In Kärnten wird es beginnen

Obwohl klar ist, dass Spitäler für Länder unfinanzierbar werden, sind sie an Reformen nicht interessiert – noch können sie ja beim Personal sparen.

Wir schreiben das Jahr 20xy.

Frau M. wird stationär aufgenommen. Die Krankheit, wegen der sie aufgenommen wird, wird außerhalb von Österreich seit langem ambulant behandelt. Anders hierzulande, denn hier gilt es, Patienten aufzunehmen, um zu beweisen, dass jedes Bett und jedes Spital nötig ist.

Nach zwanzig Minuten, die Frau M. neben „ihrem“ Bett stehend zugewartet hat, kommt eine sichtlich mürrische Krankenschwester. Es ist erst halb neun, und Frau M. ist heute die sechste Aufnahme. Da drei Kolleginnen vor Monaten das Handtuch geworfen haben und die Politik bei Nachbesetzungen seit 2010 auf der Bremse steht, wird die Arbeit heute im Schnitt von zwanzig Prozent weniger Schwestern geleistet, als noch 2009. Das wirkt sich halt auf die Umgangsformen aus. Frau M. nimmt es hin, schließlich weiß sie, dass unser Gesundheitssystem das beste ist; folglich muss es überall auf der Welt schlechter sein, denkt sie bei sich.

Kurz vor zwölf kommt eine Ärztin. Ihre Augenringe sind tief und schwarz. Frau M. empfindet spontan Mitleid. Im Gespräch erfährt sie, dass seit 2010 zwei Stellen unbesetzt sind. Wenn alle gesund sind, gehe es sich gerade aus. Aber seit einer Woche ist ein Kollege krank und eine Kollegin schwanger und dürfe keine Nachtdienste machen. Und so ist sie diese Woche bereits im dritten Dienst. Das Unfaire ist, so die Ärztin, dass die Chirurgie einen Stock höher genau so viele Ärzte hat wie ihre Abteilung, allerdings nicht einmal halb so viele Patienten. Eigentlich hätte die Chirurgie längst geschlossen werden können, aber die Politik konnte sich nie dazu durchringen.

Der Reigen dieser Entwicklung wurde Anfang 2010 in Kärnten eröffnet. Nach der Hypo-Pleite musste das Land sparen; auch bei Spitälern.

Anfangs wurde eine Strukturreform angekündigt. Man werde Spitäler nach dem Bedarf ausrichten, was auch bedeutet, Abteilungen, die nicht notwendig sind, zu schließen. Besonders witzig, aber zum damaligen Populismus passend, nannte der Finanzlandesrat als Beispiel für seine Reformideen die Schließung der Chirurgie in Mürzzuschlag. Als er das sagte, hatte die steirische Politik längst beschlossen, diese wieder zu eröffnen. Abteilungen zu schließen hat nie geklappt. Also war, von heute aus betrachtet, schon damals klar, dass die Strukturreform nie kommen wird.

Was kam, waren die Personalsparpläne. Weil jedoch neben Standort- auch Beschäftigungsgarantien ausgesprochen wurden, nützte man die natürliche Fluktuation. Damit hat es besonders jene Abteilungen getroffen, an denen hohe Fluktuation herrschte – also dort, wo hohe Arbeitsbelastung dazu führte, dass Mitarbeiter öfter gingen. Und genau dort wurde bei Nachbesetzung gezögert oder diese gar verhindert.

Aber Kärnten war nur der Anfang. Fast alle Bundesländer gingen den gleichen Weg. Heute finden vor allem kleine Spitäler kaum mehr Ärzte, die bereit sind, eine Spitalskarriere anzustreben – alle wollen so rasch wie möglich raus, um sich als Wahlärzte (nicht als Kassenärzte!) zu versuchen. Die Ausbildung von Ärzten ist damit kaum mehr zu bestreiten. Beim Pflegepersonal ist es nicht besser. Diplomiertes Personal bleibt nicht einmal mehr fünf Jahre im Job. Die Spirale dreht sich und die Personalmisere wird immer schlimmer.

Aber das Schöne ist, dass wegen guter Medienarbeit die Bevölkerung davon nichts mitkriegt und Gott sei Dank eine Strukturreform im besten aller Gesundheitssysteme vermieden werden konnte.

