Die Absurdität der SVA-Diskussion

(Lesezeit 4 Min) Unselbständige haben einen weitreichenden sozialen Schutz, und wissen meist gar nicht, woher das Geld dafür kommt. Bei den EPUs der SVA wird das dann plötzlich klar.

Wer als Unselbständiger monatlich 2.280€ brutto verdient, ärgert sich zwar, dass nicht einmal 1.650€ netto bleiben, vergisst aber auch schnell, dass es die 14 mal gibt, und dafür nur 10,5 Monate gearbeitet werden müssen. Mehr noch, wenn man krank ist (im Schnitt weitere 2 Wochen), erhält man weiter sein Geld – also bezahlter Krankenstand, die sogenannte Entgeltfortzahlung! Je nach Dauer der Betriebszugehörigkeit zwischen 6 und 12 Wochen zahlt der Arbeitgeber volles, danach 4 Wochen halbes Gehalt. Dann erst springt die Sozialversicherungen mit Krankengeld ein

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Wie löst man den virtuellen Hausärzte- und echten Präventionsmangel auf einen Streich

Prävention soll verstärkt werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann nach „mehr“ Geld gerufen wird. Ich bin dafür, dass wir Geld aus den Spitälern zu den Hausärzten für Vorsorgemodelle umschichten.

Mit etwa 470 praktizierenden Ärzten (ohne Zahnärzte) pro 100.000 Einwohner liegen wir unangefochten an erster Stelle.  Auch mit 110 Millionen Kassenarzt-Besuchen sind wir vermutlich ganz vorne dabei; hier ist aber das Vergleichen nicht so leicht. Dass wir mit 30 Spitalsaufnahmen pro 100 Einwohner spitze sind, ist Allgemeinwissen. Und wenn wir gleich fünfmal mehr Spitäler als die Dänen, aber nur 1,5-mal Mehr Einwohner haben, denken viele darüber nach, ob’s nicht doch ein bisserl weniger sein dürfte.

Also an Mitteln mangelt es nicht. Aber was machen wir daraus?

Unsere Senioren dürfen eben nicht mit so vielen gesunden Lebensjahren rechnen wie in jenen Ländern, die gleich viel ausgeben wie wir. Hier spielen wir nicht in der Oberliga, sondern mit den Nachzüglern – die aber gleich 30% weniger Ressourcen aufwenden, um das Gleiche zu erreichen.  Dieser Umstand spiegelt sich dann auch in anderen Zahlen wider. Mittlerweile ist jeder dritte neue Pensionist invalide, das sind in etwa 30.000 pro Jahr und ein Spitzenwert. Logisch, unsere Bevölkerung ist ein Pflegefall. Während international bei über 80-Jährigen mit weniger als 25% Pflegebedürftigkeit gerechnet wird, sind es bei uns fast 60%.

Es sollte endlich klar werden, dass wir nicht mehr Mittel brauchen, sondern  diese vernünftig auf Prävention, Kuration, Rehabilitation, Pflege und Palliativversorgung aufteilen.

Und weil es hierzulande vor allem an der Prävention mangelt, hier gleich ein Vorschlag, der nicht nur der Prävention mehr Bedeutung gibt, sondern auch das Problem mit den Hausärzten lösen kann.

Der Mutter-Kind-Pass (MKP), der fast ausschließlich über ein monetäres Bonus-Malus-System angereizt ist, ist wohl das erfolgreichste Präventionsprogramm hierzulande. Es kostet etwa 60 Millionen €. Weil es funktioniert, würde ein monetäres Bonus-Malus-System vielleicht auch bei Erwachsenen (schließlich sind alle Eltern erwachsen) funktionieren.

Also sollte der Hauptverband den Spitälern 200 Millionen € (etwa 2% der Gesamtkosten) weniger überweisen und damit eine komplette neue hausarztzentrierte Vorsorgeschiene finanzieren, die wie der MKP angereizt wird.

Alle Österreicher zwischen 35 und 60 erhalten, wenn sie zur jährlichen Vorsorgeuntersuchung gehen, 100 € bar. In dieser Untersuchung werden mit dem Patienten individuelle, aber wissenschaftlich abgesicherte Ziele vereinbart (Abnehmen, mit dem Rauchen aufhören, mehr Bewegung etc. ähnlich aber etwas besser aufgesetzt als das SVA-Modell). Erreicht der Patient diese Ziele, erhält er zusätzlich 100 € – also 200 €.

