Der Bundes-Zielsteuerungsvertrag – eine Analyse

  

Erstaunlich, aber die Gesundheitsreform wurde so oft verkündet, dass der eigentliche Akt der Reform kaum mehr diskutiert wird.

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   Vielleicht langweilt es, ständig das Gleiche bringen zu müssen. Alternativ denkbar ist, dass es unendlich viele geheime Nebenabsprachen unter „Freunden“ gibt, sodass keine Diskussion nötig ist. Aber vielleicht ist der ganze Bundes-Zielsteuerungsvertrag auch nur nichtssagend.

   Auf den ersten Blick scheint er das nicht zu sein. Der Vertrag zwischen Bund, Ländern und Sozialversicherungen enthält, neben der üblichen Selbstbeweihräucherung, neue und gute Managementinstrumente – ein Verdienst der Kassen.

   Wenn man die Ziel- und Maßnahmenkataloge ansieht, dann ist man ob der Klarheit richtig erstaunt. Transparent werden strategische und operative Ziele genannt, Maßnahmen, Messgrößen und Zeitachsen vorgegeben. Aber dann kommt das große ABER.

   Denn realiter sind diese Kapitel nur eine Detaillierung der 15a-Vereinbarung, eine echte Konkretisierung findet man nicht. Ein Beispiel: Die Zahl der Spitalsaufnahmen soll, entsprechend dem strategischen Ziel die Krankenhaushäufigkeiten zu senken, reduziert werden. Und was finden wir dort für eine Zielgröße? Eine Reduktion bis 2016 um 1,1 Prozent (jährlich?)! Das ist nichts. Wenn wir in der Geschwindigkeit vorgehen, dann werden wir 33 Jahre brauchen, bis wir den OECD-Schnitt erreicht haben, der irgendwann ja mal als Ziel angedacht war.

   Konsequenterweise sind die Ziele, den ambulanten Sektor zu stärken nicht besser: 2016 soll es ganze zwei moderne ambulante Versorgungsstrukturen (also vernünftige Gruppenpraxen) pro Bundesland geben – zwei!

   Und was die Stärkung der Hausarztversorgung betrifft, einigt man sich darauf, dass ein Prozent (!) der Bevölkerung pro Bundesland über solche Konzepte versorgt werden soll! Praktisch niemand!

   Und weil in den Kernkapiteln kaum Konkretes zu finden ist, ist es verständlich, dass im Rest auch alles vage bleibt. Kein Wort mehr von „virtuellen Budgets“, die die gemeinsame Finanzierung der Versorgung konkreter Patientengruppen (etwa Diabetikern) ermöglichen soll. Keine klaren Angaben, dass das Geld wirklich der Leistung folgen soll, also der ambulante Bereich Geld erhält, wenn er nachweislich Leistungen erbringt, die Krankenhausaufenthalte vermeiden. Ja, es finden sich nicht einmal konkrete Angaben, wie denn die Kostenberechnungen stattfinden sollen. Wo in den Vorentwürfen des Vertrags die Länder sich in die Karten hätten schauen lassen müssen, haben sie alles rausverhandelt. Übrig bleibt Nebel.

   Kaum wo findet man etwas anderes als die Absicht, bis 2014, 2015 oder 2016 Konzepte, Programme oder Rahmenbedingungen entworfen haben zu wollen. Umsetzungs- und Wirkungsorientierung, wie versprochen, ist nicht zu finden.

   Wenn man noch die zu diesem Vertrag konterkarierende Änderung der Ärzteausbildung bedenkt, die eben eine vernünftige Hausarztausbildung NICHT ermöglicht, aber für eine maximale Verfügbarkeit von billigen Turnusärzten in Spitälern sorgen soll (die neue medizinische Fakultät in Linz dient ja auch diesem Ziel), bleibt von der Reform genau nichts übrig, außer wirkungsloses, populistisches Reform-Getue.

„Wiener Zeitung“ Nr. 135 vom 12.07.2013