Verantwortungs- und folgenlose Gesundheitspolitik

1969, also vor 44 Jahren, hat die WHO kritisiert, dass unser Gesundheitssystem zu wenig „zentralistisch“ ist. Die Bundesregierung, deren Amtssitz sich in Wien befindet und daher sogar von Regierungsmitgliedern, wenn sie aus anderen Bundesländern kommen, gerne als „die Wiener“ tituliert wird,  hat keine Möglichkeit, in die Spitalslandschaft einzugreifen, damit Spitäler Teil eines umfassenden Planes der Gesundheitspflege werden  – mit willkürlichen und der Qualität abträglichen Folgen. Das Spitalsproblem ist also alles andere als neu oder unbekannt.

Seither wurde enorm viel unternommen, um diese Willkür einzufangen.

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Die ewige Spitalsambulanz-Gebühr

 Die Frage, ob Spitalsambulanzgebühren real den Zustrom von Patienten mit Lappalien einzudämmen vermögen, ist seit Jahren beantwortet: nein.

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   Dass Ambulanzen überfüllt sind und in vielen Fällen eine Überversorgung darstellen, ist unbestritten. Ein banaler Schnupfen muss nicht um 22 Uhr in einer Spitalsambulanz versorgt werden. Aber nicht nur dort findet Überversorgung statt; ein Schnupfen hat auch beim niedergelassenen Facharzt nichts verloren. Im Spital fällt es nur besonders auf und ist sicher die teuerste Überversorgung. Ambulanzgebühren sind nun der theoretische Versuch, diese Überversorgung wegzubringen. Doch ist das real?

   Nein, schlicht, weil Gebühren von sich aus ja nicht unterscheiden können, ob ein Arztbesuch, vor allem außerhalb der Öffnungszeiten der Hausärzte, not wendig ist oder nicht, diese Entscheidung muss der Patient fällen. Der Patient muss Informationen einholen, die Dringlichkeit einschätzen und dann entscheiden. Geld spielt da keine Rolle, entscheidend ist die Gesundheitskompetenz.

   Doch ist der österreichische Patient ausreichend kompetent für diese Entscheidung? Ist er nicht! Ein Akademiker in Österreich kann gesundheitsrelevante Fragen weniger gut beantworten als ein Schulabbrecher aus den Niederlanden – das will was heißen!

   Aber warum kann ein Niederländer besser zwischen Banalem und Ernstem unterscheiden? Warum versucht der dortige es zuerst mit Hausmedizin, und wenn die nicht hilft, geht er zum Hausarzt, egal zu welchem Zeitpunkt, während der hiesige sofort zum Facharzt oder in die Spitalsambulanz rennt?

   Er ist schlicht mündiger, weil dort seit Jahren das System darauf dringt, Patienten zu helfen, diese Entscheidungen selbst zu treffen. Unser paternalistisches, intransparentes System will keine mündigen Patienten, also gibt es sie auch nicht.

   Mehr noch, unsere Primärversorgung, also vor allem die Hausarztversorgung, ist heillos überfordert, weil völlig unterbewertet. Aber es sind nun einmal vor allem die Hausärzte, die eine entscheidende Rolle spielen. Und wenn es sie nicht ausreichend gibt, können Ambulanzgebühren auch keine sinnvolle, steuernde Wirkung erzielen.

   Diese würden sicher die eine oder andere Überversorgung, vor allem bei jenen, die aus Bequemlichkeit in Ambulanzen gehen (aber das völlig zu Recht, denn der Hindernislauf im extramuralen Bereich von einem Arzt zum anderen, ist unattraktiver Nonsens), reduzieren, aber im Allgemeinen nur Zusatzeinnahmen und in vielen Fällen Unterversorgung generieren.

   In der ambulanten Versorgung existieren vier voneinander völlig unabhängig arbeitende Systeme: das (an sich schon inhomogene) Kassensystem, das Wahlarztsystem, die Ambulatorien und die Spitalsambulanzen. Hier kann keine vernünftige Versorgung rauskommen, sondern nur der zu beobachtende Verschiebebahnhof. Wenn es nicht gelingt, leicht verständliche und patientenorientierte Regeln der Zusammenarbeit herzustellen, aber vor allem eine funktionierende, sieben Tage pro Woche, 16 Stunden pro Tag geöffnete Primärversorgung zu etablieren, und zwar so attraktiv, dass sie vom Patienten akzeptiert wird, wird es keine Lösung für überfüllte Spitalsambulanzen geben.

