Das gesundheitspolitische Sprachgewirr

Gerne wird behauptet, wir hätten das beste Gesundheitssystem und argumentiert das beispielsweise mit den Erfolgen der Krebsbehandlung.

Abgesehen, dass die meisten Aussagen arbiträr sind, werden dabei Behandlung, Versorgung und Gesundheitssystem vermischt. Grundsätzlich gilt aber, dass die Behandlung eines Patienten nicht automatisch etwas mit seiner Versorgung und noch viel weniger mit dem System zu tun hat. Daher können Behandlungserfolge auch nicht direkt der Versorgung und schon gar nicht dem System zugesprochen werden. Gesundheitssystem, Versorgung und Behandlung sind, wiewohl systemisch miteinander verknüpft, verschiedene Ebenen.

Behandlung ist das, was in der Beziehung zwischen Patient und seinem Arzt (oder Gesundheitsprofessionisten) unmittelbar passiert.

Die beiden treffen sich aber nicht zufällig und grundlos. Hinter ihnen steht eine komplexe Logistik, die ein Treffen erst ermöglicht. Sei es, dass Trivialitäten wie Treffpunkt (Ordination, Spital etc.) und Finanzierung, aber auch komplexe Umstände, wie die Motivation der beiden vorhanden sein müssen. Beim Patienten ist letzteres scheinbar einfach, schließlich ist er krank. Aber auch da gibt es nicht triviale Fragen: Welche Schmerzen, Wege, Wartezeiten ist er bereit auf sich zu nehmen, um zum Treffpunkt zu gelangen? Welches Risiko (z.B.: Verlust der Selbstbestimmung) besteht, wenn er sich in diese, von Informationsasymmetrie geprägte, Beziehung, einlässt? Noch komplexere Fragen findet man beim Arzt. Schließlich wird von der Bezahlung bis zu den Arbeitsbedingungen alles Anreize darstellen, diese Beziehung in die eine oder andere Richtung zu steuern. All diese Fragen und Antworten gehören zur Versorgungsebene.

Und weil diese nicht im luftleeren Raum steht, schwebt darüber das Gesundheitssystem. Hier sollten die Fragen abstrakt sein: Was soll das System erreichen? Wie entwickle ich Ziele und wie messe ich sie? Und: Von wem nehme ich für wen das Geld?

Standortdiskussionen gehören nicht zu Systemfragen und Behandlungsfragen schon gar nicht. Im allgemeinen Sprachgewirr, wird aber Gesundheitssystem, Versorgung und Behandlung synonym verwendet; meist von Akteuren, die ein Eigeninteresse daran haben, dass die Bevölkerung keine Unterscheidung treffen kann. Das ermöglicht politischen Gewinn, da so jede erfolgreiche Behandlung – und das sind ja die meisten – als Erfolg des Systems oder der Versorgung im Allgemeinen und deren politischer Vertreter im Besonderen gewertet werden kann.

Die Grenzen der Ebenen sind übrigens dann klarer, wenn es um negative Erfolge geht. Üblicherweise ist ein Spitalsarzt dann selbst schuld und nicht das Spital und schon gar nicht das Bundesland. Analog im niedergelassenen Bereich, dort wird es nie zur Schuldhaftigkeit der Kassen oder des Gesundheitsministeriums kommen, wenn eine Behandlung erfolglos blieb.

Wer die Reformdiskussion anschaut, kann erkennen, wer es ernst meint und wer nicht. Will ein Akteur zusätzlich auf anderen als der eigenen Ebene bestimmen, dann geht es nur um Macht. Das ist beispielsweise so, wenn Länder sowohl Spitäler, inklusiver deren Abteilungsstrukturen, betreiben als auch (mit fremdem Geld) finanzieren wollen. Bei dieser Kompetenzvermischung zwischen System- und Versorgungsverantwortlichkeit ist prognostiziert, dass Ziele nicht unabhängig der Versorgungsstrukturen erstellt werden, und auch die Ergebnisse nicht objektiv sein werden, sondern dem entsprechen, was der Versorger erreichen will. Und weil da die Politik mitspielt, ist das Erreichte dann „das Beste der Welt“.

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein durch und durch ländlicher Reformvorschlag

Es ist beeindruckend und erschreckend, die „Realverfassung“ arbeiten und den, jegliche Entwicklung unterdrückenden, Provinzialismus herrschen zu sehen.

Wegen zu Guttenberg kaum beachtet, wurde das Jungendwohlfahrtsgesetz geändert. Anlass war nicht der Wunsch nach Verbesserung; nein, man musste was tun, weil unter den Augen der zuständigen Landesbehörden, die offenbar das Risiko falsch eingeschätzt hatten, mehrere Kinder zu Tode geprügelt wurden. Wesentlichste Änderung nun ist die Einführung eines Vier-Augen-Prinzips bei der Risikoeinschätzung. Diese Maßnahme könnte nicht nur Kinderleben retten sondern auch viel Leid und Tränen ersparen – aber sie kostet etwas: etwa 4 Millionen Euro für ganz Österreich!

