Nutzen einer elektronischen Patientenakte (ELGA)

 Management Summary

 

Die IAS Horn stellt eine Einrichtung dar, die eine abgestufte Versorgung zwischen „rein“ intramural und „rein“ extramural ermöglicht. Als Reformpoolprojekt ist sie weder dem einen noch dem anderen Bereich eindeutig zuzuordnen und kann nach selbsterstellten Regeln arbeiten.

Der gesamte Patientenweg wird elektronisch erfasst. Die elektronische Patientenakte, die historische Informationen über stationäre Aufenthalte im Haus und etwaige Vorbesuche in der IAS enthält, wird bei Aufnahme durch die Administration freigegeben und erscheint auf den Displays in den Behandlungszimmern. Diese sind wie eine „normale“ Hausarztpraxis ausgestattet. Die IAS verfügt weder über ein Labor noch über eine radiologische Ausstattung oder ein Ultraschall (US)-Gerät. Die Behandlungszimmer sind 7 Tage in der Woche, 24 Stunden pro Tag durch Ärzte mit jus practicandi (Allgemeinmediziner AM) besetzt. Das Leistungsspektrum entspricht dem eines niedergelassenen AM (eine Mitgabe von Medikamenten, bzw. das Ausstellen eines Kassenrezeptes, sowie ein „Krankschreiben“ ist NICHT möglich!). Zur Diagnostik können radiologische und labortechnische Dienstleistungen angefordert werden. Sollte für die Entscheidung ambulant statt stationär ein Facharzt-Konsil nötig sein, kann der AM eines anfordern. Verantwortlich für die Entlassung ist der behandelnde AM. Er muss den Akt schließen. Dazu muss eine vollständige Dokumentation vorhanden sein, die auch eine Diagnosen- und Leistungsdokumentation nach standardisierten Katalogen (ICD10 und Katalog ambulanter Leistungen) enthält.

 

Im Zeitraum Juli 2006 bis Februar 2008 wurden in der IAS etwa 20.000 Patienten aufgenommen. Davon kamen rund 13.000 Patienten OHNE Zuweisung, davon wurden 7.300 ambulant behandelt. 63% (5.300) waren das erste Mal, 37% (2.000) bereits zum wiederholten Male in der IAS. Für 42% (3.100) war für die endgültige Diagnostik weder ein radiologischer Befund (inkl. US-Untersuchung) noch ein Labor, noch ein Facharzt-Konsil nötig.

Für einen Analogieschluss soll die IAS als Modell, in dem ein ELGA-Modell bereits realisiert ist, dienen. Voraussetzung ist, dass man jene Effekte ausschließt, die durch die Organisation der IAS und nicht durch eine ELGA erzielt werden. Bei den Patienten, die KEINE Zuweisung hatten und auch NICHT stationär aufgenommen wurden, ist ein Analogieschluss möglich. Die Gruppe der Patienten mit Zuweisung ist leider nicht geeignet, da die Zuweisungen im höchsten Maße unstandardisiert und daher in ihrer Qualität komplett inhomogen sind.

Um die Ergebnisse richtig zu interpretieren muss Verständnis über die Termini „Erstkontakt“ und „Wiederkontakt“ hergestellt werden.

Ein Erstkontakt, so wie er im Modell dargestellt ist, stellt den real eher seltenen Fall dar, dass weder der Patient noch der Arzt einander in irgendeiner Art bekannt sind. Für Analogieschlüsse in „Reinform“ wären daher nur diese Kontakte heranzuziehen. Damit würden die Effekte der ELGA in der Realität aber unterschätzt.

Wenn man den Erstkontakt negativ definiert, dann würden alle Kontakte als Erstkontakte gelten, die keine Folgekontakte innerhalb einer Krankheitsepisode sind, von Patienten verursacht werden, die wenigstens hin und wieder selbstständig (also ohne Überweisung) Ärzte wechseln, und schließlich auch jene Kontakte, bei denen wegen fehlender systematischer Information über die Resultate von etwaigen Konsil-Ärzten und Krankenhausaufenthalten ein „Informationsloch“ in der Krankengeschichte entsteht.

Je nachdem, welche der beiden Definitionen angelegt wird, ist bei Übertragungen auf das Gesamtsystem die Grundgesamtheit unterschiedlich anzunehmen. Bei den Vorschlägen für die Übertragungen wird im vorliegenden Gutachten zwar wirtschaftlich vorsichtig, aber tendenziell der zweite Ansatz gewählt.

 

Bei der Übertragung der Ergebnisse der quantifizierten Effekte auf das Gesamtsystem sind Surrogatparameter zu verwenden, die nur Annäherungen, aber keinesfalls Kausalitäten darstellen können. Außerdem muss klar festgestellt werden, dass bei einem Versuch die durch ELGA „gewinnbaren“ Ressourcen in „Einsparungen“ umzusetzen mit konterkarierenden Gegenreaktionen gerechnet werden muss.

 

Durch die elektronische und vertrauenswürdige Verfügbarkeit von Patienteninformationen kommt es bei wiederholtem Kontakt

1.   zu einer schnelleren Diagnose, sodass mit einer Reduktion der Behandlungsdauer um 30% gerechnet werden kann. Bei chronisch kranken Patienten ist nur mit einer Reduktion um 20% zu rechnen.

Als vorsichtige Annäherung für die Übertragung würde ohne Effektivitätsverlust bei „gleichbleibenden Zeitressourcen“ nur durch ELGA die Effizienz im extramuralen Bereich um 10% bis 15% gesteigert werden können.

 

2.   zu einer Reduktion der radiologischen Untersuchungen (inkl. US-Untersuchungen) als auch der Laboruntersuchungen um bis zu 50%.

Dieser Befund würde bedeuten dass bis zu 25% aller Labor- und Radiologieanforderungen „Doppelbefundungen“ darstellen könnten. Als Annäherung für die Übertragung könnten daher durch ELGA ohne Effektivitätsverlust, bis zu 25% aller Radiologieüberweisungen und 25% aller Laborüberweisungen reduziert werden.

 

3.   zu einer Erhöhung der Versorgungswirksamkeit des AM, sodass eine Reduktion der Überweisungen zu einer fachärztlichen Versorgungseinrichtung um 12% zu beobachten ist.

Als vorsichtige Annäherung für die Übertragung kann eine Reduktion der Überweisungen zu einem ambulant versorgenden Facharzt (niedergelassener Facharzt oder Spitalsambulanz) ohne Effektivitätsverlust von 8% – 10% angenommen werden.

Die Effekte bezüglich der Krankenhaushäufigkeit sind schwierig zu schätzen, nichts desto trotz kann angenommen werden, dass diese ohne Effektivitätsverlust um 3,5% bis 5% gesenkt werden könnte.