„Wiener Zeitung“ Nr. 231 vom 28.11.2013 

Wir wollen keine Kinder, die Rehabilitation brauchen

Es ist unappetitlich, dass Macht- und Geldstreitereien in unserem Gesundheitssystem auf dem Rücken kranker Kinder ausgetragen werden.

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   Eines meiner ersten großen Projekte war der Rehabilitationsplan 2004, der 2002 erarbeitet wurde. Schon damals wurde unwürdig über die Kinder-Reha diskutiert und die finanzielle Verantwortung zwischen Sozialversicherung und Ländern hin und her geschoben.

   Praktisch niemand dachte an die Kinder, deren Leben ohnehin schon sauer ist. Ein Kind, das eine Reha braucht, hat eine lebensverändernde, oft lebensbedrohende Krankheit hinter sich – KEINE Krankheit, die durch ungesunde Lebensweise selbst verursacht ist.

   Denken wir an die etwa 500 Klein- und Schulkinder jährlich, die davon betroffen sind. Wo erhalten die ihre Rehabilitation?

   Sie liegen in irgendwelchen Spitälern und werden meist unzureichend betreut – selten findet man Lehrer oder Kindergartenpädagogen oder ein entsprechendes Freizeit angebot. Die Kinder sind oft alleine und haben keine Gleichaltrigen, mit denen sie spielen können. Liegen sie auf Kinderabteilungen – nicht einmal das ist sicher –, wechseln dort „normal“ kranke Kinder so schnell, dass, kaum wurde eine Freundschaft geschlossen, diese auch schon wieder getrennt wird.

   Manchmal liegen Kinder in Reha-Einrichtungen – mit Schlaganfall patienten und Hüftoperierten, in der Regel alten Menschen, zusammen. Eine familienorientierte Rehabilitation für Kinder mit Krebserkrankung, also die Möglichkeit, die Familie einzubinden, ist praktisch unmöglich; lieber lässt man sie mit dem einschneidenden Erlebnis alleine. Auch für Kinder mit Lungenerkrankungen, Rheuma und Stoffwechselkrankheiten gibt es kein Angebot.

   In den Einrichtungen hängt man irgendwo einen Hampelmann auf, klebt eine Blume ans Fenster und denkt, das sei kindgerecht. Damit die Kinder alleine auf die Erwachsenen-Toiletten gehen können und das Waschbecken erreichen, stellt man ihnen kleine Treppchen hin.

   Und – so paradox es klingt – ein paar Glückliche, deren Eltern sich mehrere Wochen freinehmen können und genug Geld für einen längeren Auslandsaufenthalt haben, dürfen vielleicht auch in einer ausländischen, auf Kinder spezialisierten Reha-Einrichtung auf Kosten einer Sozialversicherung genesen – aber nur, wenn sie eine Krankheit haben, keine geburtsbedingte Behinderung. Eine geburtsbedingte Behinderung ist weder als Krankheit im sozialversicherungsrechtlichen Sinne noch als Unfall zu qualifizieren und daher nicht Sache der Sozialversicherungen. Es ist Sache der Länder. Und hier liegt das Problem.

   Patienten mit angeborener Behinderung und solche mit Krankheiten im sozialversicherungsrechtlichen Sinn (was für eine bürokratisch schwachsinnige Unterscheidung) „gehören“ zwei unterschiedlichen Finanziers, die eifersüchtig darauf schauen, nur ja keine Kosten des anderen zu übernehmen. Und so bleibt eine vernünftige Versorgung unmöglich.

   Nach wenigstens 15 Jahren Diskussion hat es nach einer Einigung ausgesehen. Aber jetzt, wo es darum geht, Geld in die Hand zu nehmen, stehen sie wieder da, die Länder, und teilen wie üblich mit, dass das gefälligst der Bund zahlen soll – und wir fangen wieder bei null an.

