Das Mega-Projekt „einheitlicher Leistungskatalog“

   Manches dauert in Österreich, bis es kommt. Aber es kommt. Vielleicht. Oder eher nicht.

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   In all dem Trubel um Korruption und den assoziierten Ablenkungsmanövern ist sie beliebt: die Pressekonferenz, in der etwas angekündigt, ja eine ausgedruckte Variante des Angekündigten sogar in die Höhe gehalten wird, von dem dann aber niemand Genaueres weiß. Und das macht auch die Ärztekammer, die quasi aus dem Nichts heraus die Beendigung eines „Mega-Projektes“ verkündet . Auf 150 Seiten soll die jahrelange Arbeit von 200 Experten zusammengefasst worden sein. Der Inhalt: der seit langem in der Diskussion stehende „einheitliche Leistungskatalog“ – allerdings nur für Kassenärzte.

   Um das einzuordnen, muss man gesundheitspolitischer Archäologe sein.

   Es liegt jetzt ein Vierteljahrhundert zurück, dass wir der EU beigetreten sind. Damals musste, zwecks Verschleierung der Spitalsfinanzen, die Finanzierung völlig reformiert werden. Im Rahmen dieser Reform, der Einführung der „Leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierung“ (LKF), wurde auch die Ambulanzfinanzierung reformiert. Ohne auf Details einzugehen, war schon damals klar, dass man, will man kein (noch größeres) Problem mit der ambulanten Versorgung erzeugen, alle (!) Leistungserbringer gemeinsam betrachten und steuern muss. Wenn nicht, wird dieser Bereich (noch stärker) in Subsysteme zerfallen, die sich gegenseitig abschotten. Deshalb wurde bereits 1996 festgelegt: „Im ambulanten Bereich ist spätestens ab 1. Juli 2001 in Modellversuchen eine geeignete Diagnosen- und Leistungsdokumentation zu erproben. (…) für die Leistungsdokumentation ist ein praxisorientierter, leicht administrierbarer Leistungskatalog anzuwenden.“

   Passiert ist das aber alles nicht – bis heute. Spannend ist, dass es so um 2003 ein Projekt auf Bundesebene gab, das diesen Katalog endlich entwerfen sollte, weil Ärztekammern und Spitalsträger nicht in die Gänge kamen. Das wurde natürlich boykottiert. Und um das eigene Subsystem zu erhalten – also die hoheitliche Verhandlung über Leistungen und Honorare –, hat das höchste Gremium der Ärztekammer, der Ärztekammertag, im Jahr 2005 (oder war es 2004?) beschlossen, die Entwicklung dieses Kataloges an sich zu ziehen. Auf diese 16 oder 17 Jahre muss sich also die Aussage des jahrelangen „Mega-Projekts“ beziehen. Man stelle sich vor, was für Leistungen das sein müssen, für die man eineinhalb Jahrzehnte braucht, um sie zu definieren. Gewaltige – und sicher topmodern. Immerhin ist der medizinische Fortschritt ja nur gering (Achtung, Sarkasmus!).   

Realiter ist es ohnehin anders. Denn der 150 Seiten dicke Katalog ist, wie man hört, eine Überschriftensammlung auf Basis der Honorarordnung der Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau. Dieser BVA-Katalog war immer schon der ausführlichste und der mit den höchsten Honoraren. Praktikabel ist er genauso wenig wie alle anderen. Er ist der Wunschtraum der Ärztekammerfunktionäre, die sich nächstes Jahr Wahlen stellen und so in Position bringen. Denn wie nicht anders zu erwarten, haben bereits alle Landesärztekammern in der ÖGK gemeldet, dass sie eigenständig verhandeln wollen. Der „einheitliche Katalog“ ist also so weit weg wie eh und je – und wird niemals kommen.

„Wiener Zeitung“ vom 27.05.2021 

Definitiv nicht die „größte Strukturreform der Zweiten Republik“

  Ein Berg hat gekreißt, eine Maus wurde geboren! Die Kassenreform ist nicht für Patienten gemacht, sondern ein parteipolitisches Hickhack.

