Weg damit! – Ein innerer Monolog

Facharztdienste sind – in den meisten Fällen – lang und öd. Und manch altgedienter Oberarzt sinnt über das Leben nach.

„Schon wieder in einem der unnötigsten ärztlichen Tätigkeitsbereiche: dem DIENST (siehe 1 unten).

Da wären Millionen drin, wenn man die unnötigen Dienste reduzieren würd’. Wer braucht z.B. MICH im XS-Spital? Andererseits verdien’ ich wenigstens mehr. Vom Grundgehalt kann man ja nicht leben. Ich hab’ gehört, die Jungen im AKH verdienen ohne Dienste gerade einmal 1.100 € – Brutto! Wahnsinn!

Trotzdem; drei Fachärzte und ein Turnus-Sklave (siehe 2 unten) hier im Dienst, in unserer Quetsch’n! Völliger Schwachsinn! Nur weil’s ein Landesgesetz gibt, des vorschreibt, wie viele Ärzte da sein müssen – egal ob man’s braucht oder net. Und kaum si’ma im Dienst, wer’ma mit lauter Unsinn konfrontiert; angebotsinduzierte Nachfrage, ein Klassiker.

Es gibt kein richtiges Leben im falschen! Dienst ist zum überwiegenden Teil Unsinn, daher gibt’s im Dienst überwiegend nur Unsinn. Zweckmäßig ist hier nichts. Außer, dass ma’ deppert wird im Schädel und am nächsten Tag müd’ wie a alter Hund.

Wer braucht im XXL sieben (oder sind’s eh schon 15?) Kardiologen im Dienst? GLEICHZEITIG? Unfassbar. Und keiner schreit öffentlich auf, weil dem Volk vorgegaukelt wird, es sei eine gute Versorgung, wenn Fachärzte vor sich hindümpeln und artfremde Tätigkeiten verrichten; und in ihrer Überqualifikation dem Burn-Out entgegentreiben. Unterforderung KANN nur krank machen!

Im XL haben’s an Haut-Arzt, an HNO-Kollegen und fünf Internisten im Dienst! Samt zugehörigen Turnus-Sklaven, die stundenlang Spritzen geben und Infusionen anhängen – bei Patienten die davon eh nix haben. Nur weil die Schwestern vor lauter Doku-Wahn ständig Zeitmangel haben. Wer hat ihnen eigentlich diesen Blödsinn aufgedrückt. Sicher wieder irgend a Gesetz!

Warum gibt’s nicht kompetente kleine mobile Notfall-Teams für die Nachtstunden? Statt ausgelaugter Hundertschaften von Fachärzten, die in entwürdigenden Dienstzimmern entweder blödsinnig Fernschau’n, mürrisch ins Telefon plärr’n, insuffiziente Arztbriefe von unbekannten Patienten diktieren oder tschechern, bis sie ins verlotterte Dienstbett fallen, wo sie bestenfalls noch eine junge naive Kollegin verführen können?

Die Ärzte machen diesen Dienst-Scheiss ja nur, weil ihr Gehalt davon abhängt. NOTWENDIG oder EFFIZIENT ist das bei Gott nicht. Gebt den Fachärzten ein ordentliches Grundgehalt und Schluss! Wäre locker ein Drittel billiger. Wo es im niedergelassenen Bereich eh schon Fachärztemangel gibt, sitzen alle blöd im Dienst herum. Und alles auf Kosten der Allgemeinheit!

Hätten wir fliegenden Notfallteams, dann bräucht’ ma genau niemand! Außer vielleicht auf einer Gyn, einer Unfall, der Chirurgie, im Herzlabor und auf der Intensiv. Ansonsten reicht a Allgemeinmediziner, der kommt am Abend und geht in der Früh. Raus mit den Fachärzten, rein mit den Allgemeinmedizinern! Aber des geht gesetzlich wieder net.

Warum können die eigentlich keine g’scheiten Gesetze machen, die Bezahlern und Patienten nützen? Wenn es nach mir ginge, einfach weg damit!“

PS: Wer diesen inneren Monolog für Dichtung hält, der hat den Boden der Realität bereits verlassen! Tatsächlich ist er aus der Feder eines Spital-Facharztes.