Über 60 wird es ein bisschen brenzliger: dort werden dem, der NICHT zur Vorsorgeuntersuchung geht, 300 € (pro Jahr! – also 21€ pro „Monat“ bei 14 Bezügen) von der (Brutto-)Pension abgezogen – analog dem einbehaltenen Kinderbetreuungsgeld, wenn MKP-Untersuchungen nicht wahrgenommen werden. Was für Familien in viel höheren Dimensionen (dort fehlen dann pro Monat deutlich mehr als 21€) erlaubt ist, kann bei Pensionisten nicht unmenschlich sein! Und geht ein Pensionist nicht nur hin, sondern erreicht auch seine Ziele, gibt es auch für ihn 100 € bar.

Rechnet man mit 50% Teilnahme bei den unter 60-Jährigen und mit 80% bei Pensionisten, einer Zielerreichung bei der Hälfte, stellt die jetzige Vorsorgeuntersuchung ein und widmet die einbehaltenen Pensionsanteile dem neuen Programm, dann ist das alles um jene zusätzlichen 200 Millionen zu haben, die den Spitälern weggenommen werden und nicht wirklich abgehen können.

Setzt man so ein Modell um, dann würden die Hausärzte so um etwa 120 Millionen mehr Umsatz machen als heute. Vorausgesetzt, die Zahl der Hausärzte wird nicht erhöht (was blöd wäre), dann käme das einer Einkommenssteigerung von etwa 30% gleich und würde so die große Differenz zu den niedergelassenen Fachärzten erheblich verkleinern. Und weil bekannt ist, dass eben diese Differenz einer der demotivierendsten Faktoren darstellt, würde so der Hausarztberuf  deutlich attraktiver werden.

Und weil so ein Präventionsprogramm hausarztzentriert aufgesetzt ist, wird die Rolle des Hausarztes im System massiv gestärkt – und zwar über den Bereich, wo wir nachhinken – der Prävention!  Im Übrigen, es ist Schwachsinn, Prävention, wie in einigen Bundesländern angedacht, ins Spital zu ziehen. Die gehört zum wohnortnahen Hausarzt (eigentlich zum so genannten Primärversorger, der unter Umständen auch ein Facharzt sein kann!) und sonst nirgendwo hin.

Allerdings, und das ist halt wichtig, muss es wirklich ein Programm sein, und nicht nur einfach eine Geldverschiebung (obwohl ich mich  schon mit dem zufrieden geben würde, weil eben dass Allokationsproblem wenigstens ein bisschen entschärft wäre).

Der Vorschlag ist zwar vermutlich nicht wirklich effizient, aber es würden sicher, eine begleitende Versorgungsforschung vorausgesetzt, einige Effekte auftreten, auf denen man weiterbauen kann.

 

PS: Mir ist klar, es ist eine etwas verquere Ethik, jene zu belohnen, die sich selbst nicht gesund halten. Aber für alle, die einzahlen, ist es, pragmatisch betrachtet, gescheiter, vorher weniger Geld herzuschenken, als später für teurere Behandlungen zu bezahlen. Ginge es, Prävention mit höheren Selbstbehalten für Therapien umzusetzen, wäre es mir lieber, ist aber bewiesenermaßen nicht möglich – eine Eigentümlichkeit des Gesundheitsmarktes.

 PPS.: dieses Modell kostet Steuer- und Beitragszahler keinen Groschen mehr, vorausgesetzt, die Spitäler schaffen es, ihre Effizienz um 2 % zu steigern!!

PPPS.: Ich weiß, dass die Länder nie zustimmen werden, auf diese relativ kleine Summe jemals zu verzichten, ja nicht einmal zustimmen würden, wenn es zusätzliche Mittel gäbe, auf „ihren“ Beuteanteil zu verzichten (die Hälfte der Kasseneinahmen gehen an die Länder – wonit dieses Programm automatisch schon 400 Mio.€ kosten würde!)

Hausarztmodelle – schön und gut!

