Über den Arbeitnehmerschutz von Spitalsärzten – eine politische Chronologie

Die EU hat 1993 (vor 21 Jahren) eine Arbeitszeitrichtlinie vorgelegt, die das Ziel hatte, den Arbeitnehmerschutz im öffentlichen Dienst, auch in Spitälern, zu verbessern – schließlich ist die EU ja eine Wertegemeinschaft, die gemeinsame Sozialstandards verlangen will, und das nicht nur im privaten, sondern auch im öffentlichen Sektor. Seit dem war klar, wohin der Zug fährt, auch in Österreich, das damals erst über den EU-Beitritt diskutierte.

Nun, der erste Vorschlag wurde von den Regierungen, gegen den Widerstand der Gewerkschaften, als zu unflexibel zurückgeworfen, bzw. heftig zurechtgestutzt. Eine zehn jährige Verhandlungsphase begann, die 2003 (vor 11 Jahren) in der nun auch hierzulande bekannten Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG endete. Jetzt war klar, auch für Österreich, dass Arbeitnehmerschutz nicht nur für private, sondern auch für öffentliche Arbeitgeber gilt. Für Spitalsärzte galt ab nun in der ganzen EU eine 48-Stundenwoche und nicht länger als 25 Stunden am Stück.

Damals gabt es bereits für jene, die freiwillig länger (bis 60 Stunden) arbeiten wollten, eine, vor allem von UK geforderte, individuelle Opt-Out-Regel, also das Recht des Einzelnen, länger zu arbeiten, als die EU es eigentlich erlauben wollte. Diese Opt-Out-Regel war anfangs nur als Übergangslösung gedacht, erfreute sich jedoch bald in vielen EU-Staaten großer Beliebtheit.

Klar wurde diese Opt-Out-Regel von Anfang an gewerkschaftlich massiv bekämpft. Und als es 2008 darum ging, diese Regel, die nun von 16 Staaten angewendet wurde, zu perpetuieren, da wurde sie sogar als ein „Missbrauchsinstrument“ der Arbeitgeber, beschimpft, die unbedingt weg müsse.

Wer so heftig geschimpft hat? Der damalige ÖGB-Präsident und heutige Sozialminister Hundstorfer.

Und als diese Regel dann wirklich fixiert wurde (für Österreich vom damals zuständigen schwarzen Minister Bartenstein), da waren die Schmähungen heftig – sogar der Wiener Bürgermeister Häupl, oberster Chef aller Wiener Spitäler  polterte, dass das einen „eklatanten sozialen Rückschritt“ darstelle. Man konnte aus den damaligen Meldungen der Politiker, vor allem der roten Reichshälfte, den Eindruck gewinnen, die EU erlaubte (neoliberale) Arbeitsbedingungen, die im Verhältnis zu den Österreichischen aber so dermaßen viel schlechter sind, dass das eigentlich der Erlaubnis zur Ausbeutung von Arbeitnehmern gleich kommt.

Alleine, es stimmte halt nicht. Denn 2010 legte die EU-Kommission einen Bericht vor, wie denn die Richtlinie umgesetzt wurde. Und da stand einiges über Österreich drinnen:

Die durchschnittliche Arbeitszeit kann und wird EU-widrig ohne Zustimmung der Mitarbeiter (es reicht die Zustimmung der Gewerkschaft – also ein kollektives Opt-Out, gegen dass der einzelne nicht Einspruch erheben kann) quasi automatisch auf 60 Stunden erhöht, Mindestruhezeiten werden nicht gewährt, es gibt Verzögerungen bei der Möglichkeit zur Konsumation von Ausgleichsruhezeiten, trotz klarer Aussagen des EuGH (2003), werden Bereitschaftszeiten weiterhin nicht als Arbeitszeit gewertet, was sogar von den Behörden selbst zugegeben wird, und, und, und…

Unsere Arbeitszeitgesetze, vor allem für die Spitalsärzte, waren offenbar deutlich arbeitnehmerfeindlicher als die der EU und garantierten schlicht nicht den Arbeitnehmerschutz den die EU mindestens forderte. Und, unsere Politiker haben praktisch gar nichts getan um wenigstens jenen EU-konformen Mindeststandard zu etablieren, von dem so mancher behauptet, er diene der Ausbeutung.

