Neue Zeiten im Kassenbereich?

Seit Jahrzehnten verhandeln zehn Ärztekammern und dutzende Krankenkassen über Organisation und Finanzierung der ambulanten Versorgung – und das mit anachronistischen Methoden.

Ziel dieser Verhandlungen ist es, in kollektivvertragsartigen Gesamtverträgen festzulegen, wie viele Kassenärzte es wo geben muss, welche Leistungen von welchen Kassen bezahlt werden und in welcher Höhe die Leistungshonorare ausfallen.

Die Verhandlungen selbst liefen immer gleich ab. Die Kassen haben den Kammerfunktionären gesagt, wie viel mehr Geld es im nächsten Jahr geben wird und dann ist man daran gegangen, anhand von Honorarkatalogen, in denen die Leistungen taxativ festgehalten sind, zu überlegen, wie man das zusätzliche Geld verteilt. Und mal haben sich die einen (Fach)Ärzte durchgesetzt, mal die anderen.

Es gibt 13 oder 14 solcher Honorarkataloge (für die neun Gebietskrankenkassen je einen, für die restlichen zehn oder zwölf Kassen die restlichen) die allesamt nicht zusammenpassen, auch wenn über „Meta-Honorar-Ordnungen“ oder „Mapping-Strategien“ versucht wird, eine Vergleichbarkeit herzustellen. Es wurde nämlich gänzlich vernachlässigt, die einzelnen Leistungen ordentlich zu definieren oder den Verhandlungen echte Kalkulationen zu Grunde zu legen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bedarf der Leistungen hat es ebenso wenig gegeben, wie den Versuch, herauszufinden, welche Anreize man mit den Honoraren schafft und welche Auswirkung das auf die Versorgung hat. Die Kataloge sind schlicht ein willkürliches Verteilungsinstrument.

Allerdings hat sich die Welt gehörig geändert. So ist das Monopol der ambulanten Versorgung durch Kassenärzte längst gebrochen. Seit den 1970ern nehmen die Spitalsambulanzen an Bedeutung zu. Anfangs waren sie noch Teil des Systems, weil sie den Kassen spezielle Honorare verrechnen konnten. Seit 1995 ist das vorbei. Seither gibt es nur patientenunabhängige Pauschalen, die an Landesregierungen ausbezahlt werden. Und wen wundert es, dass die Zahl der Patienten explodiert, die Anreize sind ja so ausgerichtet, dass Patienten dem Spital zugewiesen werden. Parallel stieg die Zahl der Wahlärzte an. Heute gibt es mittlerweile mehr als Kassenärzte. Welche Versorgungswirksamkeit Wahlärzte haben, wird sorgsam verschwiegen; aber sie sind sicher nicht mehr aus der ambulanten Versorgung wegzudenken. Und in all dem noch gar nicht berücksichtigt, sind die tagesklinischen (Spitals)Leistungen, die ja eigentlich auch der ambulanten Versorgung zuzurechnen sind.

Es wird Zeit, dass Kassen und Ärztekammern endlich verstehen, dass ihr liebgewonnener Weg anachronistisch ist. Will das Kassensystem überleben, wird es sich bewegen müssen.

Und genau das dürfte bei der SVA passieren. Denn, so der Vorschlag gegenüber der Ärztekammer, anstelle des alten Kataloges soll ein innovatives, patientenorientiertes Verrechnungsmodell treten. Moderne und flexible Honorierung nach Erkenntnissen der Versorgungswissenschaft und laufende Adaptierung des Leistungskatalogs nach neuesten medizinischen Erkenntnissen wird ebenso vorgeschlagen wie die Entlohnung in Abhängigkeit von der erbrachten Qualität, anstatt nur der Quantität. Es soll Anreize für integrative Versorgung geben, Hausarztmodelle sollten ebenso im Katalog enthalten sein, wie strukturierte Versorgungskonzepte für chronisch Kranke – alles in allem also eine komplette Umstellung der Finanzierungs- und Organisationsstruktur.

Das so etwas von der Ärztekammer vorerst (und reflexartig) abgelehnt werden muss, ist nur klar, aber dass es auf Dauer verhindert werden kann, Illusion.

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ambulante Gesundheitsversorgung – Chaos pur

Das Regel-Chaos in der ambulanten Versorgung ist unerträglich und behindert eine vernünftige Entwicklung – am Ende zum Schaden für die Bevölkerung.

Kaum jemand, der, wenn er einen Arzt besucht, weiß, welches Regel-Chaos sich hinter diesem Besuch verbirgt. Ein Normalbürger geht entweder zu seinem Kassen- oder Wahlarzt, oder in die Spitalsambulanz oder aber in ein Ambulatorium. Dass sich dahinter unterschiedlichste Gesundheitssysteme verbergen, bleibt verborgen.

Von der Patientenzahl her dürften Kassenärzte wohl die wichtigsten sein. Ob das auch für ihre Versorgungswirksamkeit gilt, weiß man nicht. Am Ende werden dort über 110 Millionen Arztbesuche pro Jahr gezählt. Wo es Kassenordinationen gibt, legen Ärztekammer und Kassen im Verhandlungsweg fest. Das Leistungsspektrum wird durch Honorarkataloge bestimmt, von denen es 14 unterschiedliche gibt – fünf für die sogenannten kleinen Kassen und neun für die neun Gebietskrankenkassen. Diese Kataloge sind alles andere als logisch, und funktionieren nach allem, nur nicht nach dem „Gleiches Geld für gleiche Leistung“- Prinzip. Denn die Leistungen sind das Produkt von 50 Jahren Verhandlungen zwischen Dutzenden Kassen und föderalen Ärztekammern. Kein Mensch weiß mehr, was sich die Verhandler bei den Leistungen und den damit verbundenen Honoraren gedacht haben.

