Krankenkassen-Honorarkataloge – absurder Wahnsinn

(Lesezeit 6 Min) Es ist verständlich, dass ein Otto-Normal-Verbraucher so gar nichts mit Honorarkatalogen der Krankenkassen anfangen kann, ja nicht einmal gut eingelesene Medizin-Journalisten verstehen das Kassenhonorar-System. Aber, es ist eines DER Probleme, warum es in Österreich einfach nicht möglich ist, eine sinnvoll organisierte ambulante Versorgung aufzubauen.

Um die Probleme zu illustrieren, will ich ein Beispiel bringen, dass die Unsinnigkeit dieses Systems zeigt: das Langzeit(24h)-EKG, auch Holter-EKG genannt 

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Die machtpolitischen Abgründe der wahlärztlichen Versorgung

(Lesezeit 4 Min.) Wahlärzte gibt es NUR in Österreich, und das hat keinen rationalen Grund, sondern einen handfesten machtpolitischen.

Richtig begonnen hat es im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen. Da wurde seitens der EU festgestellt, dass wir zu viele Pflicht-Krankenkassen haben, die ein Monopolrecht haben festzulegen, was eine ausreichende medizinische Versorgung für ihre Pflicht-Versicherten ist, und zur Deckung dieses festgelegten Bedarfs exklusiv mit der Ärztekammer verhandeln, wie denn dieser zu decken sei: der berühmte Gesamtvertrag samt Stellenplan, der genau festlegt, wo welcher Arzt welche Ordination betreiben darf. Anders ausgedrückt, es ist in Österreich nicht möglich, sich einfach als Kassenarzt niederzulassen und eine Nachfrage zu bedienen, sondern wer was arbeitet ist abhängig davon, dass die Kammer (Pflichtmitgliedschaft für Ärzte) mit den Kassen (Pflichtmitgliedschaft für Bürger) eine Planstelle vorsieht. In Deutschland, dass ja auch sehr viele Krankenkassen hat, und zum Zeitpunkt unseres EU-Beitritts ebenfalls noch ein Pflichtversicherungssystem hatte, war es im Gegensatz jedem Arzt möglich sich überall niederzulassen, weil die Kassen eine Kontrahierungszwang hatten, also jedem Arzt einen Kassenvertrag geben mussten.

Unser System, dass weder Patienten noch Ärzten „(Wahl-)Freiheit“ gibt, passte nicht ins liberale EU Bild, daher sollten wir entweder die 21 Kassen zusammenlegen (max. 9, also pro Bundesland eine), oder aber die Wahlfreiheit bei den Kassen zulassen (also die Pflichtversicherung abschaffen), oder aber das Kassenplanstellenwesen liberalisieren.

Dieses Ansinnen hat Chaos ausgelöst, schließlich darf sich in dem Bereich nix ändern. Die Ärztekammer hat ohne die Planstellen-Verhandlungshoheit deutlich weniger Macht, und die Kassen würden als liebgewonnene Parteivorfeldorganisationen und Pfründe verloren gehen, und zudem würde es zu einer Konkurrenz im „eigenen Haus“kommen – schließlich gehören die meisten Kassen ja bestimmten Teilgewerkschaften oder Gewerkschaftsteilen, die eines eint, eine FSG-Führung.

Am Österreichischen Pflicht-Pflicht-System, dass allen ein angenehmes, konkurrenzloses Leben ermöglicht zu rütteln kam nicht in Frage – eine Lösung musste gefunden werden.

In der Folge hat man dann die EU überzeugt, dass unser System ja gar nicht sooo vermonopolisiert und verpflichtend ist, weil ja die Wahlfreiheit durch Wahlärzte garantiert ist.