Mehr noch, selbst die offenbar deutlich arbeitnehmerfeindlichen österreichischen Arbeitszeitgesetze wurden nicht eingehalten, selbst von jenen, die sehr laut „Ausbeutung“ gerufen haben. Ein Kontrollamtsbericht aus dem Jahr 2012 zeigt sehr schön, wie in den Wiener Gemeindespitälern Arbeitnehmerschutzbestimmung einfach ignoriert wurden, vor allem bei Turnusärzten – für viele gab es ja noch nicht einmal eine seit langer Zeit gesetzlich vorgeschriebene Arbeitszeitaufzeichnung.

Und wenn wir schon über Spitäler sprechen, die der öffentlichen Hand gehören: Als Minister Hundstorfer 2011 wenigstens die Nachtdienste mit 25 Stunden zu begrenzen suchte, torpedierten die Länder diesen Vorschlag! Warum? Man (also die Länder, die jedes einzelne Spital jedenfalls aufrechterhalten wollten)  könne sich das einfach nicht leisten! Arbeitnehmerschutz hin oder her!

2012 wurde die Scheinheiligkeit der Politik dann zuviel, und eine Privatperson hat eine EU-Beschwerde eingereicht, die die fehlende Umsetzung der EU-Richtlinie beklagte und darauf hinwies, dass die Österr. Arbeitszeitregelungen im Verhältnis zur Richtlinie viel schlechter sind.

Das hat dann gewirkt.  2013 musste die Regierung vor der EU-Kommission zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Dem Vernehmen und den Konsequenzen nach, war die Stellungnahme dermaßen ungenügend, dass die EU am 21. Februrar 2014 – also 11 Jahre nachdem die Richtlinie Geltung hatte – eine Klage androhte  .

Jetzt kam endlich Bewegung ins Spiel und tatsächlich wurde rasch rasch das Gesetz repariert – via Initiativantrag völlig vorbei an demokratischen Diskussionen, dafür mit vielen Geheimverhandlungen mit den wichtigsten Arbeitgebern im Spitalsbereich, den Ländern. Dabei hätte in dem Fall Hundstorfer gar nicht verhandeln müssen, da es im Falle einer EU-Klage kein Mitspracherecht der Länder gibt. Meinte Hundstorfer, der ein paar Jahre zuvor an den Ländern gescheitert ist, es also ernst mit der Verbesserung des Arbeitnehmerschutzes, dann hätte er in diesem Fall endlich freie Bahn gehabt – hätte, wohl gemerkt. Denn, um ohne die Länder zu handeln, muss man halt auch mutig sein – eine Tugend, die Bundespolitikern restlos fehlt!

Das wohl erschütterndste bei dieser Vorgangsweise ist jedoch, dass die Verbesserung des Arbeitnehmerschutzen nicht als Motiv zu gelten hat. Obwohl jetzt zwei Spitzengewerkschafter das Sozial-, bzw. das Gesundheitsministerium leiten, war es nicht die Frage, Arbeitnehmer vor Ausbeutung zu schützen, die zum Handeln Anlass gab, sondern die drohende Geldstrafe von monatlich 5 Mio.€. Erst eine Geldstrafe führte dazu, Arbeitnehmer zu vertreten – das ist für Gewerkschafter schon sehr sehr ungewöhnlich – aber, es handelt sich ja „nur um Spitalsärzte, und die sind  in den Betriebsräten der Spitäler praktisch nicht vertreten.

 

Und so haben wir ihn nur den Kompromiss!

 

2021, also 28 Jahre nachdem klar wurde, dass die Ausbeutung von Spitalsärzten nicht in das europäische Wertegerüst passt, und 48-Wochenstunden (ca. 10 Stunden mehr, als alle anderen Arbeitnehmer) genug sein sollten, werden wir die Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG umgesetzt haben!