Bei den Wahlärzten, von denen es mehr als Kassenärzte gibt, sind diese Kataloge weitgehend egal, weil sie nach dem Kostenerstattungsprinzip funktionieren, also nicht mit den Kassen, sondern mit den Patienten verrechnen, und ihre Honorare selbst festsetzen. Wo es Wahlärzte gibt ist ebenfalls ungeregelt. Das einzige was Wahlärzte mit Kassenärzten verbindet ist die Tatsache, dass beide keine Ärzte anstellen dürfen.

In den Spitalsambulanzen wiederum arbeiten nur angestellte Ärzte; wie viele ist aber ungewiss. Welche Leistungen erbracht werden ist ebenso unbekannt, wie die Menge der erbrachten Leistungen, nicht einmal das Patienten-Zählen funktioniert. Das Einzige, was man weiß, ist, dass sie in einer Grauzone arbeiten. Denn eigentlich sind sie nur für ambulante Patienten zuständig, die eine Versorgung brauchen, die es im niedergelassenen Bereich nicht gibt. Weil man aber weder da noch dort weiß, was es wirklich gibt, machen Ambulanzen mittlerweile alles.

Und schließlich mischen Ambulatorien mit: Wo es welche geben und was dort gearbeitet werden darf, ist Ländersache – die haben den Bedarf zu prüfen. Was allerdings die Bezahlung betrifft, da sind meist die Kassen in der Pflicht. Und um es nicht zu einfach zu machen: Die Vertretung der Ambulatorien ist – irgendwie artfremd – die Wirtschafts- und nicht die Ärztekammer.

Und weil die Verwirrung nicht groß genug scheint, wird es demnächst Ärzte-GmbHs nach dem Stöger-Modell geben: ein Hybrid aus Ambulatorium und Ordination. Es dürfen nur Ärzte, die in der Ärztekammer bleiben, dabei sein, Ärzte dürfen nicht angestellt werden und wo sie entstehen ist Ländersache, der Bedarf muss also von Amtswegen geprüft werden – außer die Ärzte, die seine GmbH gründen wollen, haben einen Kassenvertrag, dann ist es Sache der Kassen.

Alles sehr transparent halt.

Dabei hat der EuGH Österreich genau wegen dieser Intransparenz verurteilt und aufgefordert, endlich Regeln, die für alle gleich gelten, einzuführen. Aber das käme einer Reform gleich, die niemand will.

Praktisch bedeutet das aber Rechtsunsicherheit. Ärzte werden ihre Investitionsüberlegungen dementsprechend anstellen; mit der Folge, dass der ambulante Bereich weiter geschwächt wird – aber vielleicht ist das ja das Ziel.

Dieser Artikel wurde im April 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die unsicheren Prognosen der Kassen

Seit jeher sind die Prognosen der Krankenkassen falsch und immer ist das Ergebnis besser als die Vorschau – können oder wollen die nicht rechnen?

Es ist August 2009 und heiß. Angeblich der fünftwärmste August seit 150 Jahren. Durch die Medien geistern positive Meldungen über Kassenfinanzen! Nach dem im Mai, der ebenfalls zu warm war noch ein Minus von über 130 Millionen Euro erwartet wurde, geht man nun von plus 7,5 Millionen aus. Der Grund dafür sind Steuerzuschüsse.

Im November ist es ebenfalls zu warm, und die Positivmeldungen reißen nicht ab. Das Plus liegt jetzt schon bei 60 Millionen. Politiker sprechen von einer reformbedingten Trendwende. Allerdings schaue die Zukunft nicht rosig aus – da werden die Defizite wieder astronomische Höhen erreichen. Von 700 Millionen Minus wird gewarnt, und das schon bald.

Der Jänner zieht ins Land, und ist, anders als seine Vorgängermonate, zu kalt. Das Ergebnis der Kassen für 2009 liegt bei plus 145 Millionen.

Innerhalb von acht Monaten von minus 130 auf plus 145 Millionen Euro! Hängen die Prognosen mit dem Wetter zusammen?

Man kann einwenden, dass es bei den Kassen um etwa 14 Milliarden Euro geht und die Prognosen nur im Promillebereich schwanken. Das stimmt, aber warum aber soll man sie dann medial so verbreiten, wenn sie ohnehin nichts sagen?

Der Grund für diese Zahlen-Spielereien ist woanders zu suchen.

Die Prognosemodelle der Kassen sind (oder waren es wenigstens – sie sind streng geheim!) so dermaßen simpel, dass sie nie realitätsnahe Werte ausspucken können. Im Wesentlichen wird einfach ein Drei-Jahres-Trend nach vorne gerechnet.

Wäre Gesundheitsökonomie doch nur so simpel – ist sie aber nicht.

