Behandlung, Versorgung und Gesundheitssystem – ein Text zum Verständnis

(Lesezeit 10 Min.) In der gesundheitspolitischen Diskussion, genauer in der realen Situation besteht ein erhebliches Sprachgewirr. So wird beispielsweise gerne behauptet, wir hätten das beste Gesundheitssystem (GS) der Welt und argumentiert das dann mit den Erfolgen der onkologischen Medizin oder den angeblich geringen Wartezeiten auf einzelne Therapien etc.. Abgesehen, dass die meisten dieser Aussage arbiträrer Natur, oder maximal als Einzelerfahrung zu werten sind, werden hier Behandlung, Versorgung und Gesundheitssystem in der Regel willkürlich vermischt.

Grundsätzlich gilt aber, dass die Behandlung eines Patienten nicht automatisch etwas mit seiner Versorgung zu tun haben muss, und noch viel weniger mit dem Gesundheitssystem. Daher können Behandlungserfolge auch nicht unmittelbar der Versorgung und schon gar nicht dem Gesundheitssystem zugesprochen werden. Gesundheitssystem, Versorgung und Behandlung sind verschiedene Ebenen, die, wiewohl systemisch miteinander verknüpft, eigenen Regelmäßigkeiten unterliegen.

Interessant, politisch betrachtet aber logisch, sind die Grenzen dieser Ebenen dann klarer, wenn es um negative Nachrichten geht. Wenn im Rahmen eine Behandlung etwas schief läuft, also ein Misserfolg vorliegt, halten sich meist bereits die Verantwortlichen auf der Versorgungsebene, ganz klar aber jene der Systemebene als unbeteiligte schuldlos. Üblicherweise ist ein Spitalsarzt selbst schuld (auch wenn es juristisch anders aussieht) und nicht das Spital und schon gar nicht das Bundesland. Analog im niedergelassenen Bereich. Dort wird es nie zur Schuldhaftigkeit der Kassen oder in weiterer Folge des Gesundheitsministeriums als Aufsichtsbehörde kommen, wenn eine Behandlung erfolglos blieb.

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Detailanalyse der Anti-ELGA Kampagne der Wiener Ärztekammer

Ein sehr verwirrendes Zahlenspiel

Eine der am häufigsten wahrgenommenen Aussagen der Ärztekammer rund um ELGA  ist, dass diese in 10 Jahren 2 Mrd.€ kosten wird. Beim Studium der Unterlagen  stellt man fest, dass das wohl eine Übertreibung der eigenen Zahlen ist. Schließlich sprechen selbst die kämmerlich vorgelegten Berechnungen auf Seite 9 der Sonderzeitung  „nur“ von 1,873 Mrd.€ –  127 Mio,€ fallen da also unter den Tisch oder eben oben drauf.

Solche Übertreibungen würden mich nicht weiter stören, gehören sie doch zum politischen Geschäft (wiewohl mir nicht klar ist, warum eine Kammer Politik machen muss), wenn da nicht andere Zahlen, sehr viel niedrigere Zahlen, dramatisiert würden. Im Youtube-Video des Vizepräsidenten Steinhart kann man erfahren, dass das Wiener AKH wegen 9 Mio.€ vor dem ABGRUND stand. Nun, wenn ich rechnen kann, dann könnte man mit den Unterschlagenen 127 Mio.€ das AKH 14 Jahre lang vor dem Abgrund bewahren – 127 Mio.€ sind kein Lüferl!

Nun, irgendwie lässt sich der Eindruck nicht verwehren, dass es bei den kolportierten 2 Mrd.€ weniger darum geht zu Informieren, als Panik zu machen. In dem Fall sind natürlich logische Einwände vergebens.

