Jetzt aber alle an einen Tisch!

Vorsicht, Sarkasmus – mit deutlichen Zügen verdrossener Gemütsstimmung.

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   Trotz verschiedenster Bemühungen um eine verstärkte Koordinierung und Angleichung der Interessen mussten wir feststellen, dass das österreichische Gesundheitssystem aufgrund seiner vielschichtigen Verwaltungsstruktur und dualen Finanzierung komplex und fragmentiert ist.

   Besonders die Aufteilung der Finanzierung von intra- und extramuralen Leistungen zwischen den Bundesländern und Sozialversicherungen kann die Betreuungskontinuität beeinträchtigen und zu Kostenverschiebungen führen. Deshalb muss davon ausgegangen werden, dass zurzeit die Gesundheitsergebnisse innerhalb der Bevölkerung schlechter und die Gesamtkosten höher ausfallen, als dies in einem koordinierten System der Fall wäre.

   So die Worte einer Studie des Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 2018. Was waren diese Bemühungen? Da gab es den Kooperationsbereich, der um 2000 eingeführt wurde. Er wurde in den Reformpool umgewandelt, in dem jeder (Länder und Krankenkassen) 1 Prozent seines Umsatzes einspielen sollte, um gemeinsame Projekte zu realisieren. Dazu wurden Landesgesundheits-Plattformen und die Bundesgesundheits-Agentur geschaffen, die, einem gesetzlichen Auftrag aus den 1990ern folgend, eine gemeinsame Sichtweise für das gesamte Gesundheitssystem schaffen sollte.

   Diese waren ebenso erfolglos wie die Reformpool-Projekte. Also musste was Neues her. Eifrig wurde reformiert und das Zielsteuerungs-Gesetz aus der Taufe gehoben – gut verwaltet von Landes-Zielsteuerungskommissionen und der darüber schwebenden Bundeszielsteuerungskommission, in der alle (Länder und Krankenkassen) gemeinsam das System anhand von konkreten Zielen steuern sollten. Hehre Ziele wurden in Verträgen festgelegt, und es gab ÖSGs, RSGs, LAP, ÜRVP, DIAG, LEICON und PVEs.

   Aber offenbar wurde dabei etwas Wesentliches vergessen: Die Partner saßen nicht an einem Tisch.

   Zwar dürfte es bis 2007, solange war ich dabei, einen gemeinsamen, immer sehr großen Tisch gegeben haben, aber danach eben immer seltener. Anders wäre der neueste Vorschlag von Gesundheitsminister Johannes Rauch kaum zu verstehen, wenn er meint, dass er „alle Player“ an einen Tisch bringen will.

   Wer hätte gedacht, dass es so simpel sein kann! Einfach diesen vielen Gremien einen Tisch sponsern – und schon halten sich alle an Gesetze und Verträge. Klar könnten einige meinen, dass das Ministerium als Aufsichtsbehörde auch mittels transparenter Berichterstattung, wie seit 20 Jahren gesetzlich vorgesehen, einfach offenlegt, wie wenig sich „alle Player“ an eigene Gesetze und Verträge halten, und das dann auch kommunizieren. Aber die verstehen Politik nicht.

   2023 kommt einmal der Tisch, oder auch zehn Tische. Um 2035 werden dann Stühle angeschafft. So gegen 2050 wird es so weit sein: „Alle Player“ haben eine gemeinsame Sicht des Gesundheitssystems entwickelt, es wird aus 15 Krankenkassen, einer AUVA, 9 Ländern und 10 Ärztekammer bestehen, die über 34 Säulen finanziert werden. Die Säulen werden ohne Murren vom Bund „gefüllt“ – der das Geld in Plantagen auf eigenem Grund zieht.

„Wiener Zeitung“ vom 29.12.2022   

Gesundheitspolitische Konsequenzen der Wahlen

      1969, also vor 44 Jahren, hat die WHO kritisiert, dass unser Gesundheitssystem zu wenig „zentralistisch“ ist.

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   Die Bundesregierung (gerne als „die Wiener“ tituliert) hat keine Möglichkeit, in die Spitalslandschaft einzugreifen – mit willkürlichen und der Qualität abträglichen Folgen, meinte die WHO.

