Metternich, die Gesundheitspolitik und der Vormärz

Gut geführte und gesteuerte Gesundheitssysteme zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Entscheidungsträger willens und fähig sind, ihre Arbeit kritisch zu hinterfragen.

Herr L* ist ein bekannter und kritischer Wissenschaftsjournalist. Seine Einstellung mag vielleicht als kontroversiell eingestuft werden, aber seine Arbeiten sind gut recherchiert und haben Hand und Fuß. Und weil eben seine Arbeit gut und nicht nur einfach sensationslüstern ist (ein Vorwurf, der ihm oft von denen gemacht wird, die er kritisiert), ist er ein gern gesehener Vortragender.

Nun kommt es, dass er wieder einmal gebucht war, diesmal zu einem Kongress, der von einigen landeseigenen Krankenhäusern in einem Bundesland, dessen Namen man nicht aussprechen sollte, organisiert wird. Als jedoch die Obrigkeit erfuhr, dass Herr L. einen Vortrag halten soll, wurden kurzerhand die Verantwortlichen in die Zentrale zitiert, gescholten und mit dem Auftrag nach Hause geschickt, den ganzen Kongress abzusagen – denn um diese Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tarnen, wurde nicht nur einfach Herr L. ausgeladen, sondern eben alles abgesagt. Die Wortwahl der Absage wurde vorgegeben und im Übrigen alle zur Verschwiegenheit verpflichtet!

Ist das ein Einzelfall von gekränkter Eitelkeit einzelner, von öffentlichen Geldern bezahlter, Entscheidungsträgern? Mitnichten!

Als beispielsweise in einem anderen Bundesland Herr P* im Rahmen seiner Amtstätigkeit – mittlerweile ist er von dort entfernt – mehr Transparenz herstellen wollte und jede öffentlich finanzierte Studie, die in seiner Abteilung durchgeführt wurde, auch publizieren wollte, hat man hat ihm das schlicht von oben herab verboten.

Auch Herr N* – ebenfalls ein anderes Bundesland – könnte so seine Geschichte erzählen. Als er die Unerhörtheit besaß, die Sinnhaftigkeit eines Spitals-Neubaus, mit Fakten belegt, zu hinterfragen, war die Konsequenz seine Degradierung.

Und auch ich kann mich in diese unvollständige Liste einreihen. Bisher wurden drei, von den eigentlichen Veranstaltern diverser Tagungen gebuchte, Vorträge deswegen storniert, weil es von „Oben“ so gewünscht wurde.

Und das mein damaliger Arbeitsplatz kurz nach dem Erscheinen meines systemkritischen Buches „überflüssig“ und daher abgebaut wurde, ist sicher nur ein Zufall (ich war damals für die Entwicklung eines Spitalsplans zuständig, der bis heute nicht offiziell vorliegt, aber durch eine externe Beratungsfirma erstellt wurde, dessen Honorar bei einem mehrstelligen Vielfachen meines Jahreseinkommens liegt).

Bei all dem habe ich noch gar nicht an meine Zeit im Österreichischen Bundesinstitut im Gesundheitswesen (ÖBIG, heute GÖG) gedacht, als Berichte „zensuriert“ wurden; Berichte, die größtenteils ohnehin nie das Licht der Öffentlichkeit erblicken durften, selbst dann nicht, wenn die Zensur jede noch so gerechtfertigte Kritik entfernt hatte – schließlich ist selbst die leiseste Kritik nicht erwünscht und die Wahrheit dem Volk nicht zuzumuten.

Es gilt als bewiesen, dass öffentliche Gesundheitssysteme besser funktionieren können, als privatisierte. Dazu allerdings müssen sie gut geführt und gesteuert werden. Die Qualität der Führung und Steuerung hängt jedoch maßgeblich davon ab, ob die, die wirklich entscheiden, fähig und willens sind, ihre Arbeit immer und immer wieder kritisch und transparent zu beleuchten.

Aber genau das ist weit und breit nicht zu erkennen. Es scheint so, dass jede Kritik von außen eine Majestätsbeleidigung und von innen Hochverrat ist – wie zu Metternichs Zeiten, die auch als Vormärz bezeichnet werden.

*Namen dem Autor bekannt

Dieser Artikel wurde im September 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Gesundheitspolitik? Gute Nacht Österreich!

