Karriere nach dem Turnus

Skurril, wie man junge Ärzte nach ihrer Ausbildung zum Hausarzt auf die Zukunft vorbereiten will. Da ist wohl noch einiges zu überdenken.

An was denkt man wohl, wenn man Osteopathie, Neuraltherapie, angewandte Kinesiologie, chinesische Diagnostik und Arzneitherapie, anthroposophische Medizin, orthomolekulare Medizin, moderne F. X. Mayr Medizin oder Homotoxikologie hört?

Da fallen mir als Pathologe und geeichten Schulmediziner Dinge ein wie: Alternative Medizin für die, die es sich leisten können und wollen, Firlefanz nach dem Prinzip “Hilft’s net, schad’t’s net“, vollkommen zurecht keine Leistungen auf Krankenschein etc.

Keinesfalls käme ich auf die Idee, darin Karrierechancen für angehende Hausärzte zu sehen, die sich nach einer Krankenhaus- und Gerätemedizin-lastigen Ausbildung mit Fokus auf Blut abnehmen und Infusionen anhängen (man spricht auch gerne und abfällig von Fachärzten für periphere Venepunktion) auf ihre Zukunft vorbereiten sollen. Und doch ist es so.

In einem Folder der Ärztekammer für Wien mit dem Titel „Karriere nach dem Turnus“, werden Turnusärzte eingeladen, sich auf die Zeit danach vorzubereiten. An 15 avisierten Abenden sollen karrierefördernde „Zusatzqualifikationen“ vorgestellt werden, die, neben wenigen vernünftigen Vorschläge wie Geriatrie und Palliativmedizin (dafür ist nur ein Abend reserviert), mit dem Bild des Hausarztes aber auch gar nichts zu tun haben.

Keine Rede von z.B. „Koordination zwischen Leistungserbringern verschiedener Ebenen für chronisch Kranke (Fachärzte, stationärer Bereich, Apotheken, soziale und medizinische Dienste)“ oder „Systematische Primär- und Sekundär- und Tertiärprävention“ oder „Strukturiertes Management der Patientenbetreuung unter Kosten-Nutzenüberlegungen (prä- und poststationäres Management, Voruntersuchung und Vorbereitung für geplante Eingriffe,..)“ oder „Durchführung und Koordination der palliativmedizinischen Betreuung in häuslicher Umgebung und in Pflegeheimen in Kooperation mit anderen Berufsgruppen“ oder „Betreuung und Management von Mehrfacherkrankten“ oder „Problemerkennung und Intervention im Sozialbereich“ oder schlicht die „Hauskrankenbehandlung“ – alles Themen, die nicht nur nach Meinung der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin zur Rolle der Hausärzte gehören – und deren Beherrschung karriereförderlich sein sollte!

Für diese Fertigkeiten gibt es aber keine Ärztekammer-Diplome, aber auch keine Ausbildung im Turnus. Diese Qualifikationen müssen wohl angeboren sein, strukturiert erwerben kann man sie nicht.

Andererseits ist es verständlich, dass die Ärztekammer dafür keine Ausbildungsschiene etabliert. Von den etwa 1.000 Ärzten, die jährlich fertig zum Hausarzt ausgebildet werden, haben vielleicht 200 Chancen auf einen Kassenvertrag; wenn sie sich so einen überhaupt selbst zutrauen (was ich nicht würde mit der jetzigen Ausbildung). Einige hundert werden das Glück haben, eine Facharztausbildungsstelle zu ergattern und damit vielleicht auch die Chance in einer sicheren Anstellung zu bleiben oder wenigstens noch eine Galgenfrist rauszuschlagen.

Der Rest – mehrere hundert pro Jahr – werden in den freien Markt gespuckt. Und dort, im kassenfreien Raum, kann man als „Wahl-Hausarzt“ nur überleben, wenn man sich auf Einnahmen konzentriert, die nichts mit Schul- und Kassenmedizin zu tun haben. Gleichzeitig, als nicht unerwünschter Nebeneffekt, werden sich so „zusatzqualifizierten“ Ärzte auch nicht um den Kassenkuchen, der ohnehin schon für die etablierten Kassenärzte kaum mehr reicht, anstellen.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Sechs Stunden Wartezimmer

Ärztemangel, zu wenig Geld, Neoliberale – alles ist Schuld am fortschreitenden Versagen des Gesundheitssystems, aber nicht Struktur und Politik! Oder?