4 Millionen! Die müssten bei den etwa 120.000 Millionen Euro, die uns die öffentlichen Hände jedes Jahr wegnehmen, einfach in der statistischen Unschärfe verschwinden. Jeder Mensch würde ohne Zögern ja sagen; aber, Landespolitiker sind anders: Wenn der Bund Kinder retten will (offenbar wollen Landespolitiker das nicht!), dann soll er das zahlen.

Deswegen haben sie – bestens organisiert in der Landeshauptleutekonferenz, einem nicht legitimiertem Kartell – schlicht Nein gesagt.

Man muss wissen, dass das Jungendwohlfahrtsgesetz, ähnlich dem Krankenanstaltengesetz, in der Ausführung Ländersache ist. Der Bund gibt den Rahmen vor und die Länder, über eigene Gesetze, die Umsetzung. Und da sie mit der Ausführungsgesetzgebung auch die Sanktionen bei Nicht-Einhaltung festlegen dürfen, ist klar, wenn sie nicht wollen, passiert wirklich nichts – Gesetz hin oder her! Und obwohl es für die einzelnen Länder hier nur um wenige hunderttausend Euro gegangen wäre, bezahlen wird es am Ende der Bund! Ohne dass es eine Garantie auf Umsetzung gäbe und das Geld nicht wie bei den Lehrern irgendwo verschwindet.

Jetzt geht es um die Spitalsreform und dabei nicht nur um vier, sondern um Hunderte Millionen Euro, die die Länder nicht haben, aber brauchen, wollen sie ihre Spitäler (eigentlich nur Einrichtungen, um über Ressourcen und Macht zu bestimmen) nicht verlieren. Und da die Länder bereits bewiesen haben, ohne jegliches Gewissen zu handeln, wenn nicht einmal geprügelte Kinder ihr Herz rühren, kann ich mir nicht vorstellen, dass sie hier auch nur einen Fingerbreit nachgeben!

Daher sehe ich schwarz! Ganz abgesehen, dass die Gesundheitsreform schon wieder sinnlos fragmentiert und geldlastig diskutiert wird (Kassensanierung, Spitalsfinanzierung, Pflegefonds – grauenhaft), ist wohl außer zusätzlichem (Bundessteuer)Geld für die Länder nichts mehr möglich. Denn genau das, gut verklausuliert unter blendenden Absichten und nach Zugeständnissen klingenden Worten, bedeutet der Reformvorschlag, den die Länder letzten Freitag beschlossen haben.

Noch wird so getan, als ob es Verhandlungsspielraum gäbe. Immerhin konnte man bis vor kurzem noch hoffen, dass Maastricht helfen würde, den Wahnsinn zu beenden. Denn, wenn Milliarden Euro ausgelagerter und immer weiter wachsender Spitalsschulden ins Budget zurückfallen, sollte das ein Finanzminister – so sehr er am Gängelband familiärer Strukturen und der Realverfassung hängt – nicht ignorieren können. Und dann sind da noch Hans Jörg Schelling vom Hauptverband und Gesundheitsminister Alois Stöger. Beide woll(t)en der ländlichen Macht entgegentreten. Ihnen zur Seite stehen die gesamte Opposition, alle Medien, alle Experten und sogar das Volk.

Doch das reicht nicht! Denn die Kurfürsten der Realverfassung haben anders entschieden – und das kann niemand ändern. Armes Österreich!

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Scheinheiligkeit in der Zwei-Klassen-Medizin

Österreicher leben auf einer Insel der Seligen und mögen keine Veränderungen. Dafür akzeptieren sie auch allerhand Scheinheiligkeit.

HR Dr. P, Beamter i.R. und Bezieher einer stattlichen Pension, hat eine Zusatzversicherung. Jetzt braucht er eine Hüfte und wähnt sich ob seiner Beziehungen und seiner Zusatzversicherung in guter Position, sowohl Spital als auch Zeitpunkt der Operation aussuchen zu können.

Tja – darf er das überhaupt? Dem geschriebenen Gesetz nach natürlich nicht. Aber was sind die hierzulande schon wert?

Rechtlich erlaubt eine Zusatzversicherung gar nichts, außer ein bisschen Luxus und die Möglichkeit, sich den Arzt im Spital auszusuchen.

Wie schaut es aber mit dem ungeschriebenen Gesetz aus? Immerhin gilt ja nicht einmal die Verfassung in ihrer geschriebenen Form, sondern nur die „Realverfassung“. Also gelten vermutlich auch „Realgesetze“.

1,1 Millionen Österreicher haben eine Zusatzversicherung. Von ihren Beiträgen werden an Ärzte in öffentlichen Spitälern jährlich 500 Millionen Euro als Honorare ausbezahlt. Bedeutet, dass jeder Spitalsarzt monatlich etwa 900 Euro netto (bei 14 Gehältern) zusätzliches Einkommen hat. Von seinem eigentlichen Arbeitgeber, meist Ländern, erhält er etwa 2.900 Euro. Zählen wir zusammen, verdient er – wohlgemerkt, vom Turnus- bis zum Primararzt – etwa 3.750 Euro netto – ein Viertel davon aus einer „Zusatzbeschäftigung“.

Aber, die Zusatzgelder werden nicht gleichmäßig verteilt. Der Chef kriegt am meisten, der Turnusarzt am wenigsten.

