Diabetiker sein in Niederösterreich

Die einseitige Kündigung, des Diabetes-Versorgungsprogramms „Therapie aktiv“ durch die Niederösterreichische Ärztekammer hat zu einem Aufschrei geführt

Als Argument brachte die Kammer unter anderem aber vor allen Dingen vor, dass die Versorgung nicht verbessert wurde, aber die Bürokratie gestiegen ist. Zudem seien so wenige Patienten (5.489 von etwa 75.000 Diabetikern) in diesem Programm eingeschrieben, dass man nur schwerlich von einem effektivem Versorgungskonzept sprechen kann.

Nun, auch ich war ob dieser Kündigung entsetzt. Egal wie schlecht das Programm aufgesetzt war (es war ein absoluter Schnellschuss, damit wir für die EU-Präsidentschaft 2006 international was vorweisen können – wäre ja peinlich gewesen, wenn Ministerin Rauch-Kallat zwar Diabetes zum gesundheitspolitischen Schwerpunkt  gemacht, aber nachweislich selbst nichts vorzuweisen hätte) und wie erfolglos es läuft (nicht einmal zehn Prozent aller Diabetiker nehmen aktuell daran teil), es war eben der erste Versuch, unser System patientenorientierter zu gestalten – so was beendet man nicht einfach so!

Doch vielleicht hat ja die Kammer gar nicht unrecht?

Beginnen wir mit der Diabetiker-Dunkelziffer, die ja immer wieder zitiert wird, um die Ausmaße des Problems zu illustrieren. Höchstoffiziell genannt werden 30 bis 50 Prozent. Anders ausgedrückt: zu den, wegen ihres Medikamentenverbrauchs, bekannten 300.000 Diabetiker, kommen 100.000 bis 150.000, die gar nicht wissen, dass sie krank sind.

Da unsere Politik wenig an Fakten interessiert ist, gibt es keine Studien, die das belegen – die Dunkelziffer ist eine „Bauchzahl“ und soll sie vermutlich auch bleiben. Andererseits, ging eine sehr kleine (und natürlich unveröffentlichte) Studie in NÖ vor zehn Jahren dieser Dunkelziffer nach – und siehe da, hier sind so gut wie alle Diabetiker bekannt. Es gibt in NÖ praktisch keine Dunkelziffer – ein eigenartiges Phänomen.

So wie wir schon nicht wissen, wie viele Diabetiker es gibt, wissen wir noch weniger wie sie versorgt sind. Also, wie viele erblinden, wie vielen werden Füße amputiert, wie viele müssen an die Dialyse, weil ihre Nieren versagen – lauter blinde Flecken.

Aber, wir können nachschauen, wie oft sie ins Spital müssen, wohl hauptsächlich deswegen, weil ihr Blutzucker verrückt spielt, der das tut, weil der Patient schlecht begleitet und sein Zucker schlecht eingestellt ist. Die Spitalshäufigkeit ist kein guter aber für unsere Zwecke brauchbarer und mangels valider Daten auch einziger Parameter, um zu schauen, wie Diabetiker außerhalb des Spitals versorgt sind.

Und siehe da, die niederösterreichischen Diabetiker liegen mit riesigem Abstand am seltensten im Spital. Während in anderen Bundesländern fünf bis sechs Prozent der dortigen Diabetiker einmal pro Jahr im Spital liegen, sind es in NÖ nur drei – Und das passt grosso modo zum Wissen, dass die Spitalshäufigkeit dann, wenn Diabetiker früh erkannt und gut betreut werden, sinkt! Das bedeutet im Umkehrschluss: die Niederösterreichischen Diabetiker sind besser versorgt als die Diabetiker in allen anderen Bundesländern (was nicht heißt, dass es im internationalen Vergleich eine gute Versorgung ist!!)

Mortalität Diabetes

Ist es also so, dass überall in Österreich „Therapie aktiv“ wichtig ist, um die Diabetiker-Versorgung zu verbessern, nur in Niederösterreich nicht? Ja, es sieht ganz danach aus – warum das so ist, weiß kein Mensch. Wahrscheinlich ist es das Honorarsystem der niederösterreichischen Hausärzte, vielleicht aber auch nicht.

Was wir aber für die anstehende Reform lernen können ist, wie wichtig es ist, regionale Versorgungskonzepte zu entwerfen um regionale Probleme zu lösen. Zentrale, rigide Vorgaben können, egal wie gut durchdacht, mehr irritieren, als nützen.

Die Konkretisierung der Gesundheitsreform – chronisch entzündliche Darmerkrankungen

Durch die Gesundheitsreform sollen Patienten zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle– genannt: „Best Point of Service“- behandelt werden.

Die Institutionenorientierung (Spitalsstandorte und Kassenplanstellen) soll zugunsten einer integrierten Versorgung beendet werden: Patienten sollen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle– genannt: „Best Point of Service“ – behandelt werden. Wo das ist, wird nicht dekretiert, sondern ist dezentral, auf Ebene der Versorgungsregionen (VR) des ÖSG (hier der letzte Verhandlungsstand) – davon gibt es 32 – festzulegen.

Die ambulante Versorgung ist der stationären vorzuziehen– das bedeutet, dass die ambulante Versorgung durch Spitalsambulanzen und Kassen(fach)ärzte bedarfsorientiert auf-, aus- und umgebaut wird. Gruppenpraxen werden dabei eine wichtige Rolle spielen. So soll auf Sicht eine fachärztliche Versorgung gewährleistet werden, die nicht nur Ballungsräume bevorzugt. An den Abbau von Hausärzten denkt definitiv niemand –im Gegenteil.

Was die Zielorientierung betrifft, die beim Aufbau der integrierten Versorgung ebenfalls vereinbart ist, werden zentral Rahmenziele aufgestellt, die dezentral – also wieder in den 32 VR – unter Berücksichtigung regionale Besonderheiten zu konkretisieren sind. Es sind keine „zentralistischen“ Diktate, sondern praxis- bzw. wirkungsorientierte Rahmenvorgaben angedacht.

 Klingt abstrakt! Stimmt – und wie könnte das konkret aussehen?

Betrachten wir Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen CED (Collitis Ulcerosa und Morbus Crohn)

 Etwa 40.000 Menschen leiden daran – und sie leiden wirklich. Abgesehen von regelmäßigen kolikartigen Schmerzen und blutigen Durchfällen, müssen sie lebenslang Medikamente mit heftigen Nebenwirkungen einnehmen, werden oft operiert, erkranken häufig an Dickdarmkrebs (Krebsangst!) und verlieren wegen oftmaliger Krankenstände ihre Arbeit, wenn sie denn überhaupt eine finden. Die Lebensqualität ist erheblich eingeschränkt.

Neben dem individuellen Leid, ist ihre Versorgung zudem sehr teuer. Alleine die direkten Kosten liegen mindestens bei etwa 4.000 Euro pro Jahr (zusätzlich zu den „normalen Kosten“). Indirekte Kosten, etwa durch Arbeitslosigkeit, verdoppeln diesen Wert rasch.

 Um diesen Patienten nachhaltig helfen zu können, ist es nötig, sie lebenslang medizinisch gut zu begleiten; Blut und Nierenfunktion müssen regel- und routinemäßig kontrolliert werden, die Knochendichte muss beobachtet werden, die Patienten müssen sich regelmäßig Darmspiegelungen im Rahmen eines Krebs-Früherkennungsprogramms unterziehen, sie müssen psychologische begleitet werden, sie müssen immer und immer wieder motiviert werden, ihre Medikamenten auch wirklich zu nehmen, die verordnete Diät einzuhalten und die empfohlenen Arztbesuche wahrzunehmen. Und schließlich brauchen sie Hilfe zur Selbsthilfe.

Das muss alles Teil eines ernstzunehmenden Versorgungskonzeptes sein. Wenn Patienten so, eben integriert, versorgt werden, erhöht sich deren Lebensqualität und senkt für das System die Kosten.

