Gesundheitspolitischer Nonsens

Niemand, der politische Ansagen kritisch hinterfragt, niemand der Akteure zwingt, perverses Schönreden einzustellen und reale Reformen umzusetzen.

In den Pinzgauer Nachrichten wird ein wohl nicht ganz unpolitisch agierender Mitarbeiter des Mittersiller Spitals, das seit Jahren von Schließung bedroht ist, zitiert: „Das Krankenhaus ist gut unterwegs. Das belegt eindrucksvoll die Statistik der ersten acht Monate dieses Jahres. Die Belagstage konnten im Vergleich zum Vorjahr um über 15 Prozent gesteigert werden.“

Aha! Offenbar ist die Qualität der Versorgung dadurch belegbar, dass Spitäler ihre Auslastung steigern.

Komisch, irgendwie sehen andere hinter hohen Auslastungszahlen sinnlose Aufenthalte. Daher zählen sie „vermeidbare Spitalsaufenthalte“, mit dem Ziel Ansätze zu finden, diese zu senken – weil sie der Meinung sind, dass weniger mehr ist.

Aber die haben halt keine Ahnung, worum es geht und wir das weltbeste Spitalswesen.

In einem Interview mit „die Presse“ erklärt Ärztekammerpräsident Dorner: „Die Krankenversicherungsbeiträge sind in Österreich seit zehn Jahren nicht mehr erhöht worden. Ich fordere aber schon wegen der Inflation eine Anhebung um zwei bis drei Prozent.“

Aha! Offenbar entwertet die Inflation das Geld im System.

Komisch, aber andere sehen das wohl anders. Krankenversicherungsbeiträge sind als Prozentsatz fixiert, und daher würde diese Ansage bedeuten, dass diese nun statt wie aktuell ca. sieben, eben neun bis zehn Prozent des Bruttolohns betragen sollen; wie das mit der Inflation zusammenhängt, erschließt sich nicht. Und dass die Gesundheitsausgaben, die zu den höchsten der Welt zählen, schneller steigen als die reale, also inflationsbereinigte Wirtschaftsleistung, deutet auch auf etwas anderes hin, als dass die Inflation hier einen erodierenden Effekt hätte.

Aber die, die so denken, haben keine Ahnung, worum es geht. Deswegen werden die präsidialen Aussagen stehen bleiben und vermutlich auch Applaus erhalten – in den eigenen Reihen.

Minister Hundstorfer wiederum ließ über die APA wissen, „dass der Ist-Zustand im Pflegewesen in Österreich ein sehr guter“ sei. Österreich sei beim Pflegegeld „Weltmeister“, nirgendwo würden so viele Personen Pflegegeld beziehen wie hierzulande.“

Aha! Offenbar ist auch hier Quantität ein Beweis für Qualität – und je mehr Menschen pflegebedürftig sind – Pflegegeld kriegt nur wer pflegebedürftig ist, wenigstens theoretisch –, desto besser ist das Pflegewesen.

Komisch, irgendwie sehen das andere anders. Schließlich sind Pflegeprävention und geriatrische Rehabilitation international keine hohlen Phrasen und die dahinter stehenden Programme ausgedacht, um Menschen so selten und spät wie möglich pflegebedürftig werden zu lassen.

Aber die haben halt alle keine Ahnung, worum es geht, weil wir die Weltmeister sind.

Ach ja, Weltmeister: Wer erinnert sich nicht gerne an das (inkl. Homepage) medial verbreiterte Rauch-Kallat’sche Programm (erstellt 2006 vor der Wahl, eingestellt 2006, nach der Wahl), dass uns mit Gesundheitszielen* bis 2010 zu „Gesundheitsweltmeistern“ machen sollte?

An letzterem ist der tröstliche Gedanke aufzuhängen: es gibt nichts Vergänglicheres als politischen Ansagen – das gibt Hoffnung, und lässt es fallweise das erschütternd niedrige Niveau der Gesundheitspolitik ertragen und die Tatsache, dass niemand da ist, der diesen Narreteien ein Ende setzen kann. Mehr leider auch nicht.

 

*von 2006 bis 2010: Zahl der: Herz-Kreislauf-Toten unter 65 Jahren um bis zu 20%, Krebs-Toten um bis zu 7 % Diabetes-Schäden um ca. 1/3 senken; Eindämmung der Adipositas; Reduktion übertragbarer Krankheiten; Zahl der Unfälle um 25 % senken; Psychosoziales Wohlbefinden verbessern; Tabakkonsum deutlich senken; Alkoholkonsum deutlich senken

Dieser Artikel wurde im Oktober 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Spitzenqualität unserer Spitäler

Das Ministerium will doch tatsächlich die Ergebnisqualität unserer Spitäler überprüfen, mit einem gut durchdachten Qualitätsprogramm.

Herr P. hat ein Dienstleistungsunternehmen. Was ihn von anderen unterscheidet, ist sein Monopol. Rund eine Millionen Menschen können gar nicht anders, als zu ihm zu kommen. Eine ähnliche Lage hat Herr H. Zwar gibt es für die zwei Millionen „abhängigen“ noch kleinste Konkurrenten, die jedoch durch Geld unter Kontrolle zu halten sind. Den anderen Herren (und einer Dame), geht es nicht ganz so gut, aber unter 70 Prozent Marktanteil rutscht kaum wer. Dafür sind die Konkurrenten (Bittsteller) von Gnadenakten (Subventionen) abhängig. Das reicht auch, um willkürlich agieren zu können.