Wiener Zeitung“ Nr. 212 vom 31.10.2013       

Gesundheitspolitische Konsequenzen der Wahlen

      1969, also vor 44 Jahren, hat die WHO kritisiert, dass unser Gesundheitssystem zu wenig „zentralistisch“ ist.

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   Die Bundesregierung (gerne als „die Wiener“ tituliert) hat keine Möglichkeit, in die Spitalslandschaft einzugreifen – mit willkürlichen und der Qualität abträglichen Folgen, meinte die WHO.

   Um die Willkür einzufangen, wurde zwischen 1996 und 2001 der ÖKAP (ein Bettenplan) verhandelt und gesetzlich eingeführt. Als 2004 dieser Plan evaluiert wurde, war der Umsetzungsgrad so niedrig, dass beschlossen wurde, niemandem davon zu erzählen – und aus dem Evaluierungsbericht wurde eine supergeheime Geheimstudie.

   Im Jahr 2006 trat mit dem ÖSG, nach vierjährigen Verhandlungen die nächste Reform in Kraft. Länder sollten nicht mehr Betten, sondern Leistungen planen. Haben sie das gemacht? Nein! Es gibt, nach wie vor reine Bettenplanung, die reiner politischer Willkür folgt.

   Die gesetzlichen Vorgaben wurden allesamt ignoriert – also gebrochen. Und das ohne Folgen, weil „die Wiener“ den Ländern nichts vorschreiben wollen.

   Die Krankenkassen, stets Teil der Reformen, sind in ihrer Gesetzestreue aber keinen Deut besser; muss ja auch nicht sein, weil im Parlament immer jemand sitzen wird, der darauf achtet, dass sie nicht zu arg zur Verantwortung gezogen werden.

   Der Grund für dieses Ignorieren der Gesetze ist schlicht die Entscheidungsunfähigkeit des Systems. Besonders „schön“ ist diese rund um das Brustkrebsvorsoge-Programm zu sehen.

   Das Programm steht seit zehn Jahren auf der politischen Agenda. Nach acht Jahren Verhandlungen wurde entschieden, es einzuführen. Und jetzt, zwei Jahre nach dem Grundsatzbeschluss, scheitert alles, weil sich in zwei Bundesländern Landesärztekammer und Landes-Gebietskrankenkasse nicht einigen können.

   Denn selbst wenn man „in Wien“ eine Entscheidung trifft, müssen danach alle 36 Kassen und alle zehn Ärztekammern einzeln zustimmen. Sollte es den Spitalsbereich berühren, dann spielen auch noch neun Landesfürsten mit. Und niemand kann Druck ausüben oder gar eine Entscheidung durchsetzen.

   Wie wird die nun anstehende Gesundheitsreform laufen?

   Sehr vereinfacht dargestellt, setzt die Reform voraus, dass sich Länder und Kassen auf gemeinsame Versorgung einigen.

   Wie das nicht funktioniert, sieht man bei den 2005 eingeführten Reformpoolprojekten, die gerade ein Prozent der Geldmittel hätten bewegen sollen. Gesetzlich festgelegt war, erfolgreiche Projekte in die Regelversorgung zu übernehmen. Aber auch wenn die meisten Projekte erfolgreich waren, also gezeigt haben, dass die Versorgung der Patienten gemeinsam besser funktioniert und dabei auch günstiger wird, Regelversorgung wurden sie nie; Länder und Kassen konnten sich nicht einigen.

   Die Realverfassung, also das üblich gewordene Brechen von Gesetzen durch jene, die real die Macht haben, ist mittlerweile unüberwindbar.

   Diese Macht zurückzustutzen setzt voraus, die Verfassung so zu ändern, dass der direkte Eingriff der Bundesregierung möglich wird. Und dann noch, dass es „einen Wiener“ gibt, der den Mut besitzt, seine verfassungsmäßigen Rechte durchzusetzen.

   Eine Stärkung der Bundesregierung wäre also ein Weg, endlich eine Gesundheitsreform durchzusetzen – aber ist das nach diesem Wahlergebnis zu erwarten?