Hausarztmodelle können nur funktionieren, wenn die Kompetenzen dort, wo sie wirken sollen, bereinigt werden – dazu braucht es Gemeinden, Länder, verschiedene Ministerien, Kassen – und mutige Politiker.

Als ich für „Die Zeit“ einen Artikel zum Thema SVA schreiben sollte, verwendete ich das Wort: „Hausarzt-Modelle“. Der Redakteur teilte mit, das müsse erklärt werden, weil das niemand verstehe. Wenigstens das dürfte sich anlässlich der jetzigen Diskussion ändern. Mit etwas Glück schafft es das Thema zu einer gewissen Breitenakzeptanz.

Es ist an der Zeit zu fragen, warum es die nicht hat und warum hierzulande erst etwas diskutiert werden muss, das anderswo bereits seit Jahrzehnten gute Praxis ist.

Schauen wird einfach in die Realität. Unser „Bild“ vom Hausarzt stammt aus den Nachkriegsjahren. Damals herrschte Ärztemangel, vor allem bei Fachärzten. Um die Versorgung aufrechtzuerhalten, durften Praktiker quasi alles. Und selbst in den 1980er Jahren gab es noch Landärzte, die Geburten machten. Unser Hausarzt war also sehr breit aufgestellt – und das lange Zeit zu recht.

Aber seit wenigstens zwanzig Jahren ist das anders. Die Ärztedichte ist international am höchsten, und Spitalsambulanzen liefern eine Spezialversorgungsbreite, wie sonst nirgendwo. Es ist nicht mehr nötig, dass Hausärzte „alles“ können und dürfen. Zudem hat sich die Bevölkerungsstruktur geändert. Solange die Bevölkerung „jung und gesund“ war, musste der Hausarzt anderes leisten als heute, wo zunehmend alte, und immobile Patienten zu versorgen sind.

Kurz, das „alte“ Bild vom Hausarzt hat ausgedient. Und hier kommen wir zum Kernproblem. Die Politiker wissen einfach nicht, was sie mit dem Hausarzt noch anfangen sollen. Genau genommen, braucht man keine mehr (glaubt man!). Und aufbauend auf einem Gesetz (ASVG), dass niemand mehr versteht, und von Einzelinteressen zur Fratze verzerrt wurde, ist die Entwicklung eines „neuen“ Bildes kaum möglich.

International will man von Hausarztmodellen, dass möglichst viele gesundheitlichen Probleme vor Ort adressiert werden. Das Stichwort ist gesundheitlich – kein Wort von medizinisch, denn das wäre eine Einschränkung, die nicht funktioniert. Hausärzte (mit ihren Ordinationen) sollten niedrigschwellige Leistungen aus allen Bereichen der Gesundheitsversorgung, von Prävention bis zur Pflege, anbieten (nicht bloß koordinieren!) können, nicht nur Heilbehandlung, wie es das ASVG vorsieht.

Prävention für alte Menschen (z.B.: Heimhilfen, damit Patienten nicht wegen häuslicher Verwahrlosung krank oder zum Pflegefall werden), die eben die wichtigste Patientengruppe heute darstellen, hat mit Heilbehandlung wenig zu tun, ja selbst Rehabilitation, wenn sie darauf abzielt, alte Menschen möglichst lange in ihrer Selbstständigkeit zu unterstützen (z.B. aktivierende Pflege) ist ihr nicht zuzurechnen. Und trotzdem gehören all diese Dinge zum „Hausarzt“, wie er sein sollte. Aber genau dort besteht ein Kompetenzwirrwarr zwischen Gemeinden, Länder, verschiedenen Ministerien, Kassen und wer weiß wem sonst noch. Dass hier ein Hausarzt wirklich steuernd eingreifen kann, setzte eine Strukturreform voraus.

Der Erfolg eines Hausarztmodells wird u.a. daran gemessen, ob unnötige Spitalsaufenthalte und Facharztüberweisungen weniger werden. Damit werden die Interessen der Länder und Fachärzte direkt betroffen – Einsparungen könnten zu ihren Lasten gehen. Es ist schwer vorstellbar, dass das dem Hausarzt in der Realität „erlaubt“ würde – ohne Strukturreform.

Will man also wirklich Hausarztmodelle, muss man das System umbauen – alles andere wäre eine „österreichische“ Lösung!