Will man wirklich gestaltend und nachhaltig vorgehen, und aussagekräftige Prognosemodelle entwerfen, muss man sich ein bisschen mehr anstrengen. Und dafür braucht es Epidemiologen, Demographen und Versorgungsforscher, die nichts anderes tun als sich zu fragen, wie es wirklich aussehen wird! Zwar könnte man meinen, dass es bei den vielen Kassen-Mitarbeitern jemanden gäbe, der das könnte und machte, aber nachdem doch die meisten dort mit Leib und Seele Gewerkschafter sind, die nicht gestalten sondern verhandeln wollen, ist das nicht der Fall. Und da liegt der Wurm.

Die Zahlen dienen nur dazu, Verhandlungen zu führen, sei es mit Politikern oder Kammern. Dass am Ende die Prognosen von der Realität nur gering abweichen, hängt genau damit zusammen – es wird im Verhandlungsweg retrograd kalibriert. Fehlt Geld, dann erhöht man Beiträge (getarnt als Harmonisierungen) oder erhält Steuergelder (bereits ein Drittel der Einnahmen der Kassen stammen aus Steuern), also Einnahmen, um die „drohenden“ Defizite zu decken. Je höher die Defizite, desto höher die Einnahmen. Wenn es sich trotzdem nicht ausgeht, dann verdrängt man über das Honorar- und Planstellensystem der Kassenärzte solange Patienten in Spitäler, bis es sich wieder ausgeht. Und so passt es ins Bild, dass, seit die Kassen nur mehr Pauschal in die Spitäler einzahlen (1995), die Zahl der Kassenärzte nicht verändert wurde – trotz demographischer und epidemiologischer Veränderungen!

Kassen-Prognosen sind also nicht am Patienten ausgerichtet, sondern um den Machtspielchen zwischen Gewerkschaften, Politikern und Kammern zu dienen. Ernsthafte Prognosen braucht man dazu nicht, sie sind sogar hinderlich.

Und schon jetzt kann ich sagen, dass es nie zu dem prognostizierten Defizit von 700 Millionen Euro kommen wird, das wird die eine oder andere Steuer- oder Beitragserhöhung schon verhindern – ganz ohne Reform.

Dieser Artikel wurde im Februar 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Projekt Österreich – Arbeitspaket Gesundheit

Die Rede des (Vize)Kanzlers war doch nur tagespolitische Show. Ernsthaft angegangen wird nichts – das könnte ja Konflikte schaffen.

Das war sie, die Rede zur Lage der Nation und sie hat im Kapitel Gesundheit nicht viel und nichts Neues gebracht. Finanzierung aus einer Hand – äh, Topf, heißt das jetzt – und Stärkung des Hausarztes. Beides seit vielen, vielen Jahren in Regierungsprogrammen nachzulesen und sogar in manchem Gesetz verewigt. Einzig Realität wurde es bisher nicht.

Warum das so ist, ist auch schon längst bekannt. Wenn man nicht ernsthafte Sanktionen androht, fühlen sich Sozialpartner und Länder nicht einmal ansatzweise gemüßigt, Gesetze zu befolgen. Ich habe mich daher veranlasst gefühlt, eine Rede zu schreiben, wie ich sie gerne hören würde.

Liebe Österreicherinnen und Österreicher!

Auch wenn so wenig Transparenz herrscht, dass wir es nicht wissen, können wir trotzdem froh sein, dass die medizinische und pflegerische Versorgung in Österreich gut zu sein scheint.

Allerdings ist das schon lange nicht mehr der Verdienst derer, die das System organisieren sollten. Längst lebt die Versorgung von der Zivilcourage tausender Ärzte und Pflegekräfte, die sich mehr um Patienten kümmern als um das System, und bereit sind, es zum Wohle der Patienten zu unterwandern.

Das Gesundheitssystem ist ein Hemmschuh, ein sehr teurer Hemmschuh geworden. Seit 40 Jahren legen sich nun Sozialpartner und Länder gegen jede Reform, die diesen Namen verdient, quer. Das kostet Jahr für Jahr hunderte Millionen EURO.

Jetzt drohen massive Einschnitte und die Erhöhung von Selbstbehalten – das werde ich nicht dulden

Ich gebe daher den Sozialpartnern und Ländern ein Jahr Zeit, eine Reform zustande zu bringen, an deren Ende ein integriertes Gesundheitssystem – das Prävention, Akutbehandlung, Rehabilitation, Pflege und Palliativversorgung beinhaltet – stehen muss.

Parallel habe ich im Finanzministerium eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die ausrechnet, wie viel Bundessteuern – direkt oder indirekt, sei es über Finanzausgleich, Defizitdeckung der Pensionsversicherung für Rehabilitation, Hebesätze für Pensionisten bei den Kassen, klinischer Mehraufwand oder ähnliches – ins Gesundheitssystem fließen.

Diese Arbeitsgruppe wird eine Steuerreform vorbereiten, die die gesamten Mittel aus diesen Bereichen umfasst.

Wenn keine Gesundheitsreform zustande kommt, werde ich 2013 der Bevölkerung mit einer großen Steuerreform ihr Geld zurückgeben. Einzig die bisher aufgelaufenen Schulden der Krankenkassen sollen vom Budget übernommen werden.