Erschreckend, wo die Gesundheitspolitik angekommen ist – selbst Ludwig XIV. hatte wohl mehr Skrupel, sich über Realitäten hinwegzusetzen, als unsere Politiker.

F. Nietzsche und O.Spengler würden hämisch lachen, J. Evola wäre entzückt über das Gehabe hiesiger Landespolitiker. Machiavelli wäre stolz, dass, nach 500 Jahren und scheinbarem Untergang des Absolutismus, seine Ratschläge noch immer beherzigt werden. Was diese Philosophen eint? Mit Ausnahme letzterem haben sie alle die Demokratie verachtet. Letzterer, zwar theoretisch Anhänger von Republiken, hat trotzdem allen Machthungrigen, und besonders selbsternannten Fürsten, eine Anleitung gegeben, wie sie durch Lug, Trug und Täuschungen ihre Macht mehren können.

Was mich zu diesen Philosophen geführt hat? Der Expertenbericht „Gesundheit und Pflege“, samt Spitalsschließungsdiskussion und den konsequenten Politikerreaktionen.

Schon die Wahl der „Experten“ für den Bericht zeigt, dass die, die ihn beauftragten (Bundes- und Vizekanzler), nichts Überraschendes hören wollten. Wer Namen sucht wird enttäuscht, denn die Experten sind Institutionen.

Da sind das IHS, das als „roter“ Think-Tank gegründet wurde und das Wifo, als dessen „schwarzes“ Pendant. In beide wird, trotz Dementis, kräftig hineinregiert. Zu der „schwarz-roten“ Expertentruppe gesellen sich der, laut fürstlichem Entschlusse sich immer wieder irrende, Rechnungshof und das KDZ, eine eher unbekannte Größe, die sich seit Jahrzehnten mit der Verwaltungsreform beschäftigt – daher auch der Bekanntheitsgrad.

Diese „Vier“ sind DIE Experten für das Gesundheits- und Pflegewesen!? Andere sind wohl grundsätzlich mit keiner „Expertise“ ausgestattet. Zum Beispiel das ÖBIG (Österreichische Bundesinstitut im Gesundheitswesen, das jetzt unter Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) firmiert), das seit Jahrzehnten keine andere Aufgabe hätte, als die wissenschaftliche Durchdringung des Gesundheitswesens. Nicht einmal deren Publikationen werden von den „Vier“ herangezogen. Vielleicht deswegen, weil das ÖBIG, in skurriler Weise, von einem schwarzen Geschäftsführer bei einem roten Eigentümer (Gesundheitsministerium) geführt wird? Sehr unsichere Gesellen!

Wie dem auch sei, die „Vier“ haben in eineinhalb (!) Jahren einen 65 (!) Seiten langen (Geheim)Bericht erstellt, der Grundlage für politische Diskussionen einer „echten“ Reform sein soll. Puh! Wer in anderen, aber eben modernen Demokratien herumschaut, erschaudert sanft. Berichte von deutlich geringerer Tragweite haben 500 und mehr Seiten – ja selbst Kurzfassungen sind ausführlicher (z.B. deutscher Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen).

Wen wundert’s, dass in unserem Bericht nur arbiträre Meinungen zu finden sind. Das zeigt auch die Quellenangabe; fast nur eigene Arbeiten der „Vier“, kein Hinweis auf wissenschaftliche – und transparent publizierte – Literatur. Ich habe Diplomarbeiten gelesen, die besser recherchiert waren.

Aber egal wie schlecht dieser Bericht gemacht wurde und egal welche Winkelzüge Politiker im Vorfeld versucht haben, er ist für sie schlicht vernichtend. Offenbar sind selbst die „eigenen“ Experten nicht mehr bereit, Objektivität heuchelnd Lobeshymnen zu singen.

Und da kommt sie, die an Nietzsche & Co erinnernde Reaktion: Alles falsch, gemacht von „selbsternannten“ (sehr merkwürdig!) Experten, die keine Ahnung haben, um was es wirklich geht – und genau da stellen sich mir die Nackenhaare auf!

PS: wenn jemand den Bericht lesen will – per E-Mail unter Auflage strikter Geheimhaltung beim Rezeptblock erhältlich.

Dieser Artikel wurde im Juli 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.