 

Eine elektronische Patientenakte, die sektorübergreifend genützt werden kann, ermöglicht es, verschiedene qualitative Nutzen zu generieren, die jedoch mangels vorhandener Daten (noch) nicht quantifiziert werden können. Sie sollen hier nur kurz angedeutet werden.

Das Bettenmanagement wird optimiert. Damit sind Fehlbelegungen, Außenständen (also „Gast“-Patienten auf fachfremden Abteilungen) und Patientenverlegungen reduzierbar.

Die Patientensicherheit steigt. Multimorbide Patienten sind selbst dann schwierig zu führen, wenn ausreichend Information zur Verfügung steht. Gänzlich unmöglich wird es, wenn diese Information zwischen allen mit dem Patienten beschäftigten Akteuren nicht ausgetauscht wird oder werden kann.

Die Qualität der Versorgung steigt. Die Qualität einer Behandlung ist weniger von der Qualität der einzelnen Maßnahme abhängig, als vielmehr davon, dass sie zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle vorgenommen wird.

 

 


Endbericht

 

 

Nutzen einer elektronischen Patientenakte

Analogieschlüsse aus den Erfahrungen der IAS Horn

 

 Erstellt durch

Prof. Dr. Heiko BURCHERT

Dr. Ernest PICHLBAUER von Health Policy International

 

Im Auftrag der

Arge ELGA

April 2008

Abkürzungsverzeichnis (alphabetisch)

 

AM …………………….  Allgemeinmediziner

EKG ……………………Elektro-Kardiogramm

ELGA ………………….  elektronische Gesundheitsakte

IAS  …………………….Interdisziplinäre Aufnahmestation

ICD ……………………..International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems

LK WV Horn …………..Landesklinikum Waldviertel Horn

NÖ ……………………..  Niederösterreich

OP-Termin …………….  Operations-Termin

US ………………………Ultraschall

u.a. ……………………..unter anderem

 

Hintergrund zur Interdisziplinären Aufnahmestation (IAS) Horn

Konzept der IAS HORN

Die IAS Horn ist ein Reformpoolprojekt der NÖ Landesgesundheitsplattform gemäß Artikel 15a Bundes-Verfassungsgesetz über die Organisation und Finanzierung des Gesundheitswesens.

 

Die IAS ist als Angebot des LK WV Horn an der Nahtstelle zum niedergelassenen Bereich gedacht. Im Wesentlichen sollen ambulante Leistungen erbracht werden. Ziel ist es, eine möglichst treffsichere Einteilung in notwendigerweise stationär und optional ambulant zu versorgende Patienten vornehmen zu können. Die IAS stellt also eine Einrichtung dar, die eine abgestufte Versorgung zwischen „rein“ intramural und „rein“ extramural ermöglicht.

 

In die Konzeption (insbesondere in die Abstimmung der Leistungsspektren anhand eines Leistungskatalogs) wurden sowohl der extramurale als auch der intramurale Bereich eingebunden. Als Reformpoolprojekt ist die IAS weder organisatorisch noch rechtlich eindeutig dem extramuralen oder dem intramuralen Bereich zuzuordnen. Sie stellt somit eine neuartige und weitgehend eigenständige Organisation im Schnittstellenbereich extramurale / intramurale Versorgung dar (abgestufte Versorgung).

 

Funktionsweise und Organisation der IAS Horn

Die IAS Horn ist 7 Tage in der Woche, 24 Stunden pro Tag besetzt.

Aufnahmeprozess

Erstansprechpartner in der IAS Horn ist die Administration, in der die Patientendaten aufgenommen werden. Neben den „üblichen“ Daten werden hier Daten aufgenommen, die für das weitere Prozedere wichtig sind, u.a.:

  • Kommt der Patient mit einer Zuweisung oder ist er Selbstzuweiser
  • Wer ist der Hausarzt, bzw. stimmt der bereits im System erfasste Hausarzt noch
  • Welche Priorität hat der Patient (Ist der Patient ein Kind, ein liegender Patient, ein akuter oder nicht-akuter Patient -Selbsteinschätzung des Patienten-, hat er heute einen bereits fixierten OP-Termin?)

Die Behandlungszeit beginnt mit dem Augenblick der Administration. Die vollständig ausgefüllte elektronische Patientenakte wird durch die Administration freigegeben und erscheint auf den Displays in den Behandlungszimmern.

Wartebereich

Administrierte Patienten werden in den Wartebereich verwiesen und von dort durch die behandelnden Ärzte aufgerufen.

Behandlungszimmer

Es stehen drei Behandlungszimmer zur Verfügung, die im Wesentlichen wie eine „normale“ Hausarztpraxis ausgestattet sind. Zur Verfügung stehen ein EKG, eine Liege, ein Computer-Arbeitsplatz mit zwei Sitzgelegenheiten, diverses medizinisches Kleinmaterial, Probenabnahmesysteme, etc.

 

Die IAS verfügt weder über ein eigenes Labor noch über eine eigene radiologische Ausstattung. Es ist auch kein Ultraschall (US)-Gerät vorhanden.

 

Die Behandlungszimmer sind durch Ärzte mit jus practicandi (Allgemeinmediziner AM) besetzt. Sie rufen die Patienten entsprechend der Priorität, bzw. entsprechend der Wartezeit („first come – first served“) auf.

 

Auf dem Display des Computers im Behandlungszimmer finden die Ärzte alle Informationen zum Patienten, die im Haus verfügbar sind. Dazu gehören alle Informationen über stationäre Aufenthalte im Haus ebenso, wie die Informationen über etwaige Vorbesuche in der IAS. Die Informationen sind als Datenbank organisiert, sodass neben den prosaischen Arztbriefen auch alle Originalbefunde eingeschaut werden können. Die Aufbereitung der Informationen wurde im Haus selbst entwickelt und eine möglichst „arztfreundliche“ Darstellungsform gefunden.

 

Das Leistungsspektrum der AM entspricht im Wesentlichen dem eines niedergelassenen AM. Entsprechend diesem Leistungsspektrum ist der AM angehalten möglichst selbständig und eigenverantwortlich Patienten zu diagnostizieren und zu therapieren (eine Mitgabe von Medikamenten, bzw. das Ausstellen eines Kassenrezeptes und ein „Krankschreiben“ ist NICHT möglich!), also sowohl eine stationäre Aufnahme als auch eine fachärztliche Untersuchung zu vermeiden. Idealerweise werden Patienten daher zu Ende behandelt.

 

Zur Diagnostik können durch den AM radiologische und labortechnische Dienstleistungen angefordert werden. Das Labor und die radiologische Abteilung übernehmen diese Dienstleitungen so, als ob die IAS ein „externer“ Zuweiser wäre, haben jedoch die Verpflichtung übernommen, IAS-Patienten zu priorisieren.