 Bei uns funktioniert das eher schlecht, wie man an der Häufigkeit der Spitalsaufnahmen, die international als (ein) Qualitätsindikator für integrierte Versorgung dient, erkennt.

Zwar sind die Zahlen vorsichtig zu verwenden, aber in Österreich muss ein Patient im Schnitt alle 4,4 Jahre stationär versorgt werden. In Italien beispielsweise ist es nur alle 7 Jahre nötig – es ist Verbesserungspotential vorhanden.

 Gehen wir davon aus, dass die Politik es diesmal ernst meint, und mit dieser Reform nicht wieder nur einen Papiertiger beschlossen hat, dann stehen am Anfang Ziele, die bis 30. Juni 2013 auf Bundesebene, im sogenannten Bundes-Zielsteuerungsvertrag, beschlossen werden müssen.

Bundesziel: Senken der Spitalsaufenthalte bei CED bis 2016 auf im Schnitt alle 6 Jahre (entspricht einer Reduktion der Hospitlalisierungsrate von derzeit 23% auf 17% der Prävalenz).

Dieses Bundesziel muss nun dezentral konkretisiert werden – und das ist wichtig.

Betrachtet man nämlich die Bundesländer einzeln, wird klar, wo die Versorgung (gemessen an mehrtägigen Spitalsaufnahmen) besser, wo schlechter funktioniert.

 Im Burgenland müssen unsere Patienten alle 1,6 Jahre stationär behandelt werden (das entspricht einer Hospitlalisierungsrate von 61% der Prävalenz – oder anders ausgedrückt, fast zwei von drei Burgenländern, die an CED leiden, müssen einmal pro Jahr mehrtägig in einem österreichischen Spital versorgt werden).

Ganz anders im „besten“ Bundesland, Tirol, dort sind es nur alle 7,1 Jahre (Hospitlalisierungsrate 14%); Wien ist mit 6,5 Jahre (15%) ähnlich gut, Oberösterreich mit 3,5 Jahre (28%) dafür wieder schlechter.

Praktisch jedes Land muss eigenen Ziele und Maßnahmen setzen, und das könnte so aussehen:

Landesziel für die Versorgungsregion XY: Reduktion von Spitalsaufenthalten bei Patienten mit CED von X% der Prävalenz durch Implementierung ambulanter Versorgungskonzepte.

Diese Konzepte (hier z.B. aus UK) müssen entwickelt werden – von Selbsthilfegruppen über den Hausarzt bis zum spezialisierten Facharzt müssen Anlaufstellen (Best Point of Service) definiert werden, die aktuelle Versorgungswirksamkeit der ambulanten Einrichtungen ist zu durchleuchten, um Defizite feststellen und dann auch auszugleichen, die Leistungsspektren müssen abgestimmt werden, Fortbildungskonzepte für Ärzte und Patienten müssen entworfen werden, Betreuungskonzepte, z.B.: via e-Health, müssen entwickelt und auch implementiert werden. Und damit alle Einrichtung so zusammenspielen, dass der Patient integriert versorgt und wirklich zum „Best Point of Service“ geleitet wird, müssen die Leistungsanreize abgestimmt werden.

Und um das hier klar festzuhalten, solche Versorgungskonzepte werden nicht auf Ebene der VR möglich sein, sondern müssen bis auf Bezirksebene individuell entwickelt werden.

All das muss schließlich in den Landes-Zielsteuerungsvertrag mit dem Bund, abzuschließen am 30. September 2013 eingearbeitet und danach abgearbeitet werden.

So könnte die Reform konkret aussehen. Aber das ist sehr viel echte Arbeit, weit weg vom Glamour der „großen Politik“. Ob unsere Entscheidungsträger dafür bereit sind?

Warum Österreichs Ärzte streiken („Die Zeit“ 24.Jänner 2013)

Als der Ministerrat in der zweiten Jänner-Woche die heftig umkämpfte Gesundheitsreform absegnete, schlossen in Oberösterreich 1200 Ärzte ihre Ordinationen aus Protest. Weiterhin verteufelt die Standesvertretung der Mediziner den Maßnahmenkatalog als »Totspar-Reform«. Zwar hat nach der 1,5 Millionen Euro teuren Kampagne im vergangenen Dezember der Kampf gegen den vorerst zaghaften Umbau des Gesundheitssystems etwas an Kraft verloren, befriedet sind die Kritiker allerdings nicht.

Ziel der Reform ist es, künftig die Versorgung rund um Patienten und nicht mehr rund um Spitalsstandorte und Kassenordinationen zu organisieren. Patienten sollen dort behandelt werden, wo es richtig ist, und nicht mehr dort, wo gerade eine medizinische Einrichtung offen hat.

Es soll nach Jahrzehnten der politischen Diskussion das Prinzip »ambulant vor stationär« umgesetzt werden und es sollen Gruppenpraxen gegründet werden, die sich am Versorgungsbedarf und nicht an Finanzregeln orientieren. Es soll weiters ein System fixiert werden, bei dem das Geld der Leistung folgt und das dafür sorgt, dass Finanzmittel aus der stationären in die ambulante Versorgung fliessen.

All das und noch mehr sind jahrelange Forderungen der Ärztekammer, die dazu führen können, die Versorgung zu verbessern. Gleichzeitig sollen so die Kosten pro Patient gesenkt werden – ein Ziel, das zu erreichen bisher daran gescheitert ist, dass Länder und Kassen eher gegeneinander, als miteinander gearbeitet haben.

Warum wehrt sich also die Ärztekammer dagegen? Hat sie vielleicht recht, dass durch die Reform das System kaputtgespart wird?

Wenn bis 2020 elf Milliarden Euro eingespart werden, so erklärt der oberösterreichische Ärztekammerpräsident Dr. Peter Niedermoser, so »bedeutet das, dass man alle Krankenhäuser ein Jahr lang schließen müsste«.

Ein Blick in das Zahlenwerk zeigt allerdings, dass bis 2020 Mehrausgaben von 42 Milliarden Euro geplant sind – damit könnte man ein Jahr lang vier mal so viele Spitäler finanziere, wie heute. Die Reform ist, was Einsparungen betrifft, alles andere als ambitioniert. Hinter den fehlenden tatsächlichen Einsparungen steht vermutlich die politische Idee, gar keine größere Strukturreform durchzuführen – das stünde nämlich den Erwartungen der Ärztekammer diametral entgegen. Es ist kein augenscheinlicher Grund auszumachen, warum die Kammer dermaßen aggressiv Widerstand leistet. Warum also?

Das eigentliche Motiv für den hinhaltenden Protest liegt in einem anderen Effekt der Reform: Sie schränkt die Verhandlungsmacht der Ärztekammer, was die Vergabe von Kassenverträgen betrifft, erheblich ein. Bisher konnten ausschließlich Ärztekammer und Kassen gemeinsam beschließen, wo ein Kassenarzt ordinieren darf; zukünftig sollen nun Länder und Kassen gemeinsam den Versorgungsbedarf feststellen und die Infrastruktur dem Ergebnis entsprechend ausrichten. Die Ärztekammer kann also nicht mehr im gewohnten Ausmaß mitreden, wo eine Einzelordination oder eine Gruppenpraxis steht.

Das mag wenig dramatisch klingen, hat aber zwei Auswirkungen. Einerseits verlieren die Funktionäre der Ärztekammern viel an Macht, denn bisher galt ein einfache Gleichung: Ohne Kammer kein Kassenvertrag, ohne Kassenvertrag keine Kassen-Ordination und daher keine Versorgung auf Krankenschein. Auf dieser Formel baute die Macht der Ärztekammer in der Gesundheitspolitik aber auch gegenüber ihren Mitgliedern. Jetzt, da die Monopolverhandlungsmacht beendet werden könnte, zerbröselt diese Logik.

