Das Mega-Projekt „einheitlicher Leistungskatalog“

   Manches dauert in Österreich, bis es kommt. Aber es kommt. Vielleicht. Oder eher nicht.

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   In all dem Trubel um Korruption und den assoziierten Ablenkungsmanövern ist sie beliebt: die Pressekonferenz, in der etwas angekündigt, ja eine ausgedruckte Variante des Angekündigten sogar in die Höhe gehalten wird, von dem dann aber niemand Genaueres weiß. Und das macht auch die Ärztekammer, die quasi aus dem Nichts heraus die Beendigung eines „Mega-Projektes“ verkündet . Auf 150 Seiten soll die jahrelange Arbeit von 200 Experten zusammengefasst worden sein. Der Inhalt: der seit langem in der Diskussion stehende „einheitliche Leistungskatalog“ – allerdings nur für Kassenärzte.

   Um das einzuordnen, muss man gesundheitspolitischer Archäologe sein.

   Es liegt jetzt ein Vierteljahrhundert zurück, dass wir der EU beigetreten sind. Damals musste, zwecks Verschleierung der Spitalsfinanzen, die Finanzierung völlig reformiert werden. Im Rahmen dieser Reform, der Einführung der „Leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierung“ (LKF), wurde auch die Ambulanzfinanzierung reformiert. Ohne auf Details einzugehen, war schon damals klar, dass man, will man kein (noch größeres) Problem mit der ambulanten Versorgung erzeugen, alle (!) Leistungserbringer gemeinsam betrachten und steuern muss. Wenn nicht, wird dieser Bereich (noch stärker) in Subsysteme zerfallen, die sich gegenseitig abschotten. Deshalb wurde bereits 1996 festgelegt: „Im ambulanten Bereich ist spätestens ab 1. Juli 2001 in Modellversuchen eine geeignete Diagnosen- und Leistungsdokumentation zu erproben. (…) für die Leistungsdokumentation ist ein praxisorientierter, leicht administrierbarer Leistungskatalog anzuwenden.“

   Passiert ist das aber alles nicht – bis heute. Spannend ist, dass es so um 2003 ein Projekt auf Bundesebene gab, das diesen Katalog endlich entwerfen sollte, weil Ärztekammern und Spitalsträger nicht in die Gänge kamen. Das wurde natürlich boykottiert. Und um das eigene Subsystem zu erhalten – also die hoheitliche Verhandlung über Leistungen und Honorare –, hat das höchste Gremium der Ärztekammer, der Ärztekammertag, im Jahr 2005 (oder war es 2004?) beschlossen, die Entwicklung dieses Kataloges an sich zu ziehen. Auf diese 16 oder 17 Jahre muss sich also die Aussage des jahrelangen „Mega-Projekts“ beziehen. Man stelle sich vor, was für Leistungen das sein müssen, für die man eineinhalb Jahrzehnte braucht, um sie zu definieren. Gewaltige – und sicher topmodern. Immerhin ist der medizinische Fortschritt ja nur gering (Achtung, Sarkasmus!).   

Realiter ist es ohnehin anders. Denn der 150 Seiten dicke Katalog ist, wie man hört, eine Überschriftensammlung auf Basis der Honorarordnung der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau. Dieser BVA-Katalog war immer schon der ausführlichste und der mit den höchsten Honoraren. Praktikabel ist er genauso wenig wie alle anderen. Er ist der Wunschtraum der Ärztekammerfunktionäre, die sich nächstes Jahr Wahlen stellen und so in Position bringen. Denn wie nicht anders zu erwarten, haben bereits alle Landesärztekammern in der ÖGK gemeldet, dass sie eigenständig verhandeln wollen. Der „einheitliche Katalog“ ist also so weit weg wie eh und je – und wird niemals kommen.

„Wiener Zeitung“ vom 27.05.2021 

Das Spiel mit den Milliarden der ÖGK

   Die Österreichische Gesundheitskasse ist seit Anfang 2020 im Amt, der parteipolitische Kampf voll entbrannt.

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   Wie für unser Gesundheitssystem typisch, streiten sich alle nur ums Geld – und hier vor allem um die berühmte Patientenmilliarde. Die war nie klar, schon gar nicht als Umwandlung aus einer Funktionärsmilliarde – es war ein politischer PR-Gag der schwarz-blauen Regierung, den die Politiker nicht mehr los werden. Populismus hat unter Umständen eben auch kurze Beine. Doch was ist jetzt mit den horrenden Defiziten, die angeblich statt dieser Patientenmilliarde eintreten sollen und Beweis dafür sein sollen, dass die Kassenfusion ein Desaster ist? Die sind genauso ein PR-Gag, jetzt halt von der anderen Seite, also der roten, vor allem von der Gewerkschaft.