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Ärztebedarf Detailanalyse

 

Problemaufriss:

In Österreich wurden 2009 (inkl. Zahnärzten) etwa 44.000 Ärzte in Ärztelisten geführt. Dort wird man nur geführt, wenn man ärztlich tätig ist oder tätig sein will. Die Zahl der ärztlich tätigen Ärzte wächst, nach einem dynamischen Wachstum seit 1970, ab den späten 1980er Jahren beinah linear.

Anzahl der Aerzte absolut
Anzahl der Aerzte absolut

Quelle: Statistik Austria, 2010

Mit 44.000 Ärzten ist Österreich im internationalen Vergleich „sehr gut“ ausgestattet. Nichts desto trotz wird immer wieder davon gesprochen, dass es entweder bereits Ärztemangel gibt, oder aber man, weil die Ausbildungskapazitäten unzureichend seien, auf einen solchen zusteuere. Die Ausbildungskapazitäten in Österreich beziehen sich auf zwei, voneinander unabhängige, jedoch obligat hintereinander gereihte Ausbildungswege: das Medizinstudium, dass Absolventen berechtigt, eine Ausbildung zum Arzt anzutreten und der Turnus, sei es zum Allgemeinmediziner oder zum Facharzt, der als praktischer Teil die Fähigkeiten und Fertigkeiten des Arztberufs vermitteln soll.

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Weg zur Knechtschaft (F.A..v.Hayek)

(Lesezeit 27 Min) Kein Buch hat mein politisches Denken stärker beeinflusst als „Weg zur Knechtschaft“. Viele meinen, F.A.v. Hayek sei kaltherzig  und Neoliberale skrupellos! Vielleicht ändert das hier etwas …

Zitate aus „Weg zur Knechtschaft“ Zusammengestellt von Ernest Pichlbauer: Fett gedruckt sind meine Kommentare, normal gedruckte Zitate, die Zahl am Ende des Zitats bezieht sich auf die Seitenzahl der Ausgabe des Olzog-Verlages 2003 ISBN 3-7892-8118-2

Liberalismus deutet Freiheit als Möglichkeit zu tun was man will, Sozialismus als frei sein von wirtschaftlichen zwängen.

Faschismus ist die Folge des Streits von Parteien, die “wissen” was der einzelne Mensch braucht und will. Dazu ist ein kollektivistischer Gedanke nötig, der bei sozialistisch denkenden Menschen vorhanden ist, unerheblich in welcher Partei sie sind. Jede Art der Kollektivierung ist sozialistischen Ursprungs. Faschisten sind daher notwendigerweise Sozialisten (CAVE: ein Umkehrschluss ist NICHT möglich – Sozialdemokraten sind KEINE Faschisten!)

„Aber man beachte den Unterschied: während die Demokratie die Gleichheit in der Freiheit sucht, sucht der Sozialismus sie im Zwang und in der Knechtung’’’. Alexis de Tocqueville 45

 

Planung durch den Staat hat sich auf einen “zeitlosen” Rahmen zu beziehen, nicht auf Umverteilung. Recht soll ein Planungsinstrument für individuelle Entscheidungen sein, das dem Individuum ermöglicht Entscheidungen des Staats in bestimmten Situationen vorauszusehen. Jedoch darf durch den Staat keinesfalls wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg einer im rechtlichen Rahmen gesetzten Entscheidung dadurch vorhersagbar sein.

Planung, die sich nicht auf einen allgemeinen Rahmen bezieht, bezieht sich zwangsläufig auf den Entscheidungsbereich des Individuums. In diesem Fall bedeutet Planung immer Freiheitseinschränkung, der Ausgangspunkt des Totalitarismus. Planung darf daher nie Wettbewerbseinschränkend sein.