Dank des Wahlarztsystems können Patienten sich die Ärzte unabhängig des Stellenplans aussuchen, und Ärzte ohne Kassenvertrag überall niederlassen. Wahlärzte gab es zwar schon sehr lange, allerdings eben immer nur als Randphänomen (ihre Rolle war auf Leistungen außerhalb des öffentlichen Systems ausgelegt – z.B.: Homöopathie), auf das nun politisch zurückgegriffen wird. Damit gab sich die EU vorerst zufrieden.

Das Problem mit den Wahlärzten war jedoch, dass sie, sollten die Kassen ihre gesetzliche Verpflichtung (normiert im ASVG) wahrnehmen, kaum einen Markt gehabt hätten. Das Gesetzt sieht nämlich vor, dass jedem Versicherten wenigsten zwei Kassenärzte (und zwar für jede der 21 Krankenkassen und für jede der duzenden Facharztrichtung) in akzeptabler Entfernung zur Verfügung stehen muss. Gäbe es tatsächlich so viele niedergelassene Kassenärzte, Wahlärzte hätten keine Chance gehabt.

Wie also schafft man den für die EU dringend nötigen „Markt“ für Wahlärzte. Nun, die Folge war, dass die Kassenstellen (MIT Zustimmung der Ärztekammer, die sich jetzt heftig darüber aufregt) konsequent verringert wurden (d.h.: statt mit dem demographischen Bedarf mitzuwachsen, blieb die Zahle der Kassenstellen gleich), ohne jedoch zuzugeben, dass es dabei zu einer Unterversorgung gekommen ist –  mal ganz abgesehen, dass dem gesetzlichen Auftrag von zwei Kassenärzten in der Nähe ohnehin nie entsprochen wurde.

Und es ist ganz klar, dass in der Folge Wahlärzte immer häufiger neben den zugedachten Aufgaben, nämlich die Nachfrage für nicht durch das System gedeckte Leistungen zu decken, auch für die öffentliche Versorgung wichtig wurden.

Eine Unterversorgung, die durch Wahlärzte gedeckt wird, ist aber gesetzlich nicht vorgesehen. Aber wenn keine Unterversorgung festgestellt wird, dann gibt es ja auch keine!- oder?

Und daher wurde nie erhoben, welche Versorgungswirksamkeit Wahlärzte für Kassenpatienten entfalten, mehr noch, in den offiziellen Bedarfsprüfungen wurden Wahlärzte, um deren Bedeutungslosigkeit für das öffentliche Versorgungssystem „beweisen“ zu können, willkürlich mit etwa 5% der Versorgungswirksamkeit angesetzt, die ein Kassenarzt für das öffentliche System erbringt. Das bedeutet, dass es 20 Wahlärzte braucht, um die Arbeit eines Kassenarztes zu erbringen – was natürlich lächerlich ist. Sogar in der neuen offiziellen Ärztebedarfsstudie, die ja aus politischen Gründen Jahre lang verschleppt wurde, stieg die zugestandene Versorgungswirksamkeit auf 8% oder (nicht bis!) 17%, je nachdem, ob man einen Ärztemangel rauslesen will oder nicht – valide Zahlen über die reale Versorgungswirksamkeit gibt es nicht und darf es natürlich auch nicht geben!

Dass die Realität anders war und ist, ist unerheblich, dass die Zahl der Kassenärzte pro Einwohner seit 2000 kontinuierlich sinkt egal und dass die Arbeitsbelastung der Kassenärzte wegen der demographischen Entwicklung steigt belanglos. Wichtig war und ist nur, dass alle Kassen und der Stellenplan erhalten bleiben.

Nun, seit Oktober 2012 liegt eine Studie vor die belegt, wie wichtig Wahlärzte für die Versorgung sind. Und das müsste Konsequenzen haben.

Sollten nämlich Gesetze wichtig sein (was zu bezweifeln ist), müsste die Studie dazu führen, dass es zum Ausbau von Kassenstellen kommt. Dagegen sind aber viele in den Ärztekammern, weil so der gedeckelte Kuchen der Kassen ja auf mehr aufgeteilt werden müsste. Sollte es zum Ausbau der Kassenstellen kommen, dann nur, wenn die Kassen zusätzliches Geld erhalten.

