labortechnische Dienstleistungen angefordert werden. Sollte für die Entscheidung ambulant statt stationär ein Facharzt-Konsil nötig sein, kann der AM eines anfordern. Verantwortlich für die Entlassung ist der behandelnde AM. Er muss den Akt schließen. Dazu muss eine vollständige Dokumentation vorhanden sein, die auch eine Diagnosen- und Leistungsdokumentation nach standardisierten Katalogen (ICD10 und Katalog ambulanter Leistungen) enthält.

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Die Anti-ELGA Kampagne der Wiener Ärztekammer

Sehr laut und mit heftigen Begleitumständen verbunden ist sie, die Kampagne, die die Wiener Ärztekammer gegen ELGA fährt!

Neben polemischen Slogans wie „ELGA kostet Sie Ihr letztes Hemd“ und „ELGA stellt Sie vor den anderen bloß“ werden nackte Menschen auf Postern und Inseraten dargestellt. Folder mit „nackte Fakten“ und Sonderausgaben  von Kammerzeitungen flattern jedem Arzt ins Haus, dazu kommen noch Pamphlete wahlwerbender Splittergruppen – denn es herrscht Ärztekammer-Wahlkampf. Selbst  ein Youtube-Video, in dem Vizepräsident Dr.Johannes Steinhart erklärt, was ELGA in „Wahrheit“ bringen wird, gehört zur „Informationsoffensive“. Fast eine halbe  Million Euro, bezahlt aus Ärztekammerbeiträgen, werden ausgegeben, um klar zu machen, dass ELGA böse ist, furchtbar böse.

Die Strategie dazu ist simpel und biblisch: „Wer nicht für mich ist, ist gegen mich“. Das bedeutet, der Feind (i.e. das Ministerium), und alles was er berührt. ist böse. Dabei werden auch alle Unterlagen des Feindes oder jener, die sich nicht eindeutig gegen ELGA aussprechen, pauschal als falsch und böse dargestellt. ELGA wird zur Ideologiefrage hochstilisiert, weit weg von jeglicher Sachebene!

Und so verwundert es nicht, wenn, wie die Kammer meint, dass in allen, außer den eigenen Berechnungen, gravierende Rechenfehler enthalten sind. Der Beleg dafür fehlt freilich, oder ist wenigstens nicht öffentlich zugänglich. Und wie es sich gehört, ist der, der nach Details fragt ebenfalls böse. Das erspart eine detaillierte Darstellung der eigenen Meinung. Wobei, was Transparenz betrifft, das Ministerium der Ärztekammer um nichts nachsteht. Die Studie, auf die sich das Ministerium beruft wurde längst wieder von der Homepage genommen, konnte aber glücklicherweise in einer der vielen Varianten, die es gab, hier gesichert werden.

Aber wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen, sollte man meinen, und die Informationen der Ärztekammer deuten darauf hin, dass dieser Spruch ernst genommen werden sollte – wenn es wirklich um objektive Information ginge!

Bei einer [protected](Detailanalyse)[/protected]der kämmerlichen Publikationen, erweisen sich eigentlich alle Angaben als unplausibel.

(1) von den selbst errechneten 1,22Mrd.€, die die Ärzte in den nächsten 10 Jahren aufbringen müßten (zwei Drittel der kämmerlich angenommenen ELGA-Gesamtkosten von 1,87Mrd.€) bleiben möglicherweise nur 250 Mio.€ übrig. Nebenbei bemerkt, die Rechnungen wurden von einer Steuerberatungskanzlei durchgeführt, deren Inhaber zufällig Präsident der Kammer der Wirtschaftstreuhänder ist – ob hier die eine Kammer der anderen hilft, sich gegen lästige Einmischungen demokratisch legitimierter Politiker zu wehren?

(2) die kommunizierten „negativ“- Beispiele der ELGA- Initiativen anderer Länder sind schlecht recherchiert, und „positiv“- Beispiele werden gleich gar nicht erwähnt.