Nun sollen die Dienstleistungen auf ihre Qualität kontrolliert werden. Schließlich will man seinen zunehmend unzufriedenen Untertanen sagen, wie spitze man ist.

Die Lösung ist ein Ampelsystem: Anhand von noch zu entwerfenden Indikatoren wird festgelegt, wer gut, also im grünen Bereich, arbeitet, wer im gelben und wer schon rot angelaufen ist – Letzteren soll geholfen werden, sich zu verbessern. Ein Meilenstein (?)!

Als Grundlage werden Abrechnungsdaten verwendet. Diese sind aber grob verzerrt und für Qualitätskontrollen ungeeignet. Probe gefällig? In Oberösterreichs Spitälern gibt es weniger Rückenschmerzpatienten, dafür mehr mit Rückenmarksschäden. Für letztere gibt es mehr Geld – ob das der Grund für diese unerwartete Diagnosehäufung ist, oder sind die einfach anders krank / besser / schlechter?

Aber selbst wenn es gelingt, diese Verzerrungen zu entfernen, wer darf die Referenzen für Rot, Gelb, Grün festlegen? Die Idee solcher Ampelsysteme, die einfach zu lesen sind, damit Patienten entscheiden können, stammt aus den USA, wo Spitäler sich, bei Teilnahme an solchen unabhängigen Programmen, Wettbewerbsvorteile versprechen. Auch in Deutschland wurden sie eingeführt – von privatisierten Spitälern, die es leid waren von ihren öffentlichen Pendants als geldgierige Minderleister dargestellt zu werden. Ich frage mich, welche Funktion hat es bei uns? Schließlich gibt es keinen Wettbewerb! Und es soll ja auch keiner, schon gar nicht der Patient, zu sehen bekommen – nur der engste Kreis und nur die eigenen Ergebnisse!

Und da kommen wir zu Kontrolle! Ausgewählte Primarärzte sollen das tun und den rot angelaufenen helfen, sich zu verbessern. Und da fällt mir spontan Niederösterreich ein. Dort hat man, als die Ergebnisse eines ähnlichen Programms unerfreulich waren, diese einfach unterdrückt. Tja und als sie unerlaubterweise das Licht der Öffentlichkeit erblickten, hat man den Kontrollarzt – ein seit Jahren um Qualitätssicherung bemühter Primararzt – beschimpft und rausgeworfen. Gnadenlos! Warum soll das jetzt anders werden? Mal ernst, nur weil das vom überaus mächtigen Gesundheitsministerium kommt?

Es wird anders laufen! Die Referenzwerte werden solange gebogen und gequetscht, bis jedes Spital im grünen Bereich liegt. Erst wenn das, auch unter Zuhilfenahme unredlicher Methoden, über die ich stundenlang referieren könnte, erreicht ist, wird man in die Öffentlichkeit gehen. Und kontrollieren werden das nicht Ärzte – denn nach dem obigen Beispiel wird sich kaum einer für so einen Höllenjob, der mit Berufsverbot in ganz Österreich verknüpft sein könnte, finden – sondern weisungsgebundene Beamte, die „nur“ die von oben zugelassenen Daten vergleichen. So ist bereits vor der Prüfung das Ergebnis bekannt und alle sind glücklich – im dann nachweislich besten aller Gesundheitssysteme.

Dieser Artikel wurde im April 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Eigenlob stinkt – auch in der Gesundheitspolitik

Ich weiß nicht, wie oft man das sagen muss, bis auch Politiker lernen, dass unser Gesundheitssystem schlecht ist. Die Bevölkerung, die weiß es nämlich schon!

„Wenn man in Österreich mit dem weltbesten Gesundheitssystem über eine Reform desselben spricht, ist das so, als würde das Ski-Nationalteam nach einer Reform rufen.“ Das meint ÖVP Gesundheitssprecher Dr. Erwin Rasinger und fügt sich in die Reihen der Gesundbeter und Realitätsverweigerer.

WZ-Leser wissen, dass solche Aussagen, im Gegensatz zu den nachprüfbaren Medaillen der Ski-Asse, alles andere als beweisbar sind. Daher sollte man sie als „populistische Leerstücke“ gleich vergessen. Aber tun wir so, als ob wir nachdenken wollten. Wie beweist man, ob ein System gut ist?

Das ist gut erforscht: Ein System ist bestens, wenn mit den eingesetzten Ressourcen das machbare Maximum an Gesundheit produziert wird. Das System muss dazu Ressourcen für Versorgung und Behandlung aufbringen und dem Bedarf entsprechend sinnvoll verteilen.

In Österreich haben wir sehr viele Ressourcen im Einsatz.

Mit etwa 470 praktizierenden Ärzten (ohne Zahnärzte) pro 100.000 Einwohner liegen wir unangefochten an erster Stelle – und trotzdem wird gerne über Mangel gejammert! Arbeit ist eben dehnbar wie Gummi.

Aber auch mit 110 Millionen Kassenarzt-Besuchen (also ohne Wahlärzte und Spitalsambulanzen) liegen wir vermutlich ganz vorne; hier ist aber das Zählen und Vergleichen nicht so leicht.

