Hausarztmodelle – schön und gut!

Hausarztmodelle können nur funktionieren, wenn die Kompetenzen dort, wo sie wirken sollen, bereinigt werden – dazu braucht es Gemeinden, Länder, verschiedene Ministerien, Kassen – und mutige Politiker.

Als ich für „Die Zeit“ einen Artikel zum Thema SVA schreiben sollte, verwendete ich das Wort: „Hausarzt-Modelle“. Der Redakteur teilte mit, das müsse erklärt werden, weil das niemand verstehe. Wenigstens das dürfte sich anlässlich der jetzigen Diskussion ändern. Mit etwas Glück schafft es das Thema zu einer gewissen Breitenakzeptanz.

Es ist an der Zeit zu fragen, warum es die nicht hat und warum hierzulande erst etwas diskutiert werden muss, das anderswo bereits seit Jahrzehnten gute Praxis ist.

Schauen wird einfach in die Realität. Unser „Bild“ vom Hausarzt stammt aus den Nachkriegsjahren. Damals herrschte Ärztemangel, vor allem bei Fachärzten. Um die Versorgung aufrechtzuerhalten, durften Praktiker quasi alles. Und selbst in den 1980er Jahren gab es noch Landärzte, die Geburten machten. Unser Hausarzt war also sehr breit aufgestellt – und das lange Zeit zu recht.

Aber seit wenigstens zwanzig Jahren ist das anders. Die Ärztedichte ist international am höchsten, und Spitalsambulanzen liefern eine Spezialversorgungsbreite, wie sonst nirgendwo. Es ist nicht mehr nötig, dass Hausärzte „alles“ können und dürfen. Zudem hat sich die Bevölkerungsstruktur geändert. Solange die Bevölkerung „jung und gesund“ war, musste der Hausarzt anderes leisten als heute, wo zunehmend alte, und immobile Patienten zu versorgen sind.

Kurz, das „alte“ Bild vom Hausarzt hat ausgedient. Und hier kommen wir zum Kernproblem. Die Politiker wissen einfach nicht, was sie mit dem Hausarzt noch anfangen sollen. Genau genommen, braucht man keine mehr (glaubt man!). Und aufbauend auf einem Gesetz (ASVG), dass niemand mehr versteht, und von Einzelinteressen zur Fratze verzerrt wurde, ist die Entwicklung eines „neuen“ Bildes kaum möglich.

International will man von Hausarztmodellen, dass möglichst viele gesundheitlichen Probleme vor Ort adressiert werden. Das Stichwort ist gesundheitlich – kein Wort von medizinisch, denn das wäre eine Einschränkung, die nicht funktioniert. Hausärzte (mit ihren Ordinationen) sollten niedrigschwellige Leistungen aus allen Bereichen der Gesundheitsversorgung, von Prävention bis zur Pflege, anbieten (nicht bloß koordinieren!) können, nicht nur Heilbehandlung, wie es das ASVG vorsieht.

Prävention für alte Menschen (z.B.: Heimhilfen, damit Patienten nicht wegen häuslicher Verwahrlosung krank oder zum Pflegefall werden), die eben die wichtigste Patientengruppe heute darstellen, hat mit Heilbehandlung wenig zu tun, ja selbst Rehabilitation, wenn sie darauf abzielt, alte Menschen möglichst lange in ihrer Selbstständigkeit zu unterstützen (z.B. aktivierende Pflege) ist ihr nicht zuzurechnen. Und trotzdem gehören all diese Dinge zum „Hausarzt“, wie er sein sollte. Aber genau dort besteht ein Kompetenzwirrwarr zwischen Gemeinden, Länder, verschiedenen Ministerien, Kassen und wer weiß wem sonst noch. Dass hier ein Hausarzt wirklich steuernd eingreifen kann, setzte eine Strukturreform voraus.

Der Erfolg eines Hausarztmodells wird u.a. daran gemessen, ob unnötige Spitalsaufenthalte und Facharztüberweisungen weniger werden. Damit werden die Interessen der Länder und Fachärzte direkt betroffen – Einsparungen könnten zu ihren Lasten gehen. Es ist schwer vorstellbar, dass das dem Hausarzt in der Realität „erlaubt“ würde – ohne Strukturreform.