(3) der Nutzen einer ELGA wird generell negiert, mehr noch, es werden „neueste“ Studienergebnisse präsentiert, die sogar nachweisen, dass die Menschen durch ELGA öfter sterben, als ohne! Nachrecherchiert, sind das Studien aus 2005 (!), die alles andere als geeignet sind, Generalisierungen abzuleiten.

(4) die technischen Grundlagen werden so dargestellt, als ob es zu einer zentralen Datenspeicherung mit unkontrolliertem und quasi freiem Zugang für 120.000 Menschen kommt, die jeden Patienten ausschnüffeln können – obwohl das technisch nicht möglich ist, mehr noch, verglichen mit heute der Datenschutz sogar verbessert würde!

(5) und zu allem Überfluss wird es, so wird suggeriert, wegen den horrenden Kosten zu spürbaren Rationierungen kommen müssen! Die ELGA-Gesamtkosten liegen selbst wenn man sie hoch annimt bei nicht mehr als 0,5% bis 1% der öffentlichen Ausgaben für Gesundheitsversorgung – und damit in der statistischen Unschärfe. Daraus Rationierung abzuleiten ist Chuzpe.

Jedenfalls werden in den öffentlich zugänglichen Unterlagen und dem Video der Informationsoffensive fremde Zahlen, Daten und Fakten nicht, dafür eigene „nackte Fakten“ präsentiert. Die Informationen, die man so findet, sind, na sagen wir mal, allesamt semi-falsch. Das ist wichtig, denn mit Halbwahrheiten kommt man rechtlich durch, aber für den der sich nicht auskennt, bei dem kommen sie sicher falsch an! Das sind moderne Kampfstrategien, ohne Schwert dafür mit machiavellischen Hintergedanken!

Detailanalyse der Anti-ELGA Kampagne der Wiener Ärztekammer

Ein sehr verwirrendes Zahlenspiel

Eine der am häufigsten wahrgenommenen Aussagen der Ärztekammer rund um ELGA  ist, dass diese in 10 Jahren 2 Mrd.€ kosten wird. Beim Studium der Unterlagen  stellt man fest, dass das wohl eine Übertreibung der eigenen Zahlen ist. Schließlich sprechen selbst die kämmerlich vorgelegten Berechnungen auf Seite 9 der Sonderzeitung  „nur“ von 1,873 Mrd.€ –  127 Mio,€ fallen da also unter den Tisch oder eben oben drauf.

Solche Übertreibungen würden mich nicht weiter stören, gehören sie doch zum politischen Geschäft (wiewohl mir nicht klar ist, warum eine Kammer Politik machen muss), wenn da nicht andere Zahlen, sehr viel niedrigere Zahlen, dramatisiert würden. Im Youtube-Video des Vizepräsidenten Steinhart kann man erfahren, dass das Wiener AKH wegen 9 Mio.€ vor dem ABGRUND stand. Nun, wenn ich rechnen kann, dann könnte man mit den Unterschlagenen 127 Mio.€ das AKH 14 Jahre lang vor dem Abgrund bewahren – 127 Mio.€ sind kein Lüferl!

Nun, irgendwie lässt sich der Eindruck nicht verwehren, dass es bei den kolportierten 2 Mrd.€ weniger darum geht zu Informieren, als Panik zu machen. In dem Fall sind natürlich logische Einwände vergebens.

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Mehr oder weniger geheime ELGA-Studie

Diese Studie wurde 2008 erstellt, war dann ganz kurz online, um dann wieder zu verschwinden. Da es sehr viele Varianter dieser Studie gab – je nach politischem Verhandlungsstand (und hier wurde massiv verhandelt, als ob man  wissenschaftlichen Ergebnisse verhandeln könnte?!?) – kann ich keine Garantie übernehmen, dass diese wirklich die „endgültige“ ist.

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Die E-Medikation und ihr politischer Hintergrund

Die E-Medikation hätte viel Potential gehabt. Aber sie ist zwischen die Fronten geraten und wird dort entweder verenden oder zum Krüppel geschossen.