   Wer sich mit der Gebarungsvorschaurechnung der Krankenkassen (allein das Wort zeigt, aus welcher Epoche das kommt) beschäftigt hat, erkennt, wie „taktisch“ die Rechnungen waren. Sie haben stets einem Verhandlungsziel gegolten, um entweder die Einnahmen (Steuersubventionen) zu erhöhen oder die Ausgaben (Honorare und Medikamentenpreise) zu senken, nie jedoch, um Transparenz herzustellen. Während zwischen 2009 und 2018 von den Kassen kumuliert ein Verlust von 2547 Millionen Euro „vorausgerechnet“ wurde, kam bei der Abrechnung ein kumuliertes Plus von 1674 Millionen Euro heraus – eine Differenz von 4221 Millionen. Besonders krass war das Jahr 2012, da wurde aus einem vorausgerechneten Minus von 737 Millionen in Jahresfrist ein Plus von 181 Millionen!

   Und warum sind all diese Zahlen so herrlich manipulativ einsetzbar? Nun, dass liegt an der Verwendung der absoluten Zahlen; die klingen sehr schnell sehr hoch, auch wenn es nur um wenige Prozent geht. Aktuell macht die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) einen jährlichen Umsatz von etwa 16.000 Millionen Euro – ein einzelnes Prozent sind also schon 160 Millionen.

   Und wenn man dann noch über ein paar Jahre kumuliert, werden die Zahlen noch höher. Und die skandalösen 1700 Millionen Euro Defizit, die die ÖGK bis 2024 angeblich machen wird, klingen halt viel besser, als wenn man von zwei Prozent sprechen würde. Und wer bedenkt, wie sich die Kassen schon bei einer Jahresprognose verrechnen, weiß, dass Fünf-Jahres-Prognosen schlicht Kaffeesudlesen sind, und ein Defizit von zwei Prozent eine statistische Unschärfe sein muss.

   Doch um das ging es ja nicht– es ging darum, der einen populistischen Milliarde eine andere gegenüberzusetzen, um die eigene Klientel glücklich zu stimmen und zu mobilisieren.   

Politisch betrachtet jedoch, war es wohl eine „rote“ Dummheit, diese „Defizite“ so hoch zu rechnen und medial auszuschlachten, dass nun jeder weiß, die ÖGK steht vor einem Milliardendefizit. Denn auch wenn es nichts mit der Realität zu tun hat, wird es der jetzigen Regierung ein Leichtes sein, die Patientenmilliarde, wenn auch nicht wie versprochen bis 2023, so aber doch bis 2024 darzustellen. Denn bereits jetzt kann vorausgesagt werden, dass das Minus der Kassen völlig ohne Leistungskürzungen bis 2024 unter 700 Millionen Euro liegen wird – damit konnte „eine Milliarde im System gespart“ werden! Und es wird niemanden geben, der diesen Mythos brechen kann

„Wiener Zeitung“ vom 27.02.2020 

Kassen und Spitäler gemeinsam denken

Kassenfusionen sind ein altes Thema. Denn die aktuelle Situation schadet seit Jahrzehnten Patienten, Versicherten und Steuerzahlern.

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    Zu viele Krankenkassen, ein Kassenhonorarsystem, das vernünftige Planung verhindert, strikt getrenntes und doppelgleisiges Arbeiten inner- und außerhalb von Spitälern – das sind keine neuen Probleme, die hat uns die Weltgesundheitsorganisation WHO schon 1969 aufgezeigt.

   Es ist auch nicht so, dass Regierungen sich der Lage nicht bewusst wären. Die Idee, Kassenärzte und Spitäler wenigstens planerisch zusammen zu denken, findet man beispielsweise 1996 in einem Bund-Länder-Kassen-Vertrag, der vorsah, dass es für alle ein einheitliches Leistungsgerüst geben soll. Die Leistungsharmonisierung ist ein Vorhaben, das nie Realität wurde, aber immer wieder zu finden ist – das letzte Mal 2013 im Bundeszielsteuerungsvertrag. Dort nahm sich die Regierung vor, ab 2016 einen einheitlichen Leistungskatalog einzuführen. Sie hat es halt wieder nicht geschafft . . .

   Und warum sollte man Kassen und Spitäler gemeinsam denken?

   Nun, weil es patientenfreundlicher ist; und billiger. Wegen fehlender Abstimmung liegen 900.000 Patienten in Spitälern, die ambulant behandelt werden könnten. Von diesen stecken sich 50.000 unnötigerweise mit Spitalskeimen an (das ist nicht zu verhindern), und einige Hundert werden unnötigerweise sterben. Abgesehen davon, dass die stationäre Behandlung dieser 900.000 Patienten wohl ein bis zwei Milliarden Euro unnötige Kosten erzeugt, sollte es doch wenigstens das Ziel sein, Patienten nicht unnötig zu schaden.

   Wenn also die Rede von der Kassenfusionierung wieder aufpoppt, sollte es nicht darum gehen, ein paar hundert Versorgungsposten einzusparen, die es zweifellos gibt. Thema ist, dass die Abstimmung zwischen Krankenkassen, Ärztekammern und Spitalsträgern einfach nicht klappt, ja nicht klappen kann, selbst wenn die eingebundenen Entscheidungsträger Engel und keine politischen Machtmenschen wären. Es gibt einfach zu viele und vor allem schlecht definierte Entscheidungsebenen.