Das wir mit 30 Spitalsaufnahmen pro 100 Einwohner spitze sind, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Dass wir vermutlich auch die meisten medizinischen Großgeräte wie Magnetresonanz haben, wissen nicht mehr alle, aber auch viele. Und wenn wir gleich fünfmal mehr Spitäler als die Dänen haben, denken die meisten Nicht-Politiker darüber nach, ob’s nicht doch ein bisserl weniger sein dürfte.

All das hat seinen Preis, und so darf es nicht verwundern, dass wir sehr viel Geld ausgeben und hier in der absoluten Spitzengruppe mitmischen.

Also, an Ressourcen mangelt es sicher nicht. Und weil wir das weltbeste Gesundheitssystem haben, dürften wir, dank dessen weiser Ressourcenverteilung erwarten, auch mehr Gesundheit zu finden – oder?

Schauen wir einfach nach.

Unsere Senioren dürfen nicht mit allzu vielen gesunden Lebensjahren rechnen, wenigstens nicht mit so vielen, wie eben in jenen Ländern, die gleich viel ausgeben wie wir. Hier spielen wir nicht in der Oberliga, sondern mit den Nachzüglern – die aber gleich 30 Prozent weniger Ressourcen aufwenden, um das gleiche zu erreichen (ganz abgesehen von den ehemaligen Ost-Block-Ländern, die noch viel weniger ausgeben, um ähnliche Werte zu erzielen).

Dieser Umstand spiegelt sich dann auch in anderen Zahlen wider. Die Zahl der Invalidenpensionisten zählt hierzulande zu den höchsten. Pro 1000 Einwohner im Alter zwischen 55 und 59 Jahren werden 40 wegen Krankheit vorzeitig pensioniert. Überhaupt ist es so, dass die Zahl der Invaliditätspensionen ein Drittel aller neuen Pensionisten ausmacht – das sind in etwa 30.000 pro Jahr. Und logisch weitergedacht ist unsere Bevölkerung ein Pflegefall. Während international bei den über 80-Jährigen mit weniger als 25 Prozent Pflegebedürftigkeit gerechnet wird, sind es bei uns fast 60 Prozent.

Es fehlt der Platz um weiteres aufzuzählen (beispielsweise was die Kindergesundheit betrifft), aber im Gesundheitssystem ist es so wie im Bildungssystem: es ist sehr sehr teuer und wenig effektiv – von wegen weltbestes! Wenn das Politiker nicht endlich ernst nehmen, dann werden sie ausgetauscht werden müssen.

Dieser Artikel wurde im April 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Aussitzen – das gesundheitspolitische Credo

Nichts ist älter als die Zeitung von Gestern, nichts fürchten Politiker mehr als die Zeitung von Morgen – und so geht es darum, bis übermorgen durchzutauchen!

Wer erinnert sich an die Todesfälle, über die in einem vermutlich illegal unter Verschluss gehaltenen Qualitätsbericht zu lesen war; der aber durch das Enthüllungsbuch „Verschlusssache Medizin“ (Langbein 2009) bekannt wurde? Niemand; obwohl sich das Buch zig-tausend Mal verkauft hat, damals alle Zeitungen voll waren und sogar im Fernsehen diskutiert wurden.

Die Konsequenzen? Der Prüfarzt, der diese Qualitätsmängel im Auftrag des Landes Niederösterreich (im Wege ihr gehörender Unternehmungen) entdeckt und zu Papier gebracht hat, wurde gekündigt. Das war’s!

Die Staatsanwaltschaft, immerhin handelte es sich m. E. um Offizialdelikte (Körperverletzung, gewerbsmäßiger schwerer Betrug), die in diesem Buch beschrieben wurden, blieb stumm, kein Primararzt wurde zu Verantwortung gezogen, der oberste medizinische Vorgesetzte Dr. Griessner, der persönlich an der Unterdrückung des Berichts beteiligt war, fährt weiter mit Chauffeur auf Steuerkosten herum und der zuständige Landesrat Wolfgang Sobotka – naja, der darf offenbar eh alles!

Warum blieb das ohne echte Konsequenzen? Und das in einer Welt, wo andere wegen unkorrekter Dissertationen ihre Ämter verlieren?

Man muss aber gar nicht über Tote reden, um festzustellen, wie konsequenz-, nein, verantwortungslos die Gesundheitspolitik ist.

Nehmen wir den Österreichischen Krankenanstalten Plan ÖKAP 2001 (eine vom Bund erlassene, für Länder angeblich verbindliche Planungsgrundlage). Dieser ÖKAP wurde zwischen 1997 und 2001 verhandelt, mit dem Ziel der Umsetzung bis 2005. Großartig waren die Medienberichte über diese „Reform“. Als es 2005 darum ging, festzustellen, was davon Realität wurde, war nichts zu finden. Und als ein (mit Steuern bezahlter) Evaluierungsbericht auch noch genau das ergab, beschlossen die Ländervertreter denselben unter Verschluss zu halten – und zwar so streng, dass er nur elektronisch, auf einem gesperrten Server, mit je einem Passwort pro Bundesland, verfügbar war. Und weil 2001 ohnehin so weit zurücklag, und sich niemand erinnern konnte, wurde 2006 einfach eine neue Reform proklamiert – mit beinah dem gleichen, jubelnden Wortlaut wie 2001 – einst jubelte Staatssekretär Reinhard Waneck, diesmal Bundesministerin Maria Rauch-Kallat. Tja, und wenn ich den entsprechenden Rechnungshofbericht vom April 2010 über die Umsetzung der letzten Reform lese, dann war es auch diesmal nur Show!