Gleichzeitig werde ich den Ländern und Gemeinden Steuerhoheit geben, damit sie für die Gesundheits- und Pflegeversorgung selbst Steuern von ihrer Bevölkerung einheben können und sich auch vor ihr rechtfertigen müssen.

Gleiches gilt für die Kassen, die erhalten ebenfalls Einnahmenhoheit. Allerdings würde die Pflichtversicherung, die jeden Österreicher in eine Krankenkasse zwingt, in eine Versicherungspflicht umgewandelt werden, damit jede einzelne Bürgerin und jeder einzelne Bürger selbst entscheiden kann, wo er oder sie versichert sein will.

Wenn Sozialpartner und Länder weiter jede sinnvolle Entwicklung blockieren, dann werde ich nicht zögern, das umzusetzen – auch wenn mir klar ist, dass damit kein Stein auf dem anderen bleibt und ich jede zukünftige Wahl verlieren werde.

Es ist aber an der Zeit, dass auch Länder und Sozialpartner erkennen, dass das Gesundheitssystem der Bevölkerung gehört, und nicht den agierenden Interessengruppen – wie mächtig diese auch immer sein wollen.

Dieser Artikel wurde im Oktober 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

David gegen Goliath? Oder ein fataler Irrtum?

Die Salzburger Kasse will keine Schulden anhäufen. Das ist löblich. Die Maßnahmen, die sie jedoch setzt, die bereiten mir Kopfzerbrechen!

In Salzburg beginnt etwas, das noch weiter Kreise ziehen wird. Die Ärztekammer hat sich mit der Krankenkasse auf ein Sparpaket geeinigt. Geht es nach deren Wunsch, dann darf es hinkünftig nur mehr das billigste Medikament geben – wer was anderes will, muss selbst zahlen. So will man die Pharmabranche zwingen, die Preise zu senken.

Dass so ein Vorgehen wahrscheinlich einigen Gesetzen widerspricht, soll einmal außen vor gelassen werden. Viel schlimmer könnten die Auswirkungen auf die Medikamentenversorgung sein.

Nun, gerne wird behauptet, die Pharma-Riesen machen ja zweistellige Milliardengewinne, und zwar nach Steuern. Wer so viel verdient, der kann schon auf ein bisschen was verzichten. Und wenn damit das Gesundheitssystem – also eigentlich das bei manchen so beliebte Kassensystem – „gerettet“ wird, dann kann man schon was runterbeissen, von den Gewinnen.

Aber ist das wirklich so einfach? Die Gewinne werden nicht hierzulande gemacht. Die Umsätze im niedergelassenen Bereich – also dem Bereich der Kassen – betragen, ohne Mehrwertsteuer etwas mehr als zwei Milliarden. Wie da Milliardengewinne zu machen wären, ist unbekannt. Im Spitalsbereich wird es noch ein bisschen skurriler, da werden über „Rabatte“ ein Drittel der Medikamente verschenkt – und damit die „realen“ Verkaufspreise nach unten gedrückt.

Die, die so gerne auf die Gewinne der Pharmaindustrie schielen, sollten sich langsam daran gewöhnen, dass die nicht in Österreich gemacht werden. Die in Österreich zu erzielenden Preise liegen 18 Prozent unter dem EU-Schnitt, die Gesamtausgaben für Medikamente im Gesundheitssystem liegen 14 Prozent darunter. In Österreich verdient die Branche also nicht wirklich viel.

Mehr noch, die Pharmaindustrie hat sich vertraglich verpflichtet, Teile ihrer Gewinne freiwillig zurückzuzahlen – und zwar in dreistelliger Millionenhöhe für drei Jahre. Warum tun die das?

Österreich ist in der EU! Preise, die man hier erzielt, sind früher oder später Preise, die auch andere Länder wollen. Warum soll gerade ein internationales Unternehmen sich in dem winzigen Markt Österreich die Preise ruinieren? Aber genau das will doch das Salzburger Modell. Kein internationales Unternehmen wird sich aber in einen Preiskampf einlassen, und im Ernstfall ein Medikament lieber aus dem Österreichischen Markt nehmen oder erst gar nicht zulassen. Und wenn die Zahl innovativer Medikamente zurückgeht, dann kann das für die Versorgung nicht gut sein.

Und wie ist das mit den Gewinnspannen? Glauben die Entscheidungsträger in Salzburg ernsthaft, dass sie die Gewinnspannen internationaler Riesen reduzieren können? Wenn durch irgendwelche Maßnahmen die Gewinne weniger werden, dann werden Gegenmaßnahmen gesetzt werden. Und was wären die? Kostenreduktion durch Rückzug aus der Forschung (also weniger Studien, was besonders die Krankenhäuser treffen wird) und der Fortbildung (was besonders jene Treffen wird, die die Fortbildung ernst nehmen).

Meiner Meinung nach zeigt die Aktion der Salzburger nur auf, dass der unreflektierte und chaotische Kampf um den Kuchen begonnen hat. Der Glauben, dass die Versäumnisse der Politik in der Gesundheitsreform über solche Maßnahmen übertüncht werden können, ist schlicht ein Irrglaube. Wenn jedoch moderne Medikamente später oder gar nicht eingeführt werden, nur weil irgendjemand meint, die Pharmaindustrie macht hierzulande zu hohe Gewinne, dann wird der Patient draufzahlen.