Und warum erst 2021? Warum jetzt noch so eine Lange Übergangsfrist? Weil es sonst zu überraschend käme und die Politik keine Zeit habe, sich auf diese „neuen“ Bedingungen einzustellen. Was für eine Begründung!

Realiter geht es darum, dass die Länder weiterhin keine Spitalsreform wollen. Jeder Standort muss gesichert werden, selbst wenn klar ist, dass damit mehr geschadet als genützt wird. Und weil der Spitalswildwuchs belieben muss, geht es jetzt darum zu verhandeln: der Finanzausgleich muss Ländern mehr Geld bringen, etwaige Rettungspakete sind zu schnüren, Stabilitätspakt und „Kostendämpfungspfad“ der Gesundheitsreform müssen aufgeschnürt werden etc. Das braucht Zeit.

Und bis dahin ist, wie bisher, Arbeitnehmerschutz egal, auch den Gewerkschaftern Oberhauser und Hundstorfer, die für alle Arbeitnehmer 12 statt 10 Stunden am Stück bei einer 40 Stundenwoche als ausbeuterisch ausschließen, finden bei Spitalsärzten 49-Stunden am Stück bei einer 60 Stunden-Woche okay.

Aber, so wie es aussieht, wurde die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Zwar konnten die Regierungspolitiker das Gesetz geheim verhandeln,  möglichst ohne Diskussion durchziehen und auch sehr lange Übergangsfristen fixieren (die die EU leider akzeptieren wird), was sie aber nicht verhindern konnten, war, dass hinkünftig jeder einzelne Spitalsarzt der Verlängerung der durchschnittlichen Arbeitszeit von 48 auf 60 Wochenstunden zustimmen muss. Die bisher geübte Praxis, dass der Betriebsrat kollektiv für alle Ärzte die Opt-Out-Regel via Betriebsvereinbarung verlängern konnte ist passe. Jeder Arzt muss nun selbst unterschreiben – und siehe da, viele drohen damit, es nicht zu tun.

V.a. die Ärztekammern in einigen Bundesländern, längst nicht allen, erkennen ihre Chance und verlangen Gehaltsverhandlungen – und das obwohl sie dafür gar nicht zuständig sind. Denn, dank dem österreichischen Recht, sind es nur die Gewerkschaften, die, als Monopolisten, die Gehälter verhandeln dürfen – doch, politischen Druck zu erzeugen, dass können die Ärztekammern (nicht erst seit jetzt) sehr wohl und tun es – aber in der Regel halt nur um ihre eigene Verhandlungsmacht zu schützen, und die liegt im Kassenvertragssystem. Spitalsärzte sind daher nicht wirklich im Fokus der Ärztekammer – oder waren es.

Jedenfalls drehen sich diese geforderten Verhandlungen um die geübte Praxis, Spitalsärzten ein geringes Grundgehalt (Jungärzte etwa 1.500 netto, für 48 (!)-Wochenstunden, womit sie für Vollzeitbeschäftige in Österreich zu den 10% schlechtest verdienenden gehören) zu zahlen, das sie nur durch Nachtdienste und Überstunden so verbessern können, dass ein annähernd marktkonformes Gehalt erreicht wird. Und so ist es üblich, dass mehr als ein Drittel des monatlichen Einkommens durch Überstunden und Nachtdienste herrühren.

Auch, wenn diese Abhängigkeit von Überstunden und Nachtdiensten immer wieder seitens der Ärztekammern angekreidet wurde, so richtig dafür eingesetzt, dass diese Praxis abgestellt wird, haben sie sich nicht, wie man in der Vergangenheit bei so manch bejubelten Verhandlungsergebnisse erkennt. Man hatte sogar den Eindruck, dass die etablierten Kammerfunktionäre in einer Art vorauseilendem Gehorsam diese „Überstunden-lastige“ Gehaltszusammensetzung zuließen, damit Arbeitgeber dann, wenn die doch schon lange bekannte EU-Arbeitzeitrichtlinie kommen sollte, vor allem Jungärzte leichter dazu bewegen, die Opt-Out-Regel zu unterschreiben. Was für „Gegendeals“ dafür erreicht wurden, wäre natürlich auch geheim, und dass es was mit den Nebenbeschäftigungen der etablierten Ärzte zu tun haben könnte, sicher ein Gerücht.

