Österreich – das weltbeste Gesundheitssystem?! (ein Blick ins Jahr 2006, als dieser Artikel erschien!)

Das weltbeste Gesundheitssystem ist ein geliebter und heiß verteidigter Mythos

(Vor fast 20 Jahren habe ich das geschrieben und bringe es ohne Aktualisierung wieder an die Öffentlichkeit, auch wenn die eine oder andere Zahl sich verändert haben könnte – es ist einfach Irrsinn)

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In Österreich wird seitens der Politik gerne davon gesprochen, das weltbeste Gesundheitssystem zu haben. Vor gar nicht langer Zeit hatten wir noch das sechstbeste. Und ohne spürbare Maßnahmen wurde es beinah über Nacht (eigentlich über einen Regierungs- und Ministerwechsel) das „beste“. Das Sprechen in solchen Superlativen gehört mittlerweile zur Routine der Politik. Da ist jedoch nicht ungefährlich, im Gesundheitswesen sogar fahrlässig.

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Was bedeutet der Superlativ „das weltbeste“ für das Gesundheitswesen? Für viele politische Entscheidungsträger in den Ländern, Kammern und den Sozialversicherungen bedeutet es, dass es keinen echten Reformbedarf gibt, ja nicht einmal Handlungsbedarf; nur mehr Geld, wenn es denn nötig ist, um „das weltbeste“ System aufrechtzuerhalten. Für die Leistungserbringer im weltbesten Gesundheitssystem, also vornehmlich Ärzte, kann es nichts anderes bedeuten, als dass ihre Qualität auf höchstem, allerhöchstem Niveau ist, ihre Leistungen nicht übertreffbare Resultate erzielen und daher – auch wenn wenige einzelne vielleicht wenige vernachlässigbare Fehler machen – keine wesentlichen Verbesserungen möglich sind. Es besteht also ein Milieu, in dem es keine Fehler gibt und keine Fehler zugegeben werden brauchen. Für die Patienten bedeutet es, dass das, was sie in Österreich erhalten, nirgendwo in der Welt besser erbracht werden kann, und das noch dazu „gratis“ („There is free lunch in Austria?!“). Egal wo auf dieser Welt man hinginge, es würde nicht besser sein, aber ganz sicher teurer. In diesem Glauben werden Patienten zu unkritischen Konsumenten. Und die Informationsasymmetrie zwischen Arzt und Patient, die so oft als Begründung für das Beibehalten des Pflichtversicherungssystems angeführt wird und als Basis der sogenannten Selbstverwaltung dient, wird immer größer statt kleiner. Und alle zusammen wiegen sich in der trügerischen „fehlerlosen“ Sicherheit des angeblich besten Systems der Welt.

In den letzten Wochen wurde bekannt, dass wieder ein Kind an den Komplikationen einer Mandeloperation starb, und wenn man den Medien glauben schenken will, dann war es innerhalb eines Jahres das sechste Kind – das ist sehr viel. Wenn man bedenkt, dass es in diesem Zeitraum in etwa 9.000 Mandeloperationen gab, dann bedeutet das, dass die Sterblichkeit an Komplikationen wenigstens in diesem Jahr bei eins zu 1.500 lag. In der Literatur findet man eine Sterblichkeitsrate von 1/16.000 bis 1/35.000 (Clin Otolaryngol 2000; 25 : 110-7). In Italien, das, wenn Österreich wirklich das beste Gesundheitssystem der Welt hat, ein schlechteres haben muss, stirbt gar nur ein Patient pro 95.000 Operationen (Pediatr Med Chir. 2004 May-Jun;26(3):179-86). Im besten System der Welt sollte man daher höchstens einen Todesfall in vier bis zehn Jahren zu beklagen haben; sechs Tote in einem Jahr sind nicht einmal dann zu erklären, wenn das letzte Jahr ein statistischer Ausreißer wäre.