   Natürlich haben sich Länder und Gebietskrankenkassen an einen dezentralen Modus Vivendi gewöhnt. Davon abzuleiten, dass diese nur regional wüssten, wie es geht, ist aber falsch. Gänzlich ausgeblendet wird, dass es große Kassen gibt, die bundesweit agieren: Beamten-, Bauern- und die Selbständigen-Kasse, und auch noch die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt AUVA und die Pensionsversicherung.

   Die Idee, nur wenige, bundesweite Kassen zu haben, denen eine bundesweit agierende Spitalsplanung gegenübersteht, ist logisch. Umso mehr, als es eben auch bundesweite Regeln für Beiträge und Steuern gibt. Aber man kann es auch anders machen: neun Länder und neun Kassen, die dann aber ihre Steuern und Beiträge selbst einheben müssen – bundesweite Entscheidungsstrukturen und Finanzierungsregeln sind dann unnötig.   

Die jetzige Reformverweigerung kommt wohl woanders her. Bedient doch die aktuelle Situation die Machtbestrebungen aller. Landespolitiker und Gewerkschaften freuen sich darüber, dass die Abstimmung nicht klappt – denn das ist der Garant für ausgelastete Spitäler, über die Posten zu besetzen sind, und die für einen hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrad sorgen. Mit dem Patienten hat das nichts zu tun.

„Wiener Zeitung“ Nr. 227 vom 23.11.2017  

Der „Plan A“ – Wahlkampf oder genial?

Im Grundsatzpapier des SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern findet sich auch einiges zu Gesundheit und Pflege.

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   Neben einer der Tagespolitik geschuldeten Detailverliebtheit, etwa der Begrenzung der „Wartezeiten auf MR- und CT-Untersuchungen“, findet sich auch Grundsätzlicheres.

   Alle Kassen sollen die gleichen Leistungen anbieten. Eine gewaltige Ansage, wenn auch nicht neu. Die Leistungsharmonisierung poppt seit Jahrzehnten immer wieder auf – freilich, ohne jemals passiert zu sein. Denn dazu müssten entweder alle Kassen zu einer fusioniert oder die Selbstverwaltung abgeschafft werden. Beides ist nicht denkbar, sind Selbstverwaltung, Kassenvielfalt und Pflichtversicherung in der SPÖ doch unangreifbare Grundsätze. Zersplitterte verfassungsrechtliche Kompetenzen, fragmentierte Rechtsgrundlagen und wirre Finanzierungs- und Organisationsstrukturen (nachzulesen im Bericht für die Regierung Faymann I der Expertengruppe aus Rechnungshof, Wifo, IHS, StA und KDZ) müssen unangetastet bleiben.

   Wenn die Harmonisierung trotzdem passieren soll, dann nur, indem der Staat Geld in die Hand nimmt und sich alle Kassen und Ärztekammer auf das maximale Leistungsspektrum einer Kasse (vermutlich der BVA) zu deren Preisen einigen.

   Bezahlt werden soll das aus den Rücklagen der Kassen. Weil aber die Guthaben der (meist ÖVP-nahen) Kassen heute im Maastricht-Budget defizitsenkend wirken, wird die Staatsverschuldung steigen.

   Aktuell werden etwa 2,5 Mrd. Euro an Honoraren für Kassenärzte ausbezahlt. Die Rücklagen betragen 2,6 Mrd. Es ist zwar unklar, in welchem Zeitraum diese aufgelöst werden sollen, aber am Ende werden die öffentlichen Gesundheitsausgaben deutlich höher sein (etwa 10 Prozent). Ob die Leistungen harmonisiert bleiben, ist unklar – denn die Verhandlungshoheit wird weiterhin den dutzenden Selbstverwaltungspartnern obliegen. Und die werden schnell verstehen, dass sie bei einer derartigen Vorgangsweise (Kassenfusion über die Hintertür) faktisch abgeschafft werden, und nicht untätig zuschauen.

   Ist also der „Plan A“ genial oder Wahlkampf-Populismus?

   Für Letzteres spricht, dass der Kanzler ohne Gespräche mit den Selbstverwaltungspartnern bei SVA-Versicherten, traditionelle ÖVP-Wähler, den Selbstbehalt streichen und für KMUs die Krankengeldregelung großzügiger gestalten will – mit dem Geld der SVA und der AUVA, zwei Versicherungen, die der ÖVP „gehören“. So ein unorthodoxes Vorgehen in der „anderen“ Reichshälfte spricht nicht für Reformwillen, sondern für Neuwahlen.

   Warum auch Reformen, schließlich heißt es im „Plan A“, dass unser System eines der besten sei (auch wenn das nachweislich falsch ist)? Und mehr noch, es heißt darin, dass „Österreich ein glückliches Land“ sei, weil 5 Prozent der Bevölkerung Pflegegeld beziehen (dass es keine Pflegeprävention, aber eine Pflegequote von 5 Prozent und damit wohl die höchste der EU gibt, stört nicht).