Doch wie es aussieht, ist der Frust der Spitalsärzte so hoch, dass es jetzt zu einer gewaltigen Bewegung innerhalb der Ärzte kam, die nicht mehr aufzuhalten und moderieren ist. Das Freiheitsgefühl der Spitalsärzte, selbst etwas bewegen zu können, ist völlig unbeherrschbar geworden. Und das ist eigentlich nicht überraschend.

Es gehört zum machtpolitischen kleinen 1×1, zu wissen, dass ein Deckel, wenn der Druck zu groß wird, vom Topf abspringt. Regelmäßiges Öffnen ist daher gescheiter, als immer festeres zuhalten. Doch, das ist nicht passiert, obwohl reichlich Gelegenheit war.

2003, als die EU-Richtlinie eingeführt wurde, gab es keine Wirtschaftskrise, keinen Turnusärztemangel, eher im Gegenteil, es waren die Jahre der Ärzteschwemme, es gab keine Emigrationsbewegung von Jungärzten, keine MedUni-Quoten … – Es hätte sachpolitisch und retrospektiv betrachtet praktisch keinen besseren Zeitpunkt geben können, die Richtlinie einzuführen  – aber, in unserer Gesundheitspolitik ist längst jede Sachpolitik der Machtpolitik gewichen

Machiavelli sagte: Zwang und Not, nicht geschriebene Verträge und Verpflichtungen treiben den Herrscher dazu, sein Wort zu halten. Und genau das ist hier passiert. Die EU-Richtlinie wäre zwischen 2003 und heute nie umgesetzt worden – es herrschte eben zu wenig Not, eine Reform umzusetzen. Erst jetzt ist die Not groß genug: wegen Maastricht ist das Geld wirklich knapp und man kann nicht mir nichts dir nichts nachschütten, keine Turnusärzteschwemme, sondern massive Emigrationsströme und ein gut Entwickelter Wahlarztmarkt, der höhere Attraktivität auf Fachärzte hat als ein Leben lang  60 Stunden pro Woche im Spital zu sein, und natürlich die Drohung der EU Monat für Monat Millionen zahlen zu müssen – dass sind die Umstände, unter denen die hiesige Politik bereit ist, ihr Wort, in dem Fall eben den EU-Vertrag, zu halten. Eigentlich ein sehr trauriger Befund.

Revolution im KAV: Zusammenarbeit von Pflege und Medizin – „NEU“

U.a. folgender Text, wurde am Fr. 1. Aug. 2014 um 16:40 an alle KAV-Mitarbeiter per E-Mail übermittelt. Der Text stellt die rechtlichen Grundlagen dar, die die Zusammenarbeit von Medizin und Pflege im KAV künftig auf neue Beine stellt. Wenn das so kommt, ist es nichts weniger als eine Revolution – Gratulor.

Hintergrund ist die Reform der Ausbildung von Turnusärzten, die ab Mitte 2015 nach neuen gesetzlichen Grundlagen erfolgen soll. Davor startet mit 1.1.2015 der Anerkennungsprozess als Ausbildungsstätten durch die Ärztekammer. Nochmals Gratulor – in meiner Analyse der Ausbildungsreform ging ich nicht davon aus, dass sowas passieren wird – wobei das alles bis dato nur Papier ist. Die Erfahrung mit AP7 (schnell lesen, der link wird sicher bald ins leere führen) lehrt, dass der Weg vom Papier zur Umsetzung in Österreich ein sehr langer, bei AP7 ein unendlich langer ist.