Nehmen wir eine Abteilung mit 20 Ärzten. Wären die Gelder normal verteilt (was keiner weiß), würden dort etwa 250.000 Euro zusätzlich und netto ausbezahlt. 60 Prozent behält der Primar – macht ein monatliches Zusatzbrot von 10.700 Euro. Das ist fast drei (!) mal mehr, als ihm sein eigentlicher Arbeitgeber bezahlt! 36,5 Prozent werden an die 12 Fach- und Assistenzärzte ausbezahlt – als drei Prozent pro Nase (hier gibt es je nach Alter und Funktion erhebliche Differenzen): sind pro Monat 540 Euro netto und knapp 20 Prozent des Einkommens. Die verbleibenden 3,5 Prozent teilen sich die sieben Turnusärzte; ergibt vielleicht 100 Euro; die machen sich gegenüber den 2.000 Euro Normaleinkommen (inklusiver Überstunden und Nachtdienste) richtig bescheiden aus.

Der Chef bezieht also in einem politisch dominierten System, dass offiziell eine Zwei-Klassen-Medizin weder sieht noch will, analog zum Bonussystem der Bankenwelt, ein „erfolgsabhängiges“ Einkommen. Warum? Ganz einfach, weil man ihm öffentlich nicht mehr zahlen will! Anders ausgedrückt, hat die Politik, nur um sich die vielen Spitäler leisten zu können, über die letzten Jahrzehnte es zugelassen, ja gefördert, dass Primarärzte danach trachten, zusätzliche Gelder zu lukrieren – von denen ja auch die Spitäler etwa 250 Millionen Euro erhalten.

Und jetzt überlegen wir. Wird der Primar an der Idee der „Ein-Klassen-Medizin“ fest- und die Gesetze einhalten und seine Abteilung so führen, dass jeder „gleich“ behandelt wird? Welche Hilfe erhält er dabei von der Politik – oder wird ein idealistischer, gesetzestreuer Primar nicht eher von ihr abgestraft?

Und wenn die Zwei-Klassen-Medizin dann öffentlich diskutiert wird, erzählt uns die Politik irgendetwas über Gesetze und schimpft auf böse neoliberale Versicherungen und geldgierige Ärzte. Aber das wahrlich Schlimme daran ist, dass 80 Prozent der Bevölkerung von dieser Scheinheiligkeit wissen und sich nicht darüber aufregen; denn: „Solange der Österreicher noch Bier und Würstel hat, revoltiert er nicht.“ (Beethoven)

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wir brauchen mehr Medizin-Universitäten

Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Petra S. ist alleinerziehende Mutter eines Dreijährigen und seit einem Jahr in einem Wiener Spital in der Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin, auch Turnus genannt. Ausbildung ist allerdings zu viel gesagt, denn ihre Hauptaufgaben sind nach wie vor Blut abnehmen, Infusionen anhängen und Papierkram erledigen. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit, die bis zu 80 Wochen-Stunden ausmacht, wird sie alles andere als ausgebildet. Ausgenützt trifft es eher.

Auf die Tatsache, dass sie alleinerziehend ist, wird keine Rücksicht genommen. Eine Teilzeitausbildung, in manchem Bundesland möglich, gibt es beim Wiener Krankenanstaltenverbund, immerhin der größte Ausbildner Österreichs, nicht. Apropos Teilzeitturnus: bis zu 40 Wochen-Stunden (Teilzeit?) bei nur einem Drittel des Gehalts einer Vollzeitkraft – verdienen kann man nur mit Nachtdiensten, die aber bei Teilzeit seltener sind.

Petra S. hatte letzten Samstag Dienst, 24 Stunden am Stück. Da ihre Kollegin (auch Mutter), die sie am Sonntag ablösen hätte sollen, akut erkrankt war, und Petra S. kurzfristig keinen Ersatz für die erkrankte Kollegin finden konnte (ja, auch das ist Aufgabe der Turnusärzte!), musste sie bis Montag bleiben.

Als sie dann nach 48 Stunden Dienst, von denen sie insgesamt sechs Stunden geruht hatte, nach Hause kam, den Babysitter mit dem gerade verdienten Geld bezahlt hatte und vor dem Abholen ihres Sohnes vom Kindergarten noch ein bisschen Nachrichten lesen wollte, erfuhr sie auf orf.at, dass Gesundheitsminister Alois Stöger die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Ärzten in Österreich für gut befindet. Und lachte schallend.

Langsam aber sicher, finden Spitäler immer schwieriger Turnusärzte und auch fertig ausgebildete Ärzte wollen immer seltener im öffentlichen System bleiben. Ein Ärztemangel wird diagnostiziert. Und der soll sich verschlimmern, zum Beispiel wegen einer Pensionierungswelle. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Verweiblichung der Medizin. Viele Ärztinnen (zwei Drittel aller Turnusärzte) kehren noch während ihrer Ausbildung aufgrund der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Medizin für immer den Rücken.

Und, da nicht nur die Arbeits- sondern auch die Ausbildungsbedingungen schlecht sind, sind immer mehr Uni-Absolventen bereit, ins Ausland zu gehen. Auch wenn dort sicher nicht Milch und Honig fließen, werden Jungärzte deutlich weniger für ausbildungsirrelevante Tätigkeiten herangezogen und die Ausbildung ist verglichen mit hier in der halben Zeit absolviert.

