Die ewige Gesundheits- und Pflegereform

   Gesetze sind dazu da, sie zu befolgen oder zu übertreten – oder, wenn man sie selbst macht, sie einfach zu ignorieren.

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   Wer falsch parkt, kriegt einen Strafzettel – man hat ein Gesetz übertreten. Das ist normal, für die meisten jedenfalls.

   Gehen wir zurück ins Jahr 2000, das in der Gesundheitspolitik ein besonderes war. Nach 20 Jahre dauerndem Dahinwursteln haben sich die hohen Politiker der Länder und des Bundes geeinigt, die Gesundheitsplanung komplett neu zu gestaltet. Das hat der EU-Beitritt so nach sich gezogen, nicht der politische Wille.

   Bis dahin gab es den „Österreichischen Krankenanstalten-Plan“ (Ökap). Darin enthalten waren alle Krankenhäuser mit einer fixierten Anzahl an Betten. Diese wurde kleinerenteils wissenschaftlich errechnet, größerenteils politisch verhandelt. Ziel des Ökap wäre es gewesen, die stationäre Spitalsversorgung – und ausschließlich diese – in einen vernünftigen Rahmen zu bringen. Nun gut, an den Ökap hat sich niemand gehalten. Jedes Bundesland, ja beinahe jedes einzelne Krankenhaus, hat gemacht, was es wollte. Und wenn etwas nicht Ökap-konform war, haben Politiker halt fallweise den Ökap umgeschrieben. Einmal wurde der Ökap sogar evaluiert. Das Ergebnis war so desaströs, dass man sich hinter verschlossenen Türen geeinigt hat, einfach so zu tun, als ob es diese Evaluierung gar nicht gegeben hätte.

   Aber ab 2000 wurde alles anders. Ein entscheidender Paradigmenwechsel in der Gesundheitsplanung wurde eingeleitet: Die herkömmliche Planung wurde durch eine gemeinsame, einheitliche, bedarfsorientierte Leistungsangebotsplanung abgelöst. Die Planung sollte die stationäre und die ambulante Versorgung, die Rehabilitation und sogar die Pflege umfassen. Geplant werden sollten nun nicht mehr die Spitalsbetten, sondern vom Patienten ausgehend jene Leistungen, die Patienten brauchen, und zwar dort, wo sie sie brauchen. Die Leistungen selbst sollten nur erbracht werden dürfen, wenn man dafür Qualitätskriterien erfüllen konnte. Somit sollte die Planung erstmals das gesamte Gesundheitswesen quantitativ und qualitativ umfassen (wie schon 1969 von der WHO gefordert).

   Unzählige Arbeitsgruppen später wurde der „Österreichische Strukturplan Gesundheit“ (ÖSG) mit großem Pomp beschlossen und als großer Wurf verkauft. Jedes Bundesland hat in seinen Landesgesetzen festgelegt, dass der ÖSG geltendes Recht ist.

   Heute, 2022, schaut man nach, was denn umgesetzt wurde. Und siehe da: kaum etwas. Obwohl gesetzlich anders vorgeschrieben, ist die „Planung“ chaotisch; Länder machen weiter in den Spitäler willkürliche Bettenplanung, Kassen und Ärztekammern verwalten weiter autistisch die Kassenarztstellen, die Reha geht an der Hand des Dachverbandes zielsicher an der Realität vorbei, und die Pflege ist weiterhin ein völlig ungelöstes Problem von irgendwem. Und die gesetzlich geforderten Qualitätskriterien wurden zu unverbindlichen Empfehlungen degradiert.

   Alles wird völlig faktenbefreit, dafür hochemotional diskutiert, etwa der Ärzte- und Pflegemangel, und alle Probleme, die seit nachweislich 53 Jahren bestehen, werden gepflegt und gehegt, deren Lösung in Gesetze gegossen – und diese dann geflissentlich ignoriert. Das wird ewig so weitergehen, denn einen Strafzettel für diese Gesetzesübertretungen wird es nie geben.