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   Dank klientelpolitischer Gesetze ist die ambulante Akutversorgung außerhalb der Spitäler völlig zersplittert. Hier agieren 19 Krankenkassen (KK) und 15 Krankenfürsorgeanstalten (KFA), deren Eigentümer politisch klar zugeordnet werden können, deren Versicherte aber keine Wahl haben. Die Leistungsspektren werden über Leistungs- und Honorarkataloge definiert, die mit anderen Monopolisten verhandelt werden – den zehn Ärztekammern.

   Wie viele Kataloge im Umlauf sind, ist nicht klar, denn KFAs entziehen sich jeglicher Kontrolle, am Ende sind es mehr als 20. Wie inhomogen dieses „Preissystem“ ist, zeigt, dass beispielsweise ein EKG im Rahmen eines Hausbesuches bei einem Versicherten der Gebietskrankenkasse (GKK) in Niederösterreich mit 53 Euro honoriert wird, bei einem GKK-Patienten in der Steiermark aber nur mit 13 Euro.

   Die gleichen Verhandler bestimmen über Kassen-Stellenpläne auch die Kassenarzt-Dichte – ebenfalls inhomogen. So ist die Kassen-Facharztdichte im Westen Wiens doppelt so hoch wie die im Mühlviertel, obwohl es dort nicht an jeder Ecke Spitalsambulanzen gibt. In der Folge werden Patienten nicht dort behandelt, wo es sinnvoll wäre, sondern dort, wo Angebot und Honorarkataloge sie hinlenken. Um das zu reformieren, muss man tief in die Systemarchitektur eingreifen. Und das hat die Regierung versprochen. Nun wurde die Reform vorgestellt, mit der Kassen fusioniert und Leistungen harmonisiert werden – alleine, die Details sprechen eine andere Sprache. Die KFAs, die traditionell die höchsten Honorare (mindestens doppelt so hoch wie die der GKKs) bezahlen, wurden nicht angerührt. Zwar ist die Zahl der Versicherten verhältnismäßig klein und daher könnte man darüber hinwegsehen, doch, da KFA-Versicherte hauptsächlich in Ballungsräumen leben, stellen sie für Ärzte einen Anreiz dar, dort zu ordinieren. Analoges gilt für SVA und BVA, die ebenfalls ihre Kataloge behalten. Damit wurde die Chance verpasst, für Ärzte Anreize zu setzen, sich außerhalb von Ballungsräumen niederzulassen.

   Kernstück der Reform soll aber die Fusion der neun GKKs zu einer ÖGK sein. Versprochen wurde ein einheitlicher Leistungs- und Honorarkatalog. Doch, jedes Bundesland behält eine autonome Landesstelle, die weiter mit den regionalen Ärztekammern eigene Honorarkataloge und Stellenpläne verhandelt und das dafür nötige Budget von der Zentrale kriegen muss. Die Zahl der Kataloge und Stellenpläne ändert sich kaum und damit bleibt alles, wie es ist.    

Doch warum dann der Aufruhr? Das liegt an den eingebauten Boshaftigkeiten. Die Zahl der (meist roten Gewerkschafts-) Funktionäre und hohen Verwaltungsposten wird reduziert. Das alleine ist schon ein Angriff auf das austarierte Gefüge der gewerkschaftlichen „Erbpachten“. Richtig böse wird es, wenn man das neu eingeführte Ausbildungsprofil für Funktionäre betrachtet. Entweder müssen sie ein Studium nachweisen oder SV-interne Fort- und Ausbildungen abgeschlossen haben. Wer das nicht hat, darf kein Funktionär mehr sein – das trifft eine ganze Reihe vor allem roter Obmänner und ihre Stellvertreter. Hier wird’s persönlich

„Wiener Zeitung“ Nr. 188 vom 27.09.2018

Krankenkassen-Honorarkataloge – absurder Wahnsinn

(Lesezeit 6 Min) Es ist verständlich, dass ein Otto-Normal-Verbraucher so gar nichts mit Honorarkatalogen der Krankenkassen anfangen kann, ja nicht einmal gut eingelesene Medizin-Journalisten verstehen das Kassenhonorar-System. Aber, es ist eines DER Probleme, warum es in Österreich einfach nicht möglich ist, eine sinnvoll organisierte ambulante Versorgung aufzubauen.

