Mehr MedUnis braucht das Land – viel mehr

   Auf den ersten Blick ist nicht klar, was da passiert. Denn Österreichs MedUnis bilden, bezogen auf die Einwohner, die meisten Mediziner in Europa aus.

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Es sieht zwar in den offiziellen OECD-Statistiken so aus, als ob die Zahl der Absolventen sinke, das ist aber nur darauf zurückzuführen, dass dort nur Inländer der öffentlichen Universitäten zählen. So was macht halt sonst keiner. Aber selbst mit dieser Einschränkung kommen wir auf 13,4 Absolventen pro 100.000 Einwohner und liegen damit über dem EU-Schnitt (12,7). Zählen wir die Ausländer dazu, steigt die Zahl auf etwa 18; zählt man noch Privatunis und die neue MedUni in Linz dazu, sind es demnächst 22 Absolventen pro 100.000 Einwohner. Zum Vergleich: In Deutschland sind es aktuell gerade einmal 11.

   Setzt man die Zahl der inländischen Absolventen in Relation zu den inländischen Turnusärzten, dann ist es erstaunlich, dass im 15-Jahres-Schnitt 90 Prozent von ihnen nicht auswandern oder der Medizin den Rücken kehren, sondern hierbleiben und als Ärzte arbeiten. Und auch die Ausländer wandern immer seltener ab. So genau wissen wir das zwar nicht, da aber deren Plätze begrenzt sind, sollten pro Jahr etwa 300 Ausländer hier promovieren. Und siehe da: 150 bis 200 bleiben. Es ist also keine Massenemigration zu sehen und schon gar nicht die immer wieder genannten ominösen 40 Prozent. Und weil sogar ausländische Absolventen immigrieren, kommt am Ende ein Nullsummenspiel heraus.

   Vielleicht brauchen wir trotzdem mehr Absolventen, weil so viele Hausärzte in Pension gehen? Betrachtet man aber die Allgemeinmediziner mit eigener Ordination, findet man tausende außerhalb des Kassensystems, vor allem bei den unter 50-Jährigen. Die wollen offenbar keine Kassenärzte werden. Würden mehr Absolventen nicht einfach die Zahl der Wahlärzte vergrößern? Warum also wird eine Verdoppelung der Studienplätze gefordert, um dem „Hausärztemangel“ zu begegnen?

   Einmal abgesehen davon, dass frühestens 2035 mit fertigen Ärzten aus den neuen Unis zu rechnen ist – also dann, wenn die so bedrohlich aufgeputschte Pensionierungswelle längst verebbt sein wird –, muss es doch was anderes geben, was Politiker antreibt. Warum also?

   7546 oder 40 Prozent aller österreichischen AHS-Maturanten nahmen am Medizinaufnahmetest teil, nur 1260 erhielten einen Studienplatz. Daher sind etwa 13.000 Eltern und sicher noch einmal so viele Großeltern enttäuscht. Was machen die jetzt? Sie wenden sich an Bürgermeister oder Landehauptleute und jammern – von wegen Ärztemangel etc. – und so kommen rund um die Zusendung der Testergebnisse Mitte September endlose Telefonate zustande, die dann in einer politischen Reaktion münden: 2016 forderte Norbert Darabos „nur“ 1000 zusätzliche Plätze, diesmal will Johanna Mikl-Leitner gleich 1700 Plätze.

   Meist vergeht das vorbei, diesmal aber sind wahlwerbende Bundespolitiker in den Ring gestiegen. Und das heißt wohl, dass es demnächst neue MedUnis geben wird. Egal, was die Fakten sagen.

„Wiener Zeitung“ vom 26.09.2019 

Pflegkräftemangel -Mythos

(Lesezeit 10 Min) Die Meldung kam für alle überraschend. Laut den ersten offiziellen Daten des Pflegeregisters, sind 141.096 Personen in einem Gesundheits- und Krankenpflegeberuf ausgebildet. Dazu zählen Diplomierte Gesundheits- und Krankenpflege, Pflegefachassistenz und Pflegeassistenz. Diese Zahl ist erstaunlich hoch, und passt gar nicht in das Bild, das die Politik seit Jahren zeichnet.