Hier nun der Text der Generaldirektion des KAV an alle Mitglieder

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Analyse der neue Ärzteausbildung – ein riesen Bluff

Wenn die entworfene Ärzteausbildung eine Verbesserung bringen soll, müssten parallel 10.000 Spitalsbetten abgebaut werden! Also doch nur ein Bluff!

Zusammenfassung

Blickt man schnell auf den Entwurf, deutet alles darauf hin, dass die Politik ernsthaft eine Verbesserung der Ausbildung der Jungärzte anstrebt. Turnusärzte  (TÄ), die Allgemeinmediziner werden wollen, sollen eine verpflichtende Lehrpraxis machen, die mindestens 6 Monate dauert. Die Facharzt-Ausbildung soll durch das Abstellen der Unart, dass vor der Facharzt-Ausbildung zuerst eine Allgemeinmediziner-Ausbildung gemacht werden muss, deutlich verkürzt werden. Und damit Spitalserhalter, v.a die Länder, diese neuen Regeln nicht umgehen können, wacht die Ärztekammer über jede einzelne Ausbildungsstelle. Soweit so gut!

Allerdings liegt der Teufel im Detail. Analysiert man den Entwurf, erkennt man, dass zwar die Ausbildungszeit der Fachärzte wirklich verkürzt werden könnte, dafür werden aber offenbar bewusst Engpässe eingebaut, die die Ausbildungszeit der Allgemeinmediziner in den Spitälern real enorm verlängern wird – es sei denn, es kommt auch zu einer sehr, sehr großen Spitalsreform, mit dem Schließen von etwa 10.000 (25%) Spitalsbetten – das ist nicht realistisch.

V.a. Kleinstspitäler und Kleinstabteilungen, die eigentlich durch den Entwurf aus Qualitätsgründen ihre Ausbildungsbefugnis verlören, werden durch eine Ausnahmeregelung im selben Entwurf geschützt. Diese Ausnahmeregelung stellt sicher, dass TÄ weiterhin ohne ordentliche Ausbildung als Systemerhalter eingesetzt werden können, weil es niemanden gibt, der ihre Ausbildung einfordern kann – sie bleiben weiterhin verkauft. Die auf den ersten Blick eingeführte Überwachung der Ausbildungsqualität durch die Ärztekammer (Ausbildung nur an anerkannten Ausbildungsstellen) ist nichts als Blendwerk. Real wird die Zahl der notwendigen TÄ weiterhin durch einen Bettenschlüssen bestimmt und nicht durch Ausbildungsinhalte oder gar den Bedarf.

Und weil die Zahl der TÄ derartig bestimmt wird, ist es völlig unrealistisch, dass die 42 Monate Ausbildungsdauer (davon 36 im Spital), wie im Gesetz vorgestellt, halten wird. Rein rechnerisch geht sich das Zahlenspiel dieser „Reform“ nur aus, wenn TÄ 5 Jahre (60 Monate) im Spital arbeiten. Und um TÄ ans Spital zu ketten, werden bewußt Wartezeiten eingebaut. Deswegen wird es, um das Angebot der Lehrpraxis so klein wie möglich zu halten, realistischerweise keine öffentliche Finanzierung der Lehrpraxen geben und das Angebot der „kleinen Fächer“ wird reduziert – erheblich reduziert.

Um Feststellen zu können, ob diese Reform wirklich nur eine Show darstellt, sind v.a. zwei Fragen zu stellen:

  1. Bleibt es dabei, dass pro 15 Betten ein Turnusarzt in der Ausbildung zum Allgemeinmediziner angestellt werden muss?
  2. Bleibt es bei der Unterfinanzierung der Lehrpraxis (Bundesförderung reicht bei einer 6-monatigen Lehrpraxis für etwa 60 Stellen jährlich, nötig wären jedoch 350-400, Bewerber wird es 500 geben)?

Wenn diese Fragen mit Ja zu beantworten sind, streut die Regierung v.a. den Jungärzten nur Sand in die Augen, um ihnen das Weggehen zu erschweren. Ihre Ausbildung wird jedoch eher schlechter denn besser! Und nach wenigen Jahren wird die Netto-Emmigration wohl über 50% liegen – völlig verständlich.