Das ist aber nicht so einfach. Wollte man den Kassen mehr Geld geben (beispielsweise durch Erhöhung der Beiträge, oder Verbreiterung der Beitragsgrundlagen – Höchstbemessungrundlage aufheben), werden nach jetziger Gesetzeslage die Spitäler, dank einer Vereinbarung aus dem Jahr 1997, die auch jetzt wieder verlängert wurde. jedenfalls die Hälfte davon abkriegen. Ein bedarfsgerechter Ausbau der Kassenstellen würde uns Steuer- und Beitragszahler daher immer doppelt soviel kosten, als nötig, weil wir gleichzeitig auch Geld in die Spitäler stecken müssten, in die wir aber im internationalen Vergleich ohnehin schon viel zu viel stecken.

Es sind viele gordische Knoten, die es zu zerschlagen gelte, will man wirklich was ändern! Und so sind sich irgendwie alle einig, dass es so wie es ist, nicht weiter geht, aber keiner an der Situation was ändern darf ….

Es sind die Konsequenzen der politischen Lügen, die hier ein Gewirr an gegenseitigen Abhängigkeiten geschaffen haben und uns nachhaltig Lähmen. Jedenfalls bin ich gespannt, wie man jetzt mit der Studie umgeht- vermutlich wie mit all den anderen auch – weglegen, vergessen und dann weiterwursteln– vielleicht aber kommt die EU langsam drauf, dass wir seit vielen Jahren gefakte Daten liefern! Dann könnte es was werden

Wahlärzte und Ärztemangel

Seit wenigstens 15 Jahren versuchen Experten vergeblich zu erklären, dass es auch hierzulande nötig ist, sich ernsthafte Gedanken über den Ärztebedarf zu machen.

Jetzt arbeiten auch wieder Gruppen, um herauszufinden, wie viele Uni-Plätze das Land braucht, um Ärztemangel zu vermeiden. Allerdings, und das zeigt bereits die Diktion der arbeitenden („am Endbericht wird gefeilt“, „man sei sich noch nie so nahe gekommen“ etc), geht es weniger um realitätsnahe Schätzungen, sondern um Verhandlungen der Eigeninteressen. Und diese sind krass widersprüchlich.

Gefeilscht wird über die Wahlärzte. Diese, in Europa einzigartige, Spezies, die im öffentlichen Gesundheitssystem arbeitet, ohne richtig dazu zu gehören, sind eine tolle Verhandlungsmasse: Wie soll man deren Versorgungswirksamkeit bewerten? Immerhin ist ein Viertel (über 10.000!) aller Ärzte dieser Spezies zuordenbar. Und je nachdem, wie wichtig sie für die Versorgung angenommen werden, umso mehr Uni-Plätze braucht man.

Die Ärztekammer ist der Meinung, alle Wahlärzte sind notwendig. In einer eigenen Studie geht sie noch weiter: zukünftig wäre pro 180 Einwohner ein Arzt nötig. Zum Vergleich, aktuell sind es etwa 210, in Deutschland gar nur 260. Ärztemangel und Unterversorgung wären nur abwendbar, wenn wir sofort hundert Ärzte mehr pro Jahr ausbilden.

Der eigentliche Hintergrund – unsere Ärztedichte ist mit Abstand die Höchste in der EU – dürfte sein, dass das Ärztepensionssystem (Wohlfahrtsfonds) pleite geht, wenn nicht rasch frische Zahler ins Pflichtsystem gespült werden. Bester Weg wäre, die Ausbildungskapazitäten (vor allem neue Unis in diversen Bundesländern, die neben Prestige auch frisches Geld aus „Wien“ versprechen; es ist lustig wenn man die Grätschen des Wissenschaftsministeriums zwischen EU-Quotenregelung für Studenten und diesen ländlichen Begehrlichkeiten beobachtet) auszubauen.