Will man also wirklich Hausarztmodelle, muss man das System umbauen – alles andere wäre eine „österreichische“ Lösung!

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Profitgier im Gesundheitssystem

Wer am Patienten verdienen will, will durch Leid und Krankheit Gewinne machen. Das ist unmoralisch! Nur der gerechte Lohn darf verlangt werden – und den setzen Politiker fest. Gott sei Dank!

Am Stammtisch, in Diskussionen und auch guten Zeitungen ist es zu erfahren: Die Pharmabranche ist nur an Profit und nicht am Wohl des Patienten interessiert. Nur um Gewinne nicht sinken zu lassen, sind sie sogar bereit ihm zu schaden. Der Shareholder-Value ist wichtiger, als der Stakeholder-Value!

Nun, das ist möglicherweise nicht ganz unrichtig, auch wenn es in Österreich von den Fakten her nicht nachvollziehbar ist.

Gemessen an den Gesundheitsausgaben liegen die für Medikamente, nach den letzten OECD-Daten, mit 13 Prozent weiter sehr niedrig. Also verdient die Branche offenbar nicht auf Kosten anderer Stakeholder, die ja von den verbleibenden 87 Prozent leben. Wenigstens diese (dazu gehören vor allem all Lohn- und Einkommensbezieher) werden offenbar nicht verdrängt.

Pro Kopf und in Geld gemessen, liegen wir im Schnitt. Das heißt, dass wir wenigstens nicht beim Patienten knausern. Allerdings kommen wir auf den Wert nur, weil die Pharmabranche auf Masse macht. Und das wiederum macht sie, weil die Stückpreise im internationalen Vergleich sehr niedrig sind. Und die sind niedrig, weil Preise hierzulande nicht vom Markt, sondern durch Behörden festgelegt werden. Ob das patientenfreundlich ist, wäre sehr fraglich – ist aber logische Folge des Systems.

Wie dem auch sei, die Pharmabranche verdient mit uns nicht wirklich gut. Objektiv betrachtet kann ungezügelte „Profitgier“, wenn es sie gibt, hierzulande jedenfalls nicht umgesetzt werden. Und trotzdem haben so viele das Gefühl, es wäre so!

Vielleicht ist das ja deswegen, weil die Regulierung so streng ist, dass die Pharmabranche rasch an Grenzen stößt und diese dann legitimerweise auch auslotet. An diesen Grenzen jedoch wird das Gefühl von „unmoralischem“ Verhalten geweckt. Ist eine bezahlte Beobachtungsstudie Bestechung oder Forschung? Sind Einladungen zu Kongressen Korruption oder für das System wichtig? Darf ein Pharmareferent Abos für wissenschaftliche Periodika verschenken, oder ist das Anfütterung? All das liegt in Grauzonen, und mir stellt sich die Frage, ob unser Korsett nicht irgendwie „falsch“ ist. Das Gefühle, dass alles was die Pharmabranche macht, nur dem Ziel dient, „unmoralisch“ hohe Gewinne zu erzielen, wird aber in der Realität genau an den Grenzen gut genährt.

Und wer profitiert davon?

Nun, die Pharmabranche ist der einzige Stakeholder, der offen nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten handelt und daher Gewinne machen will. Alle anderen, angefangen bei den Spitälern samt Arbeitsplätzen, politischen Einflussnahmen und wählerstimmenmaximierenden Möglichkeiten, über niedergelassene Ärzte bis hin zu Kassen, Gewerkschaften und Kammern, alle sind sie der (selbstgemachten?) Meinung, dass sie nur für das Wohl des „wichtigsten“ (?) Stakeholders – des Patienten – arbeiten. Sie wollen nichts verdienen, oder gar Gewinne machen! Sie wollen nur ihren gerechten Lohn für die Fürsorge, die sie angedeihen lassen. Und was gerecht ist, dass sagt uns am besten ein Kassenobmann, ein Kammerpräsident, ein Landeshauptmann oder ein Minister.

Zunehmend jedoch werden diese hinterfragt! Und was ist es dann leichter, als auf das gute alte Modell des äußeren Feindes zurückzugreifen. Und da nur die Pharmabranche ihre Gewinnabsicht ehrlich zur Schau trägt, machen jene, die sich anmaßen, Moral von Unmoral zu unterscheiden, daraus ein Kainsmal – und können so ihre eigene Position „moralisch“ absichern.