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Der planwirtschaftliche Unternehmer und seine Büros

   2011 gab es laut Alois Stöger die „größte Strukturreform seit Jahrzehnten“: die „Ärzte-GmbH“ – eine Totgeburt. Das Gesetz, das den Ärzten das Anstellen von Ärzten erlauben soll, ist eine ebensolche.

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   Die Gründung von GmbHs war, dank absurder Kompromisse, völlig unattraktiv. Heftig diskutiert wurde, ob es möglich sein soll, dass Ärzte Ärzte anstellen.

Kassenfunktionäre hatten Angst, der anstellende Arzt geht golfen, während seine angestellten Ärzte arbeiten. Ärztekammerfunktionäre waren sich nicht sicher, weil die Grenzen zwischen Ordination mit angestellten Ärzten und Krankenanstalt in der Form eines selbständigen Ambulatoriums unklar sind. Letztere werden seit jeher bekämpft, weil sie der Wirtschaftskammer unterstellt sind und über Einzelverträge außerhalb des Gesamtvertrages stehen – also die Ärztekammer keinerlei Macht darüber hat. Dazu kommt, dass sich so mancher Arzt in seiner Kassenordination dauerhaft von anderen Ärzten vertreten lässt. Diese Dauervertretung ist heikel, weil das eigentlich Scheinselbständigkeit ist und Vertreter angestellt werden müssten, was aber eben einem Ordinationsbesitzer nicht erlaubt, sondern Krankenanstalten vorbehalten ist, die aber bekämpft werden.

Wie würde sich eine Anstellungsoption da auswirken? Also wurde diese sicherheitshalber nicht eingeführt. Im Grunde hat sich nichts geändert, deswegen war die Novelle des Ärztegesetzes Anfang 2019, die erlaubt, dass Ärzte Ärzte anstellen, irgendwie ein echter Reformschritt – dachte ich. Ich habe sogar darüber hinweggesehen, dass die Ärztekammer nun gesetzlich festhalten ließ, dass Vertretungsärzte, egal wie sehr sie weisungs-, orts- und zeitgebunden sind, also Attribute der Anstellung aufweisen, immer freiberuflich arbeiten. Das schafft Rechtssicherheit für die, die nebenbei eine Privatordi in der Schweiz oder einen Präsidentenjob in der Kammer haben und ihre Kassenordi jemand anderem überlassen.

Jetzt aber, wo die Details zur „Reform“ offenbar werden, ist klar, dass von der Idee, über den Ausbau der ambulanten Arbeitskraft vor allem die Hausarztebene zu stärken, nichts geblieben ist. Umgerechnet auf Einwohner, arbeiten in dieser Ebene in England fast doppelt so viele Hausärzte und gleich fünfmal so viele Pflegekräfte. Wir könnten also kräftig investieren – doch, würden wir das tun, käme es zu dramatischen Patienten-Rückgängen in Ambulanzen und Spitälern (aber auch bei Fachärzten). Und das wollen die Kassen verhindern.

Denn ein ins Spital (oder zum Wahlarzt) verdrängter Patient kostet kaum etwas, jeder, der beim Hausarzt versorgt wird, kostet viel mehr. Daher darf man Hausärzten keinesfalls erlauben, einfach so Ärzte anzustellen. Die „Reform“ sieht daher vor, dass die Anstellung eines Mitarbeiters nicht Sache des Unternehmers, sondern der Kasse und Kammer ist. Deren Büros planen, wo Ärzte gebraucht werden. Wird mehr als einer gebraucht, darf ein Arzt einen anderen anstellen: Teilzeit und befristet. Wenn die Büros meinen, es braucht keinen zweiten mehr, nehmen sie den einfach weg – Kammer- und Kassenfunktionäre behalten ihre Macht, spielen Planwirtschaft und reden vom freien Arzt. Analog den Ärzte-GmbHs wird diese Reform, die allerhöchstens einigen wenigen Funktionären nutzen wird, daher tot geboren.

„Wiener Zeitung“ vom 05.09.2019