Dieser Artikel wurde im Oktober 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Karriere nach dem Turnus

Skurril, wie man junge Ärzte nach ihrer Ausbildung zum Hausarzt auf die Zukunft vorbereiten will. Da ist wohl noch einiges zu überdenken.

An was denkt man wohl, wenn man Osteopathie, Neuraltherapie, angewandte Kinesiologie, chinesische Diagnostik und Arzneitherapie, anthroposophische Medizin, orthomolekulare Medizin, moderne F. X. Mayr Medizin oder Homotoxikologie hört?

Da fallen mir als Pathologe und geeichten Schulmediziner Dinge ein wie: Alternative Medizin für die, die es sich leisten können und wollen, Firlefanz nach dem Prinzip “Hilft’s net, schad’t’s net“, vollkommen zurecht keine Leistungen auf Krankenschein etc.

Keinesfalls käme ich auf die Idee, darin Karrierechancen für angehende Hausärzte zu sehen, die sich nach einer Krankenhaus- und Gerätemedizin-lastigen Ausbildung mit Fokus auf Blut abnehmen und Infusionen anhängen (man spricht auch gerne und abfällig von Fachärzten für periphere Venepunktion) auf ihre Zukunft vorbereiten sollen. Und doch ist es so.

In einem Folder der Ärztekammer für Wien mit dem Titel „Karriere nach dem Turnus“, werden Turnusärzte eingeladen, sich auf die Zeit danach vorzubereiten. An 15 avisierten Abenden sollen karrierefördernde „Zusatzqualifikationen“ vorgestellt werden, die, neben wenigen vernünftigen Vorschläge wie Geriatrie und Palliativmedizin (dafür ist nur ein Abend reserviert), mit dem Bild des Hausarztes aber auch gar nichts zu tun haben.

Keine Rede von z.B. „Koordination zwischen Leistungserbringern verschiedener Ebenen für chronisch Kranke (Fachärzte, stationärer Bereich, Apotheken, soziale und medizinische Dienste)“ oder „Systematische Primär- und Sekundär- und Tertiärprävention“ oder „Strukturiertes Management der Patientenbetreuung unter Kosten-Nutzenüberlegungen (prä- und poststationäres Management, Voruntersuchung und Vorbereitung für geplante Eingriffe,..)“ oder „Durchführung und Koordination der palliativmedizinischen Betreuung in häuslicher Umgebung und in Pflegeheimen in Kooperation mit anderen Berufsgruppen“ oder „Betreuung und Management von Mehrfacherkrankten“ oder „Problemerkennung und Intervention im Sozialbereich“ oder schlicht die „Hauskrankenbehandlung“ – alles Themen, die nicht nur nach Meinung der Österreichischen Gesellschaft für Allgemeinmedizin zur Rolle der Hausärzte gehören – und deren Beherrschung karriereförderlich sein sollte!

Für diese Fertigkeiten gibt es aber keine Ärztekammer-Diplome, aber auch keine Ausbildung im Turnus. Diese Qualifikationen müssen wohl angeboren sein, strukturiert erwerben kann man sie nicht.

Andererseits ist es verständlich, dass die Ärztekammer dafür keine Ausbildungsschiene etabliert. Von den etwa 1.000 Ärzten, die jährlich fertig zum Hausarzt ausgebildet werden, haben vielleicht 200 Chancen auf einen Kassenvertrag; wenn sie sich so einen überhaupt selbst zutrauen (was ich nicht würde mit der jetzigen Ausbildung). Einige hundert werden das Glück haben, eine Facharztausbildungsstelle zu ergattern und damit vielleicht auch die Chance in einer sicheren Anstellung zu bleiben oder wenigstens noch eine Galgenfrist rauszuschlagen.

Der Rest – mehrere hundert pro Jahr – werden in den freien Markt gespuckt. Und dort, im kassenfreien Raum, kann man als „Wahl-Hausarzt“ nur überleben, wenn man sich auf Einnahmen konzentriert, die nichts mit Schul- und Kassenmedizin zu tun haben. Gleichzeitig, als nicht unerwünschter Nebeneffekt, werden sich so „zusatzqualifizierten“ Ärzte auch nicht um den Kassenkuchen, der ohnehin schon für die etablierten Kassenärzte kaum mehr reicht, anstellen.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Sechs Stunden Wartezimmer

Ärztemangel, zu wenig Geld, Neoliberale – alles ist Schuld am fortschreitenden Versagen des Gesundheitssystems, aber nicht Struktur und Politik! Oder?

Es ist 10:30 Uhr, und er sitzt seit zweieinhalb Stunden im Wartezimmer. In der Früh ist er aufgewacht und hat, zu dem seit einer Woche bestehenden Husten, 39 Grad Fieber bekommen.

Als er endlich drankommt, hat der Arzt vier Minuten Zeit. Dieser hört ihn ab, verschreibt ihm Antibiotika und überweist ihn zur Sicherheit an den Radiologen.

Adresse samt Lageplan des nächsten Röntgeninstituts – eigentlich ein netter Service – hat ihm die Sprechstundenhilfe mit Rezept und Überweisung in die Hand gedrückt.