Aber, da gibt es halt das Problem mit den Kassen. Diese sind verpflichtet, jedem Versicherten ausreichend Kassenärzte zur Verfügung zu stellen. Wenn wirklich die Wahlärzte für die Versorgung nötigt sind, dann müsste die Zahl der Kassenverträge seit langem und in Zukunft noch deutlicher steigen. Tut sie aber nicht. Seit 1995 bleibt die Zahl gleich. Die Kassen gehen davon aus, dass Wahlärzte nicht oder nur sehr gering nötig sind und setzen deren Versorgungswirksamkeit mit wenigen Prozent eines Kassenarztes an. Daher müsse für diese keine Ausbildungskapazität geschaffen werden.

Hier ist die Ärztekammer übrigens im Dilemma: Einerseits sollen die Kassenkuchenstücke nicht durch mehr Kassenärzte kleiner werden, andererseits braucht es eben mehr Ärzte für das Pensionssystem – logischer und altbekannter Schluss, den alle lieben: „MEHR GELD!“

Und dann gibt es, wie üblich, noch die Länder im Spiel. Die sind, neben den oben erwähnten Wünschen rund um den Ausbau der Universitäten, interessiert, dass genug Jungärzte als billig Arbeiter zur Verfügung stehen. Die Unis müssen jährlich mehr als 1.100 Absolventen für den „österreichischen Markt“ liefern, damit Turnusärzte nicht auf die Idee kommen, sie könnten ihre Situation (mehr Ausbildung und weniger Schreib- und nichtärztliche Routinearbeit) durch eine stärkere Verhandlungsposition verbessern.

Und so verhandeln die staatlichen Lobbyisten um die Wahlärzte, denn dort ist der Hebel, wie man jede gewünschte Zahl erreichen kann. Und, das kann ich heute schon sagen, werden diese, unabhängig der Realität, genau so bewertet werden, dass möglichst alle Interessen befriedet werden. Nur halt nicht die derjenigen, die nicht mitverhandeln durften.

Dieser Artikel wurde im August 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Neue Zeiten im Kassenbereich?

Seit Jahrzehnten verhandeln zehn Ärztekammern und dutzende Krankenkassen über Organisation und Finanzierung der ambulanten Versorgung – und das mit anachronistischen Methoden.

Ziel dieser Verhandlungen ist es, in kollektivvertragsartigen Gesamtverträgen festzulegen, wie viele Kassenärzte es wo geben muss, welche Leistungen von welchen Kassen bezahlt werden und in welcher Höhe die Leistungshonorare ausfallen.

Die Verhandlungen selbst liefen immer gleich ab. Die Kassen haben den Kammerfunktionären gesagt, wie viel mehr Geld es im nächsten Jahr geben wird und dann ist man daran gegangen, anhand von Honorarkatalogen, in denen die Leistungen taxativ festgehalten sind, zu überlegen, wie man das zusätzliche Geld verteilt. Und mal haben sich die einen (Fach)Ärzte durchgesetzt, mal die anderen.

Es gibt 13 oder 14 solcher Honorarkataloge (für die neun Gebietskrankenkassen je einen, für die restlichen zehn oder zwölf Kassen die restlichen) die allesamt nicht zusammenpassen, auch wenn über „Meta-Honorar-Ordnungen“ oder „Mapping-Strategien“ versucht wird, eine Vergleichbarkeit herzustellen. Es wurde nämlich gänzlich vernachlässigt, die einzelnen Leistungen ordentlich zu definieren oder den Verhandlungen echte Kalkulationen zu Grunde zu legen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bedarf der Leistungen hat es ebenso wenig gegeben, wie den Versuch, herauszufinden, welche Anreize man mit den Honoraren schafft und welche Auswirkung das auf die Versorgung hat. Die Kataloge sind schlicht ein willkürliches Verteilungsinstrument.