   Um die Willkür einzufangen, wurde zwischen 1996 und 2001 der ÖKAP (ein Bettenplan) verhandelt und gesetzlich eingeführt. Als 2004 dieser Plan evaluiert wurde, war der Umsetzungsgrad so niedrig, dass beschlossen wurde, niemandem davon zu erzählen – und aus dem Evaluierungsbericht wurde eine supergeheime Geheimstudie.

   Im Jahr 2006 trat mit dem ÖSG, nach vierjährigen Verhandlungen die nächste Reform in Kraft. Länder sollten nicht mehr Betten, sondern Leistungen planen. Haben sie das gemacht? Nein! Es gibt, nach wie vor reine Bettenplanung, die reiner politischer Willkür folgt.

   Die gesetzlichen Vorgaben wurden allesamt ignoriert – also gebrochen. Und das ohne Folgen, weil „die Wiener“ den Ländern nichts vorschreiben wollen.

   Die Krankenkassen, stets Teil der Reformen, sind in ihrer Gesetzestreue aber keinen Deut besser; muss ja auch nicht sein, weil im Parlament immer jemand sitzen wird, der darauf achtet, dass sie nicht zu arg zur Verantwortung gezogen werden.

   Der Grund für dieses Ignorieren der Gesetze ist schlicht die Entscheidungsunfähigkeit des Systems. Besonders „schön“ ist diese rund um das Brustkrebsvorsoge-Programm zu sehen.

   Das Programm steht seit zehn Jahren auf der politischen Agenda. Nach acht Jahren Verhandlungen wurde entschieden, es einzuführen. Und jetzt, zwei Jahre nach dem Grundsatzbeschluss, scheitert alles, weil sich in zwei Bundesländern Landesärztekammer und Landes-Gebietskrankenkasse nicht einigen können.

   Denn selbst wenn man „in Wien“ eine Entscheidung trifft, müssen danach alle 36 Kassen und alle zehn Ärztekammern einzeln zustimmen. Sollte es den Spitalsbereich berühren, dann spielen auch noch neun Landesfürsten mit. Und niemand kann Druck ausüben oder gar eine Entscheidung durchsetzen.

   Wie wird die nun anstehende Gesundheitsreform laufen?

   Sehr vereinfacht dargestellt, setzt die Reform voraus, dass sich Länder und Kassen auf gemeinsame Versorgung einigen.

   Wie das nicht funktioniert, sieht man bei den 2005 eingeführten Reformpoolprojekten, die gerade ein Prozent der Geldmittel hätten bewegen sollen. Gesetzlich festgelegt war, erfolgreiche Projekte in die Regelversorgung zu übernehmen. Aber auch wenn die meisten Projekte erfolgreich waren, also gezeigt haben, dass die Versorgung der Patienten gemeinsam besser funktioniert und dabei auch günstiger wird, Regelversorgung wurden sie nie; Länder und Kassen konnten sich nicht einigen.

   Die Realverfassung, also das üblich gewordene Brechen von Gesetzen durch jene, die real die Macht haben, ist mittlerweile unüberwindbar.

   Diese Macht zurückzustutzen setzt voraus, die Verfassung so zu ändern, dass der direkte Eingriff der Bundesregierung möglich wird. Und dann noch, dass es „einen Wiener“ gibt, der den Mut besitzt, seine verfassungsmäßigen Rechte durchzusetzen.

   Eine Stärkung der Bundesregierung wäre also ein Weg, endlich eine Gesundheitsreform durchzusetzen – aber ist das nach diesem Wahlergebnis zu erwarten?

„Wiener Zeitung“ Nr. 193 vom 03.10.2013

Gesundheitsplattformen und ihre reale Arbeitsweise

Hier sind zwei Evaluierungsberichte eines Reformpoolprojektes aus dem Jahre 2008! Der eine, wie er von wissenschaftlich denkenden, an der Wahrheit interessierten Menschen erarbeitet wurde, der andere, wie er NACH politischen Diskussionen verändert wurde! Die beiden Berichte haben nach der politischen Bearbeitung nichts mehr miteinander zu tun, obwohl der Verfasser weiterhin der gleiche ist – ein Professor für Gesundheitsökonomie (der sich zwar gewehrt hat, aber nichts dagegen machen konnte – ausser Klagen, was er dann halt doch nicht tat; verständlich). Rätsel: welcher der unteren Artikel – beide haben den haben den Originaltitel – ist der politisch gefakete? Weiterlesen „Gesundheitsplattformen und ihre reale Arbeitsweise“