Die Wiener Spitalspläne

    Der Wirbel um die Reduktion von mehr als zehn Prozent der Ärzte in Wiens Gemeindespitälern ist sehr groß – berechtigt?

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   Mal abgesehen davon, dass der Wirbel nur entstehen konnte, weil bei den Geheimverhandlungen offensichtlich ein Sender-Empfänger-Problem bestand, oder jetzt vorgetäuscht wird – Geheimverhandlungen sind dazu recht praktisch –, ist der Plan, zehn Prozent des ärztlichen Personals abzubauen, in einer Zeit, in der durch die Umsetzung der EU-Arbeitnehmerschutzbestimmungen ohnehin eine Kapazitätsreduktion von 15 Prozent nötig ist, doch als ambitioniert zu beschreiben. Ambitioniert ist in der Gesundheitspolitik praktisch nie etwas, aber, wenn man das wirklich will, dann ginge es schon.

   Zuerst müssten in hunderten Stationen aller Spitäler alle Prozesse so umgestellt werden, dass Patienten den ganzen Tag über behandelt werden können. Dann muss alles darauf ausgerichtet werden, dass Patienten so schnell wie möglich das Spital wieder verlassen.

   Jene etwa 80.000 Patienten, für die eigentlich ein Aufenthalt von weniger als 24 Stunden reichte, sollten innerhalb von 24 Stunden wieder entlassen werden. Dazu braucht es eigene, interdisziplinäre Einrichtungen, in denen versucht wird, Patienten ambulant (unter 24 Stunden) statt stationär (über 24 Stunden) zu behandeln.

   Es muss dort ausreichend und ausreichend ausgestattete Behandlungsplätze geben für jene, die nur kurz, wie in einer Ordination, ein Spital brauchen genauso wie für jene, die mehrere Stunden brauchen und daher bequeme Therapiesessel oder Betten benötigen. Erst wenn klar ist, dass der Patienten nicht innerhalb von 24 Stunden entlassen werden kann, sollte er auf eine Station verlegt werden – unter Tags, geplant und medizinisch abgeklärt.

   Am Ende geht es darum, alles so auszurichten, stationäre Patienten zu vermeiden.

   Doch wie sieht es real aus?

   Alles, von der Politik bis zur Finanzierung, ist darauf ausgerichtet, stationäre Patienten zu „erzeugen“. Ambulante Versorgung ist nicht Aufgabe der Spitäler. So werden etwa Patienten, deren medizinische Abklärung nicht am Vormittag erledigt werden kann, für mindestens 48 Stunden aufgenommen – die Station als Wartesaal für an sich ambulante Patienten.

   Und weil diese in der Wartezeit nicht ohne Ärzte und Pflege auskommen, werden unnötig Ressourcen verbraucht.

   Dazu kommt, dass die Berufsgruppen, von Schreibkräften bis hin zu Ärzten, unterschiedliche, unabgestimmte Arbeitszeitmodelle haben – und keines ist wirklich auf das Patientenaufkommen ausgerichtet. Vor allem bei Ärzten ist die Personal-Einsatzplanung in der Regel völlig anachronistisch, oder wie es netter klingt, traditionell. So etwas birgt Effizienzprobleme, Konfliktpotenzial und Frust – der bei Reformen laut wird.

   Kann das alles wirklich in zwei, drei Jahren reformiert werden? In allen Gemeindespitälern mit 18.000 Mitarbeiter, 250.000 stationären Patienten, 3000 Ärzten und 8000 Pflegekräften? Sehr ambitioniert.

   Was aber, wenn es nicht gelingt, was wahrscheinlicher ist, und trotzdem Ärzte reduziert werden? Dann wird es zu einer enormen Arbeitsverdichtung kommen, das wird die Personalfluktuation steigern und am Ende die Behandlungsqualität sinken lassen. Aber Gott sei Dank messen wir diese Qualität nicht.

„Wiener Zeitung“ Nr. 034 vom 19.02.2015