Konsequenzen? Null! Und warum?

Medien, gerade, wenn sie wie heute von Presseförderung und Werbeeinschaltungen der öffentlichen Hand (sei es direkt, oder eben indirekt über Firmen, die hauptsächlich von Aufträgen aus Politikerhänden leben) abhängen, können einfach nicht in der Vergangenheit wühlen und ein Thema so lange spielen, bis es Konsequenzen gibt. Noch dazu in der undurchschaubaren Gesundheitspolitik, in der es sehr leicht ist, zu tarnen und zu täuschen. Also weiß jeder Politiker, egal wie schlimm oder gar kriminell seine Handlungen sind – er muss nur abwarten.

Jetzt stehen wieder Reformen an, beginnend in der Steiermark, Oberösterreich und Wien; und sie klingen wirklich groß (für hiesige Verhältnisse – im Norden Europas würde man dazu höchstens Anpassung sagen). Warum sollten sie diesmal den Boden berühren? So ganz ohne funktionierende Kontrolle! Wo doch klar ist, dass „nur Zwang und Not, nicht geschriebene Verträge und Verpflichtungen den Herrscher dazu treiben, sein Wort zu halten“ (Macchiavelli).

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Metternich, die Gesundheitspolitik und der Vormärz

Gut geführte und gesteuerte Gesundheitssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Entscheidungsträger willens und fähig sind, ihre Arbeit kritisch zu hinterfragen.

Herr L* ist ein bekannter und kritischer Wissenschaftsjournalist. Seine Einstellung mag vielleicht als kontroversiell eingestuft werden, aber seine Arbeiten sind gut recherchiert und haben Hand und Fuß. Und weil eben seine Arbeit gut und nicht nur einfach sensationslüstern ist (ein Vorwurf, der ihm oft von denen gemacht wird, die er kritisiert), ist er ein gern gesehener Vortragender.

Nun kommt es, dass er wieder einmal gebucht war, diesmal zu einem Kongress, der von einigen landeseigenen Krankenhäusern in einem Bundesland, dessen Namen man nicht aussprechen sollte, organisiert wird. Als jedoch die Obrigkeit erfuhr, dass Herr L. einen Vortrag halten soll, wurden kurzerhand die Verantwortlichen in die Zentrale zitiert, gescholten und mit dem Auftrag nach Hause geschickt, den ganzen Kongress abzusagen – denn um diese Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tarnen, wurde nicht nur einfach Herr L. ausgeladen, sondern eben alles abgesagt. Die Wortwahl der Absage wurde vorgegeben und im Übrigen alle zur Verschwiegenheit verpflichtet!

Ist das ein Einzelfall von gekränkter Eitelkeit einzelner, von öffentlichen Geldern bezahlter, Entscheidungsträgern? Mitnichten!

Als beispielsweise in einem anderen Bundesland Herr P* im Rahmen seiner Amtstätigkeit – mittlerweile ist er von dort entfernt – mehr Transparenz herstellen wollte und jede öffentlich finanzierte Studie, die in seiner Abteilung durchgeführt wurde, auch publizieren wollte, hat man hat ihm das schlicht von oben herab verboten.

Auch Herr N* – ebenfalls ein anderes Bundesland – könnte so seine Geschichte erzählen. Als er die Unerhörtheit besaß, die Sinnhaftigkeit eines Spitals-Neubaus, mit Fakten belegt, zu hinterfragen, war die Konsequenz seine Degradierung.

Und auch ich kann mich in diese unvollständige Liste einreihen. Bisher wurden drei, von den eigentlichen Veranstaltern diverser Tagungen gebuchte, Vorträge deswegen storniert, weil es von „Oben“ so gewünscht wurde.

Und das mein damaliger Arbeitsplatz kurz nach dem Erscheinen meines systemkritischen Buches „überflüssig“ und daher abgebaut wurde, ist sicher nur ein Zufall (ich war damals für die Entwicklung eines Spitalsplans zuständig, der bis heute nicht offiziell vorliegt, aber durch eine externe Beratungsfirma erstellt wurde, dessen Honorar bei einem mehrstelligen Vielfachen meines Jahreseinkommens liegt).

Bei all dem habe ich noch gar nicht an meine Zeit im Österreichischen Bundesinstitut im Gesundheitswesen (ÖBIG, heute GÖG) gedacht, als Berichte „zensuriert“ wurden; Berichte, die größtenteils ohnehin nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken durften, selbst dann nicht, wenn die Zensur jede noch so gerechtfertigte Kritik entfernt hatte – schließlich ist selbst die leiseste Kritik nicht erwünscht und die Wahrheit dem Volk nicht zuzumuten.

Es gilt als bewiesen, dass öffentliche Gesundheitssysteme besser funktionieren können, als privatisierte. Dazu allerdings müssen sie gut geführt und gesteuert werden. Die Qualität der Führung und Steuerung hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob die, die wirklich entscheiden, fähig und willens sind, ihre Arbeit immer und immer wieder kritisch und transparent zu beleuchten.

Aber genau das ist weit und breit nicht zu erkennen. Es scheint so, dass jede Kritik von außen eine Majestätsbeleidigung und von innen Hochverrat ist – wie zu Metternichs Zeiten, die auch als Vormärz bezeichnet werden.