Das Dilemma begann 2004, als der EuGH überlegte, ob Österreich Internetapotheken verbieten darf, um die Monopole der Apotheken zu schützen. Die EU erlaubt so was nur unter qualitativen Aspekten. Tja, und das war das Problem: Die persönliche Beratung, die jene Qualität darstellen sollte, wurde durch Mystery-Shoppingtouren nicht gerade ins „richtige“ Licht gerückt. Um die Privilegien zu retten, kam der Gedanke auf, die Beratungsleistung zu intensivieren. Der „Arzneimittel-Sicherheitsgurt“ (AMSG) wurde geboren.

Apotheker legten für Patienten persönliche und in allen Apotheken abrufbare Datenbanken an. Darin wurden alle Medikamente erfasst, egal ob von verschiedenen Ärzten verschrieben oder rezeptfrei selbst gekauft. Jede Apotheke hat so eine vollständige Medikamentenliste für jeden Patienten per Knopfdruck. Und statt nur einfach eine Liste vorzuhalten, wollten (mussten) sie auch über unerwünschte Nebenwirkungen, Wechselwirkungen, Eignung des Medikaments und anderes mehr „informieren“. Nach außen, insbesondere Richtung EU, wurde das als Patientensicherheit verkauft, die nur durch persönliche Beratung möglich ist.

Dass die Ärzte aufgeschrien haben war klar und auch zu Recht. Denn damit wird in die Behandlungshoheit eingegriffen. Nicht jede unerwünschte Nebenwirkung ist auch eine unerwartete, und wenn Apotheker Patienten durch nicht-ärztliche Informationen verwirren, dann kann das schaden. Die Idee, mit dem AMSG unerwünschte Zwischenfälle zu vermeiden, wurde zudem im Rahmen eines Pilotprojektes ins Reich der Theorie verbannt.

Aber der Zug war abgefahren. Die Politik nahm dieses Projekt auf; hauptsächlich wohl deswegen, weil sie endlich etwas hatte, was sie mit der „elektronischen Gesundheitsakte“ (ELGA) – einer never ending story aus dem letzten Jahrtausend – verknüpfen konnte.

Und so wurde der Hauptverband mit der Umsetzung der E-Medikation – so heißt das nun – beauftragt. Der war alles andere als abgeneigt. Einerseits haben die Apotheker versprochen, Millionen Euro einzusparen, andererseits könnte endlich auch genau kontrolliert werden, welcher Arzt welche Patienten wie behandelt.

Kontrolle, die ist der Ärztekammer ein Dorn im Auge. Jegliche externe Kontrolle ist Majestätsbeleidigung; und hier dämmert gleich eine Doppelte heran: Transparente Medikation und eine „Eintrittspforte“ für die ELGA, dem ultimativen Kontrollinstrument, das verhindert werden muss. Als der erste Modellversuch aber nicht mehr zu verhindern war, wurden dann die Argumente richtig hanebüchen: Die Software der E-Medikation wurde vom Hauptverband nicht gesetzeskonform eingekauft. Daher muss der Modellversuch im Sinne der Patientensicherheit sofort gestoppt werden – Äh? Lächerlich – aber eben symptomatisch für den Kleinkrieg in unserem Gesundheitssystem!

Die E-Medikation hätte viel Potential gehabt. Zwar nicht bei der Vermeidung von Nebenwirkungen oder beim Sparen, aber bei der Vermeidung unzuverlässiger Medikamentenanamnesen. Millionen von ärztlichen Arbeitsstunden gehen drauf, nur um zu erfragen, welche Medikamente der Patient nimmt. Genau dort wäre die E-Medikation wirklich hilfreich! Jetzt aber werden all die Ärzte, die täglich den Medikamentenlisten der Patienten nachlaufen, es weiter tun; denn egal welche Kompromisse in diesem Machtkampf gefunden werden, eine verlässliche, patientenbezogene, auf Knopfdruck erhältliche Medikamentenliste kommt nicht mehr heraus.