Die wichtigste Komplikation und damit auch Todesursache Nummer eins bei Mandeloperationen ist die Nachblutung. Sie tritt bei 3% bis 4% aller Patienten auf. An den Nachblutungen entbrennt aktuell auch die Diskussion, ob man die Kinder länger im Spital lassen sollte, um die Sterblichkeit zu reduzieren. Eine eigenartige Maßnahme, denn mehr als 80% aller Nachblutungen treten innerhalb der ersten 4 Stunden nach der Operation auf. Ein Vergleich der Behandlungsergebnisse und Komplikationsraten in anderen Gesundheitssystemen zeigt, dass sowohl die tagesklinische als auch die stationäre Behandlung die gleichen Resultate erbringt. (Journal of Pediatric Otorhinolaryngology, Volume 68, Issue 11, Pages 1367-1373 (November 2004)). Wenn man aber an das Kind denkt und die psychische Belastung, die jede stationäre Behandlung nach sich zieht, dann ist die Entscheidung für die tagesklinische Behandlung eigentlich logisch – wenigstens in anderen Gesundheitssystemen ist das so.

Wenn man gefährliche Nachblutungen vermeiden will, dann sollte man andere Maßnahmen setzen, als den stationären Aufenthalt zu verlängern. In Italien, das mit einem Todesfall pro 95.000 Operationen wahrscheinlich die beste Versorgung für seine Bevölkerung bereitstellt, werden beispielsweise nur 11 Operationen pro 10.000 Einwohner durchgeführt. In Österreich sind es 67. Kann es sein, dass die Österreicher wirklich fast 7mal öfter operiert werden müssen; oder wird in Österreich zu schnell zum Messer gegriffen? Als Argument für den schnellen Griff zum Messer wird gerne angeführt, dass eine geplante Operation viel weniger Komplikationen hat, als wenn man in eine vereiterte Mandel hineinoperieren muss. Das stimmt leider nicht (Acta Otolaryngol. 2005 Dec;125(12):1312-7). Genauso in das Reich der Märchen ist die Aussage zu verbannen, dass mit der Mandeloperation häufige Halsentzündungen oder Mittelohrentzündungen vermieden werden können (Laryngoscope. 115(4):731-734, April 2005; Arch Dis Child.2005; 90: 19-25). Genaugenommen, gibt es bei einer so hohen Sterblichkeitsrate, wie sie in Österreich beobachtet wird, gar keine Begründung für eine Mandeloperation. Will man also Nachblutungen wirklich verhindern, dann müssen die Operationen auf das medizinisch notwendige Maß reduziert werden, nicht die stationären Aufenthalte verlängert!

Aber auch eine zusätzliche Maßnahme könnte helfen, die Sterblichkeit zu reduzieren. Dafür ist jedoch ein realpolitisches Unwort zu verwenden: Zentralisierung. Es ist in anderen Gesundheitssystemen nachgewiesen worden, dass es eine Erfahrungswertkurve für die Mandeloperation gibt. Und noch mehr. Die Nachblutungsrate bei Patienten, die durch einen geübten Krankenhausarzt behandelt wurden, ist halb so hoch, wie die bei Konsiliarärzten oder Assistenzärzten (Acta Otolaryngol. 2005 Dec;125(12):1312-7). In Österreich werden Mandeloperationen in so gut wie jedem Spital angeboten, unabhängig ob es dort eine HNO-Abteilung gibt oder nicht. In der Regel sind es Konsiliarärzte die in den „kleinen“ Spitälern die Operation durchführen. Das Spital und in der Regel auch die Politik betrachtet das als sogenannte wohnortnahe Behandlung. Sie ziehen so den zentralen HNO-Abteilungen die Fälle ab. Doch selbst wenn die Fälle in HNO-Abteilungen behandelt würden, gehört die Mandeloperation bei HNO-Spitalsärzten nicht gerade zu den beliebtesten und wird erfahrungsgemäß gerne von den Oberärzten an die Assistenzärzte abgetreten.

Aber weder eine OP-Reduktion noch eine Zentralisierung sind Maßnahmen, die in unserem Gesundheitssystem diskutiert werden. Müssen Sie ja auch nicht, weil man ja davon ausgehen kann, dass die österreichischen Daten, die des besten Gesundheitssystems der Welt sind und einem Vergleich mit anderen nicht bedürfen.