Allerdings hat sich die Welt gehörig geändert. So ist das Monopol der ambulanten Versorgung durch Kassenärzte längst gebrochen. Seit den 1970ern nehmen die Spitalsambulanzen an Bedeutung zu. Anfangs waren sie noch Teil des Systems, weil sie den Kassen spezielle Honorare verrechnen konnten. Seit 1995 ist das vorbei. Seither gibt es nur patientenunabhängige Pauschalen, die an Landesregierungen ausbezahlt werden. Und wen wundert es, dass die Zahl der Patienten explodiert, die Anreize sind ja so ausgerichtet, dass Patienten dem Spital zugewiesen werden. Parallel stieg die Zahl der Wahlärzte an. Heute gibt es mittlerweile mehr als Kassenärzte. Welche Versorgungswirksamkeit Wahlärzte haben, wird sorgsam verschwiegen; aber sie sind sicher nicht mehr aus der ambulanten Versorgung wegzudenken. Und in all dem noch gar nicht berücksichtigt, sind die tagesklinischen (Spitals)Leistungen, die ja eigentlich auch der ambulanten Versorgung zuzurechnen sind.

Es wird Zeit, dass Kassen und Ärztekammern endlich verstehen, dass ihr liebgewonnener Weg anachronistisch ist. Will das Kassensystem überleben, wird es sich bewegen müssen.

Und genau das dürfte bei der SVA passieren. Denn, so der Vorschlag gegenüber der Ärztekammer, anstelle des alten Kataloges soll ein innovatives, patientenorientiertes Verrechnungsmodell treten. Moderne und flexible Honorierung nach Erkenntnissen der Versorgungswissenschaft und laufende Adaptierung des Leistungskatalogs nach neuesten medizinischen Erkenntnissen wird ebenso vorgeschlagen wie die Entlohnung in Abhängigkeit von der erbrachten Qualität, anstatt nur der Quantität. Es soll Anreize für integrative Versorgung geben, Hausarztmodelle sollten ebenso im Katalog enthalten sein, wie strukturierte Versorgungskonzepte für chronisch Kranke – alles in allem also eine komplette Umstellung der Finanzierungs- und Organisationsstruktur.

Das so etwas von der Ärztekammer vorerst (und reflexartig) abgelehnt werden muss, ist nur klar, aber dass es auf Dauer verhindert werden kann, Illusion.

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ambulante Gesundheitsversorgung – Chaos pur

Das Regel-Chaos in der ambulanten Versorgung ist unerträglich und behindert eine vernünftige Entwicklung – am Ende zum Schaden für die Bevölkerung.

Kaum jemand, der, wenn er einen Arzt besucht, weiß, welches Regel-Chaos sich hinter diesem Besuch verbirgt. Ein Normalbürger geht entweder zu seinem Kassen- oder Wahlarzt, oder in die Spitalsambulanz oder aber in ein Ambulatorium. Dass sich dahinter unterschiedlichste Gesundheitssysteme verbergen, bleibt verborgen.

Von der Patientenzahl her dürften Kassenärzte wohl die wichtigsten sein. Ob das auch für ihre Versorgungswirksamkeit gilt, weiß man nicht. Am Ende werden dort über 110 Millionen Arztbesuche pro Jahr gezählt. Wo es Kassenordinationen gibt, legen Ärztekammer und Kassen im Verhandlungsweg fest. Das Leistungsspektrum wird durch Honorarkataloge bestimmt, von denen es 14 unterschiedliche gibt – fünf für die sogenannten kleinen Kassen und neun für die neun Gebietskrankenkassen. Diese Kataloge sind alles andere als logisch, und funktionieren nach allem, nur nicht nach dem „Gleiches Geld für gleiche Leistung“- Prinzip. Denn die Leistungen sind das Produkt von 50 Jahren Verhandlungen zwischen Dutzenden Kassen und föderalen Ärztekammern. Kein Mensch weiß mehr, was sich die Verhandler bei den Leistungen und den damit verbundenen Honoraren gedacht haben.