*Namen dem Autor bekannt

Dieser Artikel wurde im September 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Turnusärzte, ihre Ausbildung und die Spitäler

Die Ärzte-Ausbildung in Österreich dauert weltweit am längsten. Das hat nichts mit Qualität zu tun, sondern nur mit der Möglichkeit, billige Arbeitskräfte zu halten.

Dr. M. war 27, als er mit dem Medizinstudium fertig wurde. Zwischenzeitlich hat er seine Frau fürs Leben gefunden, die Wirtschaft studierte und seit zwei Jahren arbeitete – in Wien. Die beiden wollten heiraten, sobald Ruhe in ihr Leben kehrt.

Zuerst hieß es für ihn jedoch den Turnus machen. Eigentlich wollte er ja gleich Facharzt (FA) für innere Medizin werden, doch um eine Ausbildungsstelle zu kriegen, ist es Usus geworden, diese nur an die zu vergeben, die davor ihre „Ausbildung“ zum Allgemeinmediziner (AM) abgeschlossen haben – er musste also einer von etwa 3.500 Turnusärzten (TÄ) werden, die sich in den Spitälern tummeln.

In Wien hätte er zwei Jahre warten müssen. Das war ihm zu lange, also ging er nach Niederösterreich. Allerdings kriegte er nur Angebote in kleinen Spitälern, wo er weder seine ganze Ausbildung machen konnte, noch reale Chancen hatte, diese in den gesetzlich möglichen drei Jahren zu absolvieren. Er würde mindestens vier Jahre brauchen und mindestens zweimal Spital wechseln. Weil er aber was verdienen konnte, fing er an. Seine Freundin blieb in Wien, sie begannen eine Fernbeziehung.

Fünf Jahre später war er mit der AM-Ausbildung fertig. In was er ausgebildet wurde, kann er nicht sagen. Sicher 80 Prozent seiner Zeit verbrachte er damit, Infusionen anzuhängen, Blut abzunehmen und Arztbriefe zu diktieren. Würde er jetzt Hausarzt werden, er wäre überfordert. Hätte er in Wien gewartet, wäre er ebenfalls jetzt fertig, aber er hätte wenigstens mehr gelernt – es war ein Fehler, in die Provinz zu gehen.

Seine Fernbeziehung ging in die Brüche. 72 Stunden Wochenarbeitszeit, höchstens ein Wochenende pro Monat, das nicht durch einen Dienst „angepatzt“ war, das halten die wenigsten Partner aus und schon gar nicht die, die sich eine Familie wünschen. Hätte er in Wien gewartet, hätte er vielleicht nichts verdient, aber eine Familie gründen können.

Da ihm keine FA-Ausbildung angeboten wurde, begann er sich zu bewerben. Ein Jahr lang suchte er, um festzustellen, dass die Stellen immer „unter der Hand“ vergeben werden. Er war naiv, zu glauben, er könne ohne Beziehungen weiterkommen.

Er ist mittlerweile 33 und Single. Weil er hier keine Perspektive sieht, geht er nach Deutschland und schwört sich, nie mehr zurückzukehren.

Das Ausbildungssystem der Jungmediziner ist alt, krank, menschenverachtend und unattraktiv. Und doch hält man daran fest. Das Gesundheitsministerium glaubt sogar, die Ausbildung sei praxisnah und dürfe aus Qualitätsgründen nicht verändert werden – wie weltfremd!

Oder mutlos? Denn schauen wir an, wer davon profitiert!

Um die vielen Spitäler zu erhalten, brauchen die Länder TÄ. Sie sind billig, und, was wichtiger scheint, müssen, ganz ohne Kündigung und Gewerkschaftswiderstand, am Ende der Ausbildung einfach gehen. Solche Vorteile gibt man nicht auf!

Würden TÄ, wie Wissenschaftsministerin Beatrix Karl vorschlägt, tatsächlich „wegfallen“, könnte es unabwendbar werden, eine Spitalsreform durchzuführen. Und das werden Länder, samt Gesundheitsministerium, zu verhindern suchen.

Ministerin Karl will trotzdem die Ausbildung reformieren. Eigentlich ist das nicht ihr Thema, aber sie hat erkannt, dass, will sie nicht mitverantwortlich sein, wenn sich in Zukunft die meisten Mediziner aus dem öffentlichen Gesundheitssystem oder gar dem Land verabschieden, eine Reform unabwendbar ist. Überaus mutig, bei solchen Gegnern!

Dieser Artikel wurde im Mai 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Markt, Populismus und das Gesundheitswesen

Griechenland überschattet alles, was sonst so an politischem Handeln passiert. Es ist schwierig sich dem zu entziehen – eine Reflexion über Moral.

In all diesem wirtschaftlichen Schlamassel werden sehr schnell Schuldige gefunden, seien es Spekulanten oder Ratingagenturen. Schuld sind also der Markt und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche – also andere. Der liberale Weg war eine Fehlentwicklung, heißt es, und der Staat (also die Politiker), muss autoritärer (totalitärer) werden.

Nun, hat denn der Markt wirklich versagt? Eigentlich nicht! Er macht genau das, was er für richtig hält. Allerdings, und das stößt unangenehm auf, gefällt das vielen nicht. Sie sind der Meinung, dass das, was passiert, böse und unmoralisch ist.