Leider ist zu sagen, dass es nicht nur die Mandeloperationen sind, an denen man, wenn man genauer schaute, manches feststellen könnte. Ein anderes Beispiel ist etwa die Blinddarmoperation. Es gilt als gesichert, dass pro 100.000 Einwohnern etwa 85 Blinddarmentzündungen auftreten (Dig Surg 2001;18:61–66). Da man im Falle eines Verdachts auf Blinddarmentzündung bereits operieren sollte, ist es internationaler Standard, dass etwa 20% der entfernten Blinddärme keine Entzündung gehabt haben dürfen – nicht mehr. Die Diagnosemöglichkeiten sind heute soweit ausgereift, dass, legt man es darauf an, dieser Wert sogar auf 10% gesenkt werden kann (Radiology 2003;226:101-104). Damit würde man erwarten, dass in einem guten Gesundheitssystem nicht mehr als 95 – 100 Blinddarmoperationen pro 100.000 Einwohner durchgeführt werden. In Österreich, dem Land in dem sehr, sehr viele „kleine“ Krankenhäuser um ihre Rechtfertigung kämpfen, werden 175 Operationen pro 100.000 Einwohner durchgeführt. Vielleicht liegt es ja an einem unbekannten, österreichspezifischen epidemiologischen Problem, dass in Österreich so viele Operationen nötig werden. Ob dann jedoch die Operation die richtige Maßnahme wäre, um diesem Problem zu begegnen? Sollte es dieses unbekannte Problem allerdings nicht geben, liegt der Verdacht nahe, dass auch im Fall der Blinddarmoperationen das Messer zu schnell eingesetzt wird. Zwar liegen aus Österreich keine Daten über die Sterblichkeit im Rahmen einer Blinddarmoperation vor, aber aus anderen Gesundheitssystemen weiß man, dass bei einer von 400 Operationen etwas so drastisch schief geht, dass der Patient stirbt (Annals of Surgery. 233(4):455-460, April 2001). In Österreich werden etwa 14.000 Blinddarmoperationen pro Jahr unter dem Titel Blinddarmentzündung durchgeführt. Das sind verglichen mit anderen Gesundheitssystemen jährlich 6.000 Operationen mehr als erwartet. Und 6.000 durch 400 sind 15!

Ähnliches ließe sich auch für Herzkatheter-Untersuchung, eine Behandlung mit einer Sterblichkeit von einem Prozent, sagen, die in Österreich eineinhalb mal so oft durchgeführt wird, als die Krankheitshäufigkeit erwarten ließe – vielleicht deswegen, weil wir auch doppelt so viele Untersuchungsplätze haben als wir bräuchten? Oder die Komplikationsraten und die Krankenhausverweildauer bei endoskopischen Gallenblasenoperationen, die höher liegen als in allen anderen Gesundheitssystemen – vielleicht deswegen, weil es halt auch zu viele, zu kleine chirurgische Abteilungen gibt?

Kann es vielleicht doch sein, dass das „weltbeste“ Gesundheitssystem strukturelle Probleme hat? Und genau diese Frage ist es, die man in Österreich nicht stellt, ja nicht stellen darf, weil man ja das beste Gesundheitssystem der Welt hat. Sollten solche Fragen trotzdem auftauchen, dann muss man das Dokumentationswesen so umstellen, dass die Intransparenz steigt und man sich so leichter hinter der Ausrede „die Zahlen stimmen doch alle nicht“ verbergen kann. Intransparenz ist ein hervorragendes Instrument zur Herstellung und Bewahrung von Illusionen. Seitens aller Teilnehmer, vom Patienten bis zur Gesundheitsministerin, ist es unerwünscht, das am Mythos „wir haben das weltbeste Gesundheitssystem, und das sogar gratis“ gerüttelt wird. Dabei täte es dem österreichischen Gesundheitssystem gut, ein bisschen wissenschaftlich fundierte Selbstkritik zu üben. Würde eine solche Kritik möglich sein, könnte es nicht nur einen Quantensprung in der Qualität und Patientensicherheit bedeuten, sondern paradoxerweise sogar günstiger werden. Und nur dann und auch nur vielleicht besteht die Möglichkeit das beste Gesundheitssystem zu werden. Sein tut es das bestimmt nicht, und gratis ist es ebenso wenig!

