Geheimdiplomatie

Die Geheimniskrämerei rund um das Kassensanierungskonzept ist demokratiepolitisch traurig, auch wenn man erstmals auf Vernünftiges hoffen darf!

Es ist wieder einmal Zeit, tiefschürfende Gedanken zu wälzen.

Jetzt ist es also veröffentlicht worden, das (Kurz)Konzept der Kassensanierung. Zwar haben einige versucht, daraus ein Gesundheitsreformpapier zu machen, aber die, die es geschrieben und veröffentlicht haben, weisen zurecht darauf hin, dass es nur ein Konzept ist, die zu erwartenden Kassen-Schulden nicht entstehen zu lassen. Daher ist das Wort Einsparungspotential auch falsch! Es wird nicht gespart, es sollen die Ausgaben nur nicht schneller wachsen als die (prognostizierten) Einnahmen.

Das veröffentlichte Papier selbst, gerade einmal 20 Seiten stark, zeigt mit seiner Wortwahl und seinem Aufbau bereits klar, dass es sich dabei nur um eine hochaggregierte Zusammenfassung handelt. Dahinter stehen viele Seiten Detailbeschreibungen, die allerdings streng geheim bleiben.

Schon im Vorfeld wurde bekannt, dass erstmalig auch externe Experten mitgearbeitet haben. Ein Quantensprung! Wer diese externen Experten sind, das ist aber leider auch geheim! Einer davon (dem das Konzept allerdings nur vorgestellt wurde) hat aber behauptet, es sei das Vernünftigste, was er in seiner Karriere jemals seitens der Sozialversicherungen gesehen hat!

Es schaut also so aus, als ob da wirklich was Gescheites herausgekommen sein könnte. Warum, frage ich mich nun, wird dieses offenbar gute Werk nicht veröffentlicht und einer breiten Diskussion unterworfen?

Immerhin sind da einige Dinge drinnen, die man sicher nicht einfach dekretieren kann. Da denke ich beispielsweise an die vorgeschlagenen Disease Management Programme. Um solche strukturierten Behandlungsprogramme für große Patientengruppen mit chronischen Krankheiten (z.B. Diabetiker, Bluthochdruckpatienten etc.) umzusetzen, muss man einen breiten und langen Konsensprozess einleiten. Die Finnen haben zehn Jahre gebraucht, um ihr Diabetiker-Programm abzustimmen. Dafür weiß nun jeder, was er zu tun hat – beginnend bei der Nahrungsmittelindustrie, bis hin zu den Pflegeheimen.

Aber auch ganz generell sollte doch jeder wissen können, was da im solidarisch finanzierten Gesundheitssystem geplant ist. Alle sollten sich ein Bild machen können, nicht nur Privilegierte, auch „selbsternannte Experten“ (ein Ausdruck, der immer häufiger verwendet wird und mich erschreckt, da er nur dazu dient, andere „klein“ zu machen; und überhaupt: Wer darf denn Experten ernennen?) und Journalisten.

In einer Demokratie müssen doch alle, interessierte Laien genauso wie ernannte Experten, Zugang zu den gleichen Informationen haben. Immerhin geht es in diesem Fall ja um ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem. Das Geld, das da reingesteckt wird – seien es Pflichtbeiträge oder Pflichtsteuern – stammt vom Volk und nicht von irgendwelchen Institutionen, die gerne als Scheingeldgeber auftreten. Geheimniskrämerei ist vielleicht in Sachen innere Sicherheit und Landesverteidigung angebracht, aber sicher nicht beim Thema Gesundheitsversorgung.

So habe ich ein lachendes und ein weinendes Auge. Ich will hoffen, dass das Konzept so gut ist, wie es Menschen, denen ich zutraue es zu beurteilen, hinter vorgehaltener Hand beschrieben. Aber, dass man sich nicht traut, es zu veröffentlichen und nur ausgewählten Entscheidungsträgern (denen ich nicht zutraue, es richtig zu bewerten!) vorlegt, die dann vom hohen Ross herab sagen: „Ja, das ist gut für’s Volk“, das irritiert mich. Demokratie funktioniert anders!