   Also bleibt: Unser System ist „zwar nicht wirklich krank, aber auch nicht topfit“, und es braucht mehr Geld – keine Struktur-Reformen.    Die stören im Wahlkampf.

„Wiener Zeitung“ Nr. 012 vom 19.01.2017   

Budgettricks in gewaltigen Dimensionen  

Die Länder werden ihre geforderten 500 Millionen Euro doch bekommen. Zahlentricks im Finanzausgleich machen es möglich.

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Dass Österreichs Politiker in allen Institutionen etwas gegen Fakten haben, ist bekannt und hängt wohl damit zusammen, dass Fakten keine Meinung zulassen. Rund um die Gesundheitsreform fällt das dann doch krass aus. Während die Ärztekammer behauptet, dass 2021 um 4,5 Milliarden Euro weniger (von was?) ausgegeben werden, meint das Ministerium, es sind um 4,6 Milliarden mehr.

In der Ärztekammer meint man, dass „irrelevante Luftbuchungen“ enthalten sind, und im Ministerium, dass die Ärztekammer die Grundrechnungsarten nicht beherrscht. Bei zehn Milliarden Euro wäre ein bisschen mehr Klarheit angebracht, sollte man meinen. Also wie ist es wirklich?

Rein rechnerisch dürfte das Ministerium recht haben. Aber was genau rechnen die dort? Ein Blick in das Zahlenwerk der Gesundheitsreform offenbart nämlich Verblüffendes – genau bedacht, ist das aber gar nicht so verblüffend. Denn, wir erinnern uns, die Länder haben 500 Millionen Euro pro Jahr mehr gefordert, aber nur 200 Millionen für fünf Jahre erhalten. Und selbst die sind so verklausuliert, dass keiner genau weiß, ob es die jetzt extra gibt oder nicht. Warum also waren die Länder nicht sauer?

War Finanzminister Schelling so gut, dass er sie ausgebremst hat? Nun, eher nicht. Denn, er hat sogar mehr als 500 Millionen rausgerückt, aber eben nur sehr gut und gesichtswahrend versteckt. Alles liegt an der vereinbarten Bemessungsgrundlage. Bei den zukünftigen Gesundheitsausgaben wird als Ausgangsbasis jener Wert angenommen, den man vor vier Jahren als Obergrenze für 2016 angenommen hat. Aber das ist keine reale Zahl. Denn, wie ja auch medial bejubelt, die Grenze wurde stets unterschritten. 2015 lag man 800 Millionen Euro unter dem selbstgesteckten Ziel, das, wie auch der Rechnungshof bekrittelte, viel zu hoch angesetzt war. Und 2016 (da kamen die Ausgabensteigerungen für die Gehälter der Spitalsärzte dazu) waren es noch immer 500 Millionen Euro weniger. Und wie es aussieht, werden diese nächstes Jahr draufgelegt – ohne dass es jemand bemerkt. Und weil es in den Folgejahren ja um Prozente geht, wachsen die dann im Schnitt um 3,4 Prozent jährlich – also sogar weit über der Inflation!

Und, wohl um den Sozialversicherungen (via Ländern) etwas zustecken zu können, zudem dürfen die Ausgaben stärker als noch 2012 vereinbart wachsen. Das macht dann noch einmal etwa 100 Millionen zusätzlich und jährlich.

Am Ende dürfen die Kosten 2017 um über sechs Prozent steigen. Das ist doppelt so hoch wie das nominale Wirtschaftswachstum, und weit weg von den uns kolportierten 3,6 Prozent. Das war es mal endgültig mit der Gesundheitsreform 2012, aber es passiert eigentlich noch mehr. Denn auch wenn zugegebener Maßen diesmal die Argumentation auf der Seite der Ärztekammer besonders absurd ausfällt – bei solchen Steigerungen ein „unsoziales Kaputtsparen“ zu erkennen, lässt wirklich nicht auf ausreichende Rechenkapazitäten schließen –, ist es doch ein unwürdiges Propaganda-Spiel mit Zahlen, das alle Seiten aufführen, nur um der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen

„Wiener Zeitung“ Nr. 229 vom 24.11.2016    

Kriegserklärung über den Finanzausgleich

Die Wiener Ärztekammer hat dem Verhandlungsduo aus Stadtregierung und Gebietskrankenkasse ein „10-Punkte-Programm“ vorgelegt.

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   Diese Punkte lasen sich wie ein Ultimatum. Gefordert wurden unter anderem etwa 50 Prozent mehr Kassenstellen für Fachärzte, Eingliederung von Röntgenambulatorien in die Ärztekammer, Rücknahmen diverser Maßnahmen und natürlich zusätzliche finanzielle Mittel. Und Ärztekammer Vize Johannes Steinhart weiß auch, woher die kommen sollten: aus dem Finanzausgleich. Wird alles erfüllt, führt das zur Beruhigung der Ärzteschaft (oder der Ärztekammerfunktionäre- wer weiß das schon).