Es dauert alles viel zu lange

   Politiker denken nicht darüber nach, was die Zögerlichkeit bei gesundheitspolitischen Entscheidungen für Lebensplanungen bedeutet.

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   1986 wollte ich nach der Matura ein Jahr freiwillig zum Bundesheer – wenn schon, denn schon. Aber, damals kam die Diskussion auf, dass die Wehrpflicht abgeschafft werden sollte, die wegen Perestroika und Glasnost nicht mehr nötig sei. Daraufhin entschied ich, zuerst zu studieren und abzuwarten. Ich habe also eine weitreichende Entscheidung getroffen, da die Politik mir missverständliche Signale gab. Denn, die Wehrpflicht wurde nicht abgeschafft, aber es wurde weiterdiskutiert. Eine endgültige Entscheidung gab es erst 2013 – und zwar irgendwie absurd, denn die Abschaffung ginge deswegen nicht, weil das Sozialsystem mittlerweile auf die quasi Zwangsarbeit von Zivildienern angewiesen sei. Ich denke, keinem Politiker war klar, dass Lebensplanungen an Ihrer Unentschlossenheit ausgerichtet werden mussten, aber nicht konnten!

   Und in der Gesundheitspolitik?

   Betrachten wir die Jubelmeldung, dass die E-Medikation 2022 eingeführt sein soll. Die Diskussion darüber hat Anfang des 21. Jahrhunderts begonnen. 2012 wurde per Gesetz die Einführung der E-Medikation bis zum 31.12.2014 beschlossen – und das Gesetz dann einfach ignoriert. Was für ein Signal? Unternehmen, die sich mit damit beschäftigten, trafen Entscheidungen, investierten und standen am Ende vor der Tatsache, dass nichts weiter geht. Und jetzt, wird es wirklich 2022 soweit sein?

   Oder die Lehrpraxis für angehende Hausärzte? Die diskutieren wir seit den 1970ern (!). Seit damals ist klar, dass die spitalslastige Ausbildung nicht gut ist, will man Hausärzte ausbilden und motivieren, Hausärzte zu werden. Seit damals wird auch über die Aufwertung der Hausarztmedizin geredet, etwa in dem diese als Spezialausbildung (Facharzt) ausgebaut wird – 2018 (!) wurde die Finanzierung der Lehrpraxis gerade einmal für die nächsten zwei Jahre beschlossen, die Anerkennung als Fachärzte ist weiter weit weg, das Thema weiterhin offen. Was soll sich ein junger Arzt denken? Dass Hausarzt werden Zukunft hat?

   Ein anderes Beispiel ist die Kinder-Reha. Die massive Unterversorgung wurde 1999 festgestellt, dann endlos diskutiert, und erst 2019 werden Rehazentren in Betrieb gehen – wie viele Ärzte haben sich wohl in den vergangenen 20 Jahren spezialisiert und dann was anderes machen müssen, weil es keine Berufsaussichten gab? Von den Kindern, die wir behindert ins Erwachsenenleben entlassen haben ganz abgesehen.

   Oder Palliativversorgung? Um 2000 begann das Thema aufzutauchen und bald waren alle ob der Zuständigkeiten zerstritten – um diesen (unwürdigen) Streit zu lösen, wurde eine gemeinsame Strategie zur abgestuften Palliativversorgung beschlossen – das war 2005. Und heute?

   Die Regelversorgung für Kinder existiert weiterhin nicht, sondern hängt von Privatinitiativen und Spenden ab, 14 Jahre nach einer „vorgespielten“ Einigung. Wie viele Initiativen wurden da wohl eingestellt, weil eine politische Einigung nie in der Wirklichkeit ankommen muss.

   Ich denke, politische Eliten denken gar nicht mehr darüber nach, was ihre Ineffektivität bedeutet, wie viel Lebensplanungen sie verunmöglicht und wie viel Frust daraus erwächst.

„Wiener Zeitung“ vom 14.02.2019  

Fehlsteuerung und Fehlbelegung

Obwohl wir viele Krankenhäuser haben, werden echte Notfälle immer schwieriger versorgt werden können – dank der Fehlsteuerung und der Reformverweigerung.