Sie mutet allerdings seit Jahren eigenartig an. Schließlich sollte die Kammer alle 41.000 Ärzte vertreten, und nicht nur jene etwa 8 000, die über einen Kassenvertrag verfügen. Betrachtet man die Situation der etwa 4 000 Hausärzte, entsteht der Eindruck, die Kammer vertrete eigentlich nur Fachärzte mit Kassenvertrag. Diesen geht es nämlich auch im internationalen Vergleich hervorragend.

Daraus ergibt sich die zweite Konsequenz der Reform: All jene Kassen-Fachärzte, die in Regionen mit hoher Facharztdichte arbeiten – also vor allem in Ballungsräumen und an Spitalsstandorten – können nicht mehr damit rechnen, dass ihre Ordinationen in der jetzigen Form über die eigene Pensionierung hinaus benötigt werden. Damit fällt aber die Möglichkeit weg, die eigene Ordinationen lukrativ an einen Nachfolger zu verkaufen, oder wie es eigentlich heißt, »ablösen« zu lassen. Diese Ordinationen könnten ohne den Vertragsautomatismus nahezu wertlos werden.

Wahrscheinlich haben solche Ordinationsinhaber ihre Funktionäre dazu gedrängt, diese Reform möglichst scheitern zu lassen – so sie nicht sogar selbst Funktionäre sind, da die für die Funktionärstätigkeit nötige Zeit vor allem Kassen-Fachärzte aufbringen können.

Alternativ zu diesem Macht- und Profitstreben einzelner wäre es allerdings auch möglich, dass maßgebliche Funktionäre tatsächlich glauben, das derzeitige System müsse so bleiben wie es ist, obwohl die Lebenserwartung des gesunden Teils der Bevölkerung im Vergleich mit Großbritannien etwa um fünf Jahre geringer, die Diabetiker-Sterblichkeit dreimal höher und die Zahl kaputter Zähne bei Zwölfjährigen doppelt so hoch ist – und das bei deutlich höheren Kosten.

 

Erschienen 24.Jänner 2013; Die Zeit 

Begründeter Zweifel an Gesundheitsreform

Länder und Kassen wollen über virtuelle Budgets gemeinsam Verantwortung tragen. Dazu werfen sie virtuell ihr Geld zusammen und realisieren damit gemeinsam jene Versorgungskonzepte, die für Patienten das Beste sind – und teilt dann die Kosten untereinander auf. Soweit so gut, aber real?

Wir wissen, dass es dank der abstrusen Kompetenzverteilung zwischen Kassen und Ländern zu Ineffizienzen kommt, unter anderem darin abzulesen, dass wir die weltweit höchste Krankenhaushäufigkeit haben – und das kostet eben, obwohl es nicht viel bringt.

Das führt dazu, dass es, wenn es wirklich eine gemeinsame Vorgehensweise gibt, bei steigender Versorgungsqualität (auch wenn das viele nicht glauben wollen) zu Einsparungen kommt Und genau da beginnen die Probleme, wie wir von den „virtuellen Budgets“ der Reformpoolprojekte wissen

Ist es nur ein geringes, wenn auch nicht zu unterschätzendes Problem, Kosten zu verteilen, ist die Verteilung der Einsparungen bis dato nicht möglich gewesen. Da pocht jede Seite darauf, dass sie es ist, die sie realisiert hat  Und da diese Einsparungen hinkünftig im gemeinsamen, virtuellen Topf, als echtes Geld übrig bleiben, ist Streit programmiert. Es braucht schon einen gewaltigen Paradigmenwechsel in den Köpfen der Entscheidungsträger diesen Streit zu umgehen. Schauen wir, ob es Anzeichen gibt, dass dieser gemeinsame Wille wirklich existiert.

In Salzburg wurde 2002, als es schien, dass es endlich zu einem bedarfsgerechten Ausbau der palliativen Versorgung kommt, vom Roten Kreuz ein Hospiz errichtet. Allerdings blieb vieles politisches Lippenbekenntnis. Selbst als es 2005 zu einem Konsens  zwischen Bund, Ländern und Kassen kam, den Ausbau entsprechend einem ÖBIG-Bericht voranzutreiben, blieben Fortschritte mager, vor allem im extramuralen (Kassen) Bereich.

Ende 2012, wird das Hospiz in Salzburg seine Pforten schließen – einfach, weil es pleite geht.

Ein Tag kostet im Hospiz etwa 430€. Die Krankenkasse übernehmen davon 51€, das Land 80€. Der Patient selbst steuerte 170€ (!) pro Tag (!) bei, den Rest von 130€ schoss das Rote Kreuz über Spenden und Überschüsse aus anderen Bereichen bei – und diese fallen hinkünftig weg. Damit ist das Haus pleite.

Das bedeutet, die öffentliche Hand trägt nicht einmal ein Drittel der Kosten, dafür gibt es einen Selbstbehalt von 40%. Und was die 51€ der Kassen betrifft, die decken lt. Angaben des Trägers nur etwas mehr als die Hälfte der anfallenden medizinischen Kosten.

Und so werden die Patienten nach dem Schließen des Hospizes wohl in ein Spital ausweichen müssen.

Dort werden aktuell pro Tag auf einer Palliativ-Station etwa 400€ aus dem LKF-System rückerstattet. Ein geringer Wert, der kaum die echten Kosten deckt und so für Spitalsbetreiber unattraktiv ist. Zudem sind die intramuralen Kapazitäten so ausgelegt, dass sie nur ausreichen, wenn die extramuralen entsprechend dem Plan ausgebaut sind. Fehlen diese, sind die intramuralen zu eng bemessen. Es werden daher nicht alle, vielleicht sogar nur wenige der jetzigen Patienten auf einer Palliativ-Station landen. Die anderen kommen auf andere, vor allem Interne Abteilungen.

Studien weisen klar aus, dass bei massiv sinkender Lebensqualität, die Versorgung sterbender Patienten auf normalen Abteilungen enorm teuer ist: so genau ist das nicht berechenbar, aber mit 800€ bis 1.000€ pro Tag liegt man sicher nicht falsch. Das hängt damit zusammen, dass diese weit weg sind von einem Bio-Psycho-Sozialen Ansatz. Dort gelten biologische Krankheitsbilder mit der Absicht der Heilung –oft koste es, was es wolle. Und das ist halt ganz was anderes, als eine palliative Versorgung – und sehr viel teurer.

Nun, das wissend, muss man sich die Frage stellen, warum können Kassen und Land keinen gemeinsamen Weg finden, eine Versorgung, und zwar OHNE Selbstbehalte, zu ermöglichen, die für Patienten einen enormen Zugewinn an Lebensqualität bedeuten und Steuer- und Beitragszahlern billiger kommt?

Und die antwort ist einfach! Wenn das Hospiz geschlossen wird, sparen sich die Kassen jene 180.000€ die sie jetzt schon nicht zahlen „müssten“, und die Länder sind nicht abgeneigt mehr Patienten in Spitälern zu versorgen, weil sie diese ja erhalten wollen. Und da politisch und finanziell eine Interne attraktiver ist, als eine „Sterbe-Abteilung“ werden diese Kapazitäten auch nicht ausgebaut. Umso mehr, als es ja Aufgabe der Kassen wäre, die extramuralen Kapazitäten auszubauen. Und wenn beiden das Geld ausgeht, dann müssen halt Einnahmen erhöht werden, also der Bund gefälligst für mehr Geld sorgen.

Und genau dieses, tief verwurzelte Jahrzehnte alte Denken, dass sich so klar an diesem Salzburger Hospiz kristallisiert *), soll mit der Reform beendet sein? Ganz ehrlich, ich glaube es nicht

 

*)aber nicht nur dort, ähnliches findet ja auch gerade mit der ambulanten Alkohol-Entzugstherapie im Anton-Proksch-Institut statt, wo die Wiener Gebietskrankenkasse nicht bereit ist mehr als 32,87€ pro Quartal (!) zu bezahlen. Damit ist die intensive ambulante Betreuung der Patienten schlicht nicht finanzierbar– aber die stationäre, die zahlt dann eh wieder das Land

Artur – ein gesundheitspolitischer Ritter

Der 8. Juli 2012 hätte das Zeug in die gesundheitspolitische Geschichte einzugehen. Es war der Tag, als den neue Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger so richtig Gas gab.