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EHCI 2007: Europas bestes Gesundheitssystem – Der Mythos lebtt

Kritische Betrachtung des Euro Health Consumer Index© 2007

 

Der aktuell ständig zitierte Euro Health Consumer Index© (EHCI©) kommt zum Ergebnis, dass das Österreichische Gesundheitssystem das beste Europas ist. Insbesondere seitens der Ärztekammer wird angesichts der Studie gemahnt, dass eine Reform – und sei es auch nur ein Reförmchen – eine Bedrohung für diesen Status ist. Der Mythos des besten Gesundheitssystems wird wieder beschworen und als Schutzschild gegen jede Änderung eingesetzt. Dabei ist Österreichs Gesundheitssystem nur deswegen so leicht als „das beste der Welt“ zu bezeichnen, da das Gegenteil aufgrund der Intransparenz und Unehrlichkeit nur schwer zu beweisen ist. Und paradoxerweise könnte diese „Studie“ genau das.

Vorab muss gesagt werden, dass der EHCI© nicht, wie z.B. im Ärztekammerblatt „Medizin populär“ verbreitet wurde, eine offizielle EU-Studie ist. Obwohl das Wort „Euro“ im Titel steht und das publizierende Büro in Brüssel ist, handelt es sich um die private Studie einer schwedischen Beratungsfirma. Eigentlich ist der EHCI© nicht einmal eine Studie im herkömmlichen Sinn. Sogar die Autoren weisen darauf hin, dass die Aussagen nicht wissenschaftlich und die Ergebnisse mit großer Vorsicht zu interpretieren sind und nur sehr restriktiv für Rückschlüsse herangezogen werden dürfen. Anders sieht der Ärztekammerpräsident (http://www.aerztekammer.at;  Presseaussendung 3.10. 2007) die „wissenschaftliche Untersuchung schwedischer Experten“. Für ihn „ist [damit] nachgewiesen, dass das österreichische Gesundheitssystem auch dem wirtschaftlichen Kriterium der Effizienz entspricht. Das Lamento heimischer Pseudo-Ökonomen, die unser System laufend mies machen, ist daher überflüssig“. Ob er mit den Pseudo-Ökonomen unter anderem den Obmann der WGKK gemeint hat, der kurz davor  (Die Presse 29.8.2007) meinte: „Wir haben keine Transparenz, keine Qualität und keine Effizienz im Gesundheitswesen“, lässt sich nicht sagen.

Der EHCI© besteht aus fünf Untereinheiten – „Patientenrechte und -information“, „Wartezeiten“, „Heilungserfolge“, „Großzügigkeit“ und „Arzneimittelzugang“ – die ihrerseits durch mehrere Indikatoren definiert werden. Insgesamt gibt es 27 Indikatoren, für jeden werden (willkürlich) Referenzwerte festgelegt, die eine Einteilung in die „Qualitäten“ rot, gelb und grün ermöglicht. Zudem gibt es auch ein Punktesystem, bei dem maximal 1000 Punkte erreicht werden können. Im Wesentlichen werden die Indikatoren aus mehr oder weniger leicht zugänglichen Daten (einer Mischung aus offiziellen Statistiken und publizierten Studien) gebildet und so zusammengestellt, dass sie geeignet erscheinen, Aussagen über das Gesundheitssystem zu treffen. Eine so einfache Methode ist für eine so komplexe Fragestellung nicht geeignet. Ob es dann reicht, durch eine willkürliche Auswahl von Interviewpartnern die Datenlage zu konkretisieren, ist fraglich. Als kleines Detail am Rande: in Österreich hat das Ministerium eine Mitarbeit abgelehnt, für Interviews standen, wie Studienautor Björnberg (Der Standard 1.10.2007) mitteilt, im Wesentlichen nur Vertreter der Österreichischen Ärztekammer zu Verfügung. Normalerweise lehnen Ärzte es kategorisch ab, über Indikatoren gemessen zu werden. Im Zusammenhang mit dem EHCI© dürfte diese grundsätzliche Einstellung (nach bekannt werden des Ergebnisses?) geändert worden sein.