Es ist 10:30 Uhr, und er sitzt seit zweieinhalb Stunden im Wartezimmer. In der Früh ist er aufgewacht und hat, zu dem seit einer Woche bestehenden Husten, 39 Grad Fieber bekommen.

Als er endlich drankommt, hat der Arzt vier Minuten Zeit. Dieser hört ihn ab, verschreibt ihm Antibiotika und überweist ihn zur Sicherheit an den Radiologen.

Adresse samt Lageplan des nächsten Röntgeninstituts – eigentlich ein netter Service – hat ihm die Sprechstundenhilfe mit Rezept und Überweisung in die Hand gedrückt.

Beim Radiologen kommt er überraschend schnell dran. Nur zwanzig Minuten nach seinem Eintreffen ist das Röntgen fertig. Allerdings wartet er dann eineinhalb Stunden auf den Befund. Es ist jetzt 14:30 und er ruft beim Hausarzt an, ob er noch vorbei kommen könne. „Nein, heute nicht mehr. Kommen Sie gleich morgen Früh.“

Um 8:00 ist er dort. Als er drankommt, ist es 9:45 Uhr. Der Arzt schaut auf das Röntgen und sagt, dass die Antibiotika schon gut sind, allerdings gefalle ihm das Bild nicht richtig und überweist ihn ohne weiteren Kommentar an einen Lungenfacharzt. Um 9:50 verlässt er die Praxis mit einer neuen Überweisung.

Zuhause angekommen, versucht er einen Termin zu kriegen. Die beiden ersten Lungenfachärzte, die er anruft, teilen mit, dass sie keine Kassenpatienten mehr nehmen können. Erst beim dritten erhält er einen Termin – in drei Wochen! Das nächste Mal, so beschließt er, fährt er gleich in Krankenhaus; da muss man weniger warten, nicht herumfahren und hat seine Diagnose sicher innerhalb von einem Tag!

Was ist denn da los? Wenn man als Patient nach zweit Tagen und 6 Stunden Wartezimmer noch immer seine Diagnose nicht hat, jedenfalls ein Organisationsproblem. Aber es könnte auch ein Ärztemangel vorliegen, wenn man die Wartezeiten ansieht. Doch ist das so?

Betrachtet man die offiziellen Zahlen der OECD, dann haben wir mit 3,7 Ärzte (ohne Zahnärzte) pro 1.000 Einwohner eigentlich gar nicht so wenige Ärzte. Genau genommen sogar viele, da die meisten westeuropäischen Länder weniger haben.

Von den etwa 29.000 fertig ausgebildeten Ärzten arbeiten 12.000 im Krankenhaus. 17.000 sind niedergelassene Ärzte. Von letzteren jedoch haben nur knapp 8.000 einen Kassenvertrag, der Rest sind meist Wahlärzte. Nehmen wir an, 20 Prozent der Bevölkerung kann und will sich den Luxus eines Wahlarztes leisten und rechnen dann auf die Restbevölkerung nur Kassen- und Spitalsärzte. Plötzlich haben wir nur mehr 3 Ärzte pro 1.000 Einwohner. Mit dieser Zahl, landen wir auf den hintersten Rängen, knapp vor Großbritannien und Finnland.

Und schon wird die Sache klar. Uns fehlt es nicht an Ärzten, sondern an Kassenärzten. Noch klarer wird es, wenn wir bemerken, dass die Zahl der Kassenstellen wenigstens seit 1995 (soweit reichen meine Zahlen zurück) unverändert ist, gleichzeitig aber die demographische Veränderung – Stichwort Alterung – immer mehr Ärzte erfordern würde.

Es ist also kein Wunder, dass die Ambulanzen immer voller werden und die Patienten immer schwieriger einen Kassenarzttermin, insbesondere beim Facharzt ergattern können, ja sogar von Kassenärzten abgewiesen werden, auch wenn letzteres meiner Meinung nach nicht korrekt ist.