So meinte er in einem APA-Interview: „Wenn man im österreichischen Gesundheitssystem weiterkommen will, dann müsste man den Ländern die Krankenhäuser wegnehmen“ und: „Es kann nicht sein, dass die Länder gleichzeitig Gesetzgeber, Spitalsträger und Leistungsanbieter sind und dann auch noch am Finanzierungstopf sitzen.“

Mit solchen Aussagen macht man sich für Länder zum Paria, auch oder besonders, wenn man Ärztekammerpräsident ist. Aber der neue Präsident rüttelt auch an einem weiteren Dogma der österreichischen Gesundheitspolitik, der Pflichtversicherung. Die würde er gerne abgeschafft sehen, und den Bürgern Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Kassen geben – Und mit der Aussage mögen ihn die Sozialpartner auch nicht mehr.

Nun, die Kassen haben nicht reagiert, müssen auch nicht, weil sie wissen, dass sie dank der Verfassung niemand abschaffen / ändern / abwählen kann. Reagiert haben aber einige Länder – abschlägig, wie zu erwarten. Beispielsweise meint der Oberösterreichische Landeshauptmann: „Wir werden die Debatte [Anm.: gemeint ist die Gesundheitsreformdebatte – welche? Ich dachte, die Reform wurde von sechs Personen geheim verhandelt] sicher nicht wieder von vorne beginnen“.

Präsident Wechselberger, und da schließe ich mich an, hält übrigens die beschlossene Gesundheitsreform nur für „das übliche Gerangel um Geld und Geldflüsse“, wenn über eine neue 15a-Vereinbarung gestritten wird. Und ihn wie auch mich erinnern die vereinbarten virtuellen Budgets zur Steuerung des Systems an „Luftschlösser“.

Wie dem auch sei, ursprünglich dachte ich, der kämmerliche Vorschlag ist goldrichtig: echter Wettbewerb zwischen Kassen, und nicht nur als Pseudo- Argument für das Weiterbestehen von 21 Krankenkassen und 16 Krankenfürsorgeanstalten, die sich, dank Pflichtsystem nie um ihre Existenz fürchten müssen. Echter Wettbewerb wäre für viele ein kurativer Schlag!

Und dann die Entflechtung der Mehrfachkompetenzen der Länder, die sich als Gesetzgeber, Spitalsträger, Leistungsanbieter (samt Qualitätskontrolle) und Finanzier ohnehin schon in einem ständigen, schweren, inneren Interessenskonflikt befinden; gepaart mit dem Wunsch der Herrschenden nach Wiederwahl, kann so was ja fast nur pathologisch enden!

In einer zweiten Reaktion allerdings reflektierte ich die ebenfalls geforderte Stärkung der Sozialversicherung, bei gleichzeitiger Schwächung der Länder.

Genau betrachtet, recht viel besser haben die Kassen ja auch nicht gearbeitet. Anderenfalls hätten wir ein echtes Hausarztsystem, Gruppen-, statt Einzelpraxen, und das Honorarsystem der Ärzte wäre ein Steuerungsinstrument und kein gemauscheltes Geldverteilungssystem.

Dazu kommt aber noch, dass Kassen im Gegensatz zu den Ländern ein Legitimtätsproblem haben – denn Pflichtkassen, deren politische Führungen indirekt in Pflichtkammer-Wahlen mit niedriger Wahlbeteiligung gewählt“ werden, sind NICHT demokratisch legitimiert! Auch wenn das manche nicht hören wollen. Andererseits wird auch die Lockerung des Pflichtsystems vorgeschlagen, damit könnte dieses demokratische Manko kompensiert werden, sofern der angestrebte Wettbewerb wirklich auf den Boden kommt und nicht über den Hauptverband und irgendwelche Rettungs- und Zusammenarbeitsfonds abgefangen wird.

Aber all diese Gedanken habe ich in dem Augenblick vergessen, als ich die Reaktion der Länder las.

Da meint etwa Gesundheitsreferent J. Pühringer: „Ich lade den Herrn Präsidenten aber herzlich nach Oberösterreich ein, damit er sich erstens die exzellente Spitalslandschaft und zweitens die gelungene Spitalsreform anschauen kann.“ Deutlicher sein Vorarlberger Kollege Landesrat Ch. Bernhard: „Unsere Spitäler bleiben da, wo sie sind: nämlich bei uns“, weil nämlich jede Schwächung der Länder massive Nachteile für die Patienten hätte. Und aus Tirol erklärt gleich Landeshauptmann Platter im Namen aller Länder (er ist nämlich Vorsitzender der rechtlich völlig unbekannten Landeshauptleitekonferenz, die aber real mehr Macht hat, als jede verfassungsrechtlich festgelegte politische Institution): Man werde es jedenfalls „niemals zulassen“, dass der Bund vorschreibe, wo es in einem Bundesland ein Spital geben soll und wo nicht.

Damit war mir klar um was es geht: Es sind die gnädigen Länder mit ihren segensreichen Spitälern, die zwischen uns und unserem sicheren Tod stehen – und dankbar sollten wir sein, dass wir sooft drinnen liegen dürfen, in den ländlichen Spitäler. Das zu kritisieren oder ändern zu wollen, das kann nur böse sein.

Ärztekammer auf echtem Reformkurs?

Der 8. Juli 2012 hätte das Zeug in die gesundheitspolitische Geschichte einzugehen. Es war der Tag, als den neue Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger so richtig Gas gab.

 So meinte er in einem APA-Interview: „Wenn man im österreichischen Gesundheitssystem weiterkommen will, dann müsste man den Ländern die Krankenhäuser wegnehmen“ und: „Es kann nicht sein, dass die Länder gleichzeitig Gesetzgeber, Spitalsträger und Leistungsanbieter sind und dann auch noch am Finanzierungstopf sitzen.“

Mit solchen Aussagen macht man sich für Länder zum Paria, auch oder besonders, wenn man Ärztekammerpräsident ist. Aber der neue Präsident rüttelt auch an einem weiteren Dogma der österreichischen Gesundheitspolitik, der Pflichtversicherung. Die würde er gerne abgeschafft sehen, und den Bürgern Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Kassen geben – Und mit der Aussage mögen ihn die Sozialpartner auch nicht mehr.

Nun, die Kassen haben nicht reagiert, müssen auch nicht, weil sie wissen, dass dank der Verfassung niemand sie abschaffen/ändern kann. Reagiert haben aber einige Länder – abschlägig, wie zu erwarten. Beispielsweise meint der Oberösterreichische Landeshauptmann: „Wir werden die Debatte [Anm.: gemeint ist die Gesundheitsreformdebatte – welche? Ich dachte, die Reform wurde von sechs Personen geheim verhandelt] sicher nicht wieder von vorne beginnen“.

Präsident Wechselberger, und da schließe ich mich an, hält übrigens die beschlossene Gesundheitsreform nur für „das übliche Gerangel um Geld und Geldflüsse“, wenn über eine neue 15a-Vereinbarung gestritten wird. Und ihn wie auch mich erinnern die vereinbarten virtuellen Budgets zur Steuerung des Systems an „Luftschlösser“.

Wie dem auch sei, ursprünglich dachte ich, der kämmerliche Vorschlag ist goldrichtig: echter Wettbewerb zwischen Kassen, und nicht nur als Pseudo- Argument für das Weiterbestehen von 21 Krankenkassen und 16 Krankenfürsorgeanstalten, die sich, dank Pflichtsystem nie um ihre Existenz fürchten müssen. Echter Wettbewerb wäre für viele ein kurativer Schlag!