„Wiener Zeitung“ vom 23.06.2022  

Ärztekämmerer – die Besten der Besten

Das Arbeitspensum der hohen Kammerfunktionäre ist unglaublich – Normalsterbliche könnten das nicht. Eine Polemik.

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   Jahrzehnte als Kassenarzt in hohen Funktionen in der Wiener und der österreichischen Ärztekammer, hatte er immer noch Zeit für anderes. Neben Kammer und Kassenordination war er Oberarzt in einem Ordensspital, das er auch als Geschäftsführer leitete, und in seiner Freizeit übernahm er Beratungsaufträge, wenn Not am Mann war. Man kann also mit Fug und Recht sagen: Der neue Wiener Ärztekammerpräsident Dr. Johannes Steinhart (67) ist fleißig. Und weil er seine Spitaljobs vor einiger Zeit aufgab, wird er genug Zeit haben, den Posten des Ärztekammerpräsidenten auszufüllen.

   Gleich und Gleich gesellt sich gern. Deshalb steht hinter ihm ein Koalitionsteam voller Fleißiger: etwa Dr. Stefan Ferenci (45), der als Kassenarzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie sicher viel zu tun hat und sich trotzdem in der Ärztekammer als Funktionär engagiert. Gewählt wurde er als Kassenarzt. Nebenbei hat er auch eine Privatordination in Wien. Und weil er hier schon als Turnusarzt Politik gemacht hat, wollte er das auch weiter tun. Damals kam er über die Fraktion „Turnusärzte für Turnusärzte“ in die Kammer, sogar noch 2017, als er gerade Oberarzt wurde. Nun, das ist Jahre her.

   Klar, er ist jetzt Kassenfacharzt, da ist es rechtlich unmöglich, als Turnusarzt zu kandidieren. Doch glücklicherweise hat sein langjähriger Parteifreund Dr. Mojtaba Pachala (39), mittlerweile Funktionär für die „Liste Steinhart“, eine Frau, die niedergelassene Hausärztin ist. Und die hat ihn als Turnusarzt angestellt; für 15 Wochenstunden. Und so kandidierte er, wieder für „Turnusärzte für Turnusärzte“. Und es war gut! Denn jetzt ist er sogar Vizepräsident und oberster Vertreter aller angestellten Wiener Ärzte. Das geht locker neben seiner Ausbildung, seinen Ordinationen und seiner Funktionärstätigkeit für Kassenärzte in Niederösterreich.

   Sein Freund Dr. Pachala, ebenfalls langjähriger Ärztekammerfunktionär, ist auch ein Fleißiger. Er hat eine Wahlarztordination und ist zudem Gesellschafter und Geschäftsführer eines Ärztezentrums, gemeinsam mit Dr. Uros Klickovic (43). Der ist ebenfalls noch Turnusarzt (am AKH) und Funktionär für „Turnusärzte für Turnusärzte“.

   Am AKH gibt es da noch zwei fleißige Betriebsräte fürs Wissenschaftliche Personal, die im Team von Dr. Steinhart sind. Der eine ist Dr. Stefan Konrad (39). Er hat es zwar nicht geschafft, Professor zu werden, aber er ist Oberarzt für Strahlentherapie-Radioonkologie. Dort dürfte er eine sehr wichtige Position einnehmen, weil er nebenbei eine Privatordniation betreibt, bei der er Terminvergaben für Strahlentherapie anbietet. Und dann noch Dr. Frédéric Tömböl (32): Er hat sich schon immer neben seiner Ausbildung politisch engagiert – zuerst in der Studentenkammer (ÖH) und jetzt, neben der Betriebsratstätigkeit und seiner Ausbildung, als Wiener Ärztekämmerer. Dort ist er Finanzreferent und Teil des inneren Zirkels.   

Das sind lange nicht alle Fleißigen, aber einmal ehrlich: Wir sollten froh sein. Denn obwohl sie in der Privatwirtschaft ein Vielfaches verdienen könnten, engagieren sich die Besten der Besten in Österreich in den diversen Kammern. Und dort arbeiten sie aufopfernd für uns alle.

„Wiener Zeitung“ vom 02.06.2022