Projekt Österreich – Arbeitspaket Gesundheit

Die Rede des (Vize)Kanzlers war doch nur tagespolitische Show. Ernsthaft angegangen wird nichts – das könnte ja Konflikte schaffen.

Das war sie, die Rede zur Lage der Nation und sie hat im Kapitel Gesundheit nicht viel und nichts Neues gebracht. Finanzierung aus einer Hand – äh, Topf, heißt das jetzt – und Stärkung des Hausarztes. Beides seit vielen, vielen Jahren in Regierungsprogrammen nachzulesen und sogar in manchem Gesetz verewigt. Einzig Realität wurde es bisher nicht.

Warum das so ist, ist auch schon längst bekannt. Wenn man nicht ernsthafte Sanktionen androht, fühlen sich Sozialpartner und Länder nicht einmal ansatzweise gemüßigt, Gesetze zu befolgen. Ich habe mich daher veranlasst gefühlt, eine Rede zu schreiben, wie ich sie gerne hören würde.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Auch wenn so wenig Transparenz herrscht, dass wir es nicht wissen, können wir trotzdem froh sein, dass die medizinische und pflegerische Versorgung in Österreich gut zu sein scheint.

Allerdings ist das schon lange nicht mehr der Verdienst derer, die das System organisieren sollten. Längst lebt die Versorgung von der Zivilcourage tausender Ärzte und Pflegekräfte, die sich mehr um Patienten kümmern als um das System, und bereit sind, es zum Wohle der Patienten zu unterwandern.

Das Gesundheitssystem ist ein Hemmschuh, ein sehr teurer Hemmschuh geworden. Seit 40 Jahren legen sich nun Sozialpartner und Länder gegen jede Reform, die diesen Namen verdient, quer. Das kostet Jahr für Jahr hunderte Millionen EURO.

Jetzt drohen massive Einschnitte und die Erhöhung von Selbstbehalten – das werde ich nicht dulden

Ich gebe daher den Sozialpartnern und Ländern ein Jahr Zeit, eine Reform zustande zu bringen, an deren Ende ein integriertes Gesundheitssystem – das Prävention, Akutbehandlung, Rehabilitation, Pflege und Palliativversorgung beinhaltet – stehen muss.

Parallel habe ich im Finanzministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ausrechnet, wie viel Bundessteuern – direkt oder indirekt, sei es über Finanzausgleich, Defizitdeckung der Pensionsversicherung für Rehabilitation, Hebesätze für Pensionisten bei den Kassen, klinischer Mehraufwand oder ähnliches – ins Gesundheitssystem fließen.

Diese Arbeitsgruppe wird eine Steuerreform vorbereiten, die die gesamten Mittel aus diesen Bereichen umfasst.

Wenn keine Gesundheitsreform zustande kommt, werde ich 2013 der Bevölkerung mit einer großen Steuerreform ihr Geld zurückgeben. Einzig die bisher aufgelaufenen Schulden der Krankenkassen sollen vom Budget übernommen werden.

Gleichzeitig werde ich den Ländern und Gemeinden Steuerhoheit geben, damit sie für die Gesundheits- und Pflegeversorgung selbst Steuern von ihrer Bevölkerung einheben können und sich auch vor ihr rechtfertigen müssen.

Gleiches gilt für die Kassen, die erhalten ebenfalls Einnahmenhoheit. Allerdings würde die Pflichtversicherung, die jeden Österreicher in eine Krankenkasse zwingt, in eine Versicherungspflicht umgewandelt werden, damit jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger selbst entscheiden kann, wo er oder sie versichert sein will.

Wenn Sozialpartner und Länder weiter jede sinnvolle Entwicklung blockieren, dann werde ich nicht zögern, das umzusetzen – auch wenn mir klar ist, dass damit kein Stein auf dem anderen bleibt und ich jede zukünftige Wahl verlieren werde.

Es ist aber an der Zeit, dass auch Länder und Sozialpartner erkennen, dass das Gesundheitssystem der Bevölkerung gehört, und nicht den agierenden Interessengruppen – wie mächtig diese auch immer sein wollen.

Dieser Artikel wurde im Oktober 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.