Sind nun mehr Studienplätze die Lösung? Natürlich! Je mehr Absolventen, desto mehr drängen auf den Arbeitsmarkt. Und wenn dann einige Jungmediziner nicht bereit sind, sich versklaven zu lassen und ins Ausland desertieren, bleiben doch genug übrig, die ihre Heimat nicht verlassen und sich ein österreichisches Ärzteleben antun. Und die sind dann, wie auch schon in der Vergangenheit, glücklich, wenn sie einen Job haben und lassen sich weiter auspressen wie Zitronen. Sie werden weiterhin Blutabnehmen und Infusionen anhängen, obwohl das, wie in anderen Ländern auch, Aufgaben anderer Berufsgruppen, sein sollten. Sie werden es sich auch gefallen lassen, wenn trotz steigender Arbeitsbelastung beim ärztlichen Personal gespart wird, ohne delegierbare Arbeit an nicht-ärztliches Personal umzuschichten.

Und es wird weiter alleinerziehende Mütter geben, die 48 Stunden am Stück arbeiten – und das ganz freiwillig. Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Österreich braucht mehr Spitäler

Tief im dunklen Norden Europas, in einem Land, in dem blonde Wilde hausen, spielt sich vor unseren Augen eine menschliche Katastrophe ab.

In Dänemark hat man der darbenden Bevölkerung die schlechte medizinische Versorgung noch verschlechtert. Tausende und Abertausende werden qualvoll sterben, die Wirtschaft restlos zusammenbrechen und die Bevölkerung wird verelenden. Denn man hat entschieden, 20 der 40 Spitäler (wir haben etwa 160) für immer zu schließen. Für 200.000 bis 400.000 Einwohner wird es nur noch ein Spital geben. Unerträglich – und die Welt schaut tatenlos zu.

Auch wenn unsere Gesundheitspolitiker auf Dänemark angesprochen so oder noch schwarzmalerischer reagieren dürften, eintreten wird das wohl nicht.

Mit nur 5,5 Millionen Einwohnern beträgt das dänische BIP 309 Milliarden US-Dollar. Bei uns (über 8 Millionen) sind es 385 Milliarden. Auch die dänische Arbeitslosigkeit liegt unter unserer. Zudem ist Dänemark, glaubt man dem Human Development Index der UNO, höher entwickelt als Österreich. Und als ob das nicht reicht: Ein 65-Jähriger hat dort fast doppelt so viele gesunde Lebensjahre vor sich wie bei uns – und dabei geben die weniger Geld aus. Wie machen die das nur mit so wenigen Spitälern?

Aber zurück nach Österreich. Da hat Landesrat Wolfgang Sobotka von Niederösterreich wieder einmal kundgetan, dass er Baden und Mödling – Synonyme für Verschwendung und Unsinn in der Spitalslandschaft – erhalten muss, weil ihm das Gesetz keine Wahl lässt. Und wieder einmal zitiert er das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, das für 50.000 bis 90.000 Einwohner eine Standardkrankenanstalt (die einfachste Spitalsvariante mit zumindest Innerer Medizin und Chirurgie) verlangt. Nachdem er das nun zum wiederholten Mal tut, muss auch ich einsehen, dass er nur gesetzestreu sein will. Immerhin ist er als Landesrat und sogar Landeshauptmann-Stellvertreter auf die Verfassung vereidigt und verpflichtet, die Gesetze zu halten.

Daher ist es dringend an der Zeit, dass die Politik gesetzeskonform neue Spitäler errichtet. Denn das Spital in Mödling hat ein Einzugsgebiet von 188.000 Einwohnern. Man braucht dort also nicht nur eines, nein sogar drei Spitäler und in Baden mindestens zwei. Eigentlich muss im Einzugsgebiet von fast jedem niederösterreichischen Spital ein zusätzliches errichtet werden.

Aber nicht nur die Niederösterreicher sind mit eklatanten Gesetzesbrüchen ihrer Obrigkeit konfrontiert. Mit Vöcklabruck, Steyr und Wels reiht sich Oberösterreich in die Schar der Gesetzesbrecher. Die Vorarlberger Autoritäten lassen rund um Bregenz die Menschen ungesetzlich im Regen stehen und in Kärnten sind es die Regionen rund um Villach und Spittal; in Tirol ist es die Schwazer Bevölkerung und in der Steiermark die Gegend rund um Judenburg. Aber am buntesten treiben es die Wiener. In Floridsdorf steht fast 300.000 Einwohnern nur ein winzig kleines Spital zur Verfügung – grässlich! Und die Liste ist sicher nicht vollständig.

Also, liebe Politiker, nehmt euch ein Beispiel an den niederösterreichischen Regenten: Dort wird wenigstens versucht, Gesetze – wer macht die überhaupt? – zu befolgen. Wenn ihr schon keine Behinderten einstellt, dann baut doch wenigstens Spitäler!

Manchmal frage ich mich ernsthaft, warum Politiker einfach so Unwahrheiten und Stuss verbreiten können – und das nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder –, ohne dass es Konsequenzen gibt. Ob man beim nächsten Mal vielleicht ein paar dänische Gesundheitspolitiker wählen kann?

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Lernfähiges Oberösterreich?