Dieser Artikel wurde im Februar 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wer verhindert eigentlich eine echte Gesundheitsreform?

Wie in einem Feudalsystem werden Pfründe verteidigt und eine patientenorientierte Reform des Gesundheitssystems seit Jahrzehnten verhindert.

Schattenspiele waren in den letzten Tagen zu beobachten. Neben dem nicht einmal wahrgenommenem Aufstand der Jungärzte, die sich endlich (!) Gehör für eine bessere Ausbildung schaffen wollen, waren da noch die Kassensanierung und die Ärzte-GmbHs. Und inhaltlich, wenn auch mit deutlich geringerem medialen Interesse, wurde vom Hauptverband der „Masterplan Gesundheit“ für den Herbst in Aussicht gestellt; darin enthalten, die Ideen einer Spitalsreform und die Finanzierung aus einem Topf.

Der Herbst wurde aus zwei Gründen gewählt: erstens weil zuerst einmal alle (pseudo)streiten müssen, bevor sie verhandeln können. Und zweitens ist da noch der Finanzausgleich, der zwar erst 2013 aufgeschnürt werden sollte, doch die Länder so pleite sind, dass sie nach den Wahlen an ein Aufschnüren denken. Ob der „Masterplan Gesundheit“ auch die überfällige Kassenreform bedeutet, ist unklar – wahrscheinlich geht es jedoch nur um unser Geld, das neu verteilt und neu beschafft werden soll; also, ob Steuer- oder Beitragserhöhungen kommen. An eine echte Reform denkt wohl kaum wer.

Vielleicht ist es Zeit zu fragen, warum seit 40 Jahren keine echte Reform stattfindet und sie immer unwahrscheinlicher wird.

Ich behaupte, dass es immer mehr „Systemerhalter“ gibt, die einen Lebensstandard erreicht haben, den sie unter „normalen“ Umständen nicht erreicht hätten, sei es was ihr Einkommen, oder aber ihre Macht betrifft. Es sind die gesetzlichen Monopole, die sie dort hin gebracht haben und nicht Qualifikation oder der Bedarf nach ihrer Arbeitskraft.

Da wären einmal die Kassen-Obmänner und deren Stellvertreter, deren Jobs nur durch das komplizierte System entstehen. Eine Reform würde sie arbeits- und machtlos machen. Selbst viele der leitenden Angestellten in den 21 Krankenkassen sitzen vermutlich an Positionen, die weniger mit ihrer Kompetenz als mehr mit ihrem gewerkschaftlichen Hintergrund zu tun haben. Auch in Kammern, allen voran in Ärztekammern, definieren sich viele nur durch die Verworrenheit der Kompetenzstrukturen. Auf Seiten der Länder und Gemeinden gibt es haufenweise Mitarbeiter, die nur benötigt werden, weil es so viele Krankenhäuser gibt, an denen nur festgehalten wird, weil sie Spielwiesen für politische Postenbesetzung sind, von der Verwaltung angefangen bis hin zur Verteilung von Mediziner-Ausbildungsplätzen. Selbst bei den Primarärzten scheint es so, dass viel ihren Job nicht haben, weil sie die bestgeeigneten, sondern weil sie die politisch bestvernetzten sind.

Am Ende sind es aber trotzdem nicht mehr als vielleicht zwei tausend Personen, die bei einer echten Reform Position und Einfluss verlieren. Was ist das schon im Verhältnis zu den zehntausenden, deren Jobs durch die Wirtschaftskrise auf Dauer vernichtet wurden? Gar nichts! Alle anderen fast 500.000 Menschen, die für die Patienten und nicht das System arbeiten, würden bei einer echten Reform weiter benötigt, auch wenn die da oben so tun, als ob Kündigungslawinen drohten – ein reines Machtspiel. Denn, wenn man diese paar Tausend genauer betrachtet, dann stehen sie ganz oben in der Nahrungskette. Und dort werden sie alles tun, nur um eine Reform zu verhindern, die das Ende ihrer Macht bedeutet.

Und wer die Medien beobachtet, kann diese Spiel sacht erkennen. Denn warum berichten alle über Ärzte-GmbHs und Kassensanierung, niemand aber über das für Patienten wichtigere Thema der Ausbildung der Jungärzte?

