Licht ins Dunkel

Dass man dem Finanzministerium vorwirft, nicht an Patienten zu denken ist lächerlich; dass aber nur mehr dort an die Steuerzahler gedacht wird, erschreckend.

Ich werde mich hüten, die Meriten des geheimen, mir aber letztendlich doch bekannt gewordenen Hauptverbandpapiers zu kritisieren; denn diese sind gegeben. Insbesondere die Arbeitsgruppe „Qualität“ hat einiges zu Papier gebracht. Was davon zu leben beginnt, werden wir sehen. Viel Arbeit liegt hier vor denen, die Willen gezeigt haben.

Was sich aber politisch rund um das Papier abspielt, ist sagenhaft. So wirft der Gesundheitsminister denen, die zahlen sollen (Finanzministerium), vor, „Zahlenmenschen“ zu sein, denen es nicht um Patienten, sondern um „Machtspiele“ gehe. Und der Ärztekammerpräsident meint drohend, wenn das Geld nicht fließt, dann wäre der nächste Schritt dezidierte Leistungskürzungen.

Dass die beiden so reagieren ist ja verständlich, schließlich wollen sie nur eines: die Macht des siamesischen Ärztekammer-Krankenkassen-Zwillings retten. Den anderen Machtspiele vorzuwerfen, lenkt da wohl nur vom eigenen Wunsch ab.

Wenn man sich die Modellrechnungen im vierten Teil des geheimen Papiers ansieht, dann kann man den Finanzminister nur zu gut verstehen. Selbst ein Würstelstand, der einen Kredit beantragt, muss einen detaillierteren Plan vorlegen, will er nicht riskieren, aus der Bank gejagt zu werden.

Schauen wir einmal hinein, in das Zahlenwerk.

Bei den Medikamenten wird beispielsweise angenommen, dass die Ausgaben ohne Maßnahmen um etwa sieben Prozent jährlich steigen würden. Weil man aber Maßnahmen setzt, wird die Steigerung bei genau vier Prozent liegen. Das was aus dieser einfachen Rechnung als Differenz rauskommt, das ist das „Dämpfungspotential“. Woher die Zahlen kommen, ist unklar. Man kann nur froh sein, dass sie nicht gänzlich frei erfunden sein dürften. Wenn man zum Beispiel statt sieben acht Prozent Steigerung prognostiziert hätte, dann wären zu den 883 Millionen Dämpfungspotenzial gleich noch einmal 450 dazu gekommen! Was aber wirklich rauskommt, ist fraglich.

Wie man genau auf die avisierten vier Prozent kommen will, bleibt geheim. Denn in den dafür vorgesehen Tabellen – also dort, wo der Finanzminister vermutlich gerne genauere Zahlen hätte – herrscht gähnende Leere. Nur die Summenzeile ist ausgefüllt; mit genau den Zahlen, die aus der oben beschriebenen, simplen Rechnung stammen.

Was Leistungskürzungen betrifft, ist auch was zu finden. So wollen die Kassen 260 Millionen in der Rehabilitation sparen, in dem sie sie gänzlich der Pensionsversicherung (PV) übertragen. Es ist zwar sehr löblich hier endlich Kompetenzen zu bereinigen, aber wo bleibt das sonst so gerne zitierte „Geld folgt Leistung“? Wenn die PV die ganze Reha übernimmt, dann darf sie doch auch das Geld dafür von den Kassen erwarten! Nur die Leistungen rüber zu schieben und das Geld behalten, ist Chuzpe. Dass da der Finanzminister, der ja am Ende des Tages die Defizite der PV aus dem Budget decken muss, nicht glücklich sein kann, ist klar!

In den eigenen Reihen sehen die Kassen übrigens auch Potential – heiße 45 Millionen, oder gerade einmal 2,6 Prozent des gesamten ausgabenseitigen Dämpfungspotentials. Eine echte Kassenreform sieht anders aus.

Am Ende bleibt der schale Geschmack, dass hinter all den Rechnungen wohl nur die Beibehaltung der Strukturen (und Macht) stand, und das dafür notwendige Geld gefälligst aufzubringen ist. Froh kann man sein, dass doch noch manche wissen, dass Geld nicht auf Bäumen wächst, sondern von Bürgern erarbeitet werden muss. Gratulor!

