Die österreichische Finanzierung aus einer Hand – und die Dänische Lösung

Der Streit zwischen Kassen und Ländern über die „Finanzierung aus einer Hand“ lässt vermuten, dass die Entscheidungsträger nicht wissen (wollen), wovon sie reden.

Unter Finanzierung aus einer Hand versteht die Welt, dass in einer definierten Region alle Leistungen der Prävention, Akutbehandlung, Rehabilitation, Pflege und Palliation/Hopiz aus einer Hand bezahlt werden, damit sie vernünftig aufeinander abgestimmt werden können. Aber bei uns dreht sich alles darum, die Finanzströme der niedergelassenen Ärzte und Spitäler, also die der Krankenkassen und der Länder virtuell zusammenzuführen. Es geht also nur darum, die Akutbehandlung aus einer Hand zu bezahlen, alles andere ist nicht einmal angedacht.

Schauen wir mal wie das die Dänen handhaben.

Vorweg, die Dänen geben aktuell etwa gleich viel aus, wie wir, die gesunde Lebenserwartung der 65+Bevölkerung liegt mit 12 Jahren aber um etwa fünf Jahre über der unsrigen (7 Jahre), und das bei ungefähr dem gleichen HDI. Das steuerfinanzierte System garantiert allen (= 100%) 5,4 Millionen Dänen freien Zugang zu allen Leistungen des Systems, begonnen bei der Prävention über die Pflege – zu der auch Heimhilfen für jene gehören, die mit den Aktivitäten des täglichen Lebens Probleme haben – bis hin zu Palliativversorgung. Man könnte viel über die Infrastruktur schreiben, aber nur soviel: gibt es in Dänemark pro einer Million Einwohner aktuell etwa acht und demnächst (eine Reform ist im Gange) nicht einmal mehr vier Spitäler, sind es bei uns über 20 und alle mit Standortgarantien, dafür haben sie um 40 Prozent mehr Hausärzte und ein gut ausgebautes Hausarztmodell – von dem wir eben nur reden.

Organisiert ist das ganze über 98 kleine Versorgungsregionen, die für alle wohnortnah erbringbaren Leistungen, von der Prävention bis zur Palliativversorgung, zuständig (inklusive Finanzverantwortung) sind. Diese Regionen werden nicht von Experten geführt, sondern, als Ausdruck eines solidarischen Systems, von demokratisch legitimierten Politikern.

Früher waren diese Regionen auch direkt für Spitäler zuständig. Das hat sich nicht bewährt, weil so Spitäler erhalten wurden, die wegen der damit verbundenen Kleinräumigkeit des Einzugsgebiets nicht jene Spezialisierung erreichen konnten, die für eine qualitativ hochwertige Versorgung nötig ist (für uns ein etwas skurriler Gedanke, da es „früher“ 40 statt 20 Spitäler gab, wir haben hierzulande etwa 180!). Deswegen wurden die dezentralen Versorgungsregionen zu fünf Versorgungszonen, samt selbständiger Verwaltung zusammengefasst, die nun für Planung, Finanzierung und Betrieb der Spitäler zuständig sind. Zwar sind diese Versorgungszonen politisch den Versorgungsregionen unterstellt, Spitäler können, oder sollen künftig, nicht mehr regionalpolitische Bedürfnisse befriedigen. Das wird viel tagespolitischen Sprengstoff nehmen.

Also, wieviele Hände finden wir in Dänemark, einem Land, das nach allen Parametern, die wir so messen, wirklich und nicht nur behauptet über eines der besten Gesundheitssysteme der Welt verfügt? Genau! 98 Hände, von denen aber eben jede einzelne dezentral demokratisch legitimiert ist und in der anvertrauten Versorgungsregion für die Organisation aller benötigten präventiven, diagnostischen, therapeutischen, rehabilitativen, pflegenden oder palliativen Leistungen zuständig und endverantwortlich (auch finanziell) ist.

Das nennt man Finanzierung aus einer Hand!

Begründeter Zweifel an Gesundheitsreform

Länder und Kassen wollen über virtuelle Budgets gemeinsam Verantwortung tragen. Dazu werfen sie virtuell ihr Geld zusammen und realisieren damit gemeinsam jene Versorgungskonzepte, die für Patienten das Beste sind – und teilt dann die Kosten untereinander auf. Soweit so gut, aber real?

Wir wissen, dass es dank der abstrusen Kompetenzverteilung zwischen Kassen und Ländern zu Ineffizienzen kommt, unter anderem darin abzulesen, dass wir die weltweit höchste Krankenhaushäufigkeit haben – und das kostet eben, obwohl es nicht viel bringt.