Über Jahre hat man vom „Modell Oberösterreich“ gehört, und so die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse für ihre Wirtschaftlichkeit gelobt.

Das „Modell Oberösterreich“ umfasst aber nicht nur die Kasse, sondern auch Spitäler.

Seit Jahren steigen in OÖ die Spitalsfälle und haben heute den höchsten Wert österreichweit. Pro 100 Einwohner werden 30 Aufnahmen (50.000 über dem Bundesdurchschnitt!) gezählt – und das, obwohl die Bevölkerung verhältnismäßig jung ist.

Jedes andere Bundesland, sogar Niederösterreich, wäre längst pleite. Nicht aber OÖ. Denn dort, und nur dort, werden 50 Prozent der Patienten in Ordensspitälern versorgt. Und weil diese Spitäler, zwischen 17 und 25 Prozent effizienter sind, als öffentliche, können Spitalskosten trotz hoher Inanspruchnahme niedrig gehalten werden.

Würden Ordensspitäler mit der gleichen Effizienz arbeiten wie öffentliche, kostete das um mindestens 180 Millionen Euro mehr – Geld, das vom Land bezahlt werden müsste.

Weiter: Würde, durch Reformen, die Zahl der Aufnahmen auf normales Maß reduziert, dann ersparte sich das Land „nur“ etwa 100 Millionen. Bleiben daher ein „Netto-Gewinn“ von mindestens 80 Millionen jährlich, UND der nicht zu unterschätzende politische Gewinn, jede Abteilung in jedem Spital halten zu können. Seitens der Politik gab es also wenig Anreize, das Modell zu ändern.

Der große Nachteil des Modells, alle Spitäler sind in einen Konkurrenzkampf eingetreten und haben versucht, über immer mehr Patienten ständig zu wachsen – eine desaströse Strategie. Aber genau das war andererseits die Rahmenbedingung für die Kassen!

Zwar haben Hausärzte ein für Österreich geradezu vorbildliches Leistungsangebot und könnten damit ein gut funktionierendes Hausarztsystem aufbauen. Aber, ob das auch in ausreichendem Maß am Patienten ankommt, wurde nicht kontrolliert – weil nicht nötig. Eine etwaige Unterversorgung wurde durch die Spitäler aufgefangen. Auch bei Fachärzten, die deutlich seltener als in anderen Bundesländern zu finden sind (was per se nicht schlecht sein muss, aber deswegen ist die Kasse wirtschaftlich im Plus), wurde nicht darauf geachtet, wie sie arbeiten.

Es ist überhaupt jedem Kassenarzt überlassen, was er tut. Ob alles oder nur Teile der „erlaubten“ Spektrums und was wie oft angeboten wird, ist seine Sache. Anders ausgedrückt, keiner kontrolliert, ob ein Arzt so behandelt, wie es im Sinne des Patienten richtig wäre (also so selten wie möglich ins Spital zu müssen); aber sehr wohl wurde die Wirtschaftlichkeit kontrolliert. Und da Spitäler „gerne“ Patienten angenommen haben und die Honorare verhältnismäßig niedrig sind, wurde bei niedergelassenen Ärzten, besonders bei Fachärzten, eine Überweisungskultur gefördert, die zu häufigeren Ambulanzbesuchen und so zu immer mehr stationären Aufnahmen führte. Für Patienten war das Blödsinn, auch wenn es betriebswirtschaftlich „gut“ aussieht.

Jetzt dämmern ob der Enns „echte“ Reformen. Es gibt dabei zwei große Aufgabenblöcke: Für das Land, die Spitalslandschaft so umzubauen, dass die Abstimmung mit der Pflege möglich wird, und so Pflegepatienten nicht mehr unnötig oft oder zu lange im Spital liegen. Für die Kasse heißt es, darauf zu achten, dass ihre Ärzte „mehr“ behandeln und so die Zuweisungen zu den Spitälern reduzieren. Letzteres hat sich die Kasse offen als Ziel gesetzt und ist damit vorgeprescht. Nun kann man gespannt sein, ob auch das Land die Aufgaben einer Spitalsreform erkennt und ähnliche Ziele formuliert. Ob das dann auch umgesetzt wird, steht ohnehin auf einem anderen Blatt Papier.

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Das Gerede über die Spitalsreform

Die Spitalsreform dreht sich seit Jahrzehnten um die gleichen Themen, die konsequenzlos nicht nur be- sondern meist auch zerredet werden. Auch diesmal?

1997, nach zehnjähriger Vorbereitung, wurde die Spitalsfinanzierung reformiert – mit dem Ziel, die hohe (verglichen mit heute allerdings um 30 Prozent niedrigere!) Zahl an Spitalsaufnahmen zu reduzieren und Kosten transparent darzustellen. Das ging schief, wie eine politisch zurückgehaltene Evaluierung ergab.

Ab 2000 wurde eine Reform der Planung vorbereitet, mit dem Ziel, der regional inhomogenen Versorgungssituation und der seit der Finanzierungsreform sprunghaft steigenden Zahl an Aufnahmen zu begegnen. Statt Standorte und Betten, sollten Leistungen geplant werden, um die Strukturen (Standorte und Betten) dem Bedarf anzupassen. Mehr als drei Jahre dauerten die politischen Vorgespräche bevor mit konkreten Arbeiten begonnen wurde.