Und genau darin sind die Lügen zu finden; denn, haben wir noch so etwas wie einen moralischen Konsens?

Im Gesundheitssystem versprechen alle Politiker, dass allen alles überall auf allerhöchstem Niveau feilgeboten wird, kostenlos. Doch ist das so? Natürlich nicht! Abgesehen davon, dass wir wegen fehlender Qualitätsmessung gar nicht wissen, welches Niveau wo existiert (es ist zu vermuten, dass es ganz grausliche Unterschiede gibt) kostet das Gesundheitssystem sehr viel Geld. Doch die Frage, ob es uns das auch Wert (eine moralische Frage!) ist, diese Frage wird tunlichst vermieden. Ja, es gilt sogar als unmoralisch nicht davon auszugehen, dass Gesundheit unendlich viel Wert ist. Unter diesen Bedingungen muss das System demnächst auch unendlich viel kosten (die ja jemandes Einkommen sind!) dürfen. Doch erstens, ist das realistisch, und zweitens ehrlich?

Wenn man an die Versuche denkt, alle Spitäler, die meist unter dem Blickwinkel des Wohlfühl- und Zufriedenheitsfaktors und nicht der Gesundheitsversorgung betrachtet wurden, nun auch als wirtschaftlich sinnvoll darzustellen, dann ist das bedenklich; und wenn der Gesundheitsminister allen Experten widerspricht, dass im Spitalswesen Geld zu sparen ist, sondern einstimmt in den Chor der unendlich kostbaren Spitalsversorgung, beängstigend. Denn mit „Moral“ oder wenigstens nur Wahrheit hat das nichts zu tun.

Wenn mit Zahlen operiert wird, die gelogen sind, nur damit niemand besorgt fragen könnte, ob denn doch was nicht stimmt, dann ist das arg. Denken wir nur an die nicht erfassten Ausgaben bei den Wahlärzten, die nur deswegen verschwiegen werden, weil die ohnehin hohen Selbstbehalte offiziell nicht noch höher werden dürfen.

Wenn Ärzte Patienten nicht die Wahrheit erzählen, sondern gefällige Interpretationen von oft selbstgestrickten Daten referieren, nur um einem ernsten Gespräch zu entgehen und „ewiges“ Leben versprechen können, wenn Patienten auf Intensivabteilungen gequält werden, nur weil die Gesellschaft (von oben verordnet) sich dem Problem Lebensqualität versus Lebenslänge entzieht und den handelnden Ärzten kein moralisches Gerüst bereitstellt um diese heiklen Fragen im Alltag zu klären, dann ist das alles unmoralischer Selbstbetrug.

Wenn also Populismus jegliche Werte ersetzt, wenn die Maxime des Handelns Stimmmaximierung ist, ja dann dürfen wir uns nicht wundern, dass der (logische und unmoralische) Markt, dessen Ziel Gewinnmaximierung ist, kurzsichtig, destruktiv und gefräßig handelt. Der Markt ist so nur Spiegel unseres eigenen Versagens.

Und wenn man schon liberalem Gedankengut die Schuld zuschieben will, dann nur dahingehend, dass Liberale zu naiv sind. Denn sie glauben tief in ihrem Herzen, dass demokratisch gewählte Politiker die Freiheit weniger missbrauchen als Diktatoren. Aber wahrscheinlich liegen sie hier falsch.

Dieser Artikel wurde im Mai 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

ELGA und der politische Sumpf

Rund um die ELGA geht nichts weiter? Doch, Pfründe und Lehen werden verteilt – unter den üblichen Verdächtigen und unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Sie gehen zum Arzt, geben ihre E-Card ab und der Arzt kann sich über relevante Befunde, inklusive der Medikamente, die Sie nehmen, informieren. Er soll alle Informationen haben, die er braucht, um Ihren Fall richtig einzuschätzen und gemeinsam mit Ihnen die richtige Therapie zu finden. Eine Therapie, die anderen nicht widerspricht oder diese gar unwirksam macht, eine Therapie, die zu Ihrer individuellen Situation passt. So soll gute medizinische Versorgung im 21. Jahrhundert funktionieren.

Ist das so schwer zu verstehen? Nein! Ist das in der heutigen Zeit, in der Medizin spezialisiert und unübersichtlich ist, nötig? Ja! Und wie kann man das anstellen – mit der ELGA, der elektronischen Gesundheitsakte.

Natürlich ist das Umsetzen nicht einfach; wenn man wollte, könnte man aber. Doch nichts passiert, stattdessen wird rund um die ELGA der Sumpf immer tiefer.

Zwar loben jene, die sich mehr um Macht als den Patienten kümmern, die Fortschritte in dieser endlosen Geschichte. So soll es ein Meilenstein sein, dass aus der früheren ELGA-Arbeitsgruppe nun eine GmbH wurde. Genauer betrachtet hat sich aber nichts geändert, außer vielleicht, dass es jetzt zwei gut bezahlte Geschäftsführer gibt – einen schwarzen und einen roten! Und weil es ins Bild passt, sind auch gleich nebulose Immobiliendeals im Umfeld zu vermuten. Meilensteine eben!

Aber auch das Paradestück der ELGA, die sogenannte E-Medikation ist so eine Sache. Angeblich bereits zu 99,9 Prozent fertig, schaut die Realität anders aus.