Wenn der Patient „ins Labor“ oder „ins Röntgen“ geschickt wird, dann läuft die Behandlungszeit auf der IAS weiter, auf dem Display erscheint allerdings ein entsprechender Hinweis (im Haus unterwegs), sodass der behandelnde AM zwischenzeitlich andere Patienten behandeln kann. Wenn die Befunde fertig sind, wird der AM elektronisch darüber auf seinem Display informiert und kann die Behandlung fortsetzen. Es ist nicht möglich, einen Patienten abzuschließen, bei dem die Befunde ausständig sind. Dadurch können keine Patienten „verloren“ gehen.

 

Sollte der AM die klare Entscheidung treffen, dass eine stationäre Aufnahme nötig ist, kann er den Patienten ins Krankenhaus einweisen. Um ein Bett für eine Einweisung zu finden, steht ein elektronisches und mit der IAS verknüpftes Bettenadministrationsprogramm zur Verfügung.

Sollte für die Entscheidung ambulant statt stationär eine fachärztliche Begutachtung nötig sein, kann der AM ein Facharzt-Konsil anfordern.

Kurzbehandlungsplätze und Kurzliegerstation

Anders als in einer „normalen“ Hausarztpraxis stehen der IAS zwei Behandlungsein­richtungen zur Verfügung, die es ermöglichen, Patienten mehrere Stunden zu beobachten oder zu behandeln.

Die Kurzbehandlungsplätze sind bequeme Stühle, wie sie auch in der tagesklinischen Chemotherapie Verwendung finden. Hier können beispielsweise Infusionen verabreicht werden. Die Kurzliegerstation besteht aus Krankenhausbetten, die in einem durch Vorhänge teilbaren 8-Bettzimmer stehen, das über eine Infrastruktur verfügt, wie sie auf einer regulären internen Abteilung zu finden ist. In diesen Betten werden Patienten bis zu 24 Stunden „ambulant“ behandelt, bzw. werden dort Patienten, die für eine stationäre Aufnahme vorgesehen sind auf diese vorbereitet. Patienten, die in diesen Einrichtungen untergebracht sind, werden ebenfalls elektronisch dort zugeordnet. Ein entsprechender Hinweis findet sich in der elektronischen Patientenakte.

Entlassungsprozess

Verantwortlich für die Entlassung ist der behandelnde AM, unabhängig welcher Art die Entlassung ist. Er muss den Akt schließen. Um den Akt zu schließen, muss eine vollständige Dokumentation des Falls vorhanden sein, die insbesondere auch eine Diagnosen- und Leistungsdokumentation nach standardisierten Katalogen (ICD10 und Katalog ambulanter Leistungen) enthält.

 

Jeder Patient, der einer ambulanten Versorgung unterzogen wurde, erhält am Ende seines Aufenthalts auf der IAS eine sogenannte Ambulanzkarte. In der Ambulanzkarte sind u.a. folgende Informationen enthalten:

  • Aufnahmegrund,
  • klinischer Status,
  • Entlassungsdiagnose (ICD10),
  • durchgeführte Therapie und Verlauf,
  • Therapievorschlag.

 

Für Patienten, die stationär aufgenommen wurden, wurde mittels elektronischer Übertragung eine „Fieberkurve“ (gesetzlich vorgeschriebene Patientendokumentation für stationäre Patienten) angelegt, die die gewonnenen Erkenntnisse (Anamnese, Diagnostik und Therapie) beinhaltet. Die Aufnahmeuntersuchung war damit bereits zum Zeitpunkt der Aufnahme abgeschlossen und die stationäre Therapie konnte unmittelbar angeschlossen werden.

 

Jeder Akt endet mit einem Entlassungskennzeichen, das die Art des weiteren Vorgehens beschreibt. Zur Verfügung stehen u. a.:

  • Entlassung ohne weiteres (bedeutet, dass eine Therapie nach Diagnostik nicht nötig wurde)

 

  • Behandlungsende (bedeutet, dass nach Diagnose eine abschließende Therapie möglich war, z.B.: ein Verband)

 

  • Wiederbestellung bei Beschwerden (bedeutet, dass nach Diagnose eine wahrscheinlich abschließende Therapie möglich war, der Patient aber aufgefordert wurde, bei möglicher Verschlechterung unmittelbar wieder vorstellig zu werden)

 

  • Kontrolle beim Hausarzt (bedeutet, dass die Therapie extramural fortgesetzt oder kontrolliert werden sollte, insbesondere durch das fehlende Rezepturrecht der IAS müssen Patienten zum Hausarzt geschickt werden, damit medikamentöse Therapien auf Rezept, z.B. eine Antibiotikatherapie, weitergeführt oder durchgeführt werden können. Auch ist eine Krankschreibung durch die IAS nicht möglich, wofür ebenfalls eine Kontrolle beim Hausarzt nötig ist)

 

  • Fachärztliche Kontrolle (bedeutet, dass die Therapie extramural durch einen Facharzt fortgesetzt oder kontrolliert werden sollte)

 

  • Wiederbestellt zur Fachambulanz (bedeutet einerseits, dass die nötige Leistung nicht in routinemäßig in der IAS durchge­führt wird und keine medizinische Dringlichkeit vorliegt, um diese Leistung mittels Konsil sofort erbringen zu müssen, andererseits, dass die Leistung durch niedergelassene Fachärzte nicht oder nicht im erforderten Zeitraum erbracht werden kann)

 

  • Stationäre Aufnahme (bedeutet, dass die Diagnostik unmittelbar zur stationäre Aufnahme führt)

 

  • Geplante stationäre Aufnahme (bedeutet, dass entweder bereits bei Eintritt des Patienten klar war, dass in der IAS eine Aufnahmeuntersuchung stattfinden soll, oder aber – im überwie­genden Falle – mit dem Patienten nach der Diagnostik in der IAS ein Aufnah­metermin zur stationären Behandlung vereinbart wurde)

 

Überblick über die Mengengerüste der IAS Horn

Im Zeitraum Juli 2006 bis Februar 2008 wurden in der IAS etwa 20.000 Patienten aufgenommen (das sind 12.000 Patienten pro Jahr).

Etwa zwei Drittel davon, also rund 13.000 Patienten kamen OHNE Zuweisung durch einen extramuralen Arzt.

Etwa die Hälfte aller IAS Patienten, also rund 10.000 Patienten wurden stationär aufgenommen. Rund 6.000 dieser Patienten hatten KEINE Zuweisung durch einen extramuralen Arzt.

 

Von den etwa 7.300 Patienten, die KEINE Zuweisung durch einen extramuralen Arzt hatten und auch NICHT stationär aufgenommen wurden, benötigte nur eine verschwindende Anzahl ein dringliches fachärztliches Konsil (ca. 6%), bei mehr als 50% (3.800) wurde jedoch ein Labor angefordert, bei etwa 30% (2.100) ein radiologischer Befund (inkl. US-Untersuchung), sowohl einen radiologischen Befund als auch ein Labor benötigten allerdings nur 24% (1.700), während bei 42% (3.100) weder das eine noch das andere nötig wurde.