Als diese Mitte 2005 fertig waren, war die Politik, trotz jahrelanger Vorbereitung, ständiger Arbeitsgruppen, regelmäßiger Arbeitsfortschrittberichte an die Politik und Projektkosten in Millionenhöhe, mit den Ergebnissen nicht einverstanden; innerhalb kürzester Zeit wurden Kaugummiparagraphen erfunden. Zwar haben sich nach außen alle darauf verständigt, dass Strukturen bedarfsorientiert sein müssen, aber mit Hilfe dieser Paragraphen konnte man für alles „Ausnahmeregelungen“ finden.

Als Anfang 2006 der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG), das Produkt dieser jahrelangen Arbeiten, von Ländern, Sozialversicherungen und Bund in der Bundesgesundheitskommission – die ja auch diesmal wieder bestimmend sein soll – in Kraft gesetzt wurde, war vom ursprünglichen Vorhaben wenig übrig, und das was blieb, musste, weil ohne Sanktionsmechanismen, nicht Realität werden.

Als im Dezember 2010, mit mehrjähriger Verspätung, endlich auch Niederösterreich mit der im ÖSG vorgeschriebenen regionalen Planung fertig war, konnte jeder, der sich auskennt, sehen, dass doch nur wieder Standorte und Betten wichtig waren. Und um diese zu schützen, wurde (fast) österreichweit auf die „Planer“ solange „Druck“ ausgeübt, bis deren Berechnungen das ergaben, was die Politik wünscht. „Schönrechnen“ ist überall Unart; warum das bei der Heeresreform so große Wellen schlägt?

All das und viel mehr führt nicht dazu, zu glauben, dass die jetzige Spitalsreform was wird. Auch dass ein Zeitplan existiert, heißt nichts. Denn solche haben es sogar schon in Gesetze hinein geschafft – allerdings ohne, dass irgendwer sie gehalten hätte; ohne Sanktionen sind diese doch nur Makulatur.

Und trotzdem, es könnte diesmal anders sein. Einerseits ist da der Hauptverband mit seiner schonungslosen Fehleranalyse. Fehlerbewusstsein bei wichtigen Playern ist immer gute Basis für echte Reformen. Aber noch wichtiger scheint, dass die neue Führung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, medial völlig unbemerkt, erstaunliches formuliert. Dort will man in den eigenen Reihen nach Möglichkeiten suchen, Spitalsaufnahmen zu reduzieren, zum Beispiel durch den Ausbau der Hausarztbetreuung. Und ganz offen wird festgehalten (und damit zugegeben), dass das bloße Hin- und Herschieben von Leistungen und Kosten zwischen Spital und niedergelassenem Bereich nicht im Sinne der Versicherten sein kann. Einfach toll!

Wenn Oberösterreich Schule macht und die Ärztekammer noch aus ihrem Schmollwinkel heraus käme, dann wären vielleicht sogar die Länder, denen glücklicherweise das Wasser bis zum Hals steht, besiegbar – und dann könnten es wirklich so sein, dass dem Reden echte Reformen folgen.

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Jetzt wird es ernst

Maastricht lehrt den Landesspitälern das fürchten – und weil es keine Gesundheitsreform gibt, werden Spitalsmitarbeiter an den Lehren leiden.

Als die Finanzkrise kam, gab es mahnende Stimmen, die vor massiv schrumpfenden Steuereinnahmen aufgrund der daraus resultierenden Wirtschaftskrise warnten. Spätestens seit 2008 mahnten Stimmen, endlich jene Strukturreformen anzugehen, die seit Jahrzehnten überfällig sind; immer mit dabei, Gesundheitssystem und Spitäler.

Dann war sie da, die Krise. Dass wir Normalsterblichen kaum etwas mitbekommen haben, liegt an den gigantischen Geldmitteln, die zu unserem Wohl (?) und um uns bei Laune zu halten, verteilt wurden. Das Geld kam und kommt über Schulden, aber das interessiert nur Kleingeister.

Den Reigen hat Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer eingeleitet, als er den Ländern Schulden statt Überschüsse erlaubte. Und tatsächlich haben diese 2009 drei Milliarden Euro mehr unters Volk gebracht als noch 2008. Das meiste davon ging in Spitäler – vermutlich eine Milliarde in den Betrieb, mindestens eine weitere in Neubauten oder „dringend notwendige“ Modernisierungen. An eine Reform war bei einem solchen Geldsegen gar nicht zu denken. Und die Kleingeister (wozu wohl auch Hauptverbandschef Hans Jörg Schelling gezählt werden muss), die stetig eine solche einforderten, wurden belächelt.

Und so haben sich jene, die sich nicht kümmern, woher Geld kommt, auch nicht im geringsten Gedanken gemacht, was passiert, wenn es nicht mehr kommt – so etwas galt in diesen Kreisen wohl als obszön.