Es gibt aber noch eine Möglichkeit, das alles aus dem Sumpf zu ziehen. Wenn Jungärzte nach dem Common Trunk eine Approbation erhalten, dann werden die Spitalserhalter es viel schwerer haben, diese Ärzte auf Wartelisten versauern zu lassen. Ob es allerdings gelingt, dieses international total übliche Recht für Jungärzte in Österreich durchzusetzen?

 

Analyse im Detail

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Die verkauften Jungärzte

Stellen Sie sich eine Gewerkschaft vor, sagen wir die Metaller, und fragen sich, wie sie auf folgendes reagieren würde?

Da kommt die EU und sagt:

Ihr in Österreich, Ihr behandelt eure Metall-Arbeiter seit Jahrzehnten schlecht. Wir haben Euch schon bei eurem EU-Beitritt gesagt, dass sie – mittlerweile sogar unerlaubterweise – zu lange arbeiten! Bringt das in Ordnung, sonst tun wir es.“

Die Gewerkschaft schweigt vorerst, nur der Sozialminister, zuständig für Arbeitszeiten und selbst mal Gewerkschaftsboss antwortet, weil er muss, sinngemäß: „Jo, eh! Aber wir brauchen noch so zehn Jahre, bis wir das umsetzen können – die Arbeitgeber haben sich an die billigen Arbeitskräfte gewöhnt, und wenn wir jetzt die Arbeitszeiten auf europäisches Maß reduzieren, dann können die sich das einfach nicht mehr leisten.“

Nun gibt auch die Gewerkschaft laut, sagt die EU mit all Ihren Regeln ist schuld, gibt dem Minister grundsätzlich Recht, meint aber, die Übergangszeiten sind schon ein bisserl lang – das war es!

Klingt das nach dem Verhalten von Gewerkschaftern? Nein! Und doch ist es geschehen – mit einer Berufsgruppe, die dank endloser Arbeitszeiten in oft prekären Arbeitsverhältnissen (nicht selten illegalen Kettenverträgen) kaum aufmucken können – den Spitalsärzte, vor allem den Jungärzten.

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UK 1920 über die Errichtung eines Primary Health Care

Es ist erschütternd zu sehen, auf welchem Niveau sich die Österreichische Gesundheitspolitik bewegt, bzw. sich nicht bewegt. Hier zum Vergleich ein Bericht des britischen Unterhauses über die nötigen Reformen – aus dem Jahr 1920 (!). Da wird praktisch alles bedacht, was wichtig ist – von der Ausbildung der Gesundheitsberufe, über die Funktion und Rolle des Krankentransportwesens bis hin zur einheitlichen Krankenakte als Kommunikationstool innerhalb eine abgestuften Versorgungssystems. (Lesezeit 65 Min.)

Interim Report on the Future Provision of Medical and Allied Services

1920 (Lord Dawson of Penn)

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Vision eines komplett neuen Gesundheitssystems

In meinem Buch habe ich, neben einer Analyse des heutige Systems auch eine Vision eines völlig neuen entworfen, dass weiterhin aktuell ist. Hier die kompakte Zusammenfassung des Entwurfs.

Im diesem neuen Gesundheitssystem wird von folgenden Grundsätzen ausgegangen:

(1)   Alle präventiven, diagnostischen, therapeutischen, rehabilitativen, gesundheitserhaltenden, pflegenden oder palliativen Dienstleistungen, Aktivitäten oder Beratungen, die sich mit Krankheiten, Symptomen oder Verhaltensstörungen, die ein Individuum aufweist, seien sie körperlich, seelisch, inklusive der zellullären und genetischen Information, den Strukturen oder Funktionen des Körpers oder eines Teils des Körpers befassen, gehören zur Gesundheitsversorgung und stehen im Interesse der Öffentlichkeit. Daher sind sie auch durch die demokratisch legitimierten Vertreter der Öffentlichkeit zu regeln. Weiterlesen „Vision eines komplett neuen Gesundheitssystems“