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein Fünkchen Hoffnung

Für Laien ist die Vereinbarung zwischen der SVA und der Ärztekammer wohl kaum in ihrer Bedeutung nachzuvollziehen – aber sie ist wirklich epochal, wenn sie denn zu leben beginnt.

Wir schreiben das Jahr 20xy. Herr M. erhält einen Anruf seines Hausarztes Dr. K. Seine Blutbefunde seien eingetroffen und leider seien die Werte seiner Zuckerkrankheit nicht so, wie es sich beide erhofft hätten. Er bitte um einen Termin und avisiert seine Sprechstundenhilfe, die den Termin koordinieren wird.

Herr M. ärgert sich, weil er es nicht geschafft hat, mehr Selbstdisziplin an den Tag zu legen und die vereinbarten fünf Kilo abzunehmen – jetzt kriegt er die Rechnung. Aber andererseits freut er sich, dass es jemanden gibt, der ihm die Realität vor Augen hält und seinen Zucker nicht schönredet; denn Zucker ist keine Sache, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Das weiß er.

Auch Dr. K. ärgert sich. Seine Praxis zählt zu den Top 5 Prozent in der Diabetikerbetreuung. Seine Patienten müssen selten ins Spital, die Amputationsraten hat er mehr als gedrittelt, Erblindungen kommen praktisch nicht mehr vor und kein einziger Patient wurde dialysepflichtig. Und das alles, obwohl die sozioökonomische Schicht seiner Patienten unterdurchschnittlich ist. So eine Qualität kann man nur erbringen, wenn man sich über jeden einzelnen Patienten, der seine Gesundheit aufs Spiel setzt, ärgert.

Dr. K. hat schon früher, vor der Umstellung des Kassen-Honorarsystems, Diabetiker besonders betreut. Das hat viel (Frei)Zeit und Geld gekostet. Seine Frau und seine Kinder waren dagegen, aber er hat aus ethischer Sicht nicht anders können. Seit allerdings nicht mehr nur Menge, sondern auch Qualität bezahlt wird, hat sich das geändert. Mit seinen Qualitätskennzahlen verdient er jetzt mehr als vorher und kann sich dabei stärker auf seine Patienten konzentrieren. Die Reform, die 2010 zwischen der SVA und der Ärztekammer beschlossen und später von allen Kassen übernommen wurde, hat riesige Vorteile für ihn und seine Patienten gebracht. Zwar war er anfangs skeptisch, aber alle Zweifel sind mittlerweile verflogen.

Das, was für Systemkenner wie eine Utopie klingt, könnte Realität werden; denn die SVA-Ärztekammer-Vereinbarung, in der festgelegt ist, wie man das Kranken- in ein Gesundheits-Kassensystem umbauen will, könnte Grundlage für eine echte Reform sein.

Man soll aber auf dem Boden bleiben. Was vorerst in einer Punktation beschlossen wurde, ist ohne sehr viel theoretische Vorbereitungsarbeit nicht umzusetzen. Mehr noch, es besteht eine nicht zu unterschätzende Gefahr eines Total-Flops.

Aber, es gibt international schon viel Wissen, wie man solche Reformen angehen kann. Viele Länder haben bereits seit Jahrzehnten Erfahrung mit Hausarzt- und Vorsorgemodellen. Auch mit der Umstellung von Einzelleistungs- auf qualitätsorientierte Betreuungs- Honorarsysteme gibt es Wissen, das dienlich sein könnte. Es liegt an den Verhandlern, dieses Wissen aufzugreifen, für hiesige Verhältnisse zu adaptieren und darauf zu achten, Fehler, die anderswo gemacht wurden, zu vermeiden. Bei gutem Willen und transparentem Vorgehen funktioniert das.

Aber neben der Theorie geht es jetzt vor allem um Überzeugungsarbeit. Viel Skepsis wird auftreten und es wird nicht reichen, nur Funktionäre zu überzeugen. Die Basis muss überzeugt werden! Wenn das aber gelingt, dann kann man wirklich von einer „epochalen Veränderung“ (Ärztekammerpräsident Dr. Dorner) sprechen.

Und weil ich sonst mit Lob sparsam bin, hier ist es angebracht – einfach weil Mut bewiesen wird und Bewegung in das anachronistische Kassensystem kommt!