Und dann passierte es. Die Griechen haben uns dermaßen hineingeritten, dass die Euro-Länder (nicht aber unsere Bundesländer) beschlossen haben, der populistischen Schuldenpolitik entgegenzutreten. Die Folge ist, dass die „Maastricht-schonend“ ausgelagerten Spitalsschulden – mindestens drei, vielleicht aber auch zehn Milliarden Euro – nun ins Budget zurückfallen. Damit war der Traum vom ewigen Geldregen vorbei. Das passierte fast ohne Aufschrei, denn vermutlich haben viele Bundesländer die Schreckstarre noch nicht überwunden oder sich in eine neurotische Verweigerung zurückgezogen. Ändert aber nichts! Sie werden demnächst auf dem Trockenen sitzen.

Da aber keine Überlegungen stattgefunden haben, wie man mit einer solchen Situation umgeht, und auch jede Gesundheitsreform untergraben oder unterbunden hat, tritt ein, wovor vor zwei Jahren gewarnt wurde.

Die Personalkosten sind mit 56 Prozent der Gesamtkosten der größte Block. Im Personalabbau sieht man nun (nicht nur in Wien) sein Heil. Da politisch ein solcher über Kündigungen kaum umzusetzen ist, greift man zum „natürlichen“ Abgang. Damit kommt es zu einer paradoxen Situation.

Den größten „natürlichen“ Abgang, der in Spitälern weniger durch Pensionierung als durch Fluktuation gegeben ist, findet man dort, wo die Arbeitsbelastung (insbesondere für Jungärzte, die meist nur auf Zeit angestellt sind, und für das Pflegepersonal) am größten ist. Dort, wo die Arbeit vergleichsweise gemütlich ist, ist die Fluktuation geringer. Der Stellenabbau wird daher genau dort stattfinden, wo der größte Arbeitsdruck herrscht, der dadurch noch größer wird. Das wird die Fluktuation weiter anheizen und es wird immer schwieriger werden, Personal zu finden – ein virtueller Mangel wird entstehen.

Und so beginnen sich die Spiralen schneller zu drehen und am Ende steht dann doch eine Reform. Allerdings eine erzwungene, und solche sind immer schlechter als gut vorbereitete.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Frohbotschaft der Gesundheitsstatistik

Erstmals seit zwei Jahrzehnten soll die Zahl der spitalsversorgten Patienten 2009 rückläufig gewesen sein.

Der Rückgang der Spitalspatienten ist zwar nur sehr sehr gering, man spricht von 0,2 Prozent oder etwa 5.000 Fällen, aber manche, sehr wenige, hoffen trotzdem, darin eine Trendwende erkennen zu können.

Nun, abgesehen, dass simples Zählen wenig sagt – ist die Zahl der Patienten gesamt, also unabhängig, ob bei niedergelassenen Ärzten oder im Spital versorgt, vielleicht rückläufig und so der Anteil der Spitalspatienten gleich geblieben? Sind die Zahlen mit den Vorjahren vergleichbar, haben doch immerhin sehr viele Spitäler „virtuell fusioniert“ um K.O.-Kriterien (Fallzahlen!) zu umgehen und damit die komplizierten und sehr fragilen Patientenzählmethoden irritiert? Gehen mehr Patienten in Privatspitäler, die bei dieser Rechnung nicht mitgerechnet werden? Wie viele Abteilungen und Spitäler wurden zur Konjunkturbelebung 2009 umgebaut und konnte daher nicht im Vollbetrieb arbeiten? Und so weiter … – gab es so etwas bereits 2005. Damals sank die Zahl sogar etwas mehr und es gab echten Anlass an eine Trendwende zu glauben; wurde doch der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG), der dem explosionsartigen Wachstum der Spitalspatienten seit Einführung des leistungsorientierten Krankenanstaltenfinanzierung (LKF)-Systems 1997 Einhalt gebieten sollte, beschlossen. Aber die damalige Beobachtung erwies sich als nicht nachhaltig. Im Gegenteil, 2006 sprangen die Zahlen mit einem Satz wieder nach oben.

Betrachtet man den Zeitverlauf seit 1996, sieht man auch 2000, zwar keinen echten Rückgang aber eine „Wachstumsdämpfung“; von der nicht wirklich bekannt ist, wieso sie stattfand. Und, warum die Zahl 2001 wieder raufschnellte, ist ebenfalls unerforscht.

Wenn jetzt die Zahl wieder einmal „sinkt“, dann ist das wohl ebenfalls nur eines jener unerklärlichen Phänomene, die mit Regional-, Landtags- oder sonstigen Wahlen oder Änderungen in der Finanzierung oder Vertragsabschlüssen zwischen Ärztekammern und Krankenkassen oder unterschiedlich ausgeprägten Grippeepidemien oder Warnungen vor Menschenansammlungen wegen der Grippe oder sonst irgend etwas zusammenhängen. Vielleicht ist es diesmal auch die Finanzkrise oder aber auch das Wetter am 28. August, wer weiß?

Wirklich belegen kann man nichts, nicht nur, weil es niemanden wirklich interessiert, sondern auch weil das Spitalswesen nicht einheitlich ist.

Während in Oberösterreich die Aufnahmen auch 2009 steigen, sinken sie in Kärnten schon seit 2004 kontinuierlich. Bezogen auf die Wohnbevölkerung zählen wir in Oberösterreich 30 Aufnahmen pro 100 Einwohner, Kärnten liegt mit 26 im Österreichschnitt, in Wien sind es 24, und die Steiermark, weil sie für die onkologische Versorgung einen speziellen Deal mit der Krankenkasse hat, kommt gar mit nur 23 aus.