Es ist unter der Woche, vormittags, als ein sichtlich kranker Mitt-Fünfziger mit blassem Gesicht und stechenden Schmerzen vom Hals bis zum Kreuz die Ambulanz eines großen Wiener Spitals betritt. Rasch erkennen die Ärzte die Situation: Der Mann hat ein Aortenaneurysma. So eine Diagnose ist ein Alptraum, denn in der Innenschicht der Hauptschlagader hat sich ein Riss gebildet, durch den sich nun das Blut in die Wand der Ader wühlt und sie so spaltet. Der hohe Druck führt dazu, dass die so verdünnte Wand sich immer stärker dehnt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie platzt. Passiert das, dann verblutet der Patient innerhalb kürzester Zeit. Die einzige Chance ist eine Not-Operation, die so groß und schwer ist, dass man, wenn man überlebt, postoperativ auf eine Intensivabteilung muss.

Wiewohl ein großes Spital, ist es für so eine Operation nicht ausgerüstet, also beginnen die Ärzte zu telefonieren. Doch in ganz Wien will den Patienten niemand haben. Die OPs seien alle belegt oder es sei kein Intensivbett frei! Man beginnt außerhalb zu suchen – und wird fündig in St. Pölten. Jetzt noch rasch einen Hubschrauber bestellt und alles wird gut! Falsch! Denn bei der Flugrettung erfährt man, dass alle Hubschrauber besetzt sind, frühestens in 70 Minuten wird einer frei! Soviel Zeit ist nicht, also legt man den Mann in eine Rettung und fährt mit Blaulicht nach Niederösterreich.

Was aus dem Mann geworden ist, weiß ich nicht. Aber verwundert hat mich das alles schon. Wie wahrscheinlich ist es, dass in ganz Wien kein OP oder Intensivbett für solche Notfälle frei ist? Rechnerisch gering. Wir sind gut ausgestattet mit OPs und verglichen mit anderen Ländern haben wir viele Intensivbetten. Gut, es war Vormittag, und nachdem unsere OPs nur vormittags benützt werden, ist klar, dass dann alle im Vollbetrieb sind – hauptsächlich mit geplanten Routineeingriffen. Aber warum war kein Hubschrauber frei?

Was ist passiert? Es kommen eigentlich nur zwei Erklärungen in Frage. Die erste ist zynisch. Sie würde bedeuten, dass so schwere Patienten, wenn möglich, abgelehnt werden. Das will ich ausschließen. Die zweite Erklärung ist aber nicht viel besser.

Durch das Finanzierungssystem geraten die Häuser immer mehr unter Druck. Statt Kapazitäten für Notfälle frei zu halten, müssen sie danach trachten, möglichst voll zu sein. Leere Betten, vor allem auf Intensivabteilungen, kosten nur und bringen nichts. Also „stopft“ man rein, was geht – ob nötig oder nicht.

Und wie ist das mit der Rettung? Ähnlich! Auch hier wird es für die Betreiber immer schwieriger, Hubschrauber herumstehen zu lassen. Da fliegt man dann schon lieber jede Bagatelle. Wenn dann wirklich ein Notfall auftaucht, braucht es niemanden wundern, wenn kein Hubschrauber frei ist.

Und so erklärt sich alles. Obwohl eigentlich genug Kapazitäten da wären, sind diese für Notfälle immer schwieriger zu erhalten. Skurrilerweise würde eine Erhöhung gar nichts bringen. Mehr Intensivbetten oder Hubschrauber würden nur dazu führen, dass die „Fehlbelegung“ zunimmt, weil die Preise sinken und so die Betreiber zwingen, die Auslastung weiter zu erhöhen; das geht aber nur mit planbaren Patienten, nicht mit Notfällen.

Helfen würde eine Änderung der Finanzierung und das wiederum geht nur, wenn die Kompetenzen endlich klarer strukturiert werden – weil das aber nicht passiert, sind die ersten „Opfer“ der Reformverweigerung echte Notfälle.

Dieser Artikel wurde im Juli 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.