Bei den Wahlärzten, von denen es mehr als Kassenärzte gibt, sind diese Kataloge weitgehend egal, weil sie nach dem Kostenerstattungsprinzip funktionieren, also nicht mit den Kassen, sondern mit den Patienten verrechnen, und ihre Honorare selbst festsetzen. Wo es Wahlärzte gibt ist ebenfalls ungeregelt. Das einzige was Wahlärzte mit Kassenärzten verbindet ist die Tatsache, dass beide keine Ärzte anstellen dürfen.

In den Spitalsambulanzen wiederum arbeiten nur angestellte Ärzte; wie viele ist aber ungewiss. Welche Leistungen erbracht werden ist ebenso unbekannt, wie die Menge der erbrachten Leistungen, nicht einmal das Patienten-Zählen funktioniert. Das Einzige, was man weiß, ist, dass sie in einer Grauzone arbeiten. Denn eigentlich sind sie nur für ambulante Patienten zuständig, die eine Versorgung brauchen, die es im niedergelassenen Bereich nicht gibt. Weil man aber weder da noch dort weiß, was es wirklich gibt, machen Ambulanzen mittlerweile alles.

Und schließlich mischen Ambulatorien mit: Wo es welche geben und was dort gearbeitet werden darf, ist Ländersache – die haben den Bedarf zu prüfen. Was allerdings die Bezahlung betrifft, da sind meist die Kassen in der Pflicht. Und um es nicht zu einfach zu machen: Die Vertretung der Ambulatorien ist – irgendwie artfremd – die Wirtschafts- und nicht die Ärztekammer.

Und weil die Verwirrung nicht groß genug scheint, wird es demnächst Ärzte-GmbHs nach dem Stöger-Modell geben: ein Hybrid aus Ambulatorium und Ordination. Es dürfen nur Ärzte, die in der Ärztekammer bleiben, dabei sein, Ärzte dürfen nicht angestellt werden und wo sie entstehen ist Ländersache, der Bedarf muss also von Amtswegen geprüft werden – außer die Ärzte, die seine GmbH gründen wollen, haben einen Kassenvertrag, dann ist es Sache der Kassen.

Alles sehr transparent halt.

Dabei hat der EuGH Österreich genau wegen dieser Intransparenz verurteilt und aufgefordert, endlich Regeln, die für alle gleich gelten, einzuführen. Aber das käme einer Reform gleich, die niemand will.

Praktisch bedeutet das aber Rechtsunsicherheit. Ärzte werden ihre Investitionsüberlegungen dementsprechend anstellen; mit der Folge, dass der ambulante Bereich weiter geschwächt wird – aber vielleicht ist das ja das Ziel.

Dieser Artikel wurde im April 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wer Köpfe zählt, der hat keine Ahnung

Nein, es müsste keinen Ärztemangel geben, wenn irgendwo ein solcher vorkommt, dann hat das nicht mit der Zahl der Ärzte zu tun, sondern mit Zynismus.

Was für ein Bild soll ein junger Mensch haben, wenn er hört, dass wir in einen Ärztemangel hineinschlittern? Soll er Medizin studieren, weil da krisensichere Jobs winken?

Bleiben wird bei den Fakten.

Anfang 2005 gab es 38.500 Ärzte, 2009 sind es schon 43.000. Also sind pro Jahr netto 900 Ärzte dazugekommen. In der gleichen Zeit wurden etwa 7.000 Ärzte mit dem Studium fertig. Zieht man die obigen 900 ab, haben 500 Ärzte pro Jahr entweder das Land verlassen oder aber frei werdende Stellen erhalten. Keine Rede von Mangel.