Außerdem sollte man nicht vergessen, dass die Zahl der Spitalspatienten nicht unendlich vergrößerbar sein kann. Früher oder später muss sich auch in Österreich die Spitalshäufigkeit irgendeinem Wert annähern, der nicht überschritten werden kann. Wenn wir bedenken, dass die Deutschen mit 21, die Schweizer mit 15, die Niederländer gar nur mit etwa 11 Aufnahmen pro 100 Einwohner auskommen, liegen wir mit unseren 26 ohnehin jenseits von Gut und Böse. Wohin soll denn diese Zahl noch wachsen?

Also ist die Hoffnung auf eine Trendwende noch verfrüht. Aber, dass diese gesehen wird, zeigt auch, dass die Hoffnung auf eine Gesundheitsreform, die eine wirklich ist, noch nicht tot ist.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Steuererklärungen à la Gesundheitspolitik

Demnächst werde ich wieder meine Steuererklärung machen müssen. Denn, wie bekannt ist, muss man ja nur zwei Sachen wirklich: Sterben und Steuern zahlen.

So eine Steuergeschichte ist immer sehr mühsam, weil man, will man legal bleiben, jedem Cent nachlaufen und genau schauen muss, ob er eh an der richtigen Stelle vermerkt wurde. In Deutschland wurde letzthin ein sehr unbequemer Gesundheitsökonom (Peter Sawicki) wegen einer falschen Taxi-Abrechnung aus seiner Position entfernt – da kennt das System keine Gnade. Und wenn ich mich recht erinnere, hat man einen gewissen Al Capone auch nicht wegen seiner wirklich kriminellen Handlungen hinter Gitter gebracht, sondern wegen Steuerhinterziehung. Jaja, die Steuer ist schon ein eigenes Thema.

Also, um Probleme zu vermeiden, versuche ich immer katholischer als der Papst zu sein.

Andererseits, wenn man es bedenkt, sind Politiker in einer Demokratie ja Vorbilder. Und man sollte meinen, wenn man die Zahlen mit der gleichen Sorgfalt verwendet, wie Politiker dies tun, dann dürfte man kein Problem mit der Steuer haben. Also sollte ich es mal machen wie die Politik.

Für meine Ausgaben, also die Kosten für mein Unternehmen, werde ich, statt Belege vorzulegen, der Steuer einfach irgendwelche Informationen übermitteln – am besten über Zeitungsmeldungen. Dabei werde ich Beträge nicht oder nur so ungefähr nennen, und dafür mehr mit Prozenten um mich werfen, aber auch keine Angaben machen, wovon ich diese berechne!

Als bestes Vorbild sollte für mich immer Niederösterreich dienen. Dort wird, neben vielem anderen, behauptet, der Gesamtaufwand für die landeseigenen Spitäler ist 2009 um 0,88 Prozent gestiegen. Nachgerechnet, was man in Österreich bei Politikern ja ungern macht, dürften die Spitäler daher 2009 nur etwa 1.535 Millionen Euro gekostet haben. Vielleicht setzt sich ja jemand hin und kontrolliert diese Zahl!

Aber auch Minister Stöger, der letzthin wirklich positiv auffällt, fast so, als ob er endlich als österreichischer Gesundheitsminister angekommen ist, hat merkwürdige Zahlen ins Spiel gebracht.

Er rechnet jetzt alle stationären Einrichtungen zusammen – also auch Reha, Pflege, Kur etc. – und kommt für diese auf 15,4 Milliarden Euro Kosten für 2009. Das ist eine Zahl, die man so überhaupt noch nie gehört hat. Ich konnte diese, mangels Datentransparenz, auch nicht nachrechnen – immerhin galten bis jetzt etwa zehn bis elf Milliarden für die Akutspitäler; dass Reha, Pflege, Kur etc. bereits etwa fünf Milliarden ausmachen sollen, erschreckt jetzt schon etwas, um so mehr, als wenigstens zwei dieser fünf Milliarden bis jetzt noch nirgends ihren Niederschlag gefunden haben. Ich freue mich schon auf die Neuberechnung der Gesundheitsausgaben der Statistik Austria. Denn dort werden für die stationäre Versorgung für 2008 nur etwa zwölf Milliarden ausgewiesen. Möglicherweise müssten noch etwa 1,5 Milliarden für die Spitalsambulanzen hinzugezählt werden, die in den oben genannten 15,4 enthalten sein könnten. Nichtsdestotrotz würde die Neuberechnung bedeuten, dass der Anteil am BIP für 2009 die 12 Prozent-Marke sprengen wird – ein Wert, der gleich einmal mehr als 20 Prozent über den bis jetzt gewohnten und liebgewordenen zehn BIP-Prozent liegt. Reisst es da niemanden, wenn 2009 plötzlich zwei Milliarden zusätzliche Kosten „gefunden“ werden, von denen 2008 noch niemand wusste?

Wie dem auch sei, ich werde jetzt meine Steuer machen. Also liebes Finanzamt, meine Ausgaben sind dieses Jahr um 11,4 Prozent gesunken. Viel Spaß bei der Berechnung meiner Steuerpflicht.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.