Und dann die Entflechtung der Mehrfachkompetenzen der Länder, die sich als Gesetzgeber, Spitalsträger, Leistungsanbieter (samt Qualitätskontrolle) und Finanzier ohnehin schon in einem ständigen, schweren, inneren Interessenskonflikt befinden; gepaart mit dem Wunsch der Herrschenden nach Wiederwahl, kann so was ja fast nur pathologisch enden!

In einer zweiten Reaktion allerdings reflektierte ich die ebenfalls geforderte Stärkung der Sozialversicherung, bei gleichzeitiger Schwächung der Länder.

Genau betrachtet, recht viel besser haben die Kassen ja auch nicht gearbeitet. Anderenfalls hätten wir ein echtes Hausarztsystem, Gruppen-, statt Einzelpraxen, und das Honorarsystem der Ärzte wäre ein Steuerungsinstrument und kein gemauscheltes Geldverteilungssystem.

Dazu kommt aber noch, dass Kassen im Gegensatz zu den Ländern ein Legitimtätsproblem haben – denn Pflichtkassen, deren politische Führungen indirekt in Pflichtkammer-Wahlen mit niedriger Wahlbeteiligung gewählt“ werden, sind NICHT demokratisch legitimiert! Auch wenn das manche nicht hören wollen. Andererseits wird auch die Lockerung des Pflichtsystems vorgeschlagen, damit könnte dieses demokratische Manko kompensiert werden, sofern der angestrebte Wettbewerb wirklich auf den Boden kommt und nicht über den Hauptverband und irgendwelche Rettungs- und Zusammenarbeitsfonds abgefangen wird.

Aber all diese Gedanken habe ich in dem Augenblick vergessen, als ich die Reaktion der Länder las.

Da meint etwa Gesundheitsreferent J. Pühringer: „Ich lade den Herrn Präsidenten aber herzlich nach Oberösterreich ein, damit er sich erstens die exzellente Spitalslandschaft und zweitens die gelungene Spitalsreform anschauen kann.“ Deutlicher sein Vorarlberger Kollege Landesrat Ch. Bernhard: „Unsere Spitäler bleiben da, wo sie sind: nämlich bei uns“, weil nämlich jede Schwächung der Länder massive Nachteile für die Patienten hätte. Und aus Tirol erklärt gleich Landeshauptmann Platter im Namen aller Länder (er ist nämlich Vorsitzender der rechtlich völlig unbekannten Landeshauptleitekonferenz, die aber real mehr Macht hat, als jede verfassungsrechtlich festgelegte politische Institution): Man werde es jedenfalls „niemals zulassen“, dass der Bund vorschreibe, wo es in einem Bundesland ein Spital geben soll und wo nicht.

Damit war mir klar um was es geht: Es sind die gnädigen Länder mit ihren segensreichen Spitälern, die zwischen uns und unserem sicheren Tod stehen – und dankbar sollten wir sein, dass wir sooft drinnen liegen dürfen, in den ländlichen Spitäler. Das zu kritisieren oder ändern zu wollen, das kann nur böse sein.

Warum es keine Spitalsreform geben wird/kann – Ein Text zum Verständnis!

Auf Bundeslandebene fehlt jegliche „Krankheitseinsicht“; die ist aber nötig, will man therapieren!

„Es ist nicht eine Frage, ob wir uns das leisten wollen, sondern es ist klar, dass wir uns das leisten müssen. Die Bevölkerung hat den Anspruch auf eine optimale Versorgung. Wir lassen uns da von Theoretikern, Experten oder Rechnungshofbeamten, die von der Praxis keine Ahnung haben, nichts vorschreiben.“

Das war die Antwort von LH Erwin Pröll auf die Frage, ob denn die 27 Spitäler in NÖ weiter bestehen werden. Nun, da fällt mir ein Witz ein: Was ist der Unterschied zwischen dem lieben Gott und einem Landeshauptmann? – Der liebe Gott weiß, dass er kein Landeshauptmann ist!

Jedenfalls ist klar, dass die Definition der optimalen Versorgung Hoheitsakt der landesfürstlichen Verwaltung ist! Es dürfte wenig Einsicht geben, in das Problem, dass wir zu viele Spitäler und Betten haben, dass unser System schlicht spitalslastig (XLS-Tabelle des OECD Originallink! ) (wo vor allem stationär statt tagesklinisch (XLS-Tabelle des OECD Originallink!) gearbeitet wird) ist, und die Ressourcen, die unnötigerweise dorthin fließen, dann woanders fehlen – gilt natürlich nur dann, wenn man noch genug Realitätssinn hat, nicht von unendliche Ressourcen auszugehen (Allokationsproblem).

In Kärnten wiederum herrscht Freude darüber, dass das LKH Wolfsberg seine Unfallchirurgie und Geburtshilfe behält . Ein Spital mit 68.000 Einwohnern im Einzugsgebiet dürfte nach den Bundesplanungsvorgaben (festgelegt im Österreichischen Strukturplan Gesundheit ÖSG, seit 2005 gesetzlich verbindlich, aber was sind schon Gesetze hierzulande, wo wir doch Fürsten haben) weder eine Unfallchirurgie noch eine Geburtshilfe haben.

Für eine Gynäkologie, die ja eine Mindestgröße (Mindestbettenzahl) nicht unterschreiten darf, sollte das Einzugsgebiet mindestens 110.000, für eine ‚Unfallchirurgie 90.000 Einwohner betragen. Nur dann ist realistisch anzunehmen, dass die dort  aufgestellten Betten (für österreichische Verhältnisse, international wären es noch immer zuviele) sinnvoll genützt werden. Ist das Einzugsgebiet kleiner, werden die Betten sicher auch genützt, aber halt nicht sinnvoll – dann liegt möglichst jeder drinnen, egal ob nötig oder nicht. Und mit welcher Folge? Nun, es muss ja einen Grund geben, warum wir, pro Kopf gerechnet die meisten Krankenhausaufnahme der Welt haben.

(der rote nach oben ausschlagende Strich ist Österreich!).

Abb. der Krankenhaushäufigkeiten in der EU

Also auch hier wenig Verständnis dafür, dass auf Bundesebene Vorgaben gemacht werden, die auf Landesebene eingehalten werden sollen.

Tagespopulistisch ist nicht zu erwarten, dass die Länder reformfreudig und vernünftig werden –dass sie polemisch bleiben, ist wohl eher zu erwarten.

Aber auch die Zahlen im Stabilitätspakt deuten nicht darauf hin, dass sich was ändern soll.

Den Ländern wird erlaubt, weiter Schulden zu machen, geringer als bisher, aber doch. Zudem werden Mehreinnahmen durch die Erhöhung diverser Steuern in Aussicht gestellt: gesamt etwa 2,3 Mrd.€. Das deswegen, weil der Finanzausgleich und damit die Aufteilung der Steuereinnahmen in der jetzigen Form beibehalten wird. Damit das so bleibt, versprechen die Länder etwa 2,9 Mrd.€, drei Viertel davon in den Spitälern, zu sparen.