Von den 43.000 arbeiten 13.000 in Spitälern, dazu kommen noch 7.000 Turnusärzte, die darauf hoffen, später einen fixen Platz zu erhalten. 10.000 Ärzte haben einen Kassenvertrag. Also arbeiten 30.000 Ärzte im öffentlichen System, dass wenigstens 95 Prozent der Österreicher versorgt. Wo, fragt man sich, arbeitet der Rest; denn 13.000 haben im öffentlichen System keinen fixen Platz. Diese Ärzte verdingen sich als Wahlärzte, Vertretungsärzte, sitzen auf Karenzstellen oder fahren Notarztdienste. Keiner dieser Jobs ist sicher.

Warum soll plötzlich ein Mangel auftreten?

Ach ja, es wird argumentiert, dass demnächst so viele Ärzte in Pension gehen. Natürlich, wenn man sich nur jene anschaut, die im System sind, kann man den Eindruck haben. Aber wer schaut sich die 13.000 Ärzte an, die eben nicht im System sind? Wie alt sind die? Aber selbst bei den „System-Ärzten“ ist keine Gefahr in Verzug. Das Durchschnittsalter dieser Ärzte hat sich in den vergangen fünf Jahren gerade einmal um neun Monate erhöht. Und eine seriöse Berechnung hat ergeben, dass bis 2025 etwa 750 Ärzte pro Jahr in Pension gehen werden. Bis 2011 werden aber pro Jahr 1.600 Studenten fertig. Dann erst werden die Absolventen sinken – auf mindestens 1.1150, von denen wenigstens 850 aus Österreich kommen. Also selbst dann ist kein Mangel zu sehen. Bis zu dem Zeitpunkt ist die Zahl derer, die im System nicht unterkommen auf geschätzte 16.000 angeschwollen. Wollen wir auf diese einfach verzichten?

Noch ein Aspekt sollte einbezogen werden. Es gibt – was nicht bedeutet, dass es gut ist, nur dass es geht! – Gesundheitssysteme, die für die Versorgung von acht Mio. Einwohnern mit weniger als 20.000 Ärzten auskommen. Was passiert, wenn das Geld knapper wird und wir uns aus Kostengründen dorthin entwickeln? Werden dann noch mehr Ärzte im „Nichts“ verschwinden?

Nichts desto trotz gibt es zunehmend Mangelerscheinungen. Es wird immer schwieriger gerade in der Peripherie Ärzte zu finden, die bereit sind, für wenig Geld viel zu arbeiten. Zudem ist der Anteil der Frauen unter den Ärzten unter 35 Jahren bereits fast 70 Prozent. Diesen Frauen machen wir im System kein Angebot, Familie und Beruf zu vereinbaren.

Kann man solche Mangelerscheinungen mit noch mehr Uni-Absolventen lösen?

Natürlich nicht. Ob Absolventen, ausländische wie inländische, hier arbeiten wollen, hängt davon ab, welche Vision sie in Österreich haben. Und da scheitert das System furchtbar. Um diese Mängel zu beheben müssen wir über Anreizsysteme und Perspektiven reden – nicht über noch mehr Studenten.

PS: Bei der in Linz geforderten Universität dürfte es wohl eher darum gehen, für die Spitäler neue Geldquellen zu erschließen (bei Uni-Spitälern muss der Bund mitzahlen) und/oder den vielen unechten Professoren, die dort arbeiten, endlich die Chance zu geben, „Richtige“ zu werden. Um Patienten geht es meiner Meinung nicht.

Dieser Artikel wurde im April 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Selbsteinschätzungen sind ein Problem

Alle Menschen gehen davon aus, überdurchschnittlich zu sein – objektiv betrachtet, ist das nicht möglich, subjektiv schon. Ärzte sind da keine Ausnahme.