Um die Probleme zu illustrieren, will ich ein Beispiel bringen, dass die Unsinnigkeit dieses Systems zeigt: das Langzeit(24h)-EKG, auch Holter-EKG genannt 

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Fusion der Krankenkassen – ein absolutes No Go

Kassenfusionen sind ein altes Thema – eigentlich sollte dabei eine Vereinfachung und keine Einsparung diskutiert werden.

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   Zu viele Krankenkassen, ein Kassenhonorarsystem, das vernünftige Planung verhindert, strikt getrenntes und doppelgleisiges Arbeiten inner- und außerhalb von Spitälern – das sind keine neuen Probleme, die hat uns die Weltgesundheitsorganisation schon 1969 aufgezeigt.

   Es ist auch nicht so, dass Regierungen sich der Lage nicht bewusst wären. Die Idee, Kassenärzte und Spitäler wenigstens planerisch zusammenzudenken, findet man beispielsweise 1996 in einem Bund-Länder-Kassen-Vertrag, der vorsah, dass es für alle ein einheitliches Leistungsgerüst in Form eines einheitlichen Diagnose-und Leistungskatalogs geben soll. Ein Vorhaben, das nie Realität wurde, aber immer wieder zu finden ist – das letzte Mal 2013, im Bundeszielsteuerungsvertrag. Dort nimmt sich die Regierung vor, ab 2016 einen solchen Katalog einzuführen.

   Und warum sollte man Kassen und Spitäler gemeinsam denken?

   Nun, weil es patientenfreundlicher ist; und billiger. Denn wegen fehlender Abstimmung in und mit der ambulanten Versorgung liegen 900.000 Patienten in Spitälern, die anderswo in Europa ganz klar ambulant behandelt worden wären. Von diesen stecken sich 50.000 unnötigerweise mit Spitalskeimen an (das ist nicht zu verhindern) und einige Hundert werden unnötigerweise sterben. Einmal abgesehen, dass die stationäre Behandlung dieser 900.000 Patienten wohl ein bis zwei Milliarden Euro unnötige Kosten erzeugt, sollte es doch wenigstens das Ziel eines Gesundheitssystems sein, Patienten nicht unnötig zu schaden.

   Wenn also die Rede von der Kassenfusionierung wieder einmal aufpoppt, dann sollte es nicht darum gehen, ein paar hundert oder tausend Versorgungsposten einzusparen, die es zweifellos gibt. Das Thema ist, dass die fehlende Abstimmung zwischen 21 Krankenkassen, 15 Krankenfürsorgeanstalten und den etwa 40 Trägern öffentlicher Akutspitäler zu enormen Problemen und Kosten führt.

   Aktuell arbeiten in den Krankenkassen etwa 8000 Mitarbeiter. Grosso Mode pro Kassenarzt ein Kassenangestellter. Oder anders ausgedrückt: Auf einen Kassenmitarbeiter kommen 1000 Versicherte, um deren Versorgung er sich kümmern sollte. Er könnte, vorausgesetzt, er kriegte die Informationen, die er braucht und die ein einheitlicher Diagnosen- und Leistungskatalog lieferte, kontrollieren, ob beispielsweise ein Diabetiker seine jährliche Augenuntersuchung oder ein Herzinsuffizienzpatient die notwendigen Medikamente erhält. Würden also die Kassen darauf achten, dass die Versicherten möglichst alle notwendigen Leistungen erhalten, die stationären Fälle würden weniger. Stattdessen jedoch konzentrieren sich die Kassen auf kleinliche Arztkontrollen anhand merkwürdiger Statistiken, etwa durchschnittliche Medikamentenkosten pro Ordination – was sagt das über die Versorgung einzelner Patienten aus? Nichts.

   Und warum poppt diese Kassenfusionsdiskussion immer wieder auf? Die Kassen mit den tausenden Mitarbeitern, den Milliarden Umsätzen und den gewaltigen Immobilienreserven stellen Imperien der Einzelgewerkschaften dar, die diese jedenfalls gegen jede Veränderung verteidigen. Mit dem Gesundheitswesen hat das nichts zu tun.

„Wiener Zeitung“ Nr. 212 vom 30.10.2014   

Ein Fünkchen Hoffnung

Für Laien ist die Vereinbarung zwischen der SVA und der Ärztekammer wohl kaum in ihrer Bedeutung nachzuvollziehen – aber sie ist wirklich epochal, wenn sie denn zu leben beginnt.