Und statt sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, was erleben wir tagtäglich? Die Finanzierung der Kassen muss gesichert werden! Nein, Geld ist nicht das Problem, es sind unsere überkommenen Strukturen – die allerdings, will keiner angreifen.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Der nächste Sündenfall

Jetzt haben wir (k)ein neues Kapitel in der Gesundheitsreform, wieder Einahmenseitiges und wieder ein Stück weiter weg von Demokratie und Kostenwahrheit.

Dass die Kassen neues Geld kriegen, darf nicht verwundern. Standhafte Politiker hat es vermutlich nie gegeben – sie entstammen einer Sagenwelt, wie die Gesundheitsreform. Und folgt man den Aussagen des Gesundheitsministers in Alpbach, dann ist die Reform dort auch gut aufgehoben. Das beste System braucht keine, schon gar keine Strukturreform, nur eine Weiterentwicklung. Dass über eine Kassenreform nachweislich seit den frühen 1960er Jahren diskutiert wird, dürfte an der für Österreich typischen Reformfreudigkeit liegen. Reformen um der Reformen willen, das macht das Land aus!?

So ist auch das Kassenpaket zu sehen. Die kriegen frisches Geld. Der Steueranteil an deren Einnahmen wird über 25 Prozent (weit über 3 Mrd. Euro jährlich) betragen – aber ohne Reform, also mehr Mitspracherecht des Steuerzahlers. Ganz im Gegenteil, demokratisch legitimierte Volksvertreter haben weniger Einfluss denn je! Kassen werden künftig so agieren, wie sie es sich mit der Ärztekammer ausmachen. Die anderen sollen schweigen und zahlen.

Klar wird das neue Geld öffentlichkeitswirksam an Bedingungen geknüpft – man will zeigen, dass dieses Land noch von einer Regierung regiert wird. So müssen die Kassen belegen, dass sie die ominösen 1,7 Mrd. Euro Einsparungen wirklich realisieren. Einmal abgesehen, dass die dahinterstehenden Milchmädchenrechnungen nicht nachvollziehbar sind, erinnert mich das an jene Auflagen, die die Länder 2005 erhalten haben. Diese mussten gesetzlich innerhalb von vier Jahren 300 Millionen Euro (weniger als 1% p.a.) in den Spitälern einsparen. Als dann 2008 der neue Finanzausgleich vorgezogen wurde, und der Bund den Nachweis verlangte – der natürlich nicht erbracht werden konnte – hat man einfach ins Gesetzt geschrieben, dass die vorgeschriebenen Einsparungen als erbracht betrachtet werden – so leicht ist das, wenn man das Gewaltmonopol hat!

Bleibt der Prosateil des Kassensanierungspapiers. Da steht viel drinnen – lauter Absichtserklärungen. Und auch dafür gibt es historische Beispiele. Wussten Sie z.B., dass bereits 1996 beschlossen wurde, einen Stellenplan für alle niedergelassenen Ärzte verbindlich einzuführen? Jetzt steht das wieder drinnen, und wird als Verhandlungserfolg verkauft. 2005 wurden zum Erhalt der Qualität in Spitälern Mindestfrequenzen gesetzlich fixiert! Kleinstkrankenhäuser wie Bad Aussee stehen aber fester denn je. Papierene Reformen wurden noch nie umgesetzt!

Kommen wir zu den Ländern. Dass deren Sparwille mehr als unterentwickelt ist, ist bekannt. Was werden diese nach dieser Kassen-Einigung denken!? Das die Länder pleite sind, wird offensichtlich. Dass so gut wie jedes Bundesland – trotz anderslautender Meldungen – die Bau- und Investitionsprogramme nach hinten streckt ist nur ein kleines Zeichen. Dass aber bereits in zwei Ländern die Landeskrankenhäuser trotz Landeshaftung keine Bankkredite mehr kriegen, wäre anderswo ein Alarmsignal! Oder doch nicht?

Wenn der Finanzminister schon Kassen nicht in den Konkurs schickt, was wird er erst unternehmen, um die Länder zu retten? Wenn er jetzt so einfach pro Jahr eine Viertel Milliarde Euro zusätzlich aus unseren Taschen zieht, dann werden die Länder für ihre Krankenhäuser sicher eine halbe, oder gleich eine ganze Milliarde mehr kriegen!?