   Erstaunlich war die damalige, besonnene Reaktion von Stadträtin Sonja Wehsely und WGKK-Obfrau Ingrid Reischl – beide nicht für konfliktscheue Politik berühmt. Ruhig formulieren sie, dass, „die Zusammenarbeit aller wichtigen Institutionen im Gesundheitswesen unumgänglich ist.“ Nun, im Nachhinein hat das eine andere Konnotation. Denn, wie es aussieht, haben „alle wichtigen Institutionen“ (Landesräte und Kassenobleute) die Kriegserklärung der Ärztekammer angenommen und kontern mit Geheimverhandlungen rund um den Finanzausgleich.

   Finanzausgleichsverhandlungen dienen normalerweise nicht dazu, große Reformen zu konzipieren. Umso überraschender nun die Informationen, die jedoch nur durch die Ärztekammer verbreitet werden. Kein regierender Politiker oder Kassenfunktionär hat sich geäußert. Medienberichte sind dürftig – was damit zusammenhängt, dass sich keine der „wichtigen Institutionen“ äußert, und damit Journalisten zwingt, zu spekulieren – was die wegen der Sorgfaltspflicht jedoch nicht sollen. Aber in diesem unüberprüfbaren geheimen Geheimpapier – von dem ich ausgehe, dass es existiert – steht revolutionäres.

   Wahlärzte sollen in Versorgungswirksame und die Nicht-Versorgungswirksame geteilt werden. Patienten, die zu letzteren gehen, werden von ihren Pflichtkrankenkassen keine Rückerstattung bekommen. Kassenstellen sollen ohne Mitsprache der Ärztekammer gestrichen werden können, es soll zu einer Gleichstellung von Ambulatorien und Kassenärzten kommen (was das heißt, wurde das letzte Mal hier erläutert), und deren Verteilung völlig neu aufgestellt werden. Dazu die Idee, Spitalsambulanzen auf Kosten niedergelassener Ärzte zu stärken. Und über alles entscheiden ausschließlich „alle wichtigen Institutionen“ – die uns aber nicht sagen, wie und warum.

   Wenn das wahr ist, ist das eine Revolution, keine Reform. Denn, meiner Einschätzung nach geht das ohne Verfassungsänderung gar nicht und widerspricht wohl auch dem EU-Recht.

   Aber das gravierendste ist, dass hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit etwas beschlossen wird, nur um die Ärztekämmerer auszuschalten. Zwar ist es verständlich, dass die überschießenden und heftigen Aktionen der Ärztekammer irgendwann einmal zu deren Ausschaltung führen müssen – aber ich frage mich, ob das der Weg ist? Denn, liege ich richtig, wird hinkünftig Gesundheitspolitik nur mehr in den hintersten Hinterzimmern „aller wichtigen Institutionen“ gemacht. Doch so ein paternalistisches, intransparentes und bürokratisches Vorgehen ist für uns alle schlecht, weil es nicht funktionieren kann.

„Wiener Zeitung“ Nr. 210 vom 27.10.2016 

Groß in der Ankündigung – klein im Abschluss

Die Reform des Finanzausgleichs wird so groß sein wie die Spitalsreformen und Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre.

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   2008 wurde der heute gültige Finanzausgleich für fünf Jahre beschlossen. Man wollte sich Zeit nehmen und kündigte eine Reform dieses Vertragswerkes an. Dann passierte nichts – deswegen wurde 2013 die Laufzeit um ein Jahr verlängert; weil jetzt aber wirklich eine Reform kommt. 2014 kam dann doch nichts. Logisch: noch einmal verlängern, diesmal bis 2016. Jetzt wird wieder verhandelt, doch wieder gab es keinerlei Vorbereitungen auf eine Reform. Ein wesentlicher Teil des Finanzausgleichs ist die Spitalsfinanzierung.

   Eigentlich, nähme die große Koalition ihre Reformen ernst, ein kurzes Kapitel – ist doch seit der Gesundheitsreform 2012 klar, wie viel die Spitäler in jedem Bundesland kosten dürfen: alles angekündigt und hochgejubelt in diversen Papieren mit klingenden Namen, wie Bundes-Zielsteuerungsvertrag, Finanzrahmenvertrag oder Kostendämpfungspfad. Wie die Monitoring-Berichte – ebenfalls groß angekündigte Managementinstrumente, die die Gesundheitsreform transparent machen sollen – zeigen, hat es keinerlei Strukturreform gegeben und jedes sinnvolle operative Ziel wurde nicht umgesetzt, oder wie es zum Status der Umsetzung heißt: „Aussage derzeit nicht möglich“ – selbst, wenn die Frist für die Umsetzung längst abgelaufen ist.