„Wiener Zeitung“ Nr. 193 vom 03.10.2013

Massenhaft bejubelte Meilensteine

Die AUVA bejubelt die Einigung auf eine Definition von Prävention als „Meilenstein“ – tatsächlich gibt es darüber seit 1986 eine Verständigung.

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Euphorisch klingt die Presseaussendung der AUVA, in der mitgeteilt wird, dass seit 18. 8. 2013 „Österreichs politische Gesundheitslandschaft ein gemeinsames Verständnis der Begriffe Prävention und Gesundheitsförderung hat“: Sozialversicherung, Bund, Länder und die Wirtschaft saßen in Alpbach zusammen und: „Wir haben uns auf dieses Begriffsverständnis gemeinsam geeinigt, es ist ein großer Erfolg für die Österreicherinnen und Österreicher.“

   Festgehalten wurde: „Prävention ist ein pathogenetische Ansatz. Was macht krank? Gesundheitsförderung bedeutet den Ansatz ‚Was erhält gesund, was stärkt die Ressourcen des Einzelnen, wie lässt sich der Zustand verbessern‘?“

   Eine meilensteinige Abgrenzung der beiden Begriffe – und so innovativ. Warum sollte auch die Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, in der solche Definitionen natürlich zu finden sind und auf denen weltweit eine Fülle von Konzepten aufbauen, in der hiesigen Gesundheitspolitik heute schon angekommen sein? Dieses Dokument wurde am 21. 11. 1986 zum Abschluss der Ersten Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Ottawa veröffentlicht und von Franz Kreuzer, Gesundheitsminister in der Regierung Vranitzky I (SPÖ-FPÖ-Koalition), mitunterschrieben.

   Es stört mich zwar, dass wir Jahrzehnte hinterherhängen, was mich aber ärgert, ist, mit welcher Selbstverständlichkeit Jubelmeldungen abgesetzt werden, für Dinge, die eigentlich peinlich sein sollten – und zwar allen, egal ob Krankenkassenfunktionär, Landeshauptmann oder Gesundheitsminister.

   Ein anderes Beispiel: 1969 hat die WHO festgehalten, dass es keine Vorkehrung für eine systematische Bewertung der Qualität der Arbeit der einzelnen Spitäler gibt. Im Jahr 2000 wurde jubelnd zwischen Bund und Ländern vereinbart: „Zur flächendeckenden Sicherung und Verbesserung der Qualität (. . .) ist die systematische Qualitätsarbeit (. . .) zu intensivieren. Dazu ist ein gesamtösterreichisches Qualitätssystem einvernehmlich zwischen den Vertragsparteien zu entwickeln, umzusetzen und regelmäßig zu evaluieren und weiterzuentwickeln.“ Mit jubelnden Worten wurde 2005 sogar ein Gesetz beschlossen, das Gesundheitsqualitätsgesetz.

   Und in der jetzigen Reform, deren erste Einigung bereits im November 2010 bejubelt wurde, danach x-fach wieder – bei der „Beschlussfassung“ von der Verhandlungsgruppe, bestehend aus zwei Länder-, zwei Bundes- und zwei Kassenvertretern, dann von der Landeshauptleutekonferenz, vom Ministerrat, im Parlament. Vor kurzem gab es noch einmal Lob, als die Trägerkonferenz im Hauptverband (wer?) unter Anwesenheit hoher und höchster Würdenträger zustimmte . Und da steht zum Thema Qualität Folgendes: „Bundeseinheitliche Mindest anforderungen an Qualitätsmanagementsysteme für alle Einrichtungen des Gesundheitswesens definieren und in der Folge schrittweise einführen und evaluieren.“

   So ganz unter uns – warum ist es Politikern nicht peinlich, so viel zu jubeln, obwohl eigentlich nichts weitergeht?

„Wiener Zeitung“ Nr. 173 vom 05.09.2013                    

Gesundheitspolitischer Zynismus

 Je genauer ich die Versorgung chronisch Kranker analysiere, desto zynischer imponiert die Reformunfähigkeit der Kassen und Bundesländer.

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   Es ist alles andere als neu, dass Patienten mit Herzschwäche, will man sie gut versorgt wissen, mehr brauchen als nur eine Diagnose und ein Rezept. Sie brauchen Betreuung.