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Enten aus der Gesundheitspolitik

Um eine sommerliche Debatte anzuregen, könnte man doch ein paar gänzlich frei erfundene Gerüchte ausstreuen – echte und bewusste Zeitungsenten eben.

Österreich ist mit Spitälern unterversorgt: Entgegen landläufiger Meinung, wir hätten zu viele Spitäler, gibt es tatsächlich zu wenige. Die Vorgaben im Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz (Bundesgesetz) verlangen für 50.000 bis 90.000 Einwohner eine Standardkrankenanstalt (also die einfachste Spitalsvariante mit wenigstens Innerer Medizin und Chirurgie).

Da aber ein Drittel der Spitäler ein größeres Einzugsgebiet als selbst die Obergrenze von 90.000 hat, besteht, bei entsprechender Lesart des Gesetzes, in vielen Regionen eine Unterversorgung. So hat beispielsweise das Spital in Mödling ein Einzugsgebiet von 188.000 Einwohnern. Es fehlen hier also gleich zwei ganz neue, zusätzliche Spitäler. Es ist dringend an der Zeit, dass die Politik reagiert und gesetzeskonform neue Spitäler errichtet.

Angeblich arbeitet die Landeshauptleute-Konferenz unter Vorsitz Niederösterreichs, das zu jenen Ländern zählt, die die meisten unterversorgten Regionen aufweist, an einer entsprechenden Forderung; eine Art Spitalsrettungstopf soll Bundesgelder (also unsere Steuern) freimachen, um endlich den vom Gesetz vorgegebenen Spitalsausbau zu finanzieren. Dabei soll es reichen, wenn der Bund das Geld gibt, bauen könne man dann selbst.

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Die MedUni-Innsbruck übersiedelt: Gemäß dem oben genannten Gesetz haben Bundesländer mit mehr als einer Million Einwohner wenigstens ein Zentralspital (also ein Spital der Maximalvariante, das alles, aber auch wirklich alles hat) vorzuhalten. Medizinische Unis müssen jedenfalls solche Maximal-Spitäler sein.

Da Tirol nur etwa 700.000 Einwohner hat, sind sie nicht verpflichtet, ein Zentralspital vorzuhalten, da in Innsbruck aber eine Universität steht, verfügt das Land trotzdem über eines. Angeblich ist das aber zu teuer, deswegen wollen die Tiroler viel Geld vom Bund (unsere Steuern).

Aber auch aus der Steiermark ist zu hören, dass man eigentlich nicht sehr glücklich ist, eine Uni zu haben. Im Gegensatz dazu haben weder Ober- noch Niederösterreich eigene Unis; wollen aber gerne welche haben.

Unbestätigten Gerüchten zufolge arbeitet jetzt eine geheimste Arbeitsgruppe daran, neue MedUni-Standorte zu suchen. So soll die Uni-Innsbruck nach Linz und die Uni-Graz entweder nach Wiener Neustadt (wegen dem MedAustron) oder aber nach St. Pölten übersiedeln. Die fallweise ebenfalls genannte Stadt Krems dürfte eher Außenseiterchancen haben.

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Oberösterreich bald ohne Herzinfarkt-Opfer: Dank der vielen neuen Einrichtungen kann ab 2011 so gut wie jeder Oberösterreicher innerhalb von 20 Minuten bequem mit dem eigenen Auto zum nächsten Spital mit Herzkatheter fahren, um sein Herz untersuchen zu lassen. Und da es dann auch ausreichend Kapazitäten gibt, um drei bis vier Millionen Menschen zu versorgen, sollte es kein Problem sein, jeden, der auch nur ein leichtes Druckgefühl in der Brust verspürt, einer Koronarangiographie zu unterziehen. Damit dürfte der Herzinfarkt in Oberösterreich ab 2011 der Geschichte angehören.

Man hört, dass dieses Modell bei anderen Bundesländern auf größtes Interesse stößt. Daher soll die bisher geltende Richtlinie, dass für 90 Prozent der Einwohner ein Spital mit Herzkatheter innerhalb von 60 Minuten erreichbar sein soll, vom Bund auf 20 Minuten geändert wird. Damit erspart man sich dann die lästigen Bedarfs- und Kostendiskussionen im Vorfeld.