Beim Radiologen kommt er überraschend schnell dran. Nur zwanzig Minuten nach seinem Eintreffen ist das Röntgen fertig. Allerdings wartet er dann eineinhalb Stunden auf den Befund. Es ist jetzt 14:30 und er ruft beim Hausarzt an, ob er noch vorbei kommen könne. „Nein, heute nicht mehr. Kommen Sie gleich morgen Früh.“

Um 8:00 ist er dort. Als er drankommt, ist es 9:45 Uhr. Der Arzt schaut auf das Röntgen und sagt, dass die Antibiotika schon gut sind, allerdings gefalle ihm das Bild nicht richtig und überweist ihn ohne weiteren Kommentar an einen Lungenfacharzt. Um 9:50 verlässt er die Praxis mit einer neuen Überweisung.

Zuhause angekommen, versucht er einen Termin zu kriegen. Die beiden ersten Lungenfachärzte, die er anruft, teilen mit, dass sie keine Kassenpatienten mehr nehmen können. Erst beim dritten erhält er einen Termin – in drei Wochen! Das nächste Mal, so beschließt er, fährt er gleich in Krankenhaus; da muss man weniger warten, nicht herumfahren und hat seine Diagnose sicher innerhalb von einem Tag!

Was ist denn da los? Wenn man als Patient nach zweit Tagen und 6 Stunden Wartezimmer noch immer seine Diagnose nicht hat, jedenfalls ein Organisationsproblem. Aber es könnte auch ein Ärztemangel vorliegen, wenn man die Wartezeiten ansieht. Doch ist das so?

Betrachtet man die offiziellen Zahlen der OECD, dann haben wir mit 3,7 Ärzte (ohne Zahnärzte) pro 1.000 Einwohner eigentlich gar nicht so wenige Ärzte. Genau genommen sogar viele, da die meisten westeuropäischen Länder weniger haben.

Von den etwa 29.000 fertig ausgebildeten Ärzten arbeiten 12.000 im Krankenhaus. 17.000 sind niedergelassene Ärzte. Von letzteren jedoch haben nur knapp 8.000 einen Kassenvertrag, der Rest sind meist Wahlärzte. Nehmen wir an, 20 Prozent der Bevölkerung kann und will sich den Luxus eines Wahlarztes leisten und rechnen dann auf die Restbevölkerung nur Kassen- und Spitalsärzte. Plötzlich haben wir nur mehr 3 Ärzte pro 1.000 Einwohner. Mit dieser Zahl, landen wir auf den hintersten Rängen, knapp vor Großbritannien und Finnland.

Und schon wird die Sache klar. Uns fehlt es nicht an Ärzten, sondern an Kassenärzten. Noch klarer wird es, wenn wir bemerken, dass die Zahl der Kassenstellen wenigstens seit 1995 (soweit reichen meine Zahlen zurück) unverändert ist, gleichzeitig aber die demographische Veränderung – Stichwort Alterung – immer mehr Ärzte erfordern würde.

Es ist also kein Wunder, dass die Ambulanzen immer voller werden und die Patienten immer schwieriger einen Kassenarzttermin, insbesondere beim Facharzt ergattern können, ja sogar von Kassenärzten abgewiesen werden, auch wenn letzteres meiner Meinung nach nicht korrekt ist.

Und statt sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, was erleben wir tagtäglich? Die Finanzierung der Kassen muss gesichert werden! Nein, Geld ist nicht das Problem, es sind unsere überkommenen Strukturen – die allerdings, will keiner angreifen.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Der nächste Sündenfall

Jetzt haben wir (k)ein neues Kapitel in der Gesundheitsreform, wieder Einahmenseitiges und wieder ein Stück weiter weg von Demokratie und Kostenwahrheit.

Dass die Kassen neues Geld kriegen, darf nicht verwundern. Standhafte Politiker hat es vermutlich nie gegeben – sie entstammen einer Sagenwelt, wie die Gesundheitsreform. Und folgt man den Aussagen des Gesundheitsministers in Alpbach, dann ist die Reform dort auch gut aufgehoben. Das beste System braucht keine, schon gar keine Strukturreform, nur eine Weiterentwicklung. Dass über eine Kassenreform nachweislich seit den frühen 1960er Jahren diskutiert wird, dürfte an der für Österreich typischen Reformfreudigkeit liegen. Reformen um der Reformen willen, das macht das Land aus!?

So ist auch das Kassenpaket zu sehen. Die kriegen frisches Geld. Der Steueranteil an deren Einnahmen wird über 25 Prozent (weit über 3 Mrd. Euro jährlich) betragen – aber ohne Reform, also mehr Mitspracherecht des Steuerzahlers. Ganz im Gegenteil, demokratisch legitimierte Volksvertreter haben weniger Einfluss denn je! Kassen werden künftig so agieren, wie sie es sich mit der Ärztekammer ausmachen. Die anderen sollen schweigen und zahlen.

Klar wird das neue Geld öffentlichkeitswirksam an Bedingungen geknüpft – man will zeigen, dass dieses Land noch von einer Regierung regiert wird. So müssen die Kassen belegen, dass sie die ominösen 1,7 Mrd. Euro Einsparungen wirklich realisieren. Einmal abgesehen, dass die dahinterstehenden Milchmädchenrechnungen nicht nachvollziehbar sind, erinnert mich das an jene Auflagen, die die Länder 2005 erhalten haben. Diese mussten gesetzlich innerhalb von vier Jahren 300 Millionen Euro (weniger als 1% p.a.) in den Spitälern einsparen. Als dann 2008 der neue Finanzausgleich vorgezogen wurde, und der Bund den Nachweis verlangte – der natürlich nicht erbracht werden konnte – hat man einfach ins Gesetzt geschrieben, dass die vorgeschriebenen Einsparungen als erbracht betrachtet werden – so leicht ist das, wenn man das Gewaltmonopol hat!