Selbst bei oberflächlicher Analyse sind Bewertungen des EHCI© oft nicht haltbar. So gibt es beispielsweise anders als angegeben kein „Recht auf eine Zweit-Meinung“. Warum die Bewertung des Indikators „Patientenorganisationen sind in Entscheidungsprozesse involviert“ rot ist, ist nicht nachvollziehbar. Die Patientenanwaltschaft ist in vielen Gesundheitsplattformen und Entscheidungsprozessen vertreten. Der Indikator „Wartezeiten für Herzkathetereingriffe, Hüft- und Knieoperationen“ wird gelb bewertet, was bedeutet, dass 50 – 90% der Patienten eine entsprechende Therapie innerhalb von 90 Tagen erhalten. Bei Wartezeiten von kolportierten 365 Tagen (in Wien) ist auch dieser Wert wenigstens anzuzweifeln. Die „Zahnmedizinische Versorgung durch das öffentliche Gesundheitssystem“ wurde grün bewertet, was bedeutet, dass die öffentlichen Ausgaben für Zahnversorgung mehr als 10% der gesamten öffentlichen Gesundheitsausgaben ausmachen müssten. Die Krankenkassen geben aber nur etwa 800 Mio.€ für die Zahnversorgung aus, also ein bisschen mehr als 4%. Das würde eine rote Bewertung bedeuten. Der Rest wird aus der eigenen und nicht der öffentlichen Tasche bezahlt.

Am Ende halten 13 von 27 Bewertungen einer Überprüfung nicht stand. Wenn allerdings 50% der Indikatoren in Österreich falsch bewertet wurden, dann stellt sich die Frage, was in anderen Ländern nicht stimmt. Andererseits würde Österreich bei einer Neuberechnung mit 688 statt 806 Punkten auf Platz 10 landen. Ein Platz, den wir in anderen Rankings – z.B.: der WHO – öfter erreichen.

Der EHCI© baut, wie die Autoren selbst zugeben, auf inhomogenen, schlecht vergleichbaren Daten aus offiziellen Statistiken und publizierten Studien auf. Das die österreichischen Daten in den offiziellen Statistiken teilweise falsch sind, ist den Autoren nicht vorzuwerfen. Was daraus jedoch ersichtlich wird, ist wie leichtfertig in Österreich Statistiken „gefälscht“ werden um „gut“ da zu stehen. Daten zur Ergebnisqualität medizinischer Leistungen werden weder systematisch gesammelt, geschweige denn miteinander verglichen oder veröffentlicht. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Auf die Spitze wird diese Situation durch einige – hoffentlich nur wenige – Ärztekammerfunktionäre getrieben. Diese sind in den letzten Wochen immer wieder als vernunftresistente Reformverweigerer in Erscheinung getreten und haben ihre Thesen mit dem EHCI© untermauert. Ganz abgesehen davon, dass unterstellt werden muss, dass sich diese Funktionäre mit dem EHCI© kaum oder gar nicht auseinandergesetzt haben, werden andere Aussagen einfach verschwiegen, z.B. dass wir nach den Berechnungen der Autoren das zweitteuerste System Europas haben oder dass verglichen mit west- und nordeuropäischen Staaten ein Problem mit Schmiergeldzahlungen zu vermuten ist. Unehrlichkeit zieht sich durch das gesamte österreichische Gesundheitssystem und wird durch die herrschende Intransparenz unterstützt. Auch wenn sich die Akteure im Gesundheitssystem ansonsten selten einig sind, in einem Punkt herrscht Eintracht: Bloß keine Transparenz.

Der Präsident des schwedischen Beratungsunternehmen, das den EHCI© erstellt hat, Johan Hjertqvis empfiehlt im Übrigen folgendes: “Gesundheitsleitsysteme, wie beispielsweise NHS Direct in Großbritannien oder die dänische Krankenhausbeurteilung sind gute Beispiele dafür, wie man das österreichische Informationsdefizit in Angriff nehmen könnte!“ Dem ist nichts hinzuzufügen

 

 

Hintergrund: Detail-Analyse

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