Dieser Artikel wurde im Februar 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Lasst uns konkret werden

Als Anstoß für die Spitalsreformen 2010 will ich ein Tabu brechen und konkrete Spitäler nennen, die keiner braucht – Mögen die Spiele beginnen!

Bis zum 18. Jahrhundert gab es zwei Typen von Medizinern: die Chirurgen, die sich mit Kriegswunden beschäftigten, und die Ärzte, die aus der Untersuchung des Körpers und seiner Säfte auf Krankheiten schlossen. Mit dem Fortschritt kam es zu einer immer weiteren Spezialisierung. So zerfiel die Innere Medizin in zahlreiche Subdisziplinen, die sich entweder nur mit der Niere, der Lunge, oder dem Stoffwechsel beschäftigen. Die Chirurgen haben sich in Kinderchirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie, Herzchirurgie, Lungenchirurgie etc. spezialisiert. Mittlerweile haben wir in Österreich 29 verschieden Fachärzte und viele Subspezialisierungen, in denen man erst ausgebildet werden darf, wenn man bereits Facharzt ist.

Der Vorteil dieser Spezialisierung erklärt sich selbst, der Nachteil ist, dass es kaum mehr möglich ist, den Zugang zu diesen Spezialisten gerecht zu gestalten.

In der unpolitischen Spitalsplanung, die hierzulande etwa 30 Spezialrichtungen berücksichtigt, wird versucht, festzulegen, welche Einzugsgebiete nötig sind, um die kleinsten gesetzlich erlaubten Abteilungen so vorhalten zu können, dass die Qualität einigermaßen gesichert werden kann; Einfacher ausgedrückt, wie viele Einwohner mindestens nötig sind, um genug Patienten für ein bestimmtes Fach erwarten zu können, damit die Spezialisten dort ihre Wissen nicht verlieren.

Für gynäkologische Abteilungen braucht man beispielsweise mindestens 80.000 Einwohner, für die Orthopädie 100.000, für die kleinste Allgemein-Chirurgie 60.000. Die Internisten kommen mit einem deutlich kleineren Einzugsgebiet aus. Eine einfache Abteilung für Innere Medizin ist schon ab 25.000 Einwohner machbar. All diese Zahlen gelten nur für Österreich mit seiner einzigartig hohen Krankenhaushäufigkeit. Würde man französische oder gar holländische Maßstäbe anlegen, müssten die Einzugsgebiete viel größer sein.

Allgemeine Akut-Spitäler müssen mindesten eine Abteilung für Chirurgie und eine für Innere Medizin vorhalten. Da eine Chirurgie wenigstens 60.000 Einwohner im Einzugsgebiet braucht, wäre sie limitierend. Ein Drittel der Akut-Spitäler hat ein kleineres Einzugsgebiet und daher tendenziell bereits ein Qualitätsproblem.

Natürlich darf man nicht vergessen, dass die Erreichbarkeit wichtig ist, aber Spitalsplanung ist immer eine Grätsche zwischen Qualität und Wohnortnähe. Ein heikler Weg, bei dem ich mich klar für die Qualität ausspreche. Und vergessen wir nicht, wir haben eine riesige Hubschrauberflotte und viele Rettungswägen.

Schauen wir uns die Einzugsgebiete der zehn kleinsten Spitäler an: Bad Aussee 14.527; Mittersill 19.508, Klosterneuburg 25.557, Güssing 27.319, Gmünd 29.401, Reutte 30.907, Tamsweg 33.290, Fürstenfeld 34.689, Mürzzuschlag 35.295, Lilienfeld 35.302.

Bei Fürstenfeld und Güssing muss man darauf achten, dass sie nebeneinander liegen; man könnte daher nur eines der beiden Häuser schließen. Reutte muss sich nach Deutschland orientieren – dort gibt es in Füssen und Pfronten Spitäler, die wegen der Grenzlage ebenfalls kaum fähig sind zu „überleben“. Ein Verbund über EU-Innengrenzen sollte machbar sein; denken wir an die Spitäler in Braunau und Simbach. Der Rest kann ohne die Versorgung zu verschlechtern geschlossen werden. Die Patienten könnten, meist über Landesgrenzen hinweg, und das ist das Problem, innerhalb von 40 Minuten (OHNE Blaulicht oder Hubschrauber!) im nächstgelegenen Spital versorgt werden.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Spitalskostenexplosion?