 

Von den etwa 7.300 Patienten, die KEINE Zuweisung durch einen extramuralen Arzt hatten und auch NICHT stationär aufgenommen wurden, waren 63% (5.300) das erste Mal in der IAS, während 37% bereits zum wiederholten Male (wenigstens ein zweites Mal) in der IAS aufgenommen wurden.

 

 

 

 

Ausgangssituation für den Analogieschluss des Nutzens einer elektronischen Patientenakte

Hypothese:

Durch die standardisierten und elektronisch verfügbaren Patienteninformationen besteht die Möglichkeit, die Dienstleister entlang der Patientenkarriere besser zu organisieren. Dadurch sollen unnötig Kosten vermieden, die Behandlungspfade verkürzt und die Qualität der Versorgung verbessert werden.

Anhand der Situation der IAS Horn, in der eine elektronische Krankengeschichte bereits umgesetzt ist, soll diese Hypothese gestützt und quantifiziert werden. Die Idee ist es, dass die Situation der IAS als Modell dient, in dem ein ELGA-Modell bereits realisiert ist. Voraussetzung für so einen Analogieschluss ist, dass man jene Effekte ausschließt, die durch die Organisation der IAS erzielt werden.

 

Da die IAS weder eine rein extramurale noch eine rein intramurale Einrichtung ist, und der rechtliche Status eines Pilotprojektes vorliegt, kann die IAS nach selbsterstellten Regeln arbeiten. Das hat dazu geführt, dass sie eine „Quasi-Gruppenpraxis selbständiger AM“ in der Nähe eines Krankenhauses ist. Im Unterschied zu einer „echten“ Gruppenpraxis schließen sich im Fall der IAS nicht Ärzte zusammen, die über einen Patientenstock verfügen, und gemeinsam Synergieeffekte erzielen wollen, sondern Ärzte, die quasi „vollkommen neu“ beginnen, eigenständig arbeiten müssen und auch keine Informationen über persönlichen Kontakte mit ihre Patienten haben. Zudem verpflichtet sich die IAS selbst, kein Ersatz für niedergelassene Ärzte zu sein und will daher keine „Langzeitbetreuung“ von Patienten übernehmen. Auch wechseln die ersten ärztlicher Ansprechpartner in der IAS häufig. Es handelt sich um junge Ärzte, die nach Abschluss ihres Turnus in die Praxis gehen und nicht im Krankenhaus bleiben wollen. Außerdem sind die Dienstzeiten der einzelnen Ärzte unregelmäßig, sodass es kaum dazu kommen kann, dass Patienten auf informellen Wegen „bestellt“ werden, noch dass Patienten zu „ihrem“ Arzt gehen können.

 

Bei den Patienten, die bereits wiederholt gekommen sind, besteht durchschnittlich ein Abstand von 97 Tagen (Median von 41 Tagen) zwischen den einzelnen Besuchen, allerdings liegt eine sehr große Schwankungsbreite vor, sodass man keine „regelmäßigen“ Besuche vermuten kann. Die Inhomogenität der Diagnosen der wiederholt kommenden Patienten lässt zudem keinen Schluss zu, dass es sich bei diesen wiederkehrenden Patienten um „indikationsspezifische“ Wiederkehrer handelt. Der Wiederbesuch ist daher eine neue Krankheitsepisode und der Wiederkontakt damit, bezogen auf die Krankheit die zur Kontakaufnahme führte, ein „Erstkontakt“. Da die Selbstzuweiser ohne Vorabklärung kommen stellen sie „normale“ unselektierte Patienten dar, wie sie in jeder Praxis dann vorkommen, wenn sie das erste Mal beim Arzt erscheinen oder wenn der Patient selbstständig einen „Arztwechsel“ vornimmt oder wenn der eigene Arzt vertreten wird. In der IAS treffen sie auf einen Arzt, der sie nicht kennt. Da selbst bei wiederholtem Besuch der IAS eine Zuteilung zum „gleichen“ Arzt wie beim ersten bzw. letzen Mal nicht vorgesehen ist und auch nicht gesteuert werden könnte, ist seitens des Arztes jeder Besuch wie ein „Erstkontakt“ zu werten.

 

 

Für den Analogieschluss ist folgendes festzuhalten:

 

  1. Selbstzuweiser sind für den IAS-Arzt unbekannte und unselektierte Patienten
  2. Patienten, die nach der IAS NICHT stationär aufgenommen werden, sind vergleichbar mit Patienten, die im extramuralen Bereich behandelt werden, da sie das „Sicherheitsnetz“ eines Krankenhauses im Hintergrund nicht benötigten.
  3. Wenn Selbstzuweiser wiederholt in der IAS aufgenommen werden, treffen sie auf einen Arzt, der sie nicht kennt. Daher ist der wiederholte Kontakt für den Arzt wie ein Erstkontakt zu werten – mit dem großen Unterschied, dass er beim wiederholten Kontakt auf die Informationen einer elektronischen Patientenakte zurückgreifen kann.

 

Daraus folgt:

 

Bei den etwa 7.300 Patienten, die KEINE Zuweisung durch einen extramuralen Arzt hatten und auch NICHT stationär aufgenommen wurden, ist also ein Analogieschluss möglich, mit dem festgestellt werden kann, welche Effekte eine ELGA haben könnte.

Die Gruppe der Patienten mit Zuweisung ist leider für einen Analogieschluss nicht geeignet, da die Zuweisungen im höchsten Maße unstandardisiert und daher in ihrer Qualität komplett inhomogen sind.

 

 

 

 

Analogieschluss des Nutzens einer elektronischen Patientenakte

Im Analogieschluss muss zwischen zwei Effekten unterschieden werden, den quantifizier­baren und den nicht-quantifizierbaren, die jedoch einen qualitativen Nutzen bedeuten. Letztere sind deswegen nicht quantifizierbar, da für ein Vorher-Nachher-Vergleich die Daten fehlen.

Quantifizierbare Effekte:

Um die Ergebnisse richtig zu interpretieren muss Verständnis über die Termini „Erstkontakt“ und „Wiederkontakt“ hergestellt werden.

 

Ein Erstkontakt, so wie er im Modell dargestellt ist, stellt den real eher seltenen Fall dar, dass weder der Patient noch der Arzt einander in irgendeiner Art bekannt sind. So etwas kommt real nur vor, wenn der Patient beispielsweise den Wohnort wechselt oder einen Facharzt braucht, den er vorher nie gebraucht hat oder eine Arztwechsel vornimmt, weil er mit „seinem“ Arzt unzufrieden ist etc. Für Analogieschlüsse in „Reinform“ wären daher nur diese Kontakte heranzuziehen. Damit würden die Effekte der ELGA in der Realität aber unterschätzt.