1. vulg. für Nacht- und Wochenend-Dienste

2. Turnus: Bezeichnung für die mindestens dreijährige praktische Pflichtausbildung nach dem Medizinstudium. Turnus-Ärzte stehen in der Nahrungskette im Krankenhaus ganz hinten – also gerade noch höher als die ausgelagerten Reinigungskräfte. Daher das Wort Sklave.

Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wer nicht entscheidet, für den wird entschieden!

Der Wunsch, ärztliche Entscheidungen wieder den Ärzten zu überlassen – und nicht den Ökonomen – ist zu spüren! Allerdings nur halbherzig.

Schließen Sie die Augen! Sie sind zehn Jahre alt und haben entsetzliche Bauchschmerzen. Der Blinddarm muss raus. Glücklicherweise ist alles früh festgestellt worden und der Operateur entscheidet, den Blinddarm endoskopisch, also mit Knopflochchirurgie, zu entfernen. Am zweiten Tag kommt der Arzt und sagt: „Sie sind gesund, sie können gehen“. Doch nein! Unmittelbar nach dem Arzt kommt der Krankenhausverwalter, ein Ökonom, und sagt: „Sie müssen bleiben, weil wir noch ein bisschen an Ihnen verdienen wollen.“ Der Arzt, der daneben steht, fällt dem Ökonomen jetzt nicht ins Wort und weist ihn zu Recht – nein, er gibt dem Ökonomen spontan recht.

Wachen Sie jetzt auf und lassen sich erklären, welchen Schwachsinn Sie geträumt haben.

Das Spitalswesen hierzulande wird von einem wenig vernünftigen System finanziert – der leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierung (LKF). Es pauschaliert Leistungen, was Bezahlung als auch Aufenthaltsdauer betrifft. Beides wird von Statistikern berechnet, die Daten dafür werden in Referenzspitälern erhoben. Ökonomen haben hier nichts zu sagen. Die Einnahmen aus den Pauschalen decken längst nicht mehr die Kosten. Würden Ökonomen das Sagen haben, würden Sie versuchen, Kosten zu vermeiden. Gott sei Dank, haben Sie das aber nicht.

Für eine endoskopische Blinddarmentfernung gibt das System drei bis sieben Tage Aufenthaltsdauer an. Vom LKF her könnte man also ohne „Einnahmenverluste“ am dritten Tag entlassen, medizinisch noch früher. Unsere Kinder „dürfen“ aber durchschnittlich fünf Tage liegen. Offenbar ist nicht der Ökonom an der späten Entlassung Schuld, sondern doch eher wer anderer.

Vielleicht ist der Blinddarm ein schlechtes Beispiel. Schauen wir uns die Curretage oder die Konisation an. Zwei Eingriffe, die viele Frauen kennen – Männer nicht. Dafür liegen sie zwei Tage im Spital. Bezahlt wird vom System aber auch die ambulante Versorgung und sogar deutlich besser. Allein die Patientinnen würden so die Betten nicht belegen. Wer also legt die Patientinnen auf die Station? Der Ökonom? Vielleicht muss man an dieser Stelle festhalten, dass österreichweit die gynäkologischen Abteilungen nicht einmal mehr zu zwei Drittel ausgelastet sind. Viele Abteilungen müssten längst gesperrt sein, wenn die Ökonomen das Sagen hätten; und zwar ohne Qualitätsverlust. Manche behaupten sogar, mit Qualitätssteigerung – aber das sind besondere Wirrköpfe.

Wenn also Ökonomen nicht schuld sind, sondern doch Ärzte, warum ist das so? Schwierig! Ich bleibe dabei, dass Primarärzte darauf achten, Ihre Abteilungen auszulasten. Immerhin sind Betten der einzige Maßstab für die Personalzumessung, und Klassebetten sind mit einem fixen Schlüssel an die Zahl der Abteilungsbetten gebunden. Zwei wichtige Argumente.

Und um klar zu stellen. Krankenhäuser sind auch in Österreich infektiös. Es ist daher nicht ihre Aufgabe, Sicherheit und Geborgenheit vorzutäuschen. Noch dazu um einen Preis, für den man in einer geborgeneren Versorgungseinrichtung – den eigenen vier Wänden – viel mehr Patienten kompetent betreuen könnte – auf Kosten des Systems!

