Versteckspiel oder Verschwörungstheorie

Rund um das Hauptverbands-Papier erleben wir ein bravouröses Medien-Spiel. Damit ist das besser als beim letzten Mal; und Machiavelli lässt grüßen!

Immer mehr „sickert“ durch. Vor zwei Wochen war es die Sache mit den Kassenarztstellen. Diese sollten nur nachbesetzt werden, wenn Leistungen nicht durch Spitalsambulanzen erbracht werden können. Die Reaktionen waren interne Proteste und ein sofortiges Dementi: „So war das nie gemeint!“ Komisch, wenn Kassen sparen wollen, dann kann das nur bedeuten, Stellen zu streichen – Was kann man da missverstehen?

Die Frage bleibt, warum ist das durchgesickert? Betrachten wir es so:

Das wohl einzige Thema, dass Ärzte direkt betroffen hätte, wurde „rausgespielt“. Der so provozierte Widerstand gab – je nach Stärke – die Möglichkeit, diesen Punkt anzupassen.

Dann erhält letzter Woche „Der Standard“ – bekannt für seine kritische Haltung gegenüber neoliberalen Strömungen – das Papier zugespielt. Darin wird dargestellt, welche Summen man sich sparen kann, wenn man auf Generika umsteigt. Außerdem sollen die Preise sinken, wenn man Pharmaunternehmen Werbung verbietet. Und weil’s so schön ist, sollen Apothekenaufschläge gekürzt werden. Das mit den Kassenarztstellen ist bereits entschärft.

Mal sehen, wie der Vorschlag ankommt? Dann ein Rückschlag. Statt wie erwartet, wird nicht auf die „bösen“ Geschäftemacher eingeschlagen, sondern – deswegen ist „Der Standard“ ja eine Qualitätszeitung – differenziert berichtet. Mehr noch, in einem Folgeartikel lässt man einen Experten (mich) und die Industrie zu Wort kommen, die die dargestellten Einsparungen nicht nachvollziehen können und „Werbeverbote“ an kommunistische Ideen erinnern.

Aber das Spiel geht weiter. Jetzt erhalten mehrer Zeitungen das Papier gleichzeitig. Im „Kurier“ erreicht man damit sogar die Seite eins der Wochenendausgabe. Welche Version der Kurier hat, ist unbekannt. Berichtet wird zwar noch immer über Einsparungen bei den Medikamenten (keine Euro-Angaben mehr – merkwürdig!), aber jetzt liegt der Spin auf Patientenorientierung: weniger Rezeptgebühr und längere Öffnungszeiten bei niedergelassenen Ärzten. Der Bericht ist also anders als alle anderen! Was soll man davon halten?

Egal! Bei allem, was man bisher zu wissen glaubt, eines ist sicher: Reformiert wird wenig und gespart nur bei den Medikamenten. Das ist schon beeindruckend. Kein unabhängiger Experte hätte hier jemals ein so großes Potential gesehen, dass damit das System gerettet werden könnte. Man sollte nicht vergessen, dass die Medikamentenkosten mit gerade 13 Prozent der Gesundheitsausgaben EU-weit unterdurchschnittlich sind, und auch die Preise selbst unter dem EU-Schnitt liegen. Und was das senken der Apothekerspannen betrifft, wird das großen Apotheken in zentraler Lage vermutlich egal sein, aber in der Peripherie wird das existenzbedrohend – zur Freude der ärztlichen Hausapotheken, die damit ihre eigenen Existenzen festigen?

Damit komme ich zum Schluss: Alle, die nicht mitverhandeln durften (alle außer Ärztekammer und Kassen) sind die Blöden; das Floriani-Prinzip in Reinkultur. Draußen, außerhalb der Welt, die Gesetze beschließen und dank Gewaltmonopol exekutieren kann, wäre ein Vertrag zuungunsten Dritter schlicht unwirksam. Aber hier? Wo sich Kämmerer und Gewerkschaften bester Kontakte zur Legislative erfreuen?

PS.: Der letzte Vorschlag, die Packungsgrößen zu senken ist übrigens eine versteckte Erhöhung der Selbstbehalte, weil für die gleiche Menge an Tabletten öfter Rezeptgebühr anfällt! Aber Patienten haben ja auch nicht mitverhandelt.