 

Man kann daher in der Interpretation durchaus auch weitergehen. Sollte der Patient zwischen zwei Arztbesuchen selbstständig andere Ärzte aufgesucht haben, über die der „eigene“ Arzt nicht elektronisch informiert wurde und daher auf die Information des Patienten angewiesen ist, entsteht ein Informationsdefizit, das nur durch zeitverbrauchende Befragung (und auch nicht sicher vertrauenswürdig) geschlossen werden kann. Kompliziert wird es, wenn man bedenkt, dass viele Patienten dem „eigenen“ Arzt bewusst nicht erzählen, dass sie bei einem anderen Arzt waren, weil dies als „Illoyalität“ ausgelegt werden könnte und der Patienten, begründet oder nicht, so mit einer „schlechteren“ Behandlung rechnet. In diesem Fall wäre also auch ein Wiederkontakt inhaltlich mit einem Erstkontakt zu vergleichen. Ebenfalls als „Quasi-Erstkontakt“ müsste man die Kontakte bezeichnen, wo der Patient zwischen zwei Besuchen Gesund war und der Wiederkontakt deswegen stattfindet, weil der Patient wegen einer „neuen“ Krankheit seinen Arzt aufsucht. Gleiches gilt, wenn der Abstand zwischen zwei Besuchen eine nicht näher definierbare, weil krankheitsspezifische, Zeitspanne umfasst.

Wenn man daher den Erstkontakt negativ definiert, dann würden alle Kontakte als Erstkontakte gelten, die keine Folgekontakte innerhalb einer Krankheitsepisode sind, von Patienten verursacht werden, die auch bei „langjährig“ Betreuung durch den „eigenen“ Arzt, selbstständig (also ohne Überweisung) Ärzte wechseln, und schließlich auch jene Kontakte, bei denen wegen fehlender konsequenter und systematischer Information über die Resultate von etwaigen Konsil-Ärzten und Krankenhausaufenthalten (inkl. Spitalsambilanzen) ein „Informationsloch“ in der Krankengeschichte entsteht.

 

Je nachdem, welche der beiden Definitionen angelegt wird, ist bei Übertragungen auf ein Gesamtsystem die Grundgesamtheit unterschiedlich anzunehmen. Bei den Vorschlägen für die Übertragungen wird im vorliegenden Gutachten zwar wirtschaftlich vorsichtig, aber tendenziell der zweite Ansatz gewählt.

 

 

Bei der Interpretation der Ergebnisse der quantifizierten Effekte muss weiters beachtet werden, dass einige nur als Relativ-Werte, jedoch nicht als Absolut-Werte Geltung haben. Das bedeutet, dass beispielsweise in der überprüften Untersuchungsanordnung die Reduktion der Behandlungsdauer um 30% im Wesentlichen unabhängig von der Organisationsstruktur ist, eine Reduktion um so-und-so-viele Minuten jedoch ausschließlich für die untersuchte Organisationsstruktur zustimmt. Bei der Übertragung der Effekte auf das Gesamtsystem sind daher Surrogatparameter zu verwenden, die, wie es Surrogatparametern nun einmal eigen ist, nur Annäherungen aber keinesfalls Kausalitäten darstellen können. In den Diskussionen zu jedem Punkt wird auf die Möglichkeiten der Übertragung eingegangen.

 

 

Reduktion der Behandlungsdauer um 30%

Methode:

Die Behandlungsdauer ist jene Zeit, die mit der Administration beginnt und der Entlassung endet.

Für die Schätzung dieses Wertes wurden folgende Selektionskriterien angelegt:

  1. Selbstzuweiser
  2. keine stationäre Aufnahme innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Entlassung aus der IAS

Verglichen wurden die Patienten, die das erste Mal in der IAS waren, mit denen, die wenig­stens ein zweites Mal vorstellig wurden.

 

Um den Wert zu sichern, wurden drei Szenarien berechnet

  1.  Alle Patienten, die den Selektionskriterien entsprachen.
  2.  Nur jene Patienten, die neben den beiden Selektionskriterien als Entlassungskennzeichen „Behandlungsende“ oder „Kontrolle beim Hausarzt“ aufwiesen. Kontrolle beim Hausarzt wird als Surrogatparameter genommen, für jene Patienten, die ebenfalls zu Ende therapiert werden könnten, wenn die IAS Kassenrezepte ausstellen oder Krankschreiben dürfte.
  3.   Nur jene Patienten, die neben den beiden Selektionskriterien zu einer Kontrolle in einer anderen Einrichtung (z.B. niedergelassenen Facharzt, Fachambulanz etc.) verwiesen wurden.
Ergebnisse und Diskussion:

Alle Szenarien wiesen eine Behandlungsdauerreduktion bei wiederholtem Kontakt um etwa 30% auf (von 29,1% bis 32,1%). Weder die Altersstruktur, noch die Diagnosen unterschieden sich zwischen den beiden Gruppen, sodass kein epidemiologischer Grund für die Reduktion vorliegen kann. Wie oben beschrieben, ist die einzig mögliche Erklärung für diese Reduktion darin zu suchen, dass der behandelnde Arzt bei einem wiederholten Kontakt durch die elektronische und vertrauenswürdige Verfügbarkeit von Patienteninformationen zu einer schnelleren Diagnose gelangt. Die administrative Zeit dürfte ebenfalls reduziert worden sein, allerdings fehlen dazu Daten. In der Organisationsstruktur der IAS sind die administrativen Zeiten in den Szenarien jedoch gering und daher für den Gesamteffekt nur von geringer Bedeutung.

 

Für eine Übertragung auf das gesamten Gesundheitswesen kann man also davon ausgehen, dass ein über ELGA informierter Arzt um 30% weniger Zeit benötigt, um die „Hintergründe“ des Patienten zu erheben. Wie unten dargestellt dürfte die Reduktion wesentlich damit zusammenhängen, dass bei Wiederkontakten deutlich weniger Zusatzbefunde angefordert werden müssen. Da es sich bei der Simulation um Arzt-Patienten-Kontakte handelt, bei denen der Patient unbekannt ist, kann diese Reduktion auch nur bei solchen Kontakten erwartet werden. Bei Folgekontakten innerhalb einer Krankheitsepisode aber auch bei „langjährig“ bekannten Patienten, die nicht selbstständig Ärzte wechseln, also ein hohes Maß an Arzttreue haben, ist diese Reduktion nicht zu erwarten. Allerdings auch nur dann, wenn der Arzt konsequent und systematisch über die Resultate von etwaigen Konsil-Ärzten und Krankenhausaufenthalten (inkl. Spitalsambulanzen)  informiert ist.