Doch wie geht das Sparen vor sich? Wird hier wirklich gespart? Nein, dass läuft ganz anders – und zwar ungefähr so (die jetzt dargestellte Milchmädchenrechnung ist ziemlich ungenau, weil ja auch die Angaben der Politik sehr ungenau sind):

Das Zauberwort ist „Deckelung der Spitalskostensteigerung“

Zuerst wird angenommen, die Spitalskosten steigen ohne Reform um 4,5% jährlich. Dieser Wert soll angeblich der langjährige Schnitt sein, oder so was! Wirklich transparent dargestellt ist es nicht, wohl eher politisch einfach festgelegt Jedenfalls nachrechenbar ist der Wert nicht. Jetzt versprechen die Länder, dass die Spitalskosten nicht über 3,5% steigen werden (eine Bindung der Kostensteigerung an das Wirtschaftswachstum erfolgt nicht, sondern wird uns nur erzählt, wie so vieles erzählt wird). Rechnet man jetzt aus, was die Spitäler bis 2016 in Summe mehr kosten, wenn die Kosten um 4,5% steigen, dann kommt etwa 11,2 Mrd.€ heraus. Nimmt man aber die 3,5%, dann beträgt diese Summe „nur“ 8,6 Mrd.€. Es entsteht also eine Differenz von 2,6 Mrd.€. Und die, so versprechen die Länder, werden sie einsparen! (offiziell meinen die Länder, sie wollen nur 2,1 Mrd.€ einsparen, woher die 500 Mio.€ Differenz zu meiner Milchmädchenrechnung kommen? Ich weiß es nicht! Vielleicht sind die als „wir sind super und über Plan“-Meldungen, analog den Kassen – eingeplant! Andererseits sollte man 500 Mio.€ auch nicht so genau nehmen, bei einem Volumen von fast 90 Mrd.€, die uns die Spitäler in dem Zeitraum gekostet haben werden)

Ein nettes Versprechen also, vor allem aber ein sehr leichtes!  Ein kleiner Blick in die Vergangenheit zeigt, dass die Spitalskostensteigerung seit 2009 in etwa bei 3,5% liegt. Folglich, müssen die Länder nur versprechen, dass das so bleibt. Und weil es ohnehin keine Sanktionen geben wird, wenn die Kosten stärker steigen, ist so ein Versprechen gleich noch leichter gemacht.

Dass man so ein Versprechen überhaupt abgeben muss (manche Länder mögen das wohl sogar als Demütigung, gar als Majestätsbeleidigung empfinden), hat weniger mit der Macht des Bundes zu tun, als mit der EU. Die wird sich nämlich die Zahlen genau anschauen, und für die muss es plausibel klingen, das Versprechen!

Ob es eingehalten wird, das steht dann auf einem anderen Blatt. Und dass sich die Länder nicht wirklich anstrengen wollen, auch wenn sie behaupten, vor ihnen liege harte Arbeit, zeigt ja schon die Tatsache, dass alle Länder fest behaupten, sie hätten schon alle Anstrengungen unternommen, um die Kostensteigerung im Zaum zu halten – heißt übersetzt: alles erledigt, Reform umgesetzt, Stabilitätspakt erfüllt! Jetzt muss der Bund unsere Forderungen erfüllen – und die sind heftig, s. Seite 9 letzter Absatz – der Rest der ländlichen Reformvorschläge sind nur Schaumschläge zum ablenken!

Vernunftbegabte Menschen sollten Länderversprechen ohnehin nicht ernst nehmen. Obwohl die Länder 2005 erstmals und dann im vorgezogenen Finanzausgleich 2008 noch einmal ganz fest versprachen zu sparen, haben sie es nicht getan. Denn als der Rechnungshof das Versprechen in drei Ländern kontrollieren wollte, sah das so aus: Salzburg lag 2010 bei den Spitälern um 17% über dem versprochenen  Zielwert, die Kosten stiegen von 2005 bis 2010 von 242 auf fast 340 Mio. €. In Wien kletterten die Kosten von 1,1 auf 1,6 Mrd.€, und 30% darüber. Und die Steiermark hat Ausgaben von 545 Mio.€ einfach nicht gemeldet, um sich der Kontrolle gleich zu entziehen.

Gut, also ich gehe mal davon aus, dass die Länder weiter spitalszentriert denken und eine integrierte Versorgung nicht wie üblich rund um den Hausarzt, sondern rund um ein Spital denken. Und ich gehe weiter davon aus, dass sie durch keine Macht und schon gar nicht Vernunft von diesem Weg abzubringen sind.

Wird es trotzdem die versprochene Spitals/Gesundheitsreform geben?

Auch wenn die Länder es nicht hören wollen, alle Experten, zuletzt sogar die Industriellenvereinigung, deren Mitglieder ja sicher nicht schlecht an diesen Spitälern verdienen, sagen, wir haben zu viele Spitäler und daher zu viele Spitalsaufnahmen, was in weiterer Folge zu einer Unterfinanzierung der niedergelassenen Ärzte führt. Eine Reform muss bei den Spitälern ansetzen! Wir müssen Spitäler redimensionieren, in dem wir schauen, dass die Patienten vom Spital weg, zu den niedergelassenen Ärzten gelenkt werden. Aber wie?

Die Kassen werden bis 2016 grosso modo gleich viel Geld haben wie heute! Vielleicht ein bisschen mehr, weil es jetzt die Solidaritätsabgabe für Reiche gibt, vielleicht ein bisschen weniger, weil dafür andere Dinge wegfallen, z.b. die überbezahlte Mehrwertsteuerrückerstattung (s. auch Uraltartikel). Wie dem auch sei, ein Ausbau des Kassenbereichs durch die Kassen ist wohl nicht möglich! Außer, es käme Geld von den Ländern! Also Umlagerung der Leistung vom Spital zu den niedergelassenen Kassenärzten (die dann zahlenmäßig auch steigen müssten;(seit wenigstens 15 Jahren sinkt die Zahl der Stellen sogar leicht !!), bei gleichzeitiger Umschichtung von Geld von den Länder zu den Kassen – „Geld folgt Leistung“!

Es ist eigentlich denkunmöglich, dass es jemals dazu kommt, dass Bundesländer auf Geld verzichten – und schon gar nicht, dass die es den Kassen „schenken“. Und weil die Kassen auch nichts hergeben wollen und beide auf Verfassungsrechte pochen können, braucht es einen, dem Volk präsentierbaren, Kompromiss. Und da kommen sie daher, die fiktiven Budgets der Gesundheitsplattformen. Sie sind der letzte Schritt der österreichschen Diskussion von der „Finanzierung aus einer Hand“ hin zu „es darf sich nichts ändern“!

Mit solchen Budgets gibt es bereits Erfahrungen. Als mit der Gesundheitsreform 2005  Reformpoolprojekte  eingeführt wurden, gab es die Verpflichtung, für jedes Projekt solche Budgets zu rechnen. NÖ hat einst 800.000€ für die Entwicklung eines eigenen EDV-Tools (Reformpoolmanager) bezahlt, damit solche Budget errechnet werden können. In Betreib ist der Reformpool-Manager nie gegangen, weil keiner der involvierten Partner bereit war, seine Daten einzuspielen und damit der anderen Seite zu offenbaren. Schließlich leben sie doch alle in der Intransparenz! Und weil es eben nicht geschafft wurde, Datentransparenz herzustellen, wurden Reformpoolprojekte per Hand gerechnet.

Eines davon habe ich (allerdings unter Pseudonym) rechnen dürfen – wobei das eben mit rechnen nur sehr wenig zu tun hatte, mit Diplomatie eher – denn keine Seite (Land und SV) wollte die Wahrheit wissen, und die Rechnungen duften nur das ergeben, was die beiden  langwierig ausverhandelt haben (btw. Ich hab die Rechnungen sechs mal gemacht, weil jedes Mal „neue“ Daten die „alten, falschen“ ersetzen mussten, bis die Kassen ihren Teil der Berechnung überhaupt selbst geschrieben haben. Es dauerte 6 Monate, bis eine Einigung erzielt wurde! Der wissenschaftlich fundierte Bericht wurde nie publiziert – bis jetzt)

Wie dem auch sei, mir ist kein Reformpoolprojekt bekannt, dass es geschafft hätte, Konsens zwischen allen 21 Krankenkassen und den Bundesländern herzustellen um die Rechnungen ernsthaft zu machen und das Prinzip „Geld folgt Leistung“ umzusetzen. Im Gegenteil, je näher das Ende eines Projekts kam, desto klarer war, dass kein Interesse an Änderungen bestand. Deswegen hat es auch kein einziges Reformpoolprojekt geschafft, flächendeckend ausgerollt und in die Regelfinanzierung übernommen zu werden (sieht man von jenen ab, die eine Sonderfinanzierung erhalten haben)

Tja, und so wie es aussieht, soll die Idee der „fiktiven Budgets“ nun die Gesundheitsreform bringen. Es soll also jetzt auf Bundeländerebene eine flächendeckende, allumfassende fiktive Rechnung gemacht werden, damit man erkennen kann, wer von welcher Maßnahme oder Planung wie profitiert, um dann eine Finanzierung aus einer Hand simulieren zu können.  Was also für lächerliche Kleinigkeiten schon nicht funktioniert hat, soll jetzt im Grossen funktionieren? Nie!