Dieser Artikel wurde im Juli 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

ELGA und der politische Sumpf

Rund um die ELGA geht nichts weiter? Doch, Pfründe und Lehen werden verteilt – unter den üblichen Verdächtigen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Sie gehen zum Arzt, geben ihre E-Card ab und der Arzt kann sich über relevante Befunde, inklusive der Medikamente, die Sie nehmen, informieren. Er soll alle Informationen haben, die er braucht, um Ihren Fall richtig einzuschätzen und gemeinsam mit Ihnen die richtige Therapie zu finden. Eine Therapie, die anderen nicht widerspricht oder diese gar unwirksam macht, eine Therapie, die zu Ihrer individuellen Situation passt. So soll gute medizinische Versorgung im 21. Jahrhundert funktionieren.

Ist das so schwer zu verstehen? Nein! Ist das in der heutigen Zeit, in der Medizin spezialisiert und unübersichtlich ist, nötig? Ja! Und wie kann man das anstellen – mit der ELGA, der elektronischen Gesundheitsakte.

Natürlich ist das Umsetzen nicht einfach; wenn man wollte, könnte man aber. Doch nichts passiert, stattdessen wird rund um die ELGA der Sumpf immer tiefer.

Zwar loben jene, die sich mehr um Macht als den Patienten kümmern, die Fortschritte in dieser endlosen Geschichte. So soll es ein Meilenstein sein, dass aus der früheren ELGA-Arbeitsgruppe nun eine GmbH wurde. Genauer betrachtet hat sich aber nichts geändert, außer vielleicht, dass es jetzt zwei gut bezahlte Geschäftsführer gibt – einen schwarzen und einen roten! Und weil es ins Bild passt, sind auch gleich nebulose Immobiliendeals im Umfeld zu vermuten. Meilensteine eben!

Aber auch das Paradestück der ELGA, die sogenannte E-Medikation ist so eine Sache. Angeblich bereits zu 99,9 Prozent fertig, schaut die Realität anders aus.

Nachdem man (wer und warum?) sich nicht einigen konnte, was in dieser elektronischen Medikamentenliste stehen soll, greift man auf den „guten“ alten Arzneimittelsicherheitsgurt (AMSG) zurück.

Der Grund, warum man sich nicht einigen konnte, ist ein Klassiker. Die Apotheker wollen keinesfalls auch jene Medikamente eintragen, die sie ohne Einbindung von Ärzten verkaufen. Das betrifft meist rezeptfreie Produkte. Da stört es nicht, wenn die Evaluierung des AMSG zeigt, dass gerade bei den rezeptfreien Produkten der Wechselwirkungsalarm häufiger ausgelöst wurde, als bei den rezeptpflichtigen. Es ist also klar, sollte eine elektronische Medikamentenliste funktionieren, muss eben alles drinnen stehen. Aber man kann sich doch nicht in die Karten schauen lassen! Patientensicherheit hin oder her!

Apropos Evaluierung; die vorliegenden Daten sind so schlecht und ungenügend, dass keine, dem Patienten hilfreiche, Umsetzung zu erwarten ist. Das macht aber nichts. Das Ministerium kauft den Apothekern den AMSG trotzdem ab, für 1,9 Millionen Euro. Kaum jemand wird sich erinnern, dass der AMSG als geschenkter Beitrag der Apotheker zu Gesundheitsreform 2006 gefeiert wurde. Die Kosten haben damals 640.000 Euro ausgemacht, die Hälfte kam vom Hauptverband. So wie es jetzt aussieht, können sich die Apotheker freuen. Ihr angebliches Geschenk wird, nur drei Jahre später, 1,6 Millionen Gewinn abwerfen. Und weil der AMSG in der jetzigen Form nicht für eine österreichweite Umsetzung geeignet ist, wird er dann gleich um 1,2 Millionen umgebaut – alles aus Steuergeldern!

Und damit ja kein Geld oder Einfluss verloren geht, wird das ganze „in-House“ gemacht. Externe, private Firmen kommen nicht zu Zug, selbst wenn das nicht EU-konform ist. Wen interessiert’s? Wer aus Wettbewerbsgründen klagen will, der wird sehen, was er davon hat, sich mit den Mächtigen anzulegen. Geschäftsfördernd wäre so etwas sicher nicht!

Dieser Artikel wurde im März 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.