Nachdem man (wer und warum?) sich nicht einigen konnte, was in dieser elektronischen Medikamentenliste stehen soll, greift man auf den „guten“ alten Arzneimittelsicherheitsgurt (AMSG) zurück.

Der Grund, warum man sich nicht einigen konnte, ist ein Klassiker. Die Apotheker wollen keinesfalls auch jene Medikamente eintragen, die sie ohne Einbindung von Ärzten verkaufen. Das betrifft meist rezeptfreie Produkte. Da stört es nicht, wenn die Evaluierung des AMSG zeigt, dass gerade bei den rezeptfreien Produkten der Wechselwirkungsalarm häufiger ausgelöst wurde, als bei den rezeptpflichtigen. Es ist also klar, sollte eine elektronische Medikamentenliste funktionieren, muss eben alles drinnen stehen. Aber man kann sich doch nicht in die Karten schauen lassen! Patientensicherheit hin oder her!

Apropos Evaluierung; die vorliegenden Daten sind so schlecht und ungenügend, dass keine, dem Patienten hilfreiche, Umsetzung zu erwarten ist. Das macht aber nichts. Das Ministerium kauft den Apothekern den AMSG trotzdem ab, für 1,9 Millionen Euro. Kaum jemand wird sich erinnern, dass der AMSG als geschenkter Beitrag der Apotheker zu Gesundheitsreform 2006 gefeiert wurde. Die Kosten haben damals 640.000 Euro ausgemacht, die Hälfte kam vom Hauptverband. So wie es jetzt aussieht, können sich die Apotheker freuen. Ihr angebliches Geschenk wird, nur drei Jahre später, 1,6 Millionen Gewinn abwerfen. Und weil der AMSG in der jetzigen Form nicht für eine österreichweite Umsetzung geeignet ist, wird er dann gleich um 1,2 Millionen umgebaut – alles aus Steuergeldern!

Und damit ja kein Geld oder Einfluss verloren geht, wird das ganze „in-House“ gemacht. Externe, private Firmen kommen nicht zu Zug, selbst wenn das nicht EU-konform ist. Wen interessiert’s? Wer aus Wettbewerbsgründen klagen will, der wird sehen, was er davon hat, sich mit den Mächtigen anzulegen. Geschäftsfördernd wäre so etwas sicher nicht!

Dieser Artikel wurde im März 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Zufriedenheit als Regierungsauftrag – populistischer Wahnsinn

Dass Meinungsumfragen politisch nicht unwichtig sind, ist bekannt. Dass sie aber offen als Richtlinie dienen, ist eine beunruhigende Entwicklung.

Wenn man Meinungsumfragen macht, ist es leicht, Fragen so zu stellen, dass das erwünschte Ergebnis erscheint. Noch anfälliger sind bevölkerungsbasierte Zufriedenheitsmessungen im Gesundheitswesen.

Zufriedenheit ist der Quotient aus erwarteter durch erhaltene Qualität. Ein und dieselbe Qualität kann subjektiv bei niedriger Erwartung zur Zufriedenheit, bei hoher Erwartung zur Unzufriedenheit führen. Ein Rückschluss auf die real erbrachte Qualität ist nicht möglich. Dazu kommt, dass jeder weiß, dass unsere Gesundheitsversorgung sehr teuer ist und fast ausschließlich über Systeme organisiert wird, aus denen man nicht austreten kann; man hängt im Ernstfall also davon ab. Damit fällt es schwer, kritisch zu sein. Ein teures Pflichtsystem, dass von allen Ebenen der Politik als das beste der Welt beschrieben wird, kann doch nicht wirklich schlecht sein, oder?

Was sagt es also über die Versorgungsqualität aus, wenn laut Meinungsumfrage 94 Prozent der Österreicher über 16 Jahre mit ihr zufrieden sind? Nichts! Genauer geschaut antworten ohnehin nur 63 Prozent auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Gesundheitsversorgung in Österreich?“ mit „Sehr“. Die auf 94 fehlenden 31 Prozent antworten nur mit „Etwas“. Einmal ehrlich, wenn eines der teuersten Gesundheitssysteme nur ein „Etwas“ erreicht, ist das eher peinlich, und diese 31 Prozent unkritisch den Zufriedenen zuzurechnen, populistisch.

Gänzlich verschwiegen werden natürlich politisch unerwünschte Meinungsäußerungen.

Da wäre die Aussage, dass man die optimale Versorgung nur dann kriegt, wenn man eine Zusatzversicherung hat. 29 Prozent stimmen dem voll zu, 23 Prozent etwas. Zusammen also sind 51 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass eine optimale Versorgung etwas mit privaten Zuzahlungen zu tun hat – willkommen in der Zwei-Klassen-Medizin.