Als vorsichtige Annäherung für die Übertragung auf das gesamte Gesundheitswesen sollte man die heute stattfindenden 80 – 100 Mio. extramuralen Arzt-Patienten-Kontakte heranziehen. In diesem Wert sind jedoch auch Kontrollkontakte innerhalb einer Krankheitsepisode und sogenannte „kleine Ordinationen“ (das sind Patientenbesuche in der Ordination, bei denen der Patienten keinen Arztkontakt hat, z.B. nur Rezepte ausgestellt werden etc) enthalten. Diese Kontakte beinhalten keine Diagnostik und Therapieverordnung, daher sind hier keine ELGA-Effekte zu erwarten. Setzt man wirtschaftlich vorsichtig an, dass

diese Kontakte zwischen 50% und 66% ausmachen, und daher annimmt, dass 34% bis 50% aller extramuralen Arzt-Patienten-Kontakte mit Diagnostik und Therapieverordnung einhergehen, würde ohne Effektivitätsverlust bei „gleichbleibenden Zeitressourcen“ nur durch ELGA die Effizienz um 10% bis 15% gesteigert werden können.

 

Die durch die ELGA „gewinnbaren“ Ressourcen könnten in eine intensivierte Patientenbetreuung oder eine höhere Patientenzahl pro Arzt investiert werden. Bei einem Versuch dieses Effizienzpotential in „Einsparungen“ umzusetzen muss mit konterkarierenden Gegenreaktionen gerechnet werden.

 

Reduktion der Behandlungsdauer bei chronisch Kranken um 20%

Methode:

Die Behandlungsdauer ist jene Zeit, die mit der Administration beginnt und der Entlassung endet.

Für die Schätzung dieses Wertes wurden folgende Selektionskriterien angelegt:

  1. Selbstzuweiser
  2. keine stationäre Aufnahme innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Entlassung aus der IAS

Verglichen wurden die Patienten, die das erste Mal in der IAS waren, mit denen, die wenigstens ein zweites Mal vorstellig wurden.

 

Um den Wert zu sichern, wurden mehrer Szenarien berechnet. Dabei wurden nur jene Patienten, die neben den beiden Selektionskriterien als Entlassungsdiagnose eine der folgenden Erkrankungen aufwiesen

  1.    chronische Herz-Kreislauferkrankung aus der Gruppe ICD10 I10–I53.
  2.   Diabetes Mellitus ICD10 E10–E14.
  3.   chronische Erkrankung der Lunge aus der Gruppe ICD10 J40-J47.
  4.    Ulcus Cruris ICD10 L97.
  5.    Atmungsstörungen ICD10 R06.
  6.    Krankheiten der Wirbelsäule aus der Gruppe ICD10 M40-M54.
  7.     eine der oben genannten Erkrankungen (gepooltes Ergebnis).
Ergebnisse und Diskussion:

Alle Szenarien wiesen eine Behandlungsdauerreduktion bei wiederholtem Kontakt um etwa 20% auf. Interessanterweise sind die Patienten im gepoolten Szenario, die wiederholt kommen um 10% älter (59 zu 65 Jahre). Man würde erwarten, dass mit höherem Alter die Behandlungszeit steigt. Trotzdem ist die Behandlungsdauer gesunken. Eine tiefergehende Analyse dieses Phänomens wurde nicht durchgeführt. Auch bei der Behandlungsdauer chronisch kranker Patienten, ist die einzig mögliche Erklärung für die Reduktion darin zu suchen, dass der behandelnde Arzt bei einem wiederholten Kontakt durch die elektronische und vertrauenswürdige Verfügbarkeit von Patienteninformationen zu einer schnelleren Diagnose gelangt.

 

Für eine Übertragung auf das gesamte Gesundheitswesen kann man also davon ausgehen, dass ein über ELGA informierter Arzt um 20% weniger Zeit benötigt, um die „Hintergründe“ des Patienten zu erheben. Wegen der mangelhaften Daten über die Prävalenz chronisch kranker Patienten in Österreich ist eine Übertragung auf das Gesamtsystem so nicht möglich. Allerdings zeigt die geringere Reduktion verglichen mit der Gesamtzahl (30% Reduktion s.o.), dass ambulante Versorgungseinrichtungen, die ein überdurchschnittliches Maß an chronisch kranken Patienten betreuen, auch mit geringeren Effizienzpotentialen konfrontiert sein werden. Dieser Befund ist für den Fall, dass etwaige Disease-Management-Programme aufgebaut werden, oder dass es zu auf chronisch kranke Patienten spezialisierten ambulanten Einrichtungen kommt, oder ein Risikostrukturausgleichfonds errichtet werden soll, von Bedeutung.

 

Reduktion der Labor- und Radiologieanforderungen um bis zu 50%

Methode

Für die Schätzung dieses Wertes wurden folgende Selektionskriterien angelegt:

  1. Selbstzuweiser
  2. keine stationäre Aufnahme innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Entlassung aus der IAS
  3. Nur jene Patienten, die als Entlassungskennzeichen „Behandlungsende“ oder „Kontrolle beim Hausarzt“ aufwiesen. Kontrolle beim Hausarzt wird als Surrogatparameter genommen, für jene Patienten, die ebenfalls zu Ende therapiert werden könnten, wenn die IAS Kassenrezepte ausstellen oder Krankschreiben dürfte.
  4. Jene Patienten, die eine Labor- bzw. eine Radiologieuntersuchung (inkl. US-Untersuchungen) hatten.

Verglichen wurden die Patienten, die das erste Mal in der IAS waren, mit denen, die wenigstens ein zweites Mal vorstellig wurden.

Ergebnisse und Diskussion:

Sowohl die radiologischen Untersuchungen (inkl. US-Untersuchungen) als auch die Laboruntersuchungen wurden bei wiederholtem Kontakt nur halb sooft angefordert. Da die Zeit zwischen Erstkontakt und Wiederkontakt im Median 41 Tage und in Schnitt 97 Tage beträgt und zudem die Inhomogenität der Entlassungsdiagnose darauf schließen lässt, dass die jeweiligen Krankheiten, die Anlass zum Besuch der IAS gegeben haben, nicht zusammenhängen, ist die plausibelste Erklärung für diese Reduktion die elektronische und vertrauenswürdige Verfügbarkeit von historischen Labor- und Radiologiedaten. Diese Erklärung wurde durch Interviews mit IAS-Ärzten bekräftigt.