   Und so geht es auch dem Kostendämpfungspfad. Eigentlich nur eine Fake-Rechnung, da viel zu hohe Ausgabensteigerungen zugrunde gelegt wurden, die leicht unterschritten werden konnten. Wie sagt das der Rechnungshof: „Die ausgewiesene Ausgabendämpfung war daher weitgehend fiktiv.“ Aber selbst diese Schönrechnung wird nicht halten, weil völlig unerwartete Kosten die fiktiven Ausgabendämpfungen auffressen. Kein Land war oder ist gewillt, substanzielle Einschnitte in ihren Spitälern vorzunehmen und mit den Kassen neue, ambulante Versorgungskonzepte zu entwerfen. Alles blieb beim Alten – nur die Personalkosten, allen voran für Ärzte, gehen durch die Decke. Warum? Weil der Bund eine EU-konforme Arbeitszeitregelung für Ärzte beschließen musste. Auch wenn diese Regelung seit 2003 bekannt war, die Länder waren grosso modo desinteressiert, sich vorzubereiten. Macht nichts, ist ja Bundessache – der hat das Gesetz beschlossen. Damit muss er, die „Kosten dieser „unerwartbaren“ Neuregelung tragen. Der solle es jetzt auch für Patienten zahlen, die nicht aus dem eigenen Bundesland kommen – sogenannte Gastpatienten. Wie kommen Salzburger dazu, Oberösterreicher „unentgeltlich“ zu behandeln? Aber das reicht nicht. Auch für Pflege soll es mehr Geld geben. Zwar zeigen Berechnungen, dass eine sinnvolle Abstimmung zwischen Pflege- und Spitalssektor (beides Ländersache), mehr Lebensqualität bei sinkenden Kosten erzeugen würde – alleine, das ist uninteressant. Der 2011 mit 700 Millionen Euro eingerichtete, 2015 auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockte Pflegefonds soll höher dotiert werden. Am Ende wollen die Länder für „ihre“ Gesundheitssysteme etwa eine Milliarde mehr; und die finden das völlig okay. Schließlich darf hier nicht gespart werden. Worte, dass sie unfähig sind, Reformen umzusetzen, die sie seit Jahrzehnten ankündigen, werden wir nicht hören.

„Wiener Zeitung“ Nr. 097 vom 19.05.2016    

Kuckuck, KAKuG!

Dass die Ärztekammer immer gegen alles ist, ist nichts Besonderes, wenn aber die Länder ein Bundesgesetz begrüßen, ist Vorsicht geboten.

Das erneuerte Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (KAKuG) schraubt unter dem Titel der Flexibilisierung an den Mindeststandards für Spitäler und erlaubt hinkünftig „Basis-Spitäler“, die nur mehr eine Bettenabteilung für innere Medizin (ohne weitere Spezialisierung) anbieten müssen; alles andere darf und soll ambulant (darunter ist auch die Tagesklinik zu verstehen) abgearbeitet werden.

Die Novelle bietet auf den ersten Blick tatsächlich jene Flexibilität, die nötig ist, eine vernünftig abgestufte Versorgung zu errichten. Wer genau schaut, wird aber sehen, dass dieses Basis-Spital so etwas ist, wie ein ambulantes Versorgungszentrum, mit der Möglichkeit, Patienten mit allgemeinen Problemen stationär aufzunehmen. Diese Patienten würden international nicht in einem Spital liegen, sondern entweder in den eigenen vier Wänden von einem gut ausgebildetem Hausarzt versorgt, oder vielleicht in einem Pflegeheim für Kurzzeitpflege betreut. Nur bei uns ist das Spital zuständig.

Aber was soll’s, im Sinne des Patienten – auch wenn es ein Etikettenschwindel ist, weil diese Basis-Spitäler definitiv nicht mehr Spitäler sind – könnte was Gutes rauskommen; könnte, wohlgemerkt.

Denken wir an die Geburtsstationen. Diese sind zwar längst nicht mehr vorgeschrieben, trotzdem hat noch fast jedes Spital seine eigene. Denn das echte Schließen von Abteilungen hat hierzulande noch nie wirklich geklappt, schon gar nicht bei der Chirurgie – Stichwort Bad Aussee.

Zudem haben die Länder das KAKuG nie ernst genommen. Denken wir an Waidhofen/ Ybbs. Das dortige 180 Betten-Spital mit einem Einzugsgebiet von 40.000 Einwohnern (selbst das neue Basisspital müsste mindestens 50.000 haben!) verfügt über eine Ausstattung wie ein kleines Uni-Spital. Da gibt es neben der Internen, der Gynäkologie und der Chirurgie, eine Unfallchirurgie, eine Urologie, eine Augenabteilung und – darauf ist man besonders stolz – sogar einen Herzkatheter. All das war und ist im KAKuG nicht vorgesehen.

Es besteht die Befürchtung, dass die Länder diese Flexibilisierung nicht dazu verwenden, eine vernünftige Spitalsplanung vorzunehmen und Spitäler „rückzubauen“, aber die Option erhalten, tief in die ambulante Versorgung einzugreifen. Schließlich kann in diesen Basisspitälern jedes Fach ambulant angeboten werden.