Aber ich bin sicher, die Reform wird, wie eh und jeh, medial groß kommen und bestens verkauft werden. Realiter aber, wurde so eine Gesundheitsreform erfolgreich ausgesessen wieder einmal !

Warnung vor „föderalistischer Staatsmedizin“ oder die ländlichen Gesundheitsplattformen

Die ländlichen Gesundheitsplattformen kommen wieder ins Gespräch Auch wenn sie vermutlich für die meisten unbekannt  sind, sie werden angeblich mit der nächsten Reform wirklich (er)mächtig! Und dagegen wettert die Ärztekammer mit drastischen Worten!

 

Gesetzlich gibt es seit 2005 (!) Gesundheitsplattformen (vereinbart in einer 15a-Vereinbarung). Naja, eigentlich erst seit 2006, denn es hat ein Jahr gedauert, bis sich die ländlichen Machtblöcke einigen konnten, wer denn nun drinnen sitzen soll, und wie man über die Geschäftordnung seine Macht erhalten kann.

So was dauert, schließlich sollten sich Gesundheitsplattformen nicht mit vernünftig zu lösende Sachfrage beschäftigen, wie: wo soll ein Spital mit welchem Angebot stehen, wo werden wie viele und welche ambulant versorgenden Ärzte gebraucht, wie geht man mit „Gastpatienten“, die in einem anderen Bundesland arbeiten (und versichert sind) als sie leben, um. Nein Ihre Aufgabe was es ideologisch und politisch schwierig zu lösende Fragen zu beantworten, Fragen wie: wo soll ein Spital stehen, wo werden Ärzte gebraucht oder wie soll mit „Gastpatienten“ umgegangen werden – eben typische Probleme, die sich der Vernunft entziehen!

Der Kernidee dieser der Öffentlichkeit weitgehende unbekannten Institutionen, war und ist die DEZENTRALE Planung (Landeebene) des Gesundheitssystems. Länder und Sozialversicherungen als Finanziers sollten, so der gesetzliche Auftrag, GEMEINSAM für die Gesundheitsversorgung der REGIONALEN Bevölkerung (definierte Versorgungsregionen, mehrere pro Bundesland) sorgen. Die Rahmenplanung für diese dezentralen Landesgesundheitsplattformen (LGP) werden durch die Bundesgesundheitsagentur  (BGA) erstell, samt den heute wieder entdeckten Qualitätsvorgaben! Steht alles drinnen in diesem uralten Dokument aus 2005, ziemlich detailliert und, möchte man glauben umsetzbar! (BGA: Artikel 10-13, Seite 8-10; LGP; Artikel 14-17, Seite 10-14).

Keine Plattform hat es je geschafft diesem Auftrag gerecht (im wahrsten Sinne des Wortes) zu werden. Eine gemeinsame Vorgangsweise gibt es, wenn überhaupt, nur in vereinzelten, kaum wahrnehmbaren Ansätzen und ausschließlich in der Akutmedizin. Rehabilitation hat man nicht bearbeitet, Prävention und Pflege wurden gleich gar nicht in die Agenda aufgenommen. Die vorgeschriebenen regionalen Strukturpläne, immerhin gesetzliche Basis aller Bedarfsprüfungen, die nach einem EuGH-Urteil neu geregelt werden musste, fehlen, sieht man von Betten- und Spitalsstandortplänen ab, die es so eigentlich gar nicht mehr geben dürfte, da ja als Planungsgröße Leistungen (also beispielsweise erwartbare Blinddarmentfernungen, erwartbare Herzinfarkte etc.) vorgeschrieben wären, nicht Strukturen!. Und die wenigen Plattformen, die es sich geleistet haben, ein sachlich kompetentes – und nicht politisch tickendes – gemeinsames Büro einzurichten, haben dieses bald wieder abgeschafft.

Nun, das tödliche Gift lag bereits im Gesundheitsreformgesetz 2005 selbst. Die Kompetenzen der Plattformen wurden sehr skurril festgelegt: Was die Kassenärzte betrifft, haben immer die Sozialversicherungen das Sagen, was die Spitäler betrifft die Länder – Zeugt das von einem gemeinsamen Willen?

Und dort, wo es gemeinsame Themen geben könnte, gibt es sie nicht, weil alle Geschäftsordnungen, und damit auch die Mitglieder, so ausgelegt sind, dass sich die Länder über Vorfeldorganisationen die Mehrheit gesichert haben. Angeblich soll es jetzt anders werden! Die Kompetenzen sollen besser Verteilt werden und so! Sachpolitische Vernunft soll mehr gelten als machtpolitische Überlegungen!  Aber, dass kann bezweifelt werden. Also werden die neuen alten Plattformen wohl kaum anderes sein, als verbal behübschte ländliche Abstimmungsmaschinen.

Aber was hat man erwartet? Da sitzen die dem Populismus zugeneigten Länder (siehe letzte Ausritte des LH Pröll ) und die in klassenkämpferischen Verhandlungen geübten Gewerkschaften zusammen und sollen eine gemeinsame Vision, eben die gemeinsame Sorge um die Patienten, entwickeln. Einmal ehrlich – ist das nicht zu naiv gedacht? Kann man wirklich erwarten, dass sich Organisationen mit reinem Machtwillen zusammensetzen und plötzlich einen gemeinsamen Gestaltungswillen entdecken?

ABER, ist deswegen eine ärztekämmerliche Warnung vor „föderalistischer Staatsmedizin“ gerechtfertigt? NEIN!

Denn der Ärztekammer sollte langsam klar werden, dass sie an der jetzigen Situation selbst große Mitschuld trägt. Wenn, wie die Kammer „droht“, die Plattformen ein Eingriff in heiliges Sozialpartnerrecht sind (gemeint sind die für die Kammer existenzberechtigenden Kassenverhandlungen, denn mit anderen Erfolgen kann sie sich kaum rechtfertigen, wenn man nur an die Arbeits– und Ausbildungssituationder Turnusärzte denkt), dann ist das nur gut so! Denn was hat denn dieses Sozialpartnerrecht gebracht?

Das seit Jahrzehnten andauernde Aushungern des niedergelassenen Bereichs wurde nicht nur nicht verhindert, sondern sogar beschleunigt. Das Prinzip „ambulant vor stationäre“ konnte nie durchgesetzt werden, im Gegenteil, die stationären Aufenthalte sind, gegen jeden internationalen Trend, gestiegen und liegen mittlerweile 70% über dem EU-Schnitt, was nichts anderes heißt, dass wir das spitalslastigste Land der Welt sind. Hausarztmodelle im Sinne eine Primary Health Care , das von der Prävention über Kuration und Rehabilitation bis zu Pflege reicht, fehlen gänzlich, mehr noch, wurden durch die Honorarordnung nahhaltig verhindert.

Alles in allem ist das Modell der Sozialpartnerschaft Kassen-Ärztekammern gescheitert. Ich zweifle daran, dass die Plattformen was besser machen, aber schlechter können sie es auch nicht hin kriegen!

www.gesundheitsziele-oesterreich.at

Unbemerkt führt das Ministerium Zug um Zug moderne Steuerungsinstrumente in die verstaubte Gesundheitspolitik ein – erfolgreich?

Es sind Schlagworte, die außerhalb eingeweihter Fachkreise unbekannt sind: Health Technology Assessment, Health Impact Analyse oder Gesundheitsziele. Dahinter stecken Instrumente, um Gesundheitspolitik effizienter, zielgenauer und überprüfbarer zu gestalten.