   Seit zwei Jahrzehnten werden daher gesundheitsökonomisch sinnvolle Programme erprobt, die mehr als nur punktuelle Arzt-Patientenkontakte vorsehen – sogenannte Disease Management Programme.

   Die Wirksamkeit der Programme ist immer und immer wieder bewiesen worden. Dass sie nicht nur viel Leid und vorzeitigen Tod vom Patienten abwenden können und auch sparen helfen: Schlecht betreute Patienten erzeugen hohe Folgekosten über häufige und teure Spitalaufenthalte.

   Als vor bereits zwölf Jahren die Ergebnisse einer großen europäischen Vergleichsstudie erschienen, da war nicht nur klar, dass wir unsere Patienten schlecht betreuen, sondern auch, dass etwas getan werden muss. Und so schossen Pilotprojekte aus dem Boden und Politiker überschlugen sich in Ankündigungen.

   Das „Tiroler Modell“, das „Kremser Modell“, das „Wiener Modell“, das Flachgauer „Kardiomobil“ wurden entwickelt, erprobt und evaluiert – und alle haben gezeigt, dass auch in Österreich eine intensivere Betreuung der Herz-Patienten bei geringeren Versorgungskosten zu mehr Lebensqualität und längerem Überleben führt.

   Doch was ist aus diesen Programmen geworden, was aus den Ankündigungen, die 160.000 Herzschwäche-Patienten besser versorgen zu wollen? 2012 wurde erhoben, wie denn deren Versorgung ist – und sie ist weiterhin schlecht. Nicht einmal die Hälfte der in Behandlung stehenden Patienten erhält jene Therapie, die sie braucht. In anderen Ländern, in denen Gesundheitsökonomie wichtiger ist als kleinkarierte Machtspielchen, sind es 90 Prozent.

   Zwar haben auch die in Österreich erprobten Programme bewiesen, dass man pro Jahr mehrere 10.000 qualitativ wertvolle Lebensjahre gewinnen könnte – aber warum sollte das wichtiger sein, als wohlerworbene Pfründe? Denn was nie gelang ist, die Kompetenz- und Finanzierungsfragen dieser Programme zu klären. In den Spitälern sind die Länder, draußen die Kassen zuständig. Draußen kosten diese Programme, drinnen erspart man sich Kosten durch vermiedene Spitalaufnahmen – wie soll man da das Geld aufteilen? Wer soll diese Programme leiten?

   Sich gemeinsam um diese Patienten zu kümmern, das setzte voraus, dass man Mauern niederreißt und eine Vision entwickelt. Warum sollte man das tun? Wo doch politisch alles erreicht wurde: Man zeigte Initiative, kündigte an, ließ sich als die Retter der Patienten bejubeln. Und als das Volk das verstanden hat, warum sollte man dann noch etwas umsetzen? Bringt doch politisch nichts mehr und führt nur zu Problemen. Umsetzen ist nur etwas für Menschen mit Gestaltungswillen. Die, die mit Machtwille ausgestattet sind, brauchen das nicht.

   Und so werden österreichische Herzschwäche-Patienten weiterhin damit leben, ein bis zwei Jahre zu früh zu sterben – aber wenigstens die Sicherheit haben, dass sie das „im besten Gesundheitssystem“ der Welt tun.

„Wiener Zeitung“ Nr. 155 vom 09.08.2013 

Analyse – Der Bundes-Zielsteuerungsvertrag

Erstaunlich, aber die Gesundheitsreform wurde so oft verkündet, dass der eigentliche Akt der Reform, also der Beschluss des Bundes-Zielsteuererungsvertrags (B-ZV) kaum mehr diskutiert wird.

Vielleicht langweilt es die Medien, ständig das Gleiche bringen zu müssen; denn schließlich hat die Regierung diese Reform alleine 2013 bereits 5 mal unter Jubel präsentiert. Alternativ denkbar ist, dass es unendlich viele geheime Nebenabsprachen unter „Freunden“ gibt, sodass keine Diskussion nötig ist, also alle Akteure mehr oder weniger zufrieden gestellt wurden. Aber vielleicht ist der ganze B-ZV auch nur nichtssagend.