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Richtigstellungen

Die Zahl der politischen Ungenauigkeiten mit Manipulationsabsicht steigt im Ausmaß wie das Niveau der Gesundheitspolitik sinkt – eine ernste Entwicklung.

Sie kennen sie alle, die Richtigstellungen, zu denen Politiker und Medien verurteilt werden, wenn sie unter Vernachlässigung der Sorgfaltspflicht oder mit böser Absicht Unwahrheiten verbreiten. Die ließt zwar niemand, aber sie geben das Gefühl eines Rechtsstaats. Weil dafür immer Klagen nötig sind, bleibt ein Haufen Unwahrheiten, die niemals richtig gestellt werden. Ein paar will ich übernehmen.

Mehrfach wurde von offizieller Seite betont, dass Österreich ein günstiges und effizientes Gesundheitssystem besitzt. Als Beweis wurde angeführt, dass wir „nur“ 7,6 Prozent Krankenversicherungsbeiträge zahlen, während die Deutschen 15,5 Prozent abgeben. Manchmal wurde zwar richtigerweise betont, dass die Länder nicht vergleichbar seien, aber selbst bei „Bereinigung“ der Unterschiede, wir mit 11 bis 12 Prozent auskämen – damit sei belegt, wir haben ein effizientes und billiges System. Diese Darstellungen entsprechen nicht der Wahrheit.

Wahr ist vielmehr, dass die Pro-Kopf-Ausgaben, gemessen in echtem Geld, in Österreich um 10 Prozent über denen Deutschlands liegen. Da wir keine „besseren“ Gesundheitsdaten haben, ist klar, dass wir weder effizienter, noch billiger als unsere Nachbarn sind – egal wie man es dreht und wendet.

Immer wieder wurde von verschiedenen Ebenen behauptet, die Preise der Medikamente steigen enorm an. Einerseits wurde behauptet, die Preise steigen über der Inflationsrate, andererseits, die durch die Senkung der Mehrwertsteuer herbeigeführte Preissenkung wird von der Industrie zum Anlass genommen, die Preise zu erhöhen. Beide Darstellungen entsprechen nicht der Wahrheit.

Wahr ist vielmehr, dass die Preise für rezeptpflichtige Medikamente durch den Staat festgelegt werden, es also nur dann zu einer Steigerung kommen kann, wenn der Staat dies zulässt. Betrachtet man den Preis für eine verkaufte Medikamentenpackung, dann ist festzustellen, dass dieser seit Jahren sinkt. Bewusst und manipulativ wird nicht zwischen dem Preis der Medikamente und den Ausgaben für Medikamente unterschieden.

Die Ausgaben steigen kontinuierlich, allerdings nicht getrieben durch den Preis, sondern durch die Mengen. Für die Mengensteigerung sind viele Faktoren verantwortlich. Da wäre das Kassen-Erstattungssystem, das mengenfördernd ist (was durch die Rezeptgebührobergrenze noch verstärkt wird!), dann die Rezeptgebühr selbst, die man bei kleineren Packungen öfter einheben kann, daher werden die von den Kassen bezahlten Packungen immer kleiner (aber nicht im gleichen Verhältnis billiger), dann die Marketingmaßnahmen der Industrie, die nur dann mehr verdienen kann, wenn sie mehr verkauft, nicht zu vergessen die Demographie und die Epidemiologie (die Menschen werden immer älter und kränker), und vermutlich noch ein Dutzend anderer Gründe. Die Forderung, die Mengenausweitung an Wirtschaftswachstum oder Inflation zu koppeln, ist mehr als nur irreal.

Zu dem Vorwurf, 900 Medikamente seien über den Jahreswechsel teurer geworden und damit sei bewiesen, dass es eine sofortige staatliche Intervention brauche, die dem wilden Treiben der Industrie Einhalt gebiete, sei festgehalten, dass es sich bei diesen Medikamenten um frei verkäufliche handelt, also der Preis durch freie Entscheidung freier Menschen am Markt festgelegt wird. Die geforderte Intervention bedeutet planwirtschaftlichen Totalitarismus.

Es macht traurig, auf welchem Niveau politisches Kleingeld gemacht wird.

Dieser Artikel wurde im Februar 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.