Dieser Artikel wurde im Juli 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ein Arzt aus Leidenschaft ist immer in Ihrer Nähe

Was ein Chorsänger und eine Pensionistin in den nächsten Wochen gemein haben? Sie sollen der Ärztekammer helfen, beliebt zu werden!

Jetzt, wo die EU-Wahl hinter uns liegt, und die freundlich lächelnden Papp-Spitalsärzte der Wiener Ärztekammer im Plakatdschungel wohl nicht ganz zur Wirkung kamen, werden sie uns sicher auffallen, die neuen Plakate der Österreichischen Ärztekammer.

Im Juni sollen an rund 1.100 öffentliche Stellen Straßenplakate stehen, auf denen einem Chorsänger der Hals von einer adretten Blondine untersucht wird – während er singt, versteht sich.

Die Plakate, so verspricht sich die Kammer, werden insgesamt etwa 19 Millionen Kontakte in der Zielgruppe 18 Jahre und älter erzielen. Nicht nur Plakate solle es geben, auch Radio-Werbung. Zwei Hörfunk-Spots sollen insgesamt 147 Mal ausgestrahlt werden. Die Hörfunkspots und die Straßenplakate haben zusammen eine Reichweite von über 90 Prozent. Das heißt: „Jeder Bürger oder jede Bürgerin kommt mit den Botschaften unserer Werbung öfter in Kontakt.“ Und was ist die Botschaft? Ein Arzt aus Leidenschaft ist immer in Ihrer Nähe.

Wer so viel Geld in Imagekampagnen investiert, der hat dafür seine Gründe.

Nun, wenn man einmal absieht, dass diese Kampagnen nicht wirklich das Image der Ärzte verbessern kann (Die Kammer selbst zitiert aus Studien, wonach die Ärzte weiterhin Traumwerte erzielen und solange die Informationsasymmetrie zwischen dem hilfesuchenden Patienten und dem studierten Arzt existiert, wird sich daran kaum was ändern), muss was anderes dahinter stehen.

Vielleicht hat die Kammer ja einfach zuviel Geld, das sie teuren PR-Agenturen geben will. Natürlich könnte auch ein interner Machtkampf dahinter stehen. Schließlich zerreisst es die Kammer, weil sie die Grätsche zwischen den angestellten Ärzten, den niedergelassenen Kassenärzten und den Wahlärzten kaum mehr auf die Reihe bringt. Dieser Konflikt wird früher oder später zu einer Trennung der Bereiche führen müssen – oder die Kammer in die Bedeutungslosigkeit verbannen.

Aber ich persönlich tippe auf etwas viel Simpleres. Der 30. Juni steht vor der Tür, und dann wird man Reformvorschläge durch den Hauptverband vorfinden. Bei einigen wird man mitkönnen, bei anderen – insbesondere wenn es um Verträge und Honorar geht – wird man eine starke Verhandlungsposition brauchen. Und die gilt es vorzubereiten.

Beim letzten Mal hat das mit dem Streik ja noch geklappt, aber die Bevölkerung war da schon skeptisch. Zudem gibt es aus Deutschland ganz andere Signale. Dort ist die Regierung in ihren Reformschritten sehr viel unbarmherziger und lässt sich auch von Massendemonstrationen und Streiks nicht abbringen. Und um hiesige Politiker gleich weich zu kochen, wird ihnen daher mitgeteilt, dass alle Österreicher von dieser Kampagne gleich öfter erfahren werden! Also aufpassen, liebe Politiker!

Daher wird es wohl nur darum gehen, sich mit sehr viel Geld für Streikmaßnahmen zu rüsten. Wohlgemerkt stammt das Geld aus Pflichtbeiträgen aller Ärzte, also der angestellten genau so, wie von den etwa 10.000 armen Schluckern, die zwar niedergelassene Ärzte sind, aber keinen Kassenvertrag haben. Aber wie der Text der Pressekonferenz zu dieser Kampagne verrät, geht es eigentlich nur um Kassenärzte.

Aber was soll’s. Ich finde die Plakate drollig. Besonders das Plakat, das in den Ordinationen aufgehängt werden soll. Da überprüft ein junger adretter Arzt einer alten Dame den Kniereflex – während diese mit ihrer ebenfalls betagten Freundin Tauben im Park füttert.

