Die Überdimensionierung des Krankenhauses Nord

Ich habe nicht nur professionelles, sondern auch persönliches Interesse, habe ich doch bei der Dimensionierung des KH Nord mitgewirkt.

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   2004 und 2006 hat die Stadt Wien das ÖBIG, die heutige GÖG, beauftragt, die Spitalslandschaft auf ihre Notwendigkeit und gerechte Verteilung zu analysieren. Es wurden zwei Studien angefertigt. Ich entsinne mich, dass die zweite, die dann zur Dimensionierung des KH Nord geführt hat, sehr seltsam war. Man hat uns ein paar Varianten vorgelegt, die mit der ersten Studie praktisch nichts gemein hatten und gesagt: Sucht euch eine aus – die soll es werden.

   Nun, endlose 15 Jahre später, soll das KH eröffnet werden, und es stellt sich die Frage, ob die Dimensionierung von damals wirklich jene ist, die für 2020 und danach passt? Vorweg: nein!

   In der Versorgungsregion 93 – Wien Nord-Ost, so heißt die Region Transdanubien bei Spitalsplanern, leben etwa 320.000 Einwohner. Folgt man den gesetzlichen Planungsvorgaben des ÖSG, das ist die Planungsgrundlage für alle Bundesländer und wird vom ÖBIG erarbeitet, werden 2020 die dortigen Einwohner 72.000 Mal stationär (ohne Tagesklinik) behandelt werden müssen – eine im internationalen Vergleich aberwitzig hohe Krankenhaushäufigkeit. Diese Zahl ist übrigens erwartungsgemäß um 12.000 höher als noch 2004 – weil diese Region wächst.

   In der Region gibt es demnächst zwei Spitäler: das SMZ Ost und das KH Nord. Zusammen können sie 115.000 Patienten versorgen. Weil auch Patienten aus anderen Bundesländern (Gastpatienten), versorgt werden müssen, stehen nur 80 Prozent der Kapazitäten den Wienern zur Verfügung: macht 92.000; erwartet werden aber nur 72.000! Damit stünden 2020 mehr als 300 Betten für 20.000 Patienten leer.

   Betrachten wir das KH Nord alleine, können 46.000 Patienten stationär versorgt werden. 2020, bei vorhandener Fächerstruktur und unter Einbeziehung überregionaler Angebote ist, inklusive Gastpatienten, aber nur mit 35.000 zu rechnen. Woher sollen die fehlenden 11.000 Patienten kommen?

   Absurderweise werden einige Abteilung trotzdem Übergehen – denn, die Fächerdimensionierung stammt ebenfalls aus einer anderen Zeit. Damals wurden viel zu viele chirurgische Betten, zulasten der eigentlich nötigen konservativen Fächer geplant. Diese Fehlplanung ist bis heute spürbar. Während Abteilungen der inneren Medizin regelmäßig mit Gangbetten Schlagzeilen machen, stehen ein Viertel der chirurgischen Betten in Wien leer. 2002 bis 2004, als die Tagesklinik einfach nicht vom Fleck kommen wollte und die stationären Aufnahmen enorm anstiegen, war das KH Nord nicht anders zu planen. All das hat sich aber massiv verändert. Die Tagesklinik hat sich verdoppelt, gleichzeitig sinken stationäre Aufnahmen seit 2008 – und zum Zeitpunkt des Spatenstiches 2010 war das alles bekannt.

   Kein Spitalsplaner hätte das KH Nord damals so dimensioniert, wie es heute dasteht. Das Schlimme aber ist: Der jetzige Chef der GÖG meint in der Untersuchungskommission, die den Skandal rund um das KH Nord klären soll, die Dimensionen sind richtig. Er fällt damit seinem Team, dass seit Jahrzehnten darum kämpft, die aberwitzige Zahl stationärer Patienten zu reduzieren, in den Rücken – und damit auch irgendwie mir.

„Wiener Zeitung“ Nr. 163 vom 23.08.2018