Die Oberösterreich-Wahl aus gesundheitspolitischer Sicht

Die Flüchtlinge in Oberösterreich können nicht der einzige Grund sein, warum SPÖ und ÖVP dermaßen verloren haben.

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   Wenn ich über das politische Erdbeben in Oberösterreich reflektiere, dann fällt mir auf, dass es gesundheitspolitische Gründe gibt, warum man den (ehemals) großen Parteien einfach nicht mehr glauben will.

   Nehmen wir deren Spitalsreform. Sie wurde ja gleich zwei Mal durchgeführt – und zwar in den Jahren 2005 und 2012.

   Die erste Reform war eigentlich gar keine. Als 2004 erkannt wurde, dass man das, was man 2001 mit dem Bund gesetzlich fixiert hatte, nicht bis 2005 umsetzen kann (euphemistisch gesprochen, denn es wurde gar nichts getan), hat man, medial groß aufgezogen, noch mal (schein)verhandelt und versprochen, alles bis 2010 umzusetzen. Die Spitalsreform I war geboren. Doch statt dann aktiv zu werden, passierte wieder nichts. Mehr noch, statt die Zahl der Spitalsaufnahmen pro Einwohner, die mittlerweile die zweithöchste in ganz Österreich war, zu senken, stieg diese ab 2005 noch stärker als in den Jahren davor.

   Aber die Bevölkerung hat natürlich geglaubt, dass reformiert wurde – schließlich sprach die Politik ja ständig davon. Dass real nichts passierte, konnten nur Kenner erkennen. Und die sahen, dass alles schlimmer wurde. 2010 lag Österreich, was die Spitalsaufnahmen betrifft, ja schon etwa doppelt so hoch wie Europa, aber Oberösterreich lag mittlerweile gleich noch mal 20 Prozent über dem Österreichschnitt und mit Abstand an der Spitze.

   Nach über zehn Jahren „Schein“-Reformen musste irgendwann tatsächlich eine Kurskorrektur her: Und die nannte man Spitalsreform II. Diese Reform war alles andere als eine echte Reform, es war nur der Versuch, den populistischen Wildwuchs, der mittlerweile wucherte, zu begrenzen.

   Ja, Wildwuchs; nehmen wir Ried als Beispiel, in dessen Spital ohne Genehmigung ein Herzkatheter errichtet wurde – wie üblich. Man macht, und Politiker schauten darauf, dass entsprechende Genehmigungen nachgeholt werden, auch wenn man dazu nicht selten den Bund erpressen musste.

   Als nun dieser Herzkatheter im Nachhinein nicht genehmigt, sondern im Rahmen der Spitalsreform II verboten wurde, da waren die Granden vor Ort sauer – und wie man merkte, bis heute.

   Denn als 2012 die Reform von SPÖ und ÖVP beschlossen wurde, kam es nicht zu dem nötigen Schulterschluss zwischen den Parteien. Im Wahlkampf 2015 wurde vor allem durch SPÖ-Funktionäre ständig auf die durch die Reform angeblich auftretenden Probleme hingewiesen. Mit völlig unfundierten Zahlen wurde behauptet, Patienten fänden keine Versorgung, und sie müssen sogar sterben – besonders, weil der Rieder Herzkatheter nicht bewilligt wurde. Mit einer ganz klaren Folge: der Verwirrung der Bevölkerung.

   Wäre ich Oberösterreicher, ich wüsste nach mittlerweile 15 Jahren Reform nicht, was wichtig ist, weil die, die entscheiden, praktisch dauernd was anderes sagen und sich noch darüber streiten. So etwas würde mich verängstigen, ich würde denken, da geht es um etwas anderes, was ich nicht verstehe, und es scheint denen da oben auch egal zu sein, was mit mir wird. Und wenn dem so ist, dann gibt es wohl kaum einen Grund, diese Parteien zu wählen – und genau das haben die Oberösterreicher getan.

„Wiener Zeitung“ Nr. 190 vom 01.10.2015