Könnte die Kassenfusion doch klappen?

   Erstaunlich, was für Fantasien eine so einzigartige Übergangsregierung hervorrufen kann – sogar die einer echten Kassenfusion.

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   Hintergrund ist ein vor drei Monaten (zwei Monate vor Ende der ÖVP-FPÖ Koalition) publik gewordenes, innerhalb der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) beschlossenes Organigramm. Demnach werden praktisch alle Entscheidungen in der Generaldirektion in Wien zentralisiert, und alle Kasseneinnahmen ohne Bundeslandbezug in einem großen Topf zusammenfließen. Landesstellen werden nur mehr Repräsentanzen, Landespolitiker genauso entmachtet, wie föderalistisch organisierte Ärztekammern. In der Generaldirektion werden Fachbereiche errichtet, die bundesländerübergreifend alle Inhalte abarbeiten – und mit alle meine ich alle.

Es geht also um eine echte Harmonisierung der neuen Gebietskrankenkassen zu einer ÖGK; inklusive der Vereinheitlichung des Leistungs- und des Honorarkatalogs der Kassenärzte. Ohne eine solche Vereinheitlichung kann es keine Reform geben – ein Wissen, das Jahrzehnte alt ist, und Grundlage für die ausgesprochen inhomogene Versorgungslage gebildet hat.

Jede Kasse ist längst eine eigene Klasse geworden, womit wir eben kein Zwei-Klassen-, sondern ein Viel-Klassensystem, mit eingeschränkter Wahl haben. Da aber nur die „Wiener Zeitung“ (18.04.2019 „Nach Kassenfusion Länder entmachtet“) darüber berichtete, und keinerlei politische Reaktionen publik wurden, ging ich fix davon aus, diese völlig unösterreichische Machtverteilung überlebt keinesfalls die nächsten Monate, schon gar nicht die nächste Wahl.

Besonders deswegen, weil nichts darauf hindeutete, dass sich irgendetwas in der Umsetzung der Gesundheitsreform bewegt. Und da das Reform-Gesetz schwammig formuliert ist, und alle möglichen Spielarten zulässt, vor allem jene, wo die alten GKKs als Landesstellen genau so weitermachen können wie bisher – also mit neun eigenen Leistungskatalogen und neun eigenen Honorarkatalogen, ging ich von einer Eintagsfliege aus; es wäre nicht die erste in der Gesundheitspolitik.

Solange die „Zentrale“ eine Filiale der föderalen Machtzentren ist, würde alles gleich bleiben – dachte ich! Und dann kam die Übergangsregierung – und das änderte alles!

Denn, diese Regierung ist angetreten, um zu verwalten. Da das Organigramm innerhalb der ÖGK bereits beschlossen ist, wird es in den nächsten Monaten mit Leben erfüllt werden können und Tatsachen schaffen, die nicht mehr leicht rückgängig zu machen sind.

Rechtlich ist das gedeckt, da die Selbstverwaltung sich selbst organisatorische Regeln geben darf. Diese Regeln könnte nur das Ministerium oder das Parlament verbieten. Vonseiten der Regierung ist nicht mit Querschüssen zu rechnen, und das Parlament hat de facto keine Chance, diesen Weg zu beenden.

Und weil mit Bernhard Wurzer als neuer Generaldirektor der ÖGK jemand sitzt, der genau dieses Organigramm wollte, der die Fragmentierung in GKKs als unfair betrachtet und willens ist, aus den neun GKKs wirklich eine ÖGK zu machen, könnte es tatsächlich passieren, dass eine echte Kassenfusion kommt.

Mit keiner anderen Regierung wäre das gegangen, dafür sind alle Parteien schon viel zu populistische und hätten, wie immer, darauf geachtet, dass die eigene Klientel nicht zu kurz kommt.

„Wiener Zeitung“ vom 06.07.2019