Diese doch unerwartet hohe Zahl, würde übertragen bedeuten dass bis zu 25% aller Labor- und Radiologieanforderungen (die Reduktion um 50% findet nur bei Wiederkontakten im Vergleich zum Erstkontakt statt, der Wiederkontakt beinhaltet eine unbestimmte zeitkritische Komponente, da die Befunde nur dann vertrauenswürdig sind, wenn sie nicht „zu“ alt sind) „Doppelbefundungen“ darstellen könnten. Im Experteninterview mit einem niedergelassenen Fach-Arzt für Innere Medizin konnte bestätigt werden, dass „gefühlsmäßig“ in 25% der Fällen Doppeluntersuchungen vorliegen, die deshalb gemacht werden müssen, weil der Patient die Daten nicht oder nicht vertrauenswürdig parat hat. Zudem würde dieser Wert indirekt dadurch gestützt, dass im Rahmen einer im Jahre 2004 durchgeführten österreichischen Repräsentativerhebung zum Substanzgebrauch[1] sich 21% der Befragten nicht erinnern konnten, welche Medikamente sie in den letzten drei Monaten eingenommen hatten. Unter diesen Umständen ist es also durchaus plausibel, dass heutzutage 25% aller Labor- und Radiologiebefunde Doppelbefunde sind.

 

Für eine Übertragung auf das gesamten Gesundheitswesen kann man davon ausgehen, dass ein über ELGA informierter Arzt bei einem Wiederkontakt mit einem Patienten, bei dem bereits entsprechende Befunde vorliegen, keine weiteren Befunde anfordern muss, sofern er vertrauenswürdig diese Daten in der ELGA vorfindet. Damit könnten durch ELGA ohne Effektivitätsverlust, bis zu 25% aller Radiologieüberweisungen und 25% aller Laborüberweisungen reduziert werden (s.o.). Dabei ist jedoch zu beachten, dass diese Reduktion nur die Überweisungen betrifft und keine Aussagen über die Anzahl der untersuchten Laborparameter und Radiologieuntersuchungen als Einzelleistung zulässt. Für solche Aussagen würde eine sektorübergreifende, durchgängige und einheitliche Leistungsdokumentation erforderlich sein, die in Österreich nicht vorliegt. Da aber selbst bei gleichbleibender Anzahl an Befunden jedenfalls die „Reisetätigkeit“ der Patienten und die Ordinationsfrequenzen sinken würde, wäre selbst dann ein Nutzen festzustellen, wenn die absolute Zahl der Laborparameter und Radiologieeinzelleistungen nicht sinken würde.

 

Der Vollständigkeit halber muss festgehalten werden, dass bei einem Versuch dieses Effizienzpotential in „Einsparungen“ umzusetzen mit konterkarierenden Gegenreaktionen gerechnet werden muss.

 

 

Reduktion der Überweisungen von der AM-Ebene zu einer fachärztlichen Versorgungsebene (stationär und ambulant) um 12%

Methode

Für die Schätzung dieses Wertes wurden folgende Selektionskriterien angelegt:

  1. Selbstzuweiser
  2. keine stationäre Aufnahme innerhalb der ersten 24 Stunden nach der Entlassung aus der IAS
  3. keine fachärztliche Begutachtung während des Aufenthalts in der IAS
  4. keine Laborleistungen während des Aufenthalts in der IAS
  5. keine Röntgenleistungen während des Aufenthalts in der IAS
  6. Nur jene Patienten, die als Entlassungskennzeichen entweder „Weiterbehandlung durch Facharzt“ oder „Wiederbestellt zur Facharztambulanz“ oder „geplante statio­näre Aufnahme“ aufwiesen.

Verglichen wurden die Patienten, die das erste Mal in der IAS waren, mit denen, die wenigstens ein zweites Mal vorstellig wurden.

Ergebnisse und Diskussion:

Durch die Selektionskriterien wird die Versorgungswirksamkeit eines niedergelassenen AM simuliert. Als Arbeitshypothese wurde festgelegt, dass ein AM deswegen Patienten zu einer fachärztlichen Versorgungsebene überweist, weil die Gesamtsituation des Patienten eine sichere Abklärung nicht zulässt und deswegen eine fachärztliche Abklärung erbeten wird, aber gleichzeitig eine solche Abklärung aus medizinischen Gründen nicht dringlich ist. Allerdings könnte der AM einen Teil der Patienten selbst abklären, wenn er über elektronische (und damit intelligent selektierbare) und vertrauenswürdige Patienteninformationen verfügt.

Die Überweisungshäufigkeit zwischen Erstkontakt und Wiederkontakt sinkt um 12%. Sowohl die Altersverteilung als auch die Diagnoseverteilung lassen keine verzerrenden Einflüsse vermuten. Die plausibelste Erklärung für diese Reduktion ist die elektronische und vertrauenswürdige Verfügbarkeit von historischen Daten, die bei der Differentialdiagnose des aktuellen Falles helfen, endgültige Diagnosen und Therapien bereits auf Ebene des AM zu stellen.

 

Für eine Übertragung auf das gesamten Gesundheitswesen kann man davon ausgehen, dass die Versorgungswirksamkeit eines über ELGA informierten AM deutlich erhöht wird und damit Facharztkontakte (inkl. dem Krankenhaus, dass als fachärztliche Versorgungseinrichtung gewertet wird) mit Überweisung durch den AM (Jene Patienten, die bei einem niedergelassenen Facharzt als Selbstzuweiser auftreten sind also nicht einrechenbar!) um 12% sinken könnten. Anders als bei der Behandlungszeitreduktion ist im Fall der Reduktion der Überweisungshäufigkeit anzunehmen, dass die Reduktion um 12% generell eintreten könnte, da es sich bei den niedergelassenen AM in der Regel um Hausärzte handelt, die den Patienten über einen längeren Zeitraum, oft über Jahre begleiten. Anders ausgedrückt, ist die Reduktion der Überweisungshäufigkeit ein Phänomen der erhöhten Versorgungswirksamkeit des AM durch bessere Information, die bei jedem Patienten eintreten wird, der durch ELGA erfasst ist.

Gestützt wird diese These unter anderem auch dadurch, dass die Krankenhaushäufigkeit seit Einrichtung der IAS – die ja bei ambulant versorgten Patienten im überwiegenden Teil als AM-Praxis fungiert (s.o) – im Einzugsgebiet des Krankenhauses Horn um 7% gesunken ist, während im gleichen Zeitraum die Krankenhaushäufigkeit der anderen NÖ Krankenhäuser um 3,5% gestiegen ist. Verglichen mit anderen Standorten wurden im Einzugsgebiet des Standorts Horn also etwa 10% weniger Patienten als krankenhausbedürftig eingestuft, als in Einzugsgebieten anderer Standorte in NÖ.