Ja, es wäre wichtig, dass die Entscheidung, wie und wo behandelt und wann entlassen wird, wieder zu einer ärztlichen wird. Allerdings reicht es nicht aus, das zu fordern. Man muss es tun, jeden Tag! Und keinesfalls darf man sich als Arzt hinter irgendwelchen Ökonomen verstecken – sie sind nur Sündenböcke für die eigenen Sünden.

Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Muss es wirklich immer so lang sein?

Wären Politiker entscheidungsfreudiger und Ärzte ehrlicher, müssten Patienten rund 50 Millionen Euro pro Jahr weniger aus der eigenen Tasche bezahlen.

Stellen Sie sich vor, Sie müssen wegen einer Star-Operation ins Spital. Wären Sie irgendwo in Europa, würden Sie in der Früh ins Krankenhaus gehen und am Abend nach Hause. In Österreich bleiben Sie drei Tage im Spital! Stellen Sie sich vor, Sie brauchen eine Gallenblasenoperation. Wären Sie irgendwo in Europa, würden Sie mit einem Spitalsaufenthalt von drei Tagen rechnen. In Österreich sind es sieben! Solche Beispiele gäbe es noch viele. Am Ende kommen fünf Millionen Krankenhaustage zustande, die eigentlich nicht nötig wären. Abgesehen davon, dass das der Allgemeinheit Kosten in Milliardenhöhe aufbürdet, müssen Patienten dafür aus der eigenen Tasche rund 50 Millionen Euro bezahlen – den sogenannten „Verpflegskostenbeitrag“.

Dass wir Weltmeister im Spitalsliegen sind, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Warum wir es sind, diese Frage ist schon interessanter. Einmal ehrlich, hat der Patient wirklich eine Chance weniger im Spital zu liegen? Der Durchschnittsösterreicher hat weder Medizin studiert, noch kennt er sich mit Fragen der Versorgungsqualität aus. Das eine – so zumindest die Theorie – sollten doch die Ärzte am besten können, das zweite ist eigentlich Aufgabe der Länder. Beide betonen aber, dass alles zum Besten ist. Wer bleibt sonst übrig, um Patienten vor zu langen Spitalsaufenthalten zu bewahren? Nein, der Patient ist sicher kein selbstgemachter Weltmeister, sondern nimmt nur an, dass Ärzte und Politiker ihren Job gut machen. Wenn man aber ein bisschen genauer schaut, dann erkennt man rasch, dass es nicht so ist.

Auf der einen Seite sind da die Primarärzte. Das wichtigste Argument in der Frage der eigenen Existenzsicherung ist selbst im 21. Jahrhundert nicht der Patient, sondern noch immer die Anzahl der ausgelasteten Betten. Kurze Liegedauer oder gar ambulante Versorgung würde die Zahl der ausgelasteten Betten sinken lassen und so die eigene Existenz gefährden. Aber noch wesentlicher als die Betten, sind die Einnahmen aus den Klasseversicherungen. Wegen komplizierter verfassungsrechtlicher Bestimmungen sind die sogenannten Klassegelder noch immer weitgehend an die Länge des Spitalsaufenthalts gebunden. Je kürzer Patienten liegen, desto geringer diese Zusatzeinnahmen. Und um die Klasse-Patienten ja nicht auf den Geschmack kurzer Aufenthalte zu bringen, werden sicherheitshalber alle länger behalten.

Auf der anderen Seite stehen die Landespolitiker. Sie wären verpflichtet, die Krankenhaushäufigkeit und Liegedauer auf das medizinisch notwendige Maß zu minimieren. Würden sie diese Gesetzesvorschrift wirklich ernst nehmen, dann müssten sie Krankenhäuser sperren – und zwar viele. Damit würde sie aber ihre Spielwiesen verlieren. Auch wenn es zum Wohle des Patienten wäre, ist das eine Denkunmöglichkeit! Da ist es schon besser, man versteckt sich hinter den Primarärzten und behauptet wie sie, dass lange Aufenthalte notwendig sind (siehe oben).

Solange diese beiden Gruppen behaupten, dass lange Aufenthalte medizinisch begründet sind, wird es den Patienten schwer fallen, etwas anderes zu vermuten. Solange alles so bleibt wie es ist, werden sie dafür, angeblich zu ihrem eigenen Wohl, Jahr für Jahr Unsummen auf den Tisch legen. Und nur, dass es nicht zu Missverständnissen kommt, selbst wenn wir die oben beschriebenen fünf Millionen Krankenhaustage nicht mehr hätten, würden wir im europäischen Vergleich noch immer zum obersten Drittel der Spitalslieger gehören.

Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gesundheitspolitik: Um was es wirklich geht!

Wen interessiert eigentlich noch der Patient und dessen Versorgung – eine emotionale Reflexion über ein bravouröses Stück Politiker-Mikado!

Kennen Sie sich noch aus? Diese Frage hat der ORF genau so gestellt, als die Verhandlungen rund um die Gesundheitsreform – eher das Kassensanierungsunterfangen – von einer 75/25 Chance für ein Zustandekommen über mehrmalige Unterbrechungen bis hin zum Scheitern, von keinem mehr so richtig beobachtet werden konnte.

Erlauben Sie mir ausnahmsweise eine emotionale und unbeherrschte Meinungsäußerung zu diesen Vorgängen, denn ich bin glücklich, dass dieses Werk nicht vollendet wird. Man hätte ein ohnehin schon sehr schwaches Konzept durch immer faulere Kompromisse so verwässert, dass nicht einmal das wenige, das erreicht hätte werden sollen, auch nur annähernd jemals erreicht hätte werden können. Das Scheitern aber eröffnet vielleicht jenen Weg, der mit Konsens und Vernunft – und der entsprechenden Zeitachse – gegangen werden kann, und dessen Ziel die Patientenversorgung und nicht der Erhalt von Machtkomplexen sein könnte.

Nichts desto trotz, war es spannend zu sehen, wie ignorant die einzelnen Machtkomplexe sich mittlerweile dem Thema der Gesundheitsversorgung widmen. Mit grundsätzlichen Fragen wie „Was wollen wir vom System?“, „Wie soll die Versorgung aussehen?“, „Erhalten die Patienten was sie brauchen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle?“ etc hat man sich erst gar nicht auseinandergesetzt. Aber das ist ja auch nicht nötig bei dem besten System des Universums, das sowieso allen und überall eine Versorgung auf allerallerhöchstem Niveau bietet – gratis, versteht sich! Auch die Frage nach Struktur- und Kompetenzveränderungen stoppte sofort an dem Punkt, wo die Mächtigen ihre Macht zugunsten der Patienten hätten aufgeben müssen – statt dessen konnten alle zuschauen wie ein peinlicher Machtkampf entbrannte und die Mächtigen nicht einmal mehr den Anstand wahren mussten, wenigstens nach außen für die Patienten einzustehen.

Dass alle Experten, wie das parlamentarische Expertenhearing gezeigt hat, mit der vorliegenden Reform nichts anfangen konnten, hat auch nicht zu einer vertieften und vielleicht sachorientierten Reflexion geführt. Ganz im Gegenteil! Der Vorwurf der populistischen Politiker in allen Parteien, dass man als Experte ja nichts umsetzen muss und daher leicht reden kann, wurde erhoben. Dieser Vorwurf ist getragen von genau der Ignoranz, die erst dazu führte, dass die Machtkomplexe immer weiter und tiefer Entscheidungen nach populistischen statt nach vernünftigen Kriterien getroffen haben. Und genau diese Ignoranz ist es auch, die es der ach so umsetzungsstarken Kaste erlaubt hat, den Patienten und dessen Versorgung endgültig aus allen Diskussionen herauszuhalten. Und mit genau der gleichen Ignoranz wurden konsequenterweise seit Jahrzehnten Expertenmeinungen unterdrückt und Kritiker verjagt– es geht ja offenbar um wichtigeres.

Die Machtkomplexe müssen sich wieder einmal darauf besinnen, dass der Patient nur dann ein Gesundheitssystem braucht, wenn er im System gesünder werden kann, als ohne es! Das Gesundheitssystem ist nicht dazu da, Krankenhäuser zu erhalten, Ärzte zu ernähren, regionale Politiker glücklich zu machen oder die Existenz von Krankenkassen zu sichern. Es ist dazu da, die Gesundheit des einzelnen Patienten zu verbessern. Aber solange die Politik nicht daran erinnert wird, wird wohl ein öffentliches Gesundheitssystem österreichischen Zuschnitts durch Ignoranz und Festhalten an der Macht um jeden Preis weiterwursteln.

Dieser Artikel wurde im Juli 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.