Das führt dazu, dass es, wenn es wirklich eine gemeinsame Vorgehensweise gibt, bei steigender Versorgungsqualität (auch wenn das viele nicht glauben wollen) zu Einsparungen kommt Und genau da beginnen die Probleme, wie wir von den „virtuellen Budgets“ der Reformpoolprojekte wissen

Ist es nur ein geringes, wenn auch nicht zu unterschätzendes Problem, Kosten zu verteilen, ist die Verteilung der Einsparungen bis dato nicht möglich gewesen. Da pocht jede Seite darauf, dass sie es ist, die sie realisiert hat  Und da diese Einsparungen hinkünftig im gemeinsamen, virtuellen Topf, als echtes Geld übrig bleiben, ist Streit programmiert. Es braucht schon einen gewaltigen Paradigmenwechsel in den Köpfen der Entscheidungsträger diesen Streit zu umgehen. Schauen wir, ob es Anzeichen gibt, dass dieser gemeinsame Wille wirklich existiert.

In Salzburg wurde 2002, als es schien, dass es endlich zu einem bedarfsgerechten Ausbau der palliativen Versorgung kommt, vom Roten Kreuz ein Hospiz errichtet. Allerdings blieb vieles politisches Lippenbekenntnis. Selbst als es 2005 zu einem Konsens  zwischen Bund, Ländern und Kassen kam, den Ausbau entsprechend einem ÖBIG-Bericht voranzutreiben, blieben Fortschritte mager, vor allem im extramuralen (Kassen) Bereich.

Ende 2012, wird das Hospiz in Salzburg seine Pforten schließen – einfach, weil es pleite geht.

Ein Tag kostet im Hospiz etwa 430€. Die Krankenkasse übernehmen davon 51€, das Land 80€. Der Patient selbst steuerte 170€ (!) pro Tag (!) bei, den Rest von 130€ schoss das Rote Kreuz über Spenden und Überschüsse aus anderen Bereichen bei – und diese fallen hinkünftig weg. Damit ist das Haus pleite.

Das bedeutet, die öffentliche Hand trägt nicht einmal ein Drittel der Kosten, dafür gibt es einen Selbstbehalt von 40%. Und was die 51€ der Kassen betrifft, die decken lt. Angaben des Trägers nur etwas mehr als die Hälfte der anfallenden medizinischen Kosten.

Und so werden die Patienten nach dem Schließen des Hospizes wohl in ein Spital ausweichen müssen.

Dort werden aktuell pro Tag auf einer Palliativ-Station etwa 400€ aus dem LKF-System rückerstattet. Ein geringer Wert, der kaum die echten Kosten deckt und so für Spitalsbetreiber unattraktiv ist. Zudem sind die intramuralen Kapazitäten so ausgelegt, dass sie nur ausreichen, wenn die extramuralen entsprechend dem Plan ausgebaut sind. Fehlen diese, sind die intramuralen zu eng bemessen. Es werden daher nicht alle, vielleicht sogar nur wenige der jetzigen Patienten auf einer Palliativ-Station landen. Die anderen kommen auf andere, vor allem Interne Abteilungen.

Studien weisen klar aus, dass bei massiv sinkender Lebensqualität, die Versorgung sterbender Patienten auf normalen Abteilungen enorm teuer ist: so genau ist das nicht berechenbar, aber mit 800€ bis 1.000€ pro Tag liegt man sicher nicht falsch. Das hängt damit zusammen, dass diese weit weg sind von einem Bio-Psycho-Sozialen Ansatz. Dort gelten biologische Krankheitsbilder mit der Absicht der Heilung –oft koste es, was es wolle. Und das ist halt ganz was anderes, als eine palliative Versorgung – und sehr viel teurer.

Nun, das wissend, muss man sich die Frage stellen, warum können Kassen und Land keinen gemeinsamen Weg finden, eine Versorgung, und zwar OHNE Selbstbehalte, zu ermöglichen, die für Patienten einen enormen Zugewinn an Lebensqualität bedeuten und Steuer- und Beitragszahlern billiger kommt?

Und die antwort ist einfach! Wenn das Hospiz geschlossen wird, sparen sich die Kassen jene 180.000€ die sie jetzt schon nicht zahlen „müssten“, und die Länder sind nicht abgeneigt mehr Patienten in Spitälern zu versorgen, weil sie diese ja erhalten wollen. Und da politisch und finanziell eine Interne attraktiver ist, als eine „Sterbe-Abteilung“ werden diese Kapazitäten auch nicht ausgebaut. Umso mehr, als es ja Aufgabe der Kassen wäre, die extramuralen Kapazitäten auszubauen. Und wenn beiden das Geld ausgeht, dann müssen halt Einnahmen erhöht werden, also der Bund gefälligst für mehr Geld sorgen.

Und genau dieses, tief verwurzelte Jahrzehnte alte Denken, dass sich so klar an diesem Salzburger Hospiz kristallisiert *), soll mit der Reform beendet sein? Ganz ehrlich, ich glaube es nicht

 

*)aber nicht nur dort, ähnliches findet ja auch gerade mit der ambulanten Alkohol-Entzugstherapie im Anton-Proksch-Institut statt, wo die Wiener Gebietskrankenkasse nicht bereit ist mehr als 32,87€ pro Quartal (!) zu bezahlen. Damit ist die intensive ambulante Betreuung der Patienten schlicht nicht finanzierbar– aber die stationäre, die zahlt dann eh wieder das Land