Um Auswüchse (sprich Neubauten) hintan zu halten, ist zwar vorgesehen, dass nur bestehende Spitäler umgewandelt werden dürfen, was aber nicht vorgesehen ist, ist ein Eingriff in die Bedarfsprüfungen. Wann und wo ein bettenführendes Spital errichtet wird, ist Sache der Länder, die zwar auch eine Bedarfsprüfung über sich ergehen lassen müssen, aber von Amtswegen der Bedarf ungeprüft zu bestätigen ist, wenn ein Antrag direkt vom Land kommt. Anders ausgedrückt: Länder können Basis-Spitäler errichten, wo und wann sie wollen.

Und da der Kampf ums Geld (wer wird die eine Hand, die finanzieren soll?) noch nicht abgeschlossen ist, lässt sich der Eindruck nicht verwehren, dass die Länder nach der gesamten kurativen Gesundheitsversorgung – ambulant und stationär – greifen. Was im Grunde ja nicht schlecht sein muss, wenn die Vergangenheit uns nicht lehrte, dass Länder einfach nicht fähig sind, ein vernünftiges und patientenorientiertes Gesundheitssystem aufzuziehen, stehen doch Einfluss- und Machtüberlegungen im Vordergrund.

Tja, und deswegen ist die Skepsis der Ärztekammer, wenn auch vermutlich aus anderen Gründen, zu teilen.

Dieser Artikel wurde im November 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein überraschtes WIFO und ein tauber Minister

Prof. Aiginger vom WIFO und Minister Stöger lesen den Rezeptblock nicht. Sonst wäre in der letzten Woche etwas anderes zu hören gewesen.

Prof. Aiginger war nämlich überrascht, als er erfuhr, dass unser Gesundheitssystem zwar das zweit teuerste im Euro-Raum ist, aber gemessen an den zu erwartenden gesunden Lebensjahren, dem eigentlichen Ziel des Systems, so gut wie jedes Land besser ist, obwohl genau das vor zwei Monaten an dieser Stelle stand.

Dass Minister Stöger, als Verteidiger des „besten Systems“, diese Kolumne nicht liest, war zu erwarten. Dass er aber auch dem Aiginger nur mehr selektiv zuhört? Nicht anders ist jedoch seine Reaktion zu erklären, die die Fantasielosigkeit der letzten Jahrzehnte aufweist: „Da brauchen wir mehr Mittel.“ Um was zu erreichen? Das teuerste zu werden?

Auch der Minister sollte endlich lernen, dass wir nicht mehr Mittel brauchen, sondern er damit anfangen muss, diese vernünftig auf Prävention, Kuration, Rehabilitation, Pflege und Palliativversorgung aufzuteilen, statt ständig nur über Krankenkassen und Spitäler zu reden, oder irgendwelche Dialoge einzurichten.

Hier eine Nachhilfe für die Prävention.

Der Mutter-Kind-Pass ist wohl das erfolgreichste Präventionsprogramm hierzulande. Es kostet etwa 60 Millionen Euro. Weil es funktioniert, würde es vielleicht auch bei Erwachsenen funktionieren. Schließlich ist Eigenverantwortung diesem Land fremd und Papa Staat für fast alles zuständig.

Wie machen wir es: Der Hauptverband überweist den Spitälern 200 Millionen (etwa zwei Prozent der Gesamtkosten) weniger. Mit diesem Geld finanziert er eine komplette neue Vorsorgeschiene beim Hausarzt.

Alle Österreicher zwischen 35 und 60 erhalten, wenn sie zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung gehen, 100 Euro bar. In dieser Untersuchung werden mit dem Patienten individuelle, aber wissenschaftlich abgesicherte, Ziele vereinbart (Abnehmen, Rauchen aufhören, mehr Bewegung etc.). Erreicht der Patient diese Ziele, erhält er zusätzlich 100 Euro – macht 200 Euro.

Über 60 wird es ein bisschen brenzliger: dort werden dem, der nicht hingeht, 300 Euro (pro Jahr!) von der (Brutto)Pension abgezogen – analog dem einbehaltenen Kinderbetreuungsgeld, wenn Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen nicht wahrgenommen werden. Was für Familien in viel höheren Dimensionen erlaubt ist, kann bei Pensionisten nicht unmenschlich sein! Erreicht ein Pensionist seine Ziele, gibt es auch 100 Euro bar.

Rechnet man mit 50 Prozent Teilnahme bei den unter 60-jährigen und mit 80 Prozent bei Pensionisten, einer Zielerreichung bei der Hälfte, stellt die jetzige Vorsorgeuntersuchung ein und widmet die einbehaltenen Pensionsanteile dem neuen Programm, dann ist das alles um 200 Millionen zu haben, die den Spitälern nicht wirklich abgehen können.