Bleibt der Prosateil des Kassensanierungspapiers. Da steht viel drinnen – lauter Absichtserklärungen. Und auch dafür gibt es historische Beispiele. Wussten Sie z.B., dass bereits 1996 beschlossen wurde, einen Stellenplan für alle niedergelassenen Ärzte verbindlich einzuführen? Jetzt steht das wieder drinnen, und wird als Verhandlungserfolg verkauft. 2005 wurden zum Erhalt der Qualität in Spitälern Mindestfrequenzen gesetzlich fixiert! Kleinstkrankenhäuser wie Bad Aussee stehen aber fester denn je. Papierene Reformen wurden noch nie umgesetzt!

Kommen wir zu den Ländern. Dass deren Sparwille mehr als unterentwickelt ist, ist bekannt. Was werden diese nach dieser Kassen-Einigung denken!? Das die Länder pleite sind, wird offensichtlich. Dass so gut wie jedes Bundesland – trotz anderslautender Meldungen – die Bau- und Investitionsprogramme nach hinten streckt ist nur ein kleines Zeichen. Dass aber bereits in zwei Ländern die Landeskrankenhäuser trotz Landeshaftung keine Bankkredite mehr kriegen, wäre anderswo ein Alarmsignal! Oder doch nicht?

Wenn der Finanzminister schon Kassen nicht in den Konkurs schickt, was wird er erst unternehmen, um die Länder zu retten? Wenn er jetzt so einfach pro Jahr eine Viertel Milliarde Euro zusätzlich aus unseren Taschen zieht, dann werden die Länder für ihre Krankenhäuser sicher eine halbe, oder gleich eine ganze Milliarde mehr kriegen!?

Und dann schaue ich in die Augen meines zweijährigen Sohnes und frage mich: „Wie willst du das alles bezahlen – oder willst du das überhaupt bezahlen?“

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Machtmissbrauch im Gesundheitssystem

Der Kampf, wer jetzt die Hand sein darf, die alles finanziert, ist ausgebrochen – um in die Organisation einzugreifen und seine Macht auszudehnen!

Chronisch krank sind sie, die beiden Burschen, die letzthin in einer ORF-Sendung zu sehen waren, und ein Paradebeispiel für die Systemfehler. Die beiden brauchen, damit die Folgen ihrer genetischen Krankheit das Leben nicht in Unerträglichkeit verwandeln, regelmäßig Physiotherapie. Doch wer bezahlt diese? Klar ist, beide sind Pflegefälle und es besteht, wie bei allen chronischen Krankheiten, keine Chance auf Heilung, sondern nur auf Linderung. Und weil das so ist, leben sie zwischen den Welten.

Wenn sie zuhause wundliegen oder wegen fehlender Bewegung Lungenentzündungen kriegen, ja, dann erhalten sie ihre (dann viel teureren) Therapien von der Krankenkasse. Durch regelmäßige Physiotherapie Wundliegen und Pneumonie zu vermeiden, das ist nicht Sache der Kassen. Zwar müssen diese Therapien bezahlen, wenn eine Verschlechterung einer Krankheit vermieden werden kann, aber wie ist das bei unheilbaren Krankheiten? In diesem Fall kommt das Argument, dass die Länder zahlen müssen – weil es ja Pflegefälle sind. Länder allerdings sehen ihre Aufgabe darin, Pflegeheime zu finanzieren. Kosten für Physiotherapie zu übernehmen, um eine Einweisung in ein Heim zu vermeiden, also präventiv tätig zu werden, das steht nicht auf deren Aufgabenliste – dafür ist wer anderer zuständig, oder?

Es ist ein zynisches Spiel, das hinter all dem steht. Es ist der Versuch, möglichst dem anderen Kosten zu überlassen. Das geht nicht nur bei den Welten Pflege-Krankenversorgung so, auch bei der Prävention, der Rehabilitation und der Palliativversorgung ist es das gleiche – schlicht überall dort, wo die Finanzierung jeweils jemand anderem gehört. Und am Ende ist das alles nicht nur sauteuer, sondern vor allem unmenschlich.

Deswegen, und wegen nichts anderem, braucht man die Finanzierung aus einer Hand. Das Spiel der betriebswirtschaftlichen Optimierung der einzelnen Finanziers, die noch dazu allesamt Pflicht-Institutionen sind – niemand darf aus diesem Spiel aussteigen und dank Selbstverwaltung in vielen Fällen nicht einmal die Entscheidungsträger abwählen – auf dem Rücken der Patienten und zu Lasten der Steuer- und Beitragszahler muss beendet werden.

Aber, aus der Finanzierung aus einer Hand eine operative Aufgabe abzuleiten, das ist skurril. Doch offenbar verstehen das manche so. Da wird ernsthaft darüber nachgedacht, dass die Umstellung auf so eine Finanzierung dazu führen muss, mit zentralen Büros Krankenhäuser, Ordinationen etc. zu führen.