Nun, auf den ersten Blick scheint letzteres nicht der Fall zu sein. Der Vertrag zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen enthält, neben der üblichen Selbstbeweihräucherung, neue und gute Managementinstrumente – ein Verdienst der Kassen?

Wenn man die Ziel- und Maßnahmenkataloge der Kapitel 6, 7 und 8 ansieht, dann ist man ob der Klarheit richtig erstaunt. Transparent werden strategische und operative Ziele genannt, Maßnahmen, Messgrößen und Zeitachsen vorgegeben. Aber dann kommt das große ABER.

Denn realiter sind diese Kapitel nur eine Detaillierung der 15a-Vereinbarung, eine echte Konkretisierung findet man nicht. Im Gegenteil, in vielen, vor allem heiklen Themen, ist die 15a-Vereinbarung sogar konkreter und findet im B-ZV keine Entsprechung; z.B. ist die Veröffentlichungspflicht von Monitoringberichten– Abschnitt 7 d. 15a – im B-ZV nicht mehr beschrieben. Man kann also wieder einmal nur hoffen, dass die Transparenz nicht wie immer auf dem Weg zur Reform verschwindet. Und die wenigen Ansätze des B-ZV, die konkret sind, liefern alles andere als Anlass zu Hoffnung.

Ein Beispiel:

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Das Hausärztesterben, Alois Stöger und die jungärztliche Ausbildungsreform

Weil der Lohn der Turnusärzte pro geleisteter Arbeitsstunde unter der einer diplomierten Pflegekraft liegt, kommt kein Spital mehr ohne sie aus – ohne Turnusärzte müssten Spitäler geschlossen, oder aber das ohnehin teuerste Spitalswesen Europas noch teurer werden. Keine sehr attraktiven Alternativen für Landespolitiker.

Gleichzeit, und das wird gerne vergessen, sind Turnusärzte aber der Nachwuchs für Hausärzte. Sie sollten im Turnus primär ausgebildet werden und nicht arbeiten. Aber, wie alle wissen, passiert das immer weniger. Statt ausgebildet zu werden, werden sie als Systemerhalter herangezogen, weswegen immer weniger nach ihrer „Ausbildungszeit“ im Spital in eine Hausarztordination wechseln. In Vorarlberg wurde beispielsweise gerade abgefragt, wer denn nach dem Turnus Hausarzt werden will – das Ergebnis: 82% wollen NICHT.

Warum will keiner Hausarzt werden? Und: Warum machen trotzdem alle den Turnus?

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Die Konkretisierung der Gesundheitsreform – Herzschwäche (Herzinsuffizienz)

Durch die Reform soll die Institutionenorientierung (Spitalsstandorte und Kassenplanstellen) zugunsten einer integrierten Versorgung überwunden werden: Patienten sollen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle– genannt: „Best Point of Service“- behandelt werden. Wo das ist, wird nicht dekretiert, sondern ist dezentral, auf Ebene der Versorgungsregionen des ÖSG – davon gibt es 32 – festzulegen.

Die ambulante Versorgung ist der stationären vorzuziehen– das bedeutet, dass die ambulante Versorgung durch Spitalsambulanzen und Kassen(fach)ärzte bedarfsorientiert auf-, aus- und umgebaut wird. Gruppenpraxen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. So soll auf Sicht eine fachärztliche Versorgung gewährleistet werden, die nicht nur Ballungsräume bevorzugt. An den Abbau von Hausärzten denkt definitiv niemand –im Gegenteil.

Zentral werden Rahmenziele aufgestellt, anhand derer der Aufbau der integrierten Versorgung gemessen werden kann. Dezentral – also in den 32 Versorgungsregionen – sind diese unter Berücksichtigung der regionalen und spezifischen Besonderheiten zu konkretisieren. Es sind keine „zentralistischen“ Diktate, angedacht, sondern praxis- bzw. wirkungsorientierte Rahmenvorgaben.

Die Reform klingt abstrakt! Stimmt – und wie könnte das konkret aussehen? (aber wird es wohl nicht, betrachtet man die Fortschritte der Verhandlungen)

 

Betrachten wir Patienten mit Herzinsuffizienz

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