Des Kanzlers PlanA, die SVA, die LSE und der Wahlkampf

(Lesezeit 7 min) Der PlanA von Christian Kern ist wohl nichts als Wahlkampf – zumindest im gesundheitspolitischen Teil ist das klar

Bevor wir den PlanA anschauen, erinnern wir uns an den 17. 2. 2009.

Damals wurde, unter Bundeskanzler W. Faymann und Vizekanzler J.Pröll, eine Arbeitsgruppe aus fünf regierungsnahen Institutionen gebildet. Rechnungshof, WIFO, IHS, Staatsschuldenausschuss (dem heutigen Fiskalrat) und KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung sollten über den Bereich „Gesundheit und Pflege“ (die beiden gehören zusammen) eine strukturierte Analyse der bestehenden Probleme und die verbundenen Folgewirkungen  anfertigen und  Lösungsansätze  erarbeiten. Diese sollten dann auf politischer Ebene umgesetzt werden.

Im Mai 2010 wurde der Bericht gelegt.

Vieles stand da: etwa über die zersplitterten verfassungsrechtlichen Kompetenzen und die fragmentierte Rechtsgrundlagen im Gesundheitswesen, die fehlenden verfassungsrechtliche Grundlagen für ein koordiniertes Vorgehen im Pflegebereich, die fehlende Absicherung gegen das finanzielle Risiko der Pflegebedürftigkeit, die zersplitterte Finanzierungs– und Organisationsstruktur oder die mangelnde Koordination zwischen Sach- und Geldleistungen. Über die Schnittstellenprobleme Krankenanstalten – niedergelassener Bereich – Pflege, mangelhafte Leistungsabstimmung zwischen intra- und extramuralem Bereich sowie Pflege, fehlende sektorübergreifende Planung. Über Zersplitterung der Sozialversicherungsträger, fehlende Vergleichbarkeit der erbrachten Leistungen und der Kosten dieser Leistungen, intransparente Preis- und Tarifgestaltung von ärztlichen Leistungen, heterogene Vertragspartnerdichte – u.s.w.

Nicht, dass das damals neu war! Diese Zersplitterung ist schon viele Jahre von allen möglichen nationalen und internationalen Organisationen kritisiert worden –  aber jetzt hatte es die Regierung von den eigenen, handverlesenen und überwiegend öffentlich finanzierten Beratern schwarz auf weiß; und jetzt kann man die dargestellten Lösungsansätze, wie 2009 versprochen umsetzen – oder?

Zurück in die Gegenwart

Am 11. 1. 2017; hält SPÖ-Parteivorsitzender und Bundeskanzler Christian Kern eine Grundsatzrede, und auch zu Gesundheit und Pflege finden wir einiges im „PlanA“  .

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Der „Plan A“ – Wahlkampf oder genial?

Im Grundsatzpapier des SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern findet sich auch einiges zu Gesundheit und Pflege.

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   Neben einer der Tagespolitik geschuldeten Detailverliebtheit, etwa der Begrenzung der „Wartezeiten auf MR- und CT-Untersuchungen“, findet sich auch Grundsätzlicheres.

   Alle Kassen sollen die gleichen Leistungen anbieten. Eine gewaltige Ansage, wenn auch nicht neu. Die Leistungsharmonisierung poppt seit Jahrzehnten immer wieder auf – freilich, ohne jemals passiert zu sein. Denn dazu müssten entweder alle Kassen zu einer fusioniert oder die Selbstverwaltung abgeschafft werden. Beides ist nicht denkbar, sind Selbstverwaltung, Kassenvielfalt und Pflichtversicherung in der SPÖ doch unangreifbare Grundsätze. Zersplitterte verfassungsrechtliche Kompetenzen, fragmentierte Rechtsgrundlagen und wirre Finanzierungs- und Organisationsstrukturen (nachzulesen im Bericht für die Regierung Faymann I der Expertengruppe aus Rechnungshof, Wifo, IHS, StA und KDZ) müssen unangetastet bleiben.

   Wenn die Harmonisierung trotzdem passieren soll, dann nur, indem der Staat Geld in die Hand nimmt und sich alle Kassen und Ärztekammer auf das maximale Leistungsspektrum einer Kasse (vermutlich der BVA) zu deren Preisen einigen.

   Bezahlt werden soll das aus den Rücklagen der Kassen. Weil aber die Guthaben der (meist ÖVP-nahen) Kassen heute im Maastricht-Budget defizitsenkend wirken, wird die Staatsverschuldung steigen.

   Aktuell werden etwa 2,5 Mrd. Euro an Honoraren für Kassenärzte ausbezahlt. Die Rücklagen betragen 2,6 Mrd. Es ist zwar unklar, in welchem Zeitraum diese aufgelöst werden sollen, aber am Ende werden die öffentlichen Gesundheitsausgaben deutlich höher sein (etwa 10 Prozent). Ob die Leistungen harmonisiert bleiben, ist unklar – denn die Verhandlungshoheit wird weiterhin den dutzenden Selbstverwaltungspartnern obliegen. Und die werden schnell verstehen, dass sie bei einer derartigen Vorgangsweise (Kassenfusion über die Hintertür) faktisch abgeschafft werden, und nicht untätig zuschauen.

   Ist also der „Plan A“ genial oder Wahlkampf-Populismus?

   Für Letzteres spricht, dass der Kanzler ohne Gespräche mit den Selbstverwaltungspartnern bei SVA-Versicherten, traditionelle ÖVP-Wähler, den Selbstbehalt streichen und für KMUs die Krankengeldregelung großzügiger gestalten will – mit dem Geld der SVA und der AUVA, zwei Versicherungen, die der ÖVP „gehören“. So ein unorthodoxes Vorgehen in der „anderen“ Reichshälfte spricht nicht für Reformwillen, sondern für Neuwahlen.

   Warum auch Reformen, schließlich heißt es im „Plan A“, dass unser System eines der besten sei (auch wenn das nachweislich falsch ist)? Und mehr noch, es heißt darin, dass „Österreich ein glückliches Land“ sei, weil 5 Prozent der Bevölkerung Pflegegeld beziehen (dass es keine Pflegeprävention, aber eine Pflegequote von 5 Prozent und damit wohl die höchste der EU gibt, stört nicht).

   Also bleibt: Unser System ist „zwar nicht wirklich krank, aber auch nicht topfit“, und es braucht mehr Geld – keine Struktur-Reformen.    Die stören im Wahlkampf.

„Wiener Zeitung“ Nr. 012 vom 19.01.2017