Die Hausärzte würden um etwa 240 Millionen mehr Umsatz machen, was deren Job deutlich attraktiver macht und ihre Rolle enorm steigern würde. Es ist übrigens Schwachsinn, Prävention – wie in einigen Bundesländern angedacht – ins Spital zu ziehen. Die gehört zum wohnortnahen Hausarzt (eigentlich zu sogenannten Primärversorger, der unter Umständen auch ein Facharzt sein kann!) und sonst nirgendwo hin.

Der Vorschlag ist zwar vermutlich nicht wirklich effizient, aber es würden sicher einige Effekte, eine begleitende Versorgungsforschung vorausgesetzt, auftreten, auf denen man aufbauen kann – und zwar nachhaltig und ganz ohne Überraschungen!

Dieser Artikel wurde im Mai 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Der Worte sind genug gewechselt

Es ist mühsam, diese Spitalsreformdebatten mit all ihren unvernünftigen Reaktionen zu beobachten. Ein Befreiungsschlag ist nötig!

Herr M. fühlt sich schlapp. Er ist 69 und ängstlich, weil einige Bekannte schon tot sind. Also geht er zum Hausarzt. Ein eher seltener Besuch, denn meist glaubt er genau zu wissen, welchen Facharzt er aufsuchen muss. Und wenn er sich nicht sicher ist, dann ist seine erste Anlaufstelle die Spitalsambulanz. Aber bei allgemeinem Schlapp-Sein, da dürfte der Allgemeinmediziner zuständig sein.

Der Hausarzt kennt Herrn M. nicht wirklich gut, aber schnell steht fest, der Patient braucht eigentlich nichts, nur etwas Beruhigung. Geld für diese „Behandlung“ gibt es entweder nicht, oder so gering, dass ein „Verlustgeschäft“ droht – bei einem Patienten, der sonst nie kommt. Was tun? Nun, eine Überweisung in die Ambulanz mit unspezifischen Herzproblemen geht immer.

Der Patient, nun endgültig beunruhigt, geht ins Spital und wird dort sofort zur Abklärung stationär aufgenommen – weil die Ambulanz viel zu spezialisiert ist, um hinter „allgemeinem Schlapp-Sein“ etwas anderes als ein Körperproblem zu erwarten, um so mehr, als der Hausarzt ja Herzprobleme vermutet. Nach drei Tagen, ohne eindeutigen Befund, wird er entlassen, mit mehreren Medikamenten, die eher aus Verlegenheit, denn aus triftigen Gründen verordnet werden.

Für Herrn M. ist die Sache nicht vorbei. Er glaubt nun, dass er eine so merkwürdige Krankheit hat, dass ein Spitalsaufenthalt nötig war. Noch mehr verunsichert, wird er seine Facharztbesuche in der nächsten Zeit deutlich erhöhen und mit hoher Wahrscheinlichkeit bald wieder in einer Ambulanz und von dort im Spitalsbett landen.

Von außen betrachtet ist das Wahnsinn. Dem Patienten ist um viel Geld nicht geholfen, wenn nicht sogar geschadet, worden. Und warum? Weil, jeder weiß es, die Prozesse im Gesundheitssystem faul sind.

Um Prozesse zu ändern, kann man den langen Weg gehen, alle an einen Tisch bringen und mühsamst über neue oder verbesserte Wege nachdenken. Oder man streicht einfach Ressourcen – ein sehr kurativer Schock, der in den meisten Fällen wirkt. Hier aber wird das nicht passieren, weil es zwischen Kassen und Spitälern keine gemeinsamen Ressourcen gibt.

Wenn es darum geht, unnötige Spitalsaufenthalte zu reduzieren – und nur das kann das Ziel von Spitalsreformen sein –, wird man nicht umhinkommen, mehr zu besprechen, als nur „Bettenabbau“.

Im Grunde gibt es nur eine Chance: man muss verhindern, dass Patienten ins Spital (auch in die Ambulanz) kommen. Und der einzige Weg ist, Hausärzte aufzuwerten. Wenn diese weniger zu Fachärzten oder Ambulanzen überweisen, und Patienten dort seltener selbst hin gehen (müssen), weil sie sich vom Hausarzt gut versorgt fühlen, dann werden automatisch die Aufnahmen weniger.

Es ist viel zu spät, um sich in der jetzigen Situation tiefere Gedanken zu manchen, wie so etwas sinnvoll umgesetzt werden kann. Ich schlage daher vor, mit Ausnahme von Wien (eine Großstadt ist wirklich anders), allen Hausärzten 40 Prozent mehr Geld (das additiv nötig wird) auszubezahlen.

Das kostet erstaunlich wenig – etwa 160 Millionen Euro österreichweit. So könnten dann Spitalsreformen (mit einer Milliarde Einsparungspotential) realistischer werden und vielleicht löst sich auch der angekündigte Hausärztemangel.

Wem das zu undifferenziert ist, sei gesagt: Nachschärfen kann man nachher immer noch – alles im Vorfeld auszudiskutieren, das haben wir ohne jegliches Ergebnis die letzten 40 Jahre versucht! Damit muss Schluss sein.

Dieser Artikel wurde im Mai 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.