Wie löst man den virtuellen Hausärzte- und echten Präventionsmangel auf einen Streich

Prävention soll verstärkt werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann nach „mehr“ Geld gerufen wird. Ich bin dafür, dass wir Geld aus den Spitälern zu den Hausärzten für Vorsorgemodelle umschichten.

Mit etwa 470 praktizierenden Ärzten (ohne Zahnärzte) pro 100.000 Einwohner liegen wir unangefochten an erster Stelle.  Auch mit 110 Millionen Kassenarzt-Besuchen sind wir vermutlich ganz vorne dabei; hier ist aber das Vergleichen nicht so leicht. Dass wir mit 30 Spitalsaufnahmen pro 100 Einwohner spitze sind, ist Allgemeinwissen. Und wenn wir gleich fünfmal mehr Spitäler als die Dänen, aber nur 1,5-mal Mehr Einwohner haben, denken viele darüber nach, ob’s nicht doch ein bisserl weniger sein dürfte.

Also an Mitteln mangelt es nicht. Aber was machen wir daraus?

Unsere Senioren dürfen eben nicht mit so vielen gesunden Lebensjahren rechnen wie in jenen Ländern, die gleich viel ausgeben wie wir. Hier spielen wir nicht in der Oberliga, sondern mit den Nachzüglern – die aber gleich 30% weniger Ressourcen aufwenden, um das Gleiche zu erreichen.  Dieser Umstand spiegelt sich dann auch in anderen Zahlen wider. Mittlerweile ist jeder dritte neue Pensionist invalide, das sind in etwa 30.000 pro Jahr und ein Spitzenwert. Logisch, unsere Bevölkerung ist ein Pflegefall. Während international bei über 80-Jährigen mit weniger als 25% Pflegebedürftigkeit gerechnet wird, sind es bei uns fast 60%.

Es sollte endlich klar werden, dass wir nicht mehr Mittel brauchen, sondern  diese vernünftig auf Prävention, Kuration, Rehabilitation, Pflege und Palliativversorgung aufteilen.

Und weil es hierzulande vor allem an der Prävention mangelt, hier gleich ein Vorschlag, der nicht nur der Prävention mehr Bedeutung gibt, sondern auch das Problem mit den Hausärzten lösen kann.

Der Mutter-Kind-Pass (MKP), der fast ausschließlich über ein monetäres Bonus-Malus-System angereizt ist, ist wohl das erfolgreichste Präventionsprogramm hierzulande. Es kostet etwa 60 Millionen €. Weil es funktioniert, würde ein monetäres Bonus-Malus-System vielleicht auch bei Erwachsenen (schließlich sind alle Eltern erwachsen) funktionieren.

Also sollte der Hauptverband den Spitälern 200 Millionen € (etwa 2% der Gesamtkosten) weniger überweisen und damit eine komplette neue hausarztzentrierte Vorsorgeschiene finanzieren, die wie der MKP angereizt wird.

Alle Österreicher zwischen 35 und 60 erhalten, wenn sie zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung gehen, 100 € bar. In dieser Untersuchung werden mit dem Patienten individuelle, aber wissenschaftlich abgesicherte Ziele vereinbart (Abnehmen, mit dem Rauchen aufhören, mehr Bewegung etc. ähnlich aber etwas besser aufgesetzt als das SVA-Modell). Erreicht der Patient diese Ziele, erhält er zusätzlich 100 € – also 200 €.

Über 60 wird es ein bisschen brenzliger: dort werden dem, der NICHT zur Vorsorgeuntersuchung geht, 300 € (pro Jahr! – also 21€ pro „Monat“ bei 14 Bezügen) von der (Brutto-)Pension abgezogen – analog dem einbehaltenen Kinderbetreuungsgeld, wenn MKP-Untersuchungen nicht wahrgenommen werden. Was für Familien in viel höheren Dimensionen (dort fehlen dann pro Monat deutlich mehr als 21€) erlaubt ist, kann bei Pensionisten nicht unmenschlich sein! Und geht ein Pensionist nicht nur hin, sondern erreicht auch seine Ziele, gibt es auch für ihn 100 € bar.

Rechnet man mit 50% Teilnahme bei den unter 60-Jährigen und mit 80% bei Pensionisten, einer Zielerreichung bei der Hälfte, stellt die jetzige Vorsorgeuntersuchung ein und widmet die einbehaltenen Pensionsanteile dem neuen Programm, dann ist das alles um jene zusätzlichen 200 Millionen zu haben, die den Spitälern weggenommen werden und nicht wirklich abgehen können.

Setzt man so ein Modell um, dann würden die Hausärzte so um etwa 120 Millionen mehr Umsatz machen als heute. Vorausgesetzt, die Zahl der Hausärzte wird nicht erhöht (was blöd wäre), dann käme das einer Einkommenssteigerung von etwa 30% gleich und würde so die große Differenz zu den niedergelassenen Fachärzten erheblich verkleinern. Und weil bekannt ist, dass eben diese Differenz einer der demotivierendsten Faktoren darstellt, würde so der Hausarztberuf  deutlich attraktiver werden.

Und weil so ein Präventionsprogramm hausarztzentriert aufgesetzt ist, wird die Rolle des Hausarztes im System massiv gestärkt – und zwar über den Bereich, wo wir nachhinken – der Prävention!  Im Übrigen, es ist Schwachsinn, Prävention, wie in einigen Bundesländern angedacht, ins Spital zu ziehen. Die gehört zum wohnortnahen Hausarzt (eigentlich zum so genannten Primärversorger, der unter Umständen auch ein Facharzt sein kann!) und sonst nirgendwo hin.

Allerdings, und das ist halt wichtig, muss es wirklich ein Programm sein, und nicht nur einfach eine Geldverschiebung (obwohl ich mich  schon mit dem zufrieden geben würde, weil eben dass Allokationsproblem wenigstens ein bisschen entschärft wäre).

Der Vorschlag ist zwar vermutlich nicht wirklich effizient, aber es würden sicher, eine begleitende Versorgungsforschung vorausgesetzt, einige Effekte auftreten, auf denen man weiterbauen kann.

 

PS: Mir ist klar, es ist eine etwas verquere Ethik, jene zu belohnen, die sich selbst nicht gesund halten. Aber für alle, die einzahlen, ist es, pragmatisch betrachtet, gescheiter, vorher weniger Geld herzuschenken, als später für teurere Behandlungen zu bezahlen. Ginge es, Prävention mit höheren Selbstbehalten für Therapien umzusetzen, wäre es mir lieber, ist aber bewiesenermaßen nicht möglich – eine Eigentümlichkeit des Gesundheitsmarktes.

 PPS.: dieses Modell kostet Steuer- und Beitragszahler keinen Groschen mehr, vorausgesetzt, die Spitäler schaffen es, ihre Effizienz um 2 % zu steigern!!

PPPS.: Ich weiß, dass die Länder nie zustimmen werden, auf diese relativ kleine Summe jemals zu verzichten, ja nicht einmal zustimmen würden, wenn es zusätzliche Mittel gäbe, auf „ihren“ Beuteanteil zu verzichten (die Hälfte der Kasseneinahmen gehen an die Länder – wonit dieses Programm automatisch schon 400 Mio.€ kosten würde!)