Wir schreiben das Jahr 20xy. Herr M. erhält einen Anruf seines Hausarztes Dr. K. Seine Blutbefunde seien eingetroffen und leider seien die Werte seiner Zuckerkrankheit nicht so, wie es sich beide erhofft hätten. Er bitte um einen Termin und avisiert seine Sprechstundenhilfe, die den Termin koordinieren wird.

Herr M. ärgert sich, weil er es nicht geschafft hat, mehr Selbstdisziplin an den Tag zu legen und die vereinbarten fünf Kilo abzunehmen – jetzt kriegt er die Rechnung. Aber andererseits freut er sich, dass es jemanden gibt, der ihm die Realität vor Augen hält und seinen Zucker nicht schönredet; denn Zucker ist keine Sache, die man auf die leichte Schulter nehmen sollte. Das weiß er.

Auch Dr. K. ärgert sich. Seine Praxis zählt zu den Top 5 Prozent in der Diabetikerbetreuung. Seine Patienten müssen selten ins Spital, die Amputationsraten hat er mehr als gedrittelt, Erblindungen kommen praktisch nicht mehr vor und kein einziger Patient wurde dialysepflichtig. Und das alles, obwohl die sozioökonomische Schicht seiner Patienten unterdurchschnittlich ist. So eine Qualität kann man nur erbringen, wenn man sich über jeden einzelnen Patienten, der seine Gesundheit aufs Spiel setzt, ärgert.

Dr. K. hat schon früher, vor der Umstellung des Kassen-Honorarsystems, Diabetiker besonders betreut. Das hat viel (Frei)Zeit und Geld gekostet. Seine Frau und seine Kinder waren dagegen, aber er hat aus ethischer Sicht nicht anders können. Seit allerdings nicht mehr nur Menge, sondern auch Qualität bezahlt wird, hat sich das geändert. Mit seinen Qualitätskennzahlen verdient er jetzt mehr als vorher und kann sich dabei stärker auf seine Patienten konzentrieren. Die Reform, die 2010 zwischen der SVA und der Ärztekammer beschlossen und später von allen Kassen übernommen wurde, hat riesige Vorteile für ihn und seine Patienten gebracht. Zwar war er anfangs skeptisch, aber alle Zweifel sind mittlerweile verflogen.

Das, was für Systemkenner wie eine Utopie klingt, könnte Realität werden; denn die SVA-Ärztekammer-Vereinbarung, in der festgelegt ist, wie man das Kranken- in ein Gesundheits-Kassensystem umbauen will, könnte Grundlage für eine echte Reform sein.

Man soll aber auf dem Boden bleiben. Was vorerst in einer Punktation beschlossen wurde, ist ohne sehr viel theoretische Vorbereitungsarbeit nicht umzusetzen. Mehr noch, es besteht eine nicht zu unterschätzende Gefahr eines Total-Flops.

Aber, es gibt international schon viel Wissen, wie man solche Reformen angehen kann. Viele Länder haben bereits seit Jahrzehnten Erfahrung mit Hausarzt- und Vorsorgemodellen. Auch mit der Umstellung von Einzelleistungs- auf qualitätsorientierte Betreuungs- Honorarsysteme gibt es Wissen, das dienlich sein könnte. Es liegt an den Verhandlern, dieses Wissen aufzugreifen, für hiesige Verhältnisse zu adaptieren und darauf zu achten, Fehler, die anderswo gemacht wurden, zu vermeiden. Bei gutem Willen und transparentem Vorgehen funktioniert das.

Aber neben der Theorie geht es jetzt vor allem um Überzeugungsarbeit. Viel Skepsis wird auftreten und es wird nicht reichen, nur Funktionäre zu überzeugen. Die Basis muss überzeugt werden! Wenn das aber gelingt, dann kann man wirklich von einer „epochalen Veränderung“ (Ärztekammerpräsident Dr. Dorner) sprechen.

Und weil ich sonst mit Lob sparsam bin, hier ist es angebracht – einfach weil Mut bewiesen wird und Bewegung in das anachronistische Kassensystem kommt!