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Geschlossene Gesellschaft

Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte – wenn zwei sich einigen, bezahlt das der Dritte. Aber wer ist das wohl – unsere Kinder oder doch wir?

Es ist wie eh und je, was abläuft bleibt den öffentlichen Ohren verwehrt. Das Volk soll nicht zu viel mitkriegen! Schließlich wissen jene, die da verhandeln, am besten, was uns gut tut. Und so dringt nicht viel von dem nach außen, was Ende Juni unser Gesundheitssystem retten soll.

Was ist bekannt?

Da wäre einmal der Auftrag an den Hauptverband. Dieser soll zwei Dinge erledigen: Zuerst soll er innerhalb von sechs Monaten ein, mit allen abgestimmtes, Konzept zur mittelfristigen Sanierung der Krankenkassen vorlegen. Wer das Schauspiel länger kennt, der weiß, dass alleine die Festlegung, wer zu „allen“ gehört, kein leichtes Spiel ist (nur Ärztekammern und Kassen, oder auch die Wirtschaftskammer? Sind die Länder dabei? Was ist mit der Pharmaindustrie? etc). Aber selbst wenn das gelänge, dann ist es unmöglich, all diese Interessensgruppen in so kurzer Zeit zu einem Beschluss zu bringen. Also wird es wohl wieder nur eine geschlossene Gesellschaft sein, die da was ausmauschelt – die anderen bleiben draußen.

Der zweite Teil der Aufgabe ist noch unmöglicher. Der Hauptverband soll die Finanzierung aus einer Hand – oder wie es neuerdings heißt „aus einem Topf“ – vorbereiten, bei Beibehaltung der Verhandlungshoheit der einzelnen Krankenkassen. Alleine darüber nachdenken macht einen Knopf im Kopf.

Was weiß man noch?

Da gibt es eine ganze Menge Arbeitsgruppen; die meisten und offiziellen im Hauptverband, aber auch jede andere Gruppe, ob in Verhandlungen eingebunden oder nicht, hat solche inoffiziell eingerichtet – die Ärzte, die Pharmaindustrie, die Länder, die einzelnen Kassen, das Ministerium, die Parteien etc. Wer da was arbeitet, weiß man nicht – man kann aber vermuten, dass sich alle sicherheitshalber aufrüsten – für den Tag danach, also den 1. Juli.

Ach, und dann gibt es bereits erste Aussagen. Die Ärzte meinten vor zwei Wochen noch, dass es unmöglich ist, in so kurzer Zeit ein Konzept vorzulegen. Letzte Woche dann der Schwenk, jetzt soll doch was Gescheites rauskommen. Was mag passiert sein?

Der Minister hat ausrichten lassen, dass er keinesfalls eine Fristverlängerung zulassen will. Weiß er bereits mehr?

Und jetzt wage ich eine Prognose!

Im Konzept wird stehen, dass die Steuerzahler zu ihrem eigenen Wohl mehr in die Kassen zahlen „dürfen“, natürlich ohne demokratisches Mitspracherecht. Argumentiert wird das mit den kassenfremden Leistungen. Die Selbstverwaltung bleibt in ihrer derzeitigen Form, mit allen Kassen und ihren Verhandlungshoheiten bestehen, der Hauptverband dient dazu, die zusätzlichen Steuergelder nach irgendeinem abstrusen Schlüssel zu verteilen. Damit werden die Kassen erhalten und der Hauptverband hat seinen „Topf“.

Die Ärzte werden ruhig gestellt, weil durch die Kassen-Entschuldung und den damit wegfallenden Zinszahlungen (die meisten Schulden haben die Kassen bei den Steuerzahlern, die also nicht nur die Schulden bezahlen, sondern gleichzeitig auch auf Zinsen verzichten werden müssen), Spielraum für Honorarsteigerungen sein wird.

Die Länder, nachdem ihnen erlaubt wurde, deftige Schulden aufzubauen, um ihre Lieblingsspielwiese – die Spitäler – weiter zu kultivieren, haben ohnehin bereits klargemacht, dass sie vor 2013 keinen Reformbedarf sehen.

Und damit sind alle glücklich. Nur für die, die nicht dabei sind, was die geschlossene Gesellschaft beschließt, wird das Ergebnis vermutlich die Hölle – seien es wir Steuerzahler oder unsere Kinder.

Dieser Artikel wurde im Juni 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Ernsthaft oder trickreich?