Und die teure Spitalsversorgung stellt nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung sehr zufrieden! Eigentlich ein katastrophales Ergebnis. Und gerade bei den Antworten rund um die Spitäler liegt auch der Skandal dieser Meinungsumfrage. Denn BM Alois Stöger will sich bei seinen Entscheidungen an die Ergebnisse solcher Meinungsumfragen halten. Obwohl Experten im Spitalsbereich das größte Einsparungspotenzial sehen, diese Potential aber nur von fünf Prozent der Bevölkerung ebenfalls gesehen wird, und weil sich zudem 67 Prozent gegen Zusammenlegungen von Spitälern aussprechen, lässt der Minister folgendes ausrichten: „Die Experten sind für mich in erster Linie die Patienten. Wenn ihnen die Standorte wichtig sind, sind sie mir das auch.“

Warum brauchen wir eigentlich Politiker mit ihren weitreichenden Machtbefugnissen noch? Ist es nicht so, dass wir Politiker für ihre REGIERUNGSARBEIT mit Macht und Geld ausstatten und ihnen dafür riesige Beamtenapparate (Experten!) zur Verfügung stellen? Wenn jedoch Meinungsumfragen als Richtlinie für Entscheidungen gelten, dann wäre es doch billiger, eine kleine Bürokratie aufzubauen, die den Ist-Stand bewahren muss und bei jeder Änderung des Zustands an Meinungsumfragen gebunden wird. Dass würde zwar katastrophal enden, weil nun einmal zu viele Widersprüchlichkeiten in der Bevölkerung bestehen, und es nicht möglich ist, es allen Recht zu tun; aber es wäre doch deutlich billiger, als so viele Politiker und Beamte durchzufüttern. Wenn ohnehin beide Wege ins Chaos führen, dann soll man sich wenigstens für den billigeren entscheiden.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Lasst uns konkret werden

Als Anstoß für die Spitalsreformen 2010 will ich ein Tabu brechen und konkrete Spitäler nennen, die keiner braucht – Mögen die Spiele beginnen!

Bis zum 18. Jahrhundert gab es zwei Typen von Medizinern: die Chirurgen, die sich mit Kriegswunden beschäftigten, und die Ärzte, die aus der Untersuchung des Körpers und seiner Säfte auf Krankheiten schlossen. Mit dem Fortschritt kam es zu einer immer weiteren Spezialisierung. So zerfiel die Innere Medizin in zahlreiche Subdisziplinen, die sich entweder nur mit der Niere, der Lunge, oder dem Stoffwechsel beschäftigen. Die Chirurgen haben sich in Kinderchirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie, Herzchirurgie, Lungenchirurgie etc. spezialisiert. Mittlerweile haben wir in Österreich 29 verschieden Fachärzte und viele Subspezialisierungen, in denen man erst ausgebildet werden darf, wenn man bereits Facharzt ist.

Der Vorteil dieser Spezialisierung erklärt sich selbst, der Nachteil ist, dass es kaum mehr möglich ist, den Zugang zu diesen Spezialisten gerecht zu gestalten.

In der unpolitischen Spitalsplanung, die hierzulande etwa 30 Spezialrichtungen berücksichtigt, wird versucht, festzulegen, welche Einzugsgebiete nötig sind, um die kleinsten gesetzlich erlaubten Abteilungen so vorhalten zu können, dass die Qualität einigermaßen gesichert werden kann; Einfacher ausgedrückt, wie viele Einwohner mindestens nötig sind, um genug Patienten für ein bestimmtes Fach erwarten zu können, damit die Spezialisten dort ihre Wissen nicht verlieren.

Für gynäkologische Abteilungen braucht man beispielsweise mindestens 80.000 Einwohner, für die Orthopädie 100.000, für die kleinste Allgemein-Chirurgie 60.000. Die Internisten kommen mit einem deutlich kleineren Einzugsgebiet aus. Eine einfache Abteilung für Innere Medizin ist schon ab 25.000 Einwohner machbar. All diese Zahlen gelten nur für Österreich mit seiner einzigartig hohen Krankenhaushäufigkeit. Würde man französische oder gar holländische Maßstäbe anlegen, müssten die Einzugsgebiete viel größer sein.

Allgemeine Akut-Spitäler müssen mindesten eine Abteilung für Chirurgie und eine für Innere Medizin vorhalten. Da eine Chirurgie wenigstens 60.000 Einwohner im Einzugsgebiet braucht, wäre sie limitierend. Ein Drittel der Akut-Spitäler hat ein kleineres Einzugsgebiet und daher tendenziell bereits ein Qualitätsproblem.

Natürlich darf man nicht vergessen, dass die Erreichbarkeit wichtig ist, aber Spitalsplanung ist immer eine Grätsche zwischen Qualität und Wohnortnähe. Ein heikler Weg, bei dem ich mich klar für die Qualität ausspreche. Und vergessen wir nicht, wir haben eine riesige Hubschrauberflotte und viele Rettungswägen.

Schauen wir uns die Einzugsgebiete der zehn kleinsten Spitäler an: Bad Aussee 14.527; Mittersill 19.508, Klosterneuburg 25.557, Güssing 27.319, Gmünd 29.401, Reutte 30.907, Tamsweg 33.290, Fürstenfeld 34.689, Mürzzuschlag 35.295, Lilienfeld 35.302.

Bei Fürstenfeld und Güssing muss man darauf achten, dass sie nebeneinander liegen; man könnte daher nur eines der beiden Häuser schließen. Reutte muss sich nach Deutschland orientieren – dort gibt es in Füssen und Pfronten Spitäler, die wegen der Grenzlage ebenfalls kaum fähig sind zu „überleben“. Ein Verbund über EU-Innengrenzen sollte machbar sein; denken wir an die Spitäler in Braunau und Simbach. Der Rest kann ohne die Versorgung zu verschlechtern geschlossen werden. Die Patienten könnten, meist über Landesgrenzen hinweg, und das ist das Problem, innerhalb von 40 Minuten (OHNE Blaulicht oder Hubschrauber!) im nächstgelegenen Spital versorgt werden.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.