Und dann schaue ich in die Augen meines zweijährigen Sohnes und frage mich: „Wie willst du das alles bezahlen – oder willst du das überhaupt bezahlen?“

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Umgehungsmaßnahmen und „Betrügereien“

Wären Ärzte nicht bereit, das System zu umgehen, um ihre Patienten versorgen zu können, würde die Versorgung längst nicht mehr funktionieren.

Frau M. ist 75, Witwe, ihre Kinder sind von Wien weggezogen, ihre Freunde größtenteils unter der Erde. Frau M geht es so eigentlich gut, aber natürlich ist sie mit 75 nicht mehr ganz gesund. Sie geht, teils weil nötig, größtenteils jedoch weil sie Ansprache erhält, ein bis zwei Mal pro Woche zu ihrem Hausarzt Dr. H. Der ist noch beseelt von seinem Beruf und gehört zu denen, die ihre „seelsorgerische“ Funktion wahrnehmen. Er empfängt Frau M. wirklich fast jedes Mal, um sie zu untersuchen. Klar weiß er, dass er nichts finden wird, aber die „therapeutische Untersuchung“ ist halt was, was zu seinem Beruf gehört.

Eine solche „therapeutische Untersuchung“ nimmt, mit Dokumentation in etwa 10 Minuten seiner Zeit in Anspruch. Da er Frau M. pro Quartal etwa 14 Mal sieht, bedeutet das etwa 140 Minuten seiner Arbeitszeit. Von der Kassa erhält er pro Quartal eine Pauschale inkl. Hausarztzuschlag von 29,50 EURO. Sagen wir, dass ein Drittel davon in die Aufrechterhaltung der Infrastruktur (Miete, Personal, Heizung etc) fließen, dann bleibt für seine Zeit ein Stundenlohn von 8,60 EURO. Würde man das jetzt auf 14 Gehälter und unter Anrechnung der Urlaubszeit umrechnen, sind das heiße 6,20 pro Stunde – brutto!

Davon eine Familie ernähren geht nicht. Also was tut Dr. H.? Einerseits könnte er, wie viele seiner Kollegen, Frau M. sofort weiterüberweisen – am besten in die Spitalsambulanz; was rechtens wäre, aber nicht patientenorientiert (und für uns sehr teuer). Andererseits könnte er bei jedem oder jedem zweiten Besuch ein EKG schreiben. Pro EKG kriegt er 10 EURO und das bessert seinen Stundenlohn auf. Rechtens ist das nicht, weil er nur Leistungen erbringen darf, die das Maß des Notwendigen nicht überschreiten; und sooft ein EKG zu schreiben, ist definitiv nicht nötig. Trotzdem hat Dr. H. sich dafür entschieden. Jetzt hat Frau M. eines der bestdokumentierten gesunden Herzen, und Dr. H. fühlt sich wohl, geholfen zu haben, ohne dass seine Familie verhungern muss – dass er damit das System „betrügt“, ist ihm, seiner Patientin und wohl auch den meisten Entscheidungsträgern in der Kasse egal. Es weiß da wie dort ohnehin jeder, dass die Versorgung zusammenbrechen muss, wenn alle Hausärzte Dienst nach Vorschrift machten.

Aber auch im Spital wird das System untergraben. Hierzulande liegen wir 40 Prozent häufiger mit Pneumonie und gleich 300 Prozent öfter mit chronischem Herzversagen im Krankenhaus als die Deutschen. Klar könnten wir glauben, dass wir viel kränker sind und deswegen häufiger ins Spital müssen – rechtlich darf dort nämlich nur liegen, wer aus medizinischen Gründen einer stationären Versorgung bedarf. Real ist das natürlich anders. Wenn heute ein Patient ins Spital kommt, und der Arzt sich nicht sicher ist, ob die ambulante Versorgung, sei sie pflegerisch oder medizinisch, garantiert ist, dann nimmt er den Patienten halt mit irgendeiner Diagnose auf – Gesetz hin, Gesetz her.