Dass die Spitalskosten steigen, ist weniger dramatisch als die Halbwahrheiten, die man rundherum hört – nur Nebelwerfer, wohin man auch schaut!

2008 haben die Spitäler 10,4 Milliarden Euro gekostet, um über eine Milliarde mehr, als noch 2006 – eine Steigerung von 12 Prozent. Die Inflation hat sechs Prozent betragen und kann nicht als Ausrede dienen.

2006 ist übrigens deswegen ein wichtiges Jahr, weil seit dem die Gesundheitsreform von Ex-Ministerin Rauch-Kallat in Kraft ist. Diese Reform hat den Ländern mehr Spielraum in der Gestaltung der Spitalslandschaft gegeben, damals in der Hoffnung, die Länder würden vernünftige Reformen umsetzten. Dem war und ist nicht so, wie man an den Steigerungen erkennen kann.

Einige Länder sind ganz besonders betroffen, allen voran Niederösterreich, das bereits zum zweiten Mal in Folge rund zehn Prozent teurer geworden ist. Seit alle Spitäler dem Land gehören, explodieren dort die Kosten. Auch, wenn die Politik nicht müde wird zu erzählen, dass die Zusammenfassung aller Spitäler in der Hand eines einzigen Landesrates enorme Einsparungen gebracht haben soll, realiter kosten diese das Land so viel Geld, dass es schwierig wird, ein Budget zu erstellen.

Aber auch in Oberösterreich gehen die Kosten offenbar nur mehr gerade nach oben (14 Prozent in zwei Jahren). Auch hier wurde angeblich eine Spitalsreform umgesetzt, die viele Millionen Euro eingespart haben soll.

Nun, da niemand die Einsparungen überprüfen kann und komischerweise die Kosten explodieren, ist wenigstens Skepsis an den politischen Aussagen anzubringen. Und da offenbar auch die politische Kaste erkennt, dass die supersimplen Milchmädchenrechnungen nicht mehr überzeugend klingen, hat man sich etwas Neues zu Recht gelegt:

Die Kostenexplosion sei die Folge massiver, aber vor allem notwendiger Modernisierungsinvestitionen! Begonnen hat den Reigen vor einem Jahr Niederösterreich, vor wenigen Monaten hat sich Oberösterreich diesem Mantra angeschlossen und zuletzt nun auch das Gesundheitsministerium selbst.

So ist das aber definitiv nicht wahr, und das Wissen die Herren. Einmal abgesehen, dass diese Modernisierungen oft nur Behübschungen für Dutzende Millionen Euro sind, steigen nur die Betriebskosten, in denen nach dem Gesetz Investitionen nur kaum enthalten sind (enthalten wären Geräte, die jedoch über die Abschreibung auf viele Jahre aufgeteilt werden). Die Steigerungen sind daher auch nicht durch Investitionen zu erklären, sondern nur durch den Betrieb.

In Wahrheit sind es (Landtags)Wahlzuckerl, die heute süß schmecken, aber morgen bittere Pillen sind. Es ist die Großmannsucht und jegliches Fehlen von Verantwortung für unsere Zukunft, die die Kosten nach oben ziehen. Den Landespolitikern ist es egal, was Ihre Spielwiesen kosten, denn sie sind ohnehin bereits pleite. Weil aber ein Land nicht wirklich pleite gehen kann, warten alle und vollkommen ruhig auf den Bund. Der hat schon die Kassen gerettet, soll er auch die Länder retten. Doch woher nimmt der Bund das Geld?

Spätestens 2012 dürfen wir mit saftigen Steuererhöhungen rechnen. Statt eine Spitalsreform anzugehen, ist es doch viel leichter, Halbwahrheiten zu erzählen und uns zur Kasse zu bitten. Und wenn dann die Steuererhöhungen zu verkaufen sind, werden die gleichen Politiker, die uns heute mit Halbwahrheiten abspeisen mit ähnlichen Halbwahrheiten erklären, dass die Erhöhung notwendig ist. Wir werden es wieder schlucken – weil es uns eh auch nicht mehr interessiert.

Dieser Artikel wurde im November 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.