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Neue Zeiten im Kassenbereich?

Seit Jahrzehnten verhandeln zehn Ärztekammern und dutzende Krankenkassen über Organisation und Finanzierung der ambulanten Versorgung – und das mit anachronistischen Methoden.

Ziel dieser Verhandlungen ist es, in kollektivvertragsartigen Gesamtverträgen festzulegen, wie viele Kassenärzte es wo geben muss, welche Leistungen von welchen Kassen bezahlt werden und in welcher Höhe die Leistungshonorare ausfallen.

Die Verhandlungen selbst liefen immer gleich ab. Die Kassen haben den Kammerfunktionären gesagt, wie viel mehr Geld es im nächsten Jahr geben wird und dann ist man daran gegangen, anhand von Honorarkatalogen, in denen die Leistungen taxativ festgehalten sind, zu überlegen, wie man das zusätzliche Geld verteilt. Und mal haben sich die einen (Fach)Ärzte durchgesetzt, mal die anderen.

Es gibt 13 oder 14 solcher Honorarkataloge (für die neun Gebietskrankenkassen je einen, für die restlichen zehn oder zwölf Kassen die restlichen) die allesamt nicht zusammenpassen, auch wenn über „Meta-Honorar-Ordnungen“ oder „Mapping-Strategien“ versucht wird, eine Vergleichbarkeit herzustellen. Es wurde nämlich gänzlich vernachlässigt, die einzelnen Leistungen ordentlich zu definieren oder den Verhandlungen echte Kalkulationen zu Grunde zu legen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bedarf der Leistungen hat es ebenso wenig gegeben, wie den Versuch, herauszufinden, welche Anreize man mit den Honoraren schafft und welche Auswirkung das auf die Versorgung hat. Die Kataloge sind schlicht ein willkürliches Verteilungsinstrument.

Allerdings hat sich die Welt gehörig geändert. So ist das Monopol der ambulanten Versorgung durch Kassenärzte längst gebrochen. Seit den 1970ern nehmen die Spitalsambulanzen an Bedeutung zu. Anfangs waren sie noch Teil des Systems, weil sie den Kassen spezielle Honorare verrechnen konnten. Seit 1995 ist das vorbei. Seither gibt es nur patientenunabhängige Pauschalen, die an Landesregierungen ausbezahlt werden. Und wen wundert es, dass die Zahl der Patienten explodiert, die Anreize sind ja so ausgerichtet, dass Patienten dem Spital zugewiesen werden. Parallel stieg die Zahl der Wahlärzte an. Heute gibt es mittlerweile mehr als Kassenärzte. Welche Versorgungswirksamkeit Wahlärzte haben, wird sorgsam verschwiegen; aber sie sind sicher nicht mehr aus der ambulanten Versorgung wegzudenken. Und in all dem noch gar nicht berücksichtigt, sind die tagesklinischen (Spitals)Leistungen, die ja eigentlich auch der ambulanten Versorgung zuzurechnen sind.

Es wird Zeit, dass Kassen und Ärztekammern endlich verstehen, dass ihr liebgewonnener Weg anachronistisch ist. Will das Kassensystem überleben, wird es sich bewegen müssen.

Und genau das dürfte bei der SVA passieren. Denn, so der Vorschlag gegenüber der Ärztekammer, anstelle des alten Kataloges soll ein innovatives, patientenorientiertes Verrechnungsmodell treten. Moderne und flexible Honorierung nach Erkenntnissen der Versorgungswissenschaft und laufende Adaptierung des Leistungskatalogs nach neuesten medizinischen Erkenntnissen wird ebenso vorgeschlagen wie die Entlohnung in Abhängigkeit von der erbrachten Qualität, anstatt nur der Quantität. Es soll Anreize für integrative Versorgung geben, Hausarztmodelle sollten ebenso im Katalog enthalten sein, wie strukturierte Versorgungskonzepte für chronisch Kranke – alles in allem also eine komplette Umstellung der Finanzierungs- und Organisationsstruktur.

Das so etwas von der Ärztekammer vorerst (und reflexartig) abgelehnt werden muss, ist nur klar, aber dass es auf Dauer verhindert werden kann, Illusion.

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.