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ferraris und Fahrräder

Die Beharrlichkeit der wirklich Mächtigen, die neuerdings auch in der Regierung sitzen, um Eigeninteressen zu vertreten, wird groß genug sein, weiter jede Reform zu verhindern – bis es kracht!

Wer einen Oldtimer hat, liebt ihn und steckt eine Menge Geld und Zeit in seine Erhaltung. Allerdings käme niemand auf die Idee, zu behaupten, sein Oldtimer entspräche dem Stand der Zeit oder gar, er sei das einzig funktionierende Fortbewegungsmittel.

Nun hat die WHO vor 40 Jahren folgendes zum österreichischen Gesundheitssystem festgestellt: (1) Die Zusammenarbeit wird zugunsten von „Eigeninteressen“ behindert, (2) Es besteht keine Vorkehrung für eine Behandlung in Tageskliniken, daher werden im Allgemeinen nur „vollstationäre“ Patienten im Spital behandelt, (3) Es gibt die steigende Tendenz der praktizierenden Ärzte, ihre Patienten in ein Spital einzuweisen – diese Tendenz wird unter anderem durch das Honorierungssystem gefördert, (4) Die Vorsorge für die ärztliche Betreuung alter Menschen und chronisch Erkrankter ist im Allgemeinen unzulänglich.

Ohne detaillierter zu werden, besteht also seit langem ein Struktur- und kein Geldproblem! Wesentlichstes Strukturproblem ist und bleibt die fehlende abgestufte Versorgung, die eine unmittelbare Folge der wirren Kompetenzverteilung und machtsichernden Intransparenz ist. Man könnte es sich ungefähr so vorstellen, als ob für den Personenverkehr nur Ferraris (Krankenhäuser) oder Fahrräder (Einzelpraxen niedergelassener Ärzte) zugelassen wären; Keine Kombis oder Familienkutschen, keine Mopeds oder Busse. Wie würde da der Verkehr wohl aussehen? Billiger? Sicher nicht. Jede Familie würde beispielsweise mehrere Ferraris fahren müssen, die natürlich der Staat bezahlen muss, weil sich Normalverdiener maximal einen leisten könnten – und den auch nur, wenn sie auf fast alles andere verzichten.

Das gleiche gilt für das Gesundheitssystem. Abgestufte Versorgungsmodelle wie Gruppenpraxen und Tageskliniken sind Mangelware, medizinische Versorgungszentren wie in Deutschland unterliegen dem Denkverbot und Hausarztmodelle wie in der Schweiz sind nicht einmal ansatzweise zu erahnen. Selbst wenn in wenigen Fällen vernünftige, abgestufte Versorgungsmodelle erfolgreich versucht wurden, wie beispielsweise in Horn im Waldviertel oder Güssing im Burgenland, wird trotzdem behauptet, solche Modelle stellen eine weitere Ebene dar und sind teurer! Selbst wenn die gesamte Literatur zu diesem Thema als Erklärung herangezogen werden könnte, warum mit abgestuften Modellen integrierte Versorgungssysteme aufgebaut werden können, die neben der deutlich besseren Patientenorientierung, auch Qualitäts- und Kostenvorteile mit sich bringen, kann man hierzulande lesen, dass das niemand braucht.

Also, machen wir’s wie immer! Ändern wir die Finanzierung. Weil aber vermutlich das Volk ein bisschen grantln wird, werden jetzt halt „politische Interpretationen“ als Wahrheit selbst von allerhöchster Ebene dekretiert. Denn das Geld, das man haben will, brauchen nicht die Mächtigen, um ihre Jobs zu behalten, sondern die Versicherten. Und denen haben es alte Regierungen „entzogen“, und soll es die neue zurückgeben. Wer genauer rechnet, der wird diesen Raubzug kaum nachvollziehen können, da die Einnahmen der Kassen seit 2000 deutlich stärker gestiegen sind als ihre zusätzlichen Ausgaben und das SV-Budget seit Jahrzehnten schneller wächst als das Budget des Finanzministers. Aber genaue Rechner gibt es eh nicht.

Der Oldtimer Gesundheitssystem wird als auf dem Stand der Zeit festgeschrieben, koste es, was es wolle – aber wie lange wird das gut gehen?