Die Selektionskriterien in dieser Versuchanordnung wurden so gewählt, dass als fachärztliche Versorgungsebene sowohl die ambulante als auch die stationäre Versorgung gilt. Eine Aufteilung in den ambulanten und stationären Bereich ist mit der vorliegenden Stichprobenzahl leider nicht möglich. Zudem fehlen für eine tiefergreifende Analyse die Daten, sodass nicht gesagt werden kann, in wie weit ein elektronischer Patientenakt oder die Einrichtung einer abgestuften Versorgung wie sie die IAS darstellt solche Effekte verursacht.

 

Als vorsichtige Annäherung für die Übertragung auf das gesamte Gesundheitswesen sind nun folgende Aspekte zu betrachten:

 

Durch ELGA kann ohne die wirtschaftliche Vorsicht zu verletzen jedenfalls mit einer Reduktion der Überweisungen von einem AM zu einem ambulant versorgenden Facharzt (niedergelassener Facharzt oder Spitalsambulanz) ohne Effektivitätsverlust von 8% – 10% gerechnet werden, da die überwiegende Zahl der selektierten Patienten entweder einem extramuralen Facharzt oder einer Spitalsambulanz zugewiesen wurden und zudem die Facharztdichte, die für so ein Verhalten sicherlich als Einflussfaktor gilt, in der Region für österreichische Verhältnisse niedrig ist. Als Grundgesamtheit müsste man die Facharzt-Patienten-Kontakte heranziehen, die einerseits aus den Krankenanstaltenstatistiken, andererseits aus den Hauptverbandstatistiken ablesbar sein sollten und diese Daten um einen Schätzwert, der die Selbstzuweiser ausklammert (eingerechnet dürfen nur vom AM überwiesene Patienten werden!), bereinigen.

Für den stationären Bereich, bzw. die Krankenhaushäufigkeitsreduktion ist die Annahme, dass 50% der Effekte durch die ELGA und 50% durch die IAS entstanden sind eine praktikable und wirtschaftlich sichere Annahme. Das bedeutet, dass die Krankenhaushäufigkeit ohne Effektivitätsverlust um 3,5% bis 5% ausschließlich durch ELGA gesenkt werden könnte. Als Grundgesamtheit sind hier die etwa 2,5 Mio Aufnahme pro Jahr und 15 Mio. Belagstage (ohne Null-Tages-Aufnahmen) anzusetzen. Anzumerken ist jedoch, dass die Effekte der ELGA als integrierender Faktor auf dem Weg zu einem integrierten Versorgungssystem hier NICHT berücksichtigt sind. Sollte es parallel zur Einführung einer ELGA auch zu einer Strukturreform kommen, die ein abgestuftes Versorgungssystem erlaubt, sind wenigstens die oben dargestellten IAS-Effekte voll einzurechnen.

 

Auch hier muss erwähnt werden, dass bei einem Versuch dieses Effizienzpotential in „Einsparungen“ umzusetzen, mit konterkarierenden Gegenreaktionen gerechnet werden muss.

 

Nicht quantifizierbare Effekte

Eine elektronische Patientenakte, die sektorübergreifend genützt werden kann, ermöglicht es, verschiedene qualitative Nutzen zu generieren, die jedoch mangels vorhandener Daten (noch) nicht quantifiziert werden können. Sie sollen hier nur kurz angedeutet werden.

optimiertes Bettenmanagement

Am Standort Horn hat man Jahrelang mit Fehlbelegungen, Außenständen (also „Gast“-Patienten auf fachfremden Abteilungen) und Patientenverlegungen gekämpft. Wesentlicher Grund dafür war, dass die Kommunikation mit dem extramuralen Bereich nicht strukturiert war. Dadurch, dass durch die IAS klare Standards vorgegeben wurden und ein elektronisches Bettenbestellsystem eingeführt wurde, sind diese Fehlbelegungen, Außenstände und Patientenverlegungen vollkommen verschwunden. Sogar die Zahl der unerwartet abgesetzten Operationen ist zurückgegangen. Wegen der fehlenden Daten ist es nicht möglich diesen Effekt zu quantifizieren. Interviews mit den betroffenen Stationen haben aber gezeigt, dass man mit der jetzigen Situation sehr „glücklich“ ist. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass im Falle Horns trotz der IAS, die ja „leichte“ von „schweren“ Fällen trennt, die durchschnittliche Belagsdauer weiter sinkt. Eigentlich wurde erwartet, dass durch diese Fall-Selektion die Belagdauer steigt. Man kann daher annehmen, dass die bessere Organisation den Selektionseffekt überkompensiert.

Patientensicherheit

Insbesondere das Management multimorbider und chronisch kranker Patienten, wie sie durch die demographische Entwicklung stark zunehmen, erfordert einen immer höheren Aufwand, der mit den vorhandenen Instrumenten zunehmend unmöglicher wird. Patienten, die eine Vielzahl an Therapien von meist unterschiedlichen Ärzten parallel aufweisen, sind selbst dann schwierig zu führen, wenn ausreichend Information zur Verfügung steht. Gänzlich unmöglich wird es, wenn diese Information zwischen allen mit dem Patienten beschäftigten Akteuren nicht ausgetauscht wird oder werden kann. Die Zahl der unerwünschten Komplikationen wird in Österreich nicht gemessen, allerdings kann man auch hierzulande davon ausgehen, dass die durch diese Komplikationen entstandenen Zusatzkosten bereits einen zweistelligen Prozentbetrag der Gesamtkosten ausmacht – Ressourcen also, die nicht eingesetzt werden um Patienten zu helfen, sondern durch das System verursachte Fehler zu beheben. Eine ELGA kann hier helfen, sehr viele dieser Komplikationen zu vermeiden.

Qualität der Versorgung

Moderne Erkenntnisse der Gesundheitsversorgungsforschung zeigen, dass die Qualität einer Behandlung weniger von der Qualität der einzelnen Maßnahme oder Leistung (sei sie diagnostisch oder therapeutisch) abhängig ist, als vielmehr davon, dass sie zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle vorgenommen wird. Ein solches Vorgehen erfordert ein hohes Maß an Kommunikation zwischen den einzelnen Akteuren, umso mehr, als durch die moderne Medizin die Zahl der möglichen Maßnahmen oder Leistungen immer schneller wächst und eine immer weitergehende Spezialisierung erfordert. Die Geisteshaltung die für so eine Kommunikation nötig ist wird noch viele Jahre des Veränderns erfordern, sie wird allerdings nicht kommen, wenn nicht die geeigneten Kommunikationswege bereit stehen. Eine ELGA ist zwar kein Garant für eine integrierte und qualitativ hochstehende Versorgung, aber ohne sie ist eine solche unmöglich.

 

 


[1]          Vgl. Uhl, A.; Springer, A.; Kobrna, U.; Gnambs, T.; Pfarrhofer, D. (2005): Österreichische Re­präsentativerhebnung zu Substanzgebrauch. Erhebung 2004, Bericht. S. 108;Wien, Bundesministerium für Gesundheit und Frauen.