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Neue Zeiten im Kassenbereich?

Seit Jahrzehnten verhandeln zehn Ärztekammern und dutzende Krankenkassen über Organisation und Finanzierung der ambulanten Versorgung – und das mit anachronistischen Methoden.

Ziel dieser Verhandlungen ist es, in kollektivvertragsartigen Gesamtverträgen festzulegen, wie viele Kassenärzte es wo geben muss, welche Leistungen von welchen Kassen bezahlt werden und in welcher Höhe die Leistungshonorare ausfallen.

Die Verhandlungen selbst liefen immer gleich ab. Die Kassen haben den Kammerfunktionären gesagt, wie viel mehr Geld es im nächsten Jahr geben wird und dann ist man daran gegangen, anhand von Honorarkatalogen, in denen die Leistungen taxativ festgehalten sind, zu überlegen, wie man das zusätzliche Geld verteilt. Und mal haben sich die einen (Fach)Ärzte durchgesetzt, mal die anderen.

Es gibt 13 oder 14 solcher Honorarkataloge (für die neun Gebietskrankenkassen je einen, für die restlichen zehn oder zwölf Kassen die restlichen) die allesamt nicht zusammenpassen, auch wenn über „Meta-Honorar-Ordnungen“ oder „Mapping-Strategien“ versucht wird, eine Vergleichbarkeit herzustellen. Es wurde nämlich gänzlich vernachlässigt, die einzelnen Leistungen ordentlich zu definieren oder den Verhandlungen echte Kalkulationen zu Grunde zu legen. Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Bedarf der Leistungen hat es ebenso wenig gegeben, wie den Versuch, herauszufinden, welche Anreize man mit den Honoraren schafft und welche Auswirkung das auf die Versorgung hat. Die Kataloge sind schlicht ein willkürliches Verteilungsinstrument.

Allerdings hat sich die Welt gehörig geändert. So ist das Monopol der ambulanten Versorgung durch Kassenärzte längst gebrochen. Seit den 1970ern nehmen die Spitalsambulanzen an Bedeutung zu. Anfangs waren sie noch Teil des Systems, weil sie den Kassen spezielle Honorare verrechnen konnten. Seit 1995 ist das vorbei. Seither gibt es nur patientenunabhängige Pauschalen, die an Landesregierungen ausbezahlt werden. Und wen wundert es, dass die Zahl der Patienten explodiert, die Anreize sind ja so ausgerichtet, dass Patienten dem Spital zugewiesen werden. Parallel stieg die Zahl der Wahlärzte an. Heute gibt es mittlerweile mehr als Kassenärzte. Welche Versorgungswirksamkeit Wahlärzte haben, wird sorgsam verschwiegen; aber sie sind sicher nicht mehr aus der ambulanten Versorgung wegzudenken. Und in all dem noch gar nicht berücksichtigt, sind die tagesklinischen (Spitals)Leistungen, die ja eigentlich auch der ambulanten Versorgung zuzurechnen sind.

Es wird Zeit, dass Kassen und Ärztekammern endlich verstehen, dass ihr liebgewonnener Weg anachronistisch ist. Will das Kassensystem überleben, wird es sich bewegen müssen.

Und genau das dürfte bei der SVA passieren. Denn, so der Vorschlag gegenüber der Ärztekammer, anstelle des alten Kataloges soll ein innovatives, patientenorientiertes Verrechnungsmodell treten. Moderne und flexible Honorierung nach Erkenntnissen der Versorgungswissenschaft und laufende Adaptierung des Leistungskatalogs nach neuesten medizinischen Erkenntnissen wird ebenso vorgeschlagen wie die Entlohnung in Abhängigkeit von der erbrachten Qualität, anstatt nur der Quantität. Es soll Anreize für integrative Versorgung geben, Hausarztmodelle sollten ebenso im Katalog enthalten sein, wie strukturierte Versorgungskonzepte für chronisch Kranke – alles in allem also eine komplette Umstellung der Finanzierungs- und Organisationsstruktur.

Das so etwas von der Ärztekammer vorerst (und reflexartig) abgelehnt werden muss, ist nur klar, aber dass es auf Dauer verhindert werden kann, Illusion.

Dieser Artikel wurde im Juni 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.