Wieder eine papierene Gesundheitsreform

Geheime Papiere, die toll angepriesen und gefeiert werden, und Monitoringberichte, die tunlichst unbemerkt erscheinen.

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   Juhu, wir haben einen neuen B-ZV! Einen was? Einen Bundes-Zielsteuerungsvertrag – das ist der „Fahrplan Gesundheit für die nächsten fünf Jahre“ (© Gesundheitsministerium). Und weiter: „Dass wir heute (24. März, Anm.) den B-ZV für die Zeit von 2017 bis 2021 beschlossen haben, zeigt, dass die Gesundheitsreform funktioniert“ (© Hauptverband). Leider ist dieser toll gefeierte Vertrag (noch) unter Verschluss – und kein Journalist hat nachgefragt, wo er denn sei. Wir sollen ihn nicht lesen, wenigstens nicht vor der Wahl. Bis dahin muss es reichen, von ihm zu hören und zu akzeptieren, dass der Rücktritt von Ulrike Rabmer-Koller unverständlich ist.

   Weil ich ihn schon habe (vertraulich – wie üblich), weiß ich, dass der neue B-ZV ein paar lustige Dinge enthält – so kommt „aut idem“ wieder. Eine Reformidee, die vor zehn Jahren schon mal war, und bei der es darum geht, dass nicht Ärzte entscheiden, welches Medikament der Patient kriegt, sondern Apotheker, die ein anderes als das verordnete, aber wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben dürfen. Das hilft, deren Lagerkosten zu reduzieren.

   Aber grundsätzlich ist der neue B-ZV langweilig, steht doch alles schon in ähnlicher Form im alten. Auffällig ist nur, dass die Zahl der Ziele deutlich geschrumpft wurde. Im alten gab es noch viele „strategische Ziele“, „operative Ziele“ und Maßnahmen, eh oft schwammig definiert, aber immerhin. Jetzt gibt es praktisch nur Überschriften, und Zielwerte werden gerne mit kleinen Pfeilen dargestellt, die je nachdem nach unten oder nach oben zeigen – praktisch für die Zielerreichung. Der Grund dafür ist klar. Denn während der geheime, aber neue B-ZV groß abgefeiert wurde, ist, völlig ohne Tamtam, Ende Mai der II/2016- Monitoringbericht erschienen – die Berichte erscheinen halbjährlich und listen auf, wo die Gesundheitsreform steht. Sie zeigen also, wie diese funktioniert. Und weil sie (siehe oben) funktioniert, müssten die Erfolge des alten B-ZV, der von 2012 bis 2016 gegolten hat, in diesem Quasi-Abschluss-Bericht stehen. Wenn es etwas zum Feiern gäbe, dann eigentlich den II/2016-Bericht, nicht den neuen B-ZV.

   Eigentlich, wäre da nicht ein klitzekleines Problem; denn alle relevanten Ziele des alten B-ZV wurden schlicht nicht erreicht. Eigentlich hat sich in substanziellen Zielen niemand an den Vertrag gehalten. Das zeigt dieser Bericht sehr unangenehm auf. Also muss man den neuen B-ZV feiern. Damit feiert man eine ferne Zukunft. Und um die Chancen zu erhöhen, dass nicht wieder unangenehme Berichte das eigene Versagen monitorisieren (vielleicht liest ja doch mal ein Journalist diese Berichte), steckt man sich weniger, weniger konkrete und weniger hohe Ziele. Denn, am Ende ist der B-ZV ja nicht dazu da, ein Vertrag zu sein, der Vertragspartner an ein gemeinsames Vorhaben bindet (so wäre es in der realen, unseren Welt), sondern ein Papier, das gut klingt, wenn man es verkündet, das richtig nach was ausschaut und blenden kann – eben eine papierene Reform, die niemandem weh tut, schon gar nicht Politikern und Funktionären.

„Wiener Zeitung“ Nr. 116 vom 16.06.2017