Unser System ist schlecht. Keine Rede davon, dass es die realen Bedürfnisse der Versorgung unterstützt, im Gegenteil wird es täglich hinderlicher. Gott sei dank, lebt die Versorgung von Menschen mit Rückgrad, denen Systemvorschriften wurscht sind, wenn sie Patienten helfen müssen. Schade allerdings, dass sie dabei immer „krimineller“ werden. Und das nur, weil die Systemverantwortlichen an Machterhalt interessiert sind, und die eigentliche Versorgung längst aus dem Blick verloren haben.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Machtmissbrauch im Gesundheitssystem

Der Kampf, wer jetzt die Hand sein darf, die alles finanziert, ist ausgebrochen – um in die Organisation einzugreifen und seine Macht auszudehnen!

Chronisch krank sind sie, die beiden Burschen, die letzthin in einer ORF-Sendung zu sehen waren, und ein Paradebeispiel für die Systemfehler. Die beiden brauchen, damit die Folgen ihrer genetischen Krankheit das Leben nicht in Unerträglichkeit verwandeln, regelmäßig Physiotherapie. Doch wer bezahlt diese? Klar ist, beide sind Pflegefälle und es besteht, wie bei allen chronischen Krankheiten, keine Chance auf Heilung, sondern nur auf Linderung. Und weil das so ist, leben sie zwischen den Welten.

Wenn sie zuhause wundliegen oder wegen fehlender Bewegung Lungenentzündungen kriegen, ja, dann erhalten sie ihre (dann viel teureren) Therapien von der Krankenkasse. Durch regelmäßige Physiotherapie Wundliegen und Pneumonie zu vermeiden, das ist nicht Sache der Kassen. Zwar müssen diese Therapien bezahlen, wenn eine Verschlechterung einer Krankheit vermieden werden kann, aber wie ist das bei unheilbaren Krankheiten? In diesem Fall kommt das Argument, dass die Länder zahlen müssen – weil es ja Pflegefälle sind. Länder allerdings sehen ihre Aufgabe darin, Pflegeheime zu finanzieren. Kosten für Physiotherapie zu übernehmen, um eine Einweisung in ein Heim zu vermeiden, also präventiv tätig zu werden, das steht nicht auf deren Aufgabenliste – dafür ist wer anderer zuständig, oder?

Es ist ein zynisches Spiel, das hinter all dem steht. Es ist der Versuch, möglichst dem anderen Kosten zu überlassen. Das geht nicht nur bei den Welten Pflege-Krankenversorgung so, auch bei der Prävention, der Rehabilitation und der Palliativversorgung ist es das gleiche – schlicht überall dort, wo die Finanzierung jeweils jemand anderem gehört. Und am Ende ist das alles nicht nur sauteuer, sondern vor allem unmenschlich.

Deswegen, und wegen nichts anderem, braucht man die Finanzierung aus einer Hand. Das Spiel der betriebswirtschaftlichen Optimierung der einzelnen Finanziers, die noch dazu allesamt Pflicht-Institutionen sind – niemand darf aus diesem Spiel aussteigen und dank Selbstverwaltung in vielen Fällen nicht einmal die Entscheidungsträger abwählen – auf dem Rücken der Patienten und zu Lasten der Steuer- und Beitragszahler muss beendet werden.

Aber, aus der Finanzierung aus einer Hand eine operative Aufgabe abzuleiten, das ist skurril. Doch offenbar verstehen das manche so. Da wird ernsthaft darüber nachgedacht, dass die Umstellung auf so eine Finanzierung dazu führen muss, mit zentralen Büros Krankenhäuser, Ordinationen etc. zu führen.

Das ist aber nicht der Sinn der Finanzierung aus einer Hand. Ganz im Gegenteil. Um umsetzbar zu sein, muss die Organisation so dezentral wie möglich sein. Und dort soll eine demokratisch legitimierte Hand für die Bevölkerung in überschaubaren Versorgungsgebieten alle regional benötigten präventiven, diagnostischen, therapeutischen, rehabilitativen, pflegenden oder palliativen Dienstleistungen, Aktivitäten oder Beratungen, die sich mit Krankheiten, Symptomen oder Verhaltenstörungen, die ein Individuum aufweist, befassen, einkaufen – von Anbietern, die im Wettbewerb stehen!

Daher sei klar festgehalten: Die Finanzierung aus einer Hand ist kein Garant, aber liefert gute Voraussetzungen, eine integrierte Versorgung aufzubauen in der Patienten zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle mit der richtigen Leistung versorgt werden. Sie ist kein auch nur irgendwie geartetes Argument zentralistischer Machtgelüste.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.