Dieser Artikel wurde im Dezember 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gesundheitsplattformen – die unbekannten Wesen

Ohne größere Bekanntheit erlangt zu haben sterben die letzten zarten Pflänzchen einer sinnvolleren Reform ab – und niemand wird es merken!

Wer noch nie von Gesundheitsplattformen gehört hat, der soll sich nicht grämen, er gehört zur großen Mehrheit. Die, die wenigstens schon was gehört haben, sind in der Minderzahl. Die seltenen Vögel, die sogar wissen, was diese Institutionen für Aufgaben hätten – und es sind deren viele – sind echte Exoten.

Die Kernidee dieser unbekannten Wesen, die in jedem Bundesland institutionalisiert wurden, war die DEZENTRALE Planung des Gesundheitssystems. Da saßen Länder und Sozialversicherungen als Finanziers zusammen und sollten, so der gesetzliche Auftrag, GEMEINSAM für die Gesundheitsversorgung der REGIONALEN Bevölkerung sorgen. Wenn man die aktuellen Entwicklungen beobachtet, dann weiß man, dass diese Idee in den letzten Zügen liegt.

Andererseits hat sie nie wirklich einen richtigen Zug gehabt. Keine Plattform hat es geschafft auch nur die klitzekleinen Reformprojekte Realität werden zu lassen. Eine gemeinsame Vorgangsweise gibt es, wenn überhaupt, nur in vereinzelten, kaum wahrnehmbaren Ansätzen. Der Pflegebereich wurde gleich gar nicht in die Agenda aufgenommen. Und die wenigen Plattformen, die es sich geleistet haben, ein sachlich kompetentes – und nicht politisch tickendes – gemeinsames Büro einzurichten, haben dieses bald wieder abgeschafft.

Die Folge dieses offensichtlichen aber verleugneten Scheiterns kennt man mittlerweile: die Kassen gehen pleite und die Spitalsausgaben explodieren (wie man hört in einigen Bundesländern um 36% in zwei Jahren!). Schuld ist natürlich der Bund – der macht ja immer alles falsch. Interessant, dass die WHO schon 1969 gesagt hat, dass die Bundesregierung keine Kompetenzen hat, den Finanziers verbindliche Weisungen zu erteilen. Trotzdem ist der Bund schuld – weil immer andere schuld sein müssen.

Ehrlicher- und daher unausgesprochenerweise  sind die Gesundheitsplattformen aber selber schuld. Man beachte nur wie skurril die Kompetenzen verteilt wurden. Was die niedergelassenen Ärzte betrifft, haben immer die Sozialversicherungen das Sagen, was die Spitäler betrifft die Länder – Zeugt das von einem gemeinsamen Willen?

Aber was hat man denn erwartet? Da sitzen die dem Populismus zugeneigten Länder und die in klassenkämpferischen Verhandlungen geübten Gewerkschaften zusammen und sollen gemeinsam gestalten, eine gemeinsame Vision, eben die gemeinsame Sorge um die Patienten, entwickeln. Einmal ehrlich – ist das nicht zu naiv gedacht? Kann man wirklich erwarten, dass sich Organisationen mit reinem Machtwillen zusammensetzen und plötzlich aus heiterem Himmel einen gemeinsamen Gestaltungswillen entdecken?

Dabei hallt das Wort Rauch-Kallats noch nach: Die Gesundheitsreform steht! Heute, drei Jahre später, ist davon aber nichts übrig, auch wenn man nicht müde wird, das Gegenteil zu behaupten. Real werden die jetzigen Reformschritte die Kluft zwischen den Finanziers (eigentlich nur die Verwalter unseres Geldes! Aber das will auch niemand hören!) sogar vergrößern und eine dezentrale Planung noch unmöglicher machen; Plattformen hin oder her.

Was aber wird nun mit den Gesundheitsplattformen passieren? Natürlich nichts. Sie werden weiter existieren. Oder hat man in Österreich schon jemals eine politische Einrichtung abgeschafft, nur weil sie nutzlos wurde? Es ist typisch für uns, tote Pferde zu reiten und allen zu erzählen, dass es sich dabei um eine österreichische und international unvergleichlich gute Galoppversion handelt!

Dieser Artikel wurde im Juni 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.