Der Hauptverband will bei den Spitälern mitreden; sehr vernünftig und sehr schwierig. Wird daraus eine Reform oder doch nur eine Geldbeschaffungsaktion?

Es ist 19:30, Freitag: Herr M. (54) betritt den Untersuchungsraum der Unfallambulanz des Spitals A. Als der Arzt fragt, wie lange denn das Fußgelenk weh tut, antwortet Herr M: „14 Tage, seit er mit Freunden Fußball gespielt hat – und das in seinem Alter! Kindisch! Aber lustig war’s schon“. „Ob er beim Hausarzt war“, will der Arzt wissen. „Nein, erstens müsse man da lange warten und dann hat es sich gerade gut getroffen, weil er in der Nähe einen Termin hatte und die Schmerzen schnell einmal abklären lassen wolle“. Eine halbe Stunde später geht der Patient mit einem Röntgen und einer Heparinsalbe gegen seine Verstauchung nach Hause.

Was hat so ein Patient in einer Unfallambulanz zu suchen? Nichts! Aber warum ist er dort? Weil das System der ambulanten Versorgung nicht richtig funktioniert!

Aus den Medien kann man entnehmen, dass der Hauptverband mehr Mitsprache in den Spitälern anstrebt, weil eine Sanierung der Kassen nur funktioniert, wenn man niedergelassene Ärzte und Spitäler als Teile EINES Systems denkt. Dieses Ansinnen ist absolut richtig. Aber wird ehrlich argumentiert?

Hauptargument ist, dass die Kassen viel in die Spitäler zahlen, ohne mitreden zu dürfen. Zwar stimmt das, aber dieses Schicksal ist selbst gewählt. Vor vielen Jahren haben sich die Kassen freiwillig aus dem Spitalswesen zurückgezogen. Man hat vereinbart, dass sie nicht mehr an den realen Kostensteigerungen beteiligt sein sollen, sondern nur mehr einen fixen Prozentsatz ihrer Einnahmen abliefern.

Für die ambulante Versorgung hat das nichts weniger bedeutet, als dass sie 1995 in zwei separate Welten zerhackt wurde – die Spitalsambulanzen und die niedergelassenen Ärzte. Und um die Ambulanzen mussten sich die Kassen nun keine Sorgen mehr machen. Dass die 400 Millionen Euro, die sie dort einzahlen, heute nur mehr ein Drittel der Kosten decken, ist für sie unerheblich, und dass sich die Zahl der Patienten in den Spitalsambulanzen seither um 60 Prozent erhöht hat, nebensächlich! Wenn man solche Zahlen betrachtet, dann kann man sehen, dass das Argument, es werden immer mehr Leistungen aus dem Spital zu den niedergelassenen Ärzten verlagert, falsch ist. Genau genommen kam es zu einer massiven Verschiebung in die Spitäler.

Und weil die ambulante Versorgung vollkommen dezerebriert in zwei unabhängige Welten getrennt wurde, und weil weder Leistungen, noch Öffnungszeiten, noch sonst irgendetwas gegenseitig abgestimmt wurden, war es logisch, dass Doppelgleisigkeiten aufgebaut wurden. Schätzungen gehen davon aus, dass diese jährlich etwa 500 Millionen Euro kosten. Anders ausgedrückt wurden additive Leistungen, die niemandem helfen, provoziert, die gesamtwirtschaftlich betrachtet viel Geld verschlingen, auch wenn die Kassen betriebswirtschaftlich „scheinbar“ entlastet wurden.

Was ist also gemeint, wenn der Hauptverband mehr mitreden will?

Will er die Fehler der Vergangenheit ausmerzen? Will er jetzt EINEN Leistungskatalog mit einheitlichen Honoraren für Ärzte und Spitalsambulanzen einführen? Will er ein vernünftiges Bedarfsberechnungsmodell einrichten, um die Doppelgleisigkeiten zu reduzieren? Wem wird er das Geld dafür wegnehmen wollen? Den Spitalsambulanzen (und damit den Ländern) oder den niedergelassenen Fachärzten?

Soll es wirklich eine Reform geben oder ist es wieder nur ein Trick, Steuergeld in die Kassen zu spielen, die dann über Schulden der Länder im Staatsdefizit landen?

Dieser Artikel wurde im Mai 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.