Das ist aber nicht der Sinn der Finanzierung aus einer Hand. Ganz im Gegenteil. Um umsetzbar zu sein, muss die Organisation so dezentral wie möglich sein. Und dort soll eine demokratisch legitimierte Hand für die Bevölkerung in überschaubaren Versorgungsgebieten alle regional benötigten präventiven, diagnostischen, therapeutischen, rehabilitativen, pflegenden oder palliativen Dienstleistungen, Aktivitäten oder Beratungen, die sich mit Krankheiten, Symptomen oder Verhaltenstörungen, die ein Individuum aufweist, befassen, einkaufen – von Anbietern, die im Wettbewerb stehen!

Daher sei klar festgehalten: Die Finanzierung aus einer Hand ist kein Garant, aber liefert gute Voraussetzungen, eine integrierte Versorgung aufzubauen in der Patienten zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle mit der richtigen Leistung versorgt werden. Sie ist kein auch nur irgendwie geartetes Argument zentralistischer Machtgelüste.

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Milchmädchen und Milchbübchen

Die vergangene Woche war eine echte Sparwoche. Nicht nur im Gesundheitssystem wurden Millionen eingespart, auch ich kann auf Erfolge verweisen.

Letzte Woche war super. Fangen wir mit der privaten Seite an.

Ich war in einem für meine Verhältnisse viel zu teuren Restaurant. Und weil ich es mir gut gehen lassen wollte, habe ich ein schönes, saftiges Steak bestellt. 30 Euro! Ein Wahnsinn, aber auch wirklich schmackhaft.

Glücklicherweise bin ich ein paar Tage darauf mit Freunden in einem Beisel gewesen. Dort habe ich mir ein Schnitzel bestellt, dass mit nur zehn Euro ein sehr gutes Preis/Leistungsverhältnis gehabt hat und auch schmackhaft war. Auf dem Heimweg habe ich mich so gefreut, dass ich 20 Euro gespart habe, dass ich meiner Frau ein kleines Geschenk kaufte. Sie hat sich gefreut, ich habe mich gefreut – alle waren glücklich.

Am nächsten Tag ging ich wieder an dem viel zu teuren Restaurant vorbei und dachte, dass meine Frau das Geschenk eigentlich auch ohne meine Einsparung verdient hätte. Eigentlich, so dachte ich weiter, hab ich die 20 Euro, die ich gespart hatte also noch. Kurz überlegt, schnell gehandelt, ich genoss noch einmal dieses herrliche Steak. Zwar könnte ich es mir noch immer nicht leisten, da ich aber 20 Euro gespart hatte, kostete mich das Steak genaugenommen ja nur zehn statt 30 Euro – und verglichen mit dem Schnitzel, kann ich nur sagen, kein Vergleich.

Nicht nur privat gab es letzte Woche Highlights, auch beruflich.

Ich hatte ja schon Angst, dass die ganzen Sparprognosen der Kassen reiner Fake sind. Da lag ich offenbar falsch. Die hoffen nun auf ein leichtes Plus von 7,5 Millionen Euro. Nun gut, ihre Defizitprognose lag ursprünglich bei 100 Millionen, sie haben dann 120 Millionen Zuschüsse erhalten und können (noch) auf hohe Einnahmen wegen einer (noch) hohen Beschäftigung zurückblicken, aber, wie der Hauptverband zurecht stolz verkündet, zeigen die Sparmaßnahmen erste Erfolge. Anders wäre das Plus nicht zu erklären. Und weil ich lernfähig bin – anders als irgendwelche Finanzminister – bin ich jetzt auch dafür, dass man den Kassen möglichst alles gibt, was sie sich wünschen. Wer innerhalb weniger Wochen so viel sparen kann, der hat das verdient.

Aber nicht nur die Kassen haben mich überzeugt. In einem Bundesland, das in den letzten Jahren alle Spitäler übernommen hat, wurde mitgeteilt, durch Synergien die jährliche Ausgabensteigerung von 9 bis 10 Prozent auf 5 bis 6 gedrückt zu haben.

Zwar betrugen die Kostensteigerungen erst 9 bis 10 Prozent, seit alle Spitäler unter zentralistischer Führung stehen (davor waren es unter 5 Prozent) und die für die Kostensteigerungen verantwortlich gemachten Modernisierungsinvestitionen haben (noch?) keinen Niederschlag in den Abschreibungen gefunden und sind daher noch gar nicht eingepreist. Aber, so wird verlautet, werden dort durch kluge Politik fünf Prozent der jährlichen Kosten – das sind über 74 Millionen Euro – gespart. Ich hoffe, die werden gut veranlagt.

So, wie es aussieht, sind die Länder also ganz groß dabei, bei den Spitälern zu sparen. Ich denke, das wird beim nächsten Finanzausgleich 2013 vom Wasserkopf Wien auch entsprechend gewürdigt.

Ach, ich freue mich schon auf nächste Woche. Statt einem Koenigsegg kauf ich mir nur einen Lotus – und zwar von dem Geld, das ich mir erspare, weil ich keinen Koenigsegg kaufe. Vom Rest kriegt meine Frau endlich ihr lang ersehntes Häuschen im Grünen. Und wenn dann noch was übrig bleibt, bezahl ich vielleicht auch meine Schulden.

Dieser Artikel wurde im August 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.