Selbstbetrachtung wird rasch Selbstbeweihräucherung! Wer das verhindern will, braucht Transparenz. Wer sich selbst evaluieren und dabei ernst genommen werden will, muss sowohl Methode, als auch Ergebnisse detailliert veröffentlichen. Unter diesen Voraussetzungen wäre eine Selbst-Evaluierung möglich – Sonst nicht! Die Ärzte haben sich selbst evaluiert, aber auf Transparenz verzichtet.

Um was geht es. Nach endlosen Verhandlungen hat die Ärztekammer durchgesetzt, dass die Qualitätskontrolle der niedergelassenen Ärzte nicht durch eine objektive Stelle erfolgt, sondern durch eine ärzteeigene Einrichtung – die ÖQMed.

Diese Einrichtung hat im stillen Kämmerchen eine Methode entwickelt, mit der sie dann 18.000 Ordinationen „qualitätsgecheckt“ hat. Mehr als 1000 Ordinationen wurden daraufhin wegen Qualitätsmängel geschlossen, gerade einem elf davon waren Kassenordinationen. Detailliertere Ergebnisse fehlen.

Die Ärztekammer verkauft das als Erfolg und feiert sich: „Die Patienten können sich auf die Qualitätsarbeit ihrer Haus- und FachärztInnen verlassen“. Die Medien auf der anderen Seite schmeißen sich auf die geschlossenen Ordinationen und stellen die niedergelassenen Ärzte in ein schlechtes Licht. Beide Reaktionen sind typisch und beide falsch.

Schauen wir genauer. Da 18.000 Ordinationen geprüft wurden, es aber nur etwa 7.000 Kassenärzte gibt, muss es also auch andere betreffen. Von den 11.000 „Nicht-Kassen-Ordinationen“ sind sicher viele Wahlarztordinationen. Seien wir großzügig und nehmen an, dass 5.000 davon wirklich der Patientenversorgung dienen. Bleiben 6.000 Ordinationen übrig, die wohl aus anderen Gründen bestehen.

Viele Wahlarztordinationen werden eher aus steuerrechtlichen Gründen geführt und nur kaum von Patienten frequentiert. Dann gibt es die sogenannten „Zweit-Ordinationen“. In der Regel handelt es sich dabei um Wohnungen, die ebenfalls wegen steuerrechtlicher Vorteile als Ordinationen gemeldet sind. Auch hier findet keine substantielle Patientenversorgung statt. Und dann gibt es noch jene Ordinationen, die wohl nur aus Gewohnheit weitergeführt werden. Viele pensionierte Ärzte, die ein Leben lang im Erdgeschoss des eigenen Hauses ordinierten und daran gewöhnt sind eine Ordination zu haben, melden diese nicht ab – selbst wenn sie eigentlich nur mehr Abstellkammerln sind.

All diese „unechten“ Ordinationen dienen kaum der Patientenversorgung und müssten daher nicht so ausgerüstet sein, wie die „echten“. Es verwundert eigentlich, dass nicht deutlich mehr als 1.000 Ordinationen wegen Qualitätsmängeln geschlossen werden mussten. Was übrigens die „echten“ Ordinationen betrifft, haben bis auf elf alle „entsprochen“.

Wenn also nur ein Promill der „echten“ Ordinationen die Kriterien nicht erfüllt, und die meisten „unechten“ ebenfalls ausreichend ausgestattet sind, wenn also im Grunde alle – trotz der massiven Unterschiede, die jeder Patient beobachten kann – die Prüfung „gleich gut“ bestehen, dann wird deutlich, dass die jetzige Evaluierung nicht wirklich Qualität misst. Es hat eher den Anschein, dass statt ernstzunehmender Qualitätsvorgaben nur der kleinste gemeinsame Nenner überprüft wird. Die Qualität der Versorgung kann damit nicht dokumentiert werden. Genau genommen werden eigentlich Ordinationen nur auf eine sehr komplizierte Weise gezählt. Ob für so ein Ergebnis 700.000 Euro – soviel kostet die Evaluierung jährlich – nicht zuviel sind?

Dieser Artikel wurde im Februar 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.