Gesundheitsziele sind, dank einiger rein populistisch gedachter, Ansätze – ich denke da an diverse Beschlüsse der Landesregierungen in Nieder- und Oberösterreich, oder auch Aktionen wie „Gesundheitsweltmeister 2010“ seitens der Bundesregierung – zwar bekannt, haben aber als Steuerungsinstrument nie getaugt.

Die Idee von Gesundheitszielen stammt vermutlich aus den 1970ern, handfest wurden sie, als 1998 die WHO „Gesundheit21“ publizierte. Seit dem hat sich viel getan. Unsere Politiker haben übrigens stets und brav alle WHO-Resolutionen zu diesem Thema unterschrieben – aber halt nicht umgesetzt.

Wesentlich für diese Umsetzungsschwäche dürfte sein, dass es nie eine politisch akkordierte Analyse der Ausgangssituation gab – damit hätte man ja Defizite zugeben müssen. Ohne diese Analyse ist es, erwünschterweise, nie möglich gewesen zu erfahren, ob die gesteckten Ziele wirklich Ziele waren. Damit wird verhindert, dass irgendwer ein Versagen entdecken könnte. Echte Ziele hätten nämlich den (un)angenehmen Effekt, dass man sowohl Effektvität als auch Effizienz messen kann. Mit unechten Zielen geht das nicht.

Das Problem ist, wird ein Ziel nicht erreicht, sucht unsere kleingeistige Einstellung, unterstützt durch Opposition und sensationsheischende Medien, einen Schuldigen zum Ausbuhen. Also müssen Politiker, wollen sie das vermeiden, unscharf und intransparent bleiben. Lösungsorientiertes Handeln und eine Kultur, aus Fehlern lernen zu dürfen, fehlt gänzlich. Aber genau das ist nötig, will man zielorientierte Gesundheitspolitik machen.

Geht es nach Minister Stöger, sollen sich die entscheidenden Gesundheitspolitiker in Ländern, Sozialversicherungen und Kammern zukünftig aber an verbindlichen Zielen ausrichten; damit diese nicht nur bei irgendwelchen WHO-Konferenzen unterschrieben werden, weil es halt peinlich wäre, es nicht zu tun.

Da stellen sich jedoch einige Fragen: Wer wäre verantwortlich für die Erreichung von Zielen? Solange keine klare Kompetenzverteilung – die eine echte und strukturelle Gesundheitsreform verlangte – existiert, wird man Ziele zwar formulieren, aber nicht erreichen können. Denn nur, wenn es klare Verantwortlichkeiten (nicht nur Zuständigkeiten) gibt, kann ein zielorientierter Prozess zum Ziel führen. Prävention, Kuration, Rehabilitation und Pflege müssten einheitlich gedacht werden. Doch gibt es dazu einen politischen Willen?

Zudem bedeutet das Instrument der Gesundheitsziele das Aufstellen von echten Zielen („allen alles auf allerhöchstem Niveau“ zu bieten, ist kein Ziel, sondern eine populistische Lüge!), und damit zuzugeben, dass eben nicht alle alles kriegen. Wer wird sich das antun?

Und schließlich muss priorisiert werden, weil nicht alles gleichzeitig geht! Aber Priorisierungen kosten Wählerstimmern, weil halt nicht alle die oberste Priorität erhalten werden. Ist das in unserem Populismus denkbar?

Es ist erfrischend zu sehen, dass der ministerielle Reformvorschlag einen langen Horizont hat (2020). Es könnte daher sein, dass einige Fragen gelöst werden können. Und wenn nicht, bleibt uns ja das beruhigende Gefühl, im besten aller Gesundheitssysteme zu leben.

Dieser Artikel wurde im Juni 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Eigenlob stinkt – auch in der Gesundheitspolitik

Ich weiß nicht, wie oft man das sagen muss, bis auch Politiker lernen, dass unser Gesundheitssystem schlecht ist. Die Bevölkerung, die weiß es nämlich schon!

„Wenn man in Österreich mit dem weltbesten Gesundheitssystem über eine Reform desselben spricht, ist das so, als würde das Ski-Nationalteam nach einer Reform rufen.“ Das meint ÖVP Gesundheitssprecher Dr. Erwin Rasinger und fügt sich in die Reihen der Gesundbeter und Realitätsverweigerer.

WZ-Leser wissen, dass solche Aussagen, im Gegensatz zu den nachprüfbaren Medaillen der Ski-Asse, alles andere als beweisbar sind. Daher sollte man sie als „populistische Leerstücke“ gleich vergessen. Aber tun wir so, als ob wir nachdenken wollten. Wie beweist man, ob ein System gut ist?

Das ist gut erforscht: Ein System ist bestens, wenn mit den eingesetzten Ressourcen das machbare Maximum an Gesundheit produziert wird. Das System muss dazu Ressourcen für Versorgung und Behandlung aufbringen und dem Bedarf entsprechend sinnvoll verteilen.

In Österreich haben wir sehr viele Ressourcen im Einsatz.

Mit etwa 470 praktizierenden Ärzten (ohne Zahnärzte) pro 100.000 Einwohner liegen wir unangefochten an erster Stelle – und trotzdem wird gerne über Mangel gejammert! Arbeit ist eben dehnbar wie Gummi.

Aber auch mit 110 Millionen Kassenarzt-Besuchen (also ohne Wahlärzte und Spitalsambulanzen) liegen wir vermutlich ganz vorne; hier ist aber das Zählen und Vergleichen nicht so leicht.

Das wir mit 30 Spitalsaufnahmen pro 100 Einwohner spitze sind, ist mittlerweile Allgemeinwissen. Dass wir vermutlich auch die meisten medizinischen Großgeräte wie Magnetresonanz haben, wissen nicht mehr alle, aber auch viele. Und wenn wir gleich fünfmal mehr Spitäler als die Dänen haben, denken die meisten Nicht-Politiker darüber nach, ob’s nicht doch ein bisserl weniger sein dürfte.

All das hat seinen Preis, und so darf es nicht verwundern, dass wir sehr viel Geld ausgeben und hier in der absoluten Spitzengruppe mitmischen.

Also, an Ressourcen mangelt es sicher nicht. Und weil wir das weltbeste Gesundheitssystem haben, dürften wir, dank dessen weiser Ressourcenverteilung erwarten, auch mehr Gesundheit zu finden – oder?

Schauen wir einfach nach.

Unsere Senioren dürfen nicht mit allzu vielen gesunden Lebensjahren rechnen, wenigstens nicht mit so vielen, wie eben in jenen Ländern, die gleich viel ausgeben wie wir. Hier spielen wir nicht in der Oberliga, sondern mit den Nachzüglern – die aber gleich 30 Prozent weniger Ressourcen aufwenden, um das gleiche zu erreichen (ganz abgesehen von den ehemaligen Ost-Block-Ländern, die noch viel weniger ausgeben, um ähnliche Werte zu erzielen).

Dieser Umstand spiegelt sich dann auch in anderen Zahlen wider. Die Zahl der Invalidenpensionisten zählt hierzulande zu den höchsten. Pro 1000 Einwohner im Alter zwischen 55 und 59 Jahren werden 40 wegen Krankheit vorzeitig pensioniert. Überhaupt ist es so, dass die Zahl der Invaliditätspensionen ein Drittel aller neuen Pensionisten ausmacht – das sind in etwa 30.000 pro Jahr. Und logisch weitergedacht ist unsere Bevölkerung ein Pflegefall. Während international bei den über 80-Jährigen mit weniger als 25 Prozent Pflegebedürftigkeit gerechnet wird, sind es bei uns fast 60 Prozent.

Es fehlt der Platz um weiteres aufzuzählen (beispielsweise was die Kindergesundheit betrifft), aber im Gesundheitssystem ist es so wie im Bildungssystem: es ist sehr sehr teuer und wenig effektiv – von wegen weltbestes! Wenn das Politiker nicht endlich ernst nehmen, dann werden sie ausgetauscht werden müssen.

Dieser Artikel wurde im April 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.