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gesundheitspolitik? Gute Nacht Österreich!

Erschreckend, wo die Gesundheitspolitik angekommen ist – selbst Ludwig XIV. hatte wohl mehr Skrupel, sich über Realitäten hinwegzusetzen, als unsere Politiker.

F. Nietzsche und O.Spengler würden hämisch lachen, J. Evola wäre entzückt über das Gehabe hiesiger Landespolitiker. Machiavelli wäre stolz, dass, nach 500 Jahren und scheinbarem Untergang des Absolutismus, seine Ratschläge noch immer beherzigt werden. Was diese Philosophen eint? Mit Ausnahme letzterem haben sie alle die Demokratie verachtet. Letzterer, zwar theoretisch Anhänger von Republiken, hat trotzdem allen Machthungrigen, und besonders selbsternannten Fürsten, eine Anleitung gegeben, wie sie durch Lug, Trug und Täuschungen ihre Macht mehren können.

Was mich zu diesen Philosophen geführt hat? Der Expertenbericht „Gesundheit und Pflege“, samt Spitalsschließungsdiskussion und den konsequenten Politikerreaktionen.

Schon die Wahl der „Experten“ für den Bericht zeigt, dass die, die ihn beauftragten (Bundes- und Vizekanzler), nichts Überraschendes hören wollten. Wer Namen sucht wird enttäuscht, denn die Experten sind Institutionen.

Da sind das IHS, das als „roter“ Think-Tank gegründet wurde und das Wifo, als dessen „schwarzes“ Pendant. In beide wird, trotz Dementis, kräftig hineinregiert. Zu der „schwarz-roten“ Expertentruppe gesellen sich der, laut fürstlichem Entschlusse sich immer wieder irrende, Rechnungshof und das KDZ, eine eher unbekannte Größe, die sich seit Jahrzehnten mit der Verwaltungsreform beschäftigt – daher auch der Bekanntheitsgrad.

Diese „Vier“ sind DIE Experten für das Gesundheits- und Pflegewesen!? Andere sind wohl grundsätzlich mit keiner „Expertise“ ausgestattet. Zum Beispiel das ÖBIG (Österreichische Bundesinstitut im Gesundheitswesen, das jetzt unter Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) firmiert), das seit Jahrzehnten keine andere Aufgabe hätte, als die wissenschaftliche Durchdringung des Gesundheitswesens. Nicht einmal deren Publikationen werden von den „Vier“ herangezogen. Vielleicht deswegen, weil das ÖBIG, in skurriler Weise, von einem schwarzen Geschäftsführer bei einem roten Eigentümer (Gesundheitsministerium) geführt wird? Sehr unsichere Gesellen!

Wie dem auch sei, die „Vier“ haben in eineinhalb (!) Jahren einen 65 (!) Seiten langen (Geheim)Bericht erstellt, der Grundlage für politische Diskussionen einer „echten“ Reform sein soll. Puh! Wer in anderen, aber eben modernen Demokratien herumschaut, erschaudert sanft. Berichte von deutlich geringerer Tragweite haben 500 und mehr Seiten – ja selbst Kurzfassungen sind ausführlicher (z.B. deutscher Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen).

Wen wundert’s, dass in unserem Bericht nur arbiträre Meinungen zu finden sind. Das zeigt auch die Quellenangabe; fast nur eigene Arbeiten der „Vier“, kein Hinweis auf wissenschaftliche – und transparent publizierte – Literatur. Ich habe Diplomarbeiten gelesen, die besser recherchiert waren.

Aber egal wie schlecht dieser Bericht gemacht wurde und egal welche Winkelzüge Politiker im Vorfeld versucht haben, er ist für sie schlicht vernichtend. Offenbar sind selbst die „eigenen“ Experten nicht mehr bereit, Objektivität heuchelnd Lobeshymnen zu singen.

Und da kommt sie, die an Nietzsche & Co erinnernde Reaktion: Alles falsch, gemacht von „selbsternannten“ (sehr merkwürdig!) Experten, die keine Ahnung haben, um was es wirklich geht – und genau da stellen sich mir die Nackenhaare auf!

PS: wenn jemand den Bericht lesen will – per E-Mail unter Auflage strikter Geheimhaltung beim Rezeptblock erhältlich.

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.