Wem soll ich nun glauben?

Durch das zeitgleiche Erscheinen einer nicht bestellten Meinungsumfrage wird die politische Manipulation entlarvt – allerdings nur für Interessierte!

Gesundheitsminister Stöger plant alle drei Monate eine Meinungsumfrage zur Gesundheitsversorgung in Auftrag zu geben, nach deren Ergebnissen er sein Handeln ausrichten will. Da stellt sich die Frage, was er will?

Es trifft sich, dass kurz nach den Jubelmeldungen über die erste dieser Umfragen, die sich „Gesundheitsbarometer“ nennt, eine weitere Umfrage veröffentlicht wurde; eine, ganz ohne Auftraggeber, einfach um Wissen zu schaffen, also um wissenschaftlich und nicht politisch zu sein: die OEKONSULT-Studie „Gesundheit 2010“.

Vergleicht man die Ergebnisse dieser beiden Studien, dann wird jede Klarheit beseitigt.

Im politisch bestellten „Gesundheitsbarometer“ geben 63 Prozent der Bevölkerung an, mit der Gesundheitsversorgung sehr zufrieden zu sein. Demgegenüber sind laut „Gesundheit 2010“ erstaunlicherweise 76 Prozent davon überzeugt, dass die „große Gesundheitsreform“ nun keinen weiteren Aufschub mehr zulassen würde. Wie geht das? Wissenschaftlich betrachtet, muss man zwar Gesundheitssystem streng von der Versorgung trennen. Die Versorgung ist das, was bei jedem Patienten ankommt, während das (reformbedürftige) System nur den Rahmen definiert. Man kann also durchaus mit der Versorgung zufrieden, aber mit dem System unzufrieden sein. Dass allerdings das System durch seine steuernden Bedingungen immer die Versorgung beeinflusst, darf nicht vergessen werden. Wenn also eine so große Diskrepanz in zwei unabhängigen Studien auftritt, ist es nicht gewagt zu behaupten, dass die Versorgung nur mehr funktioniert, weil es genug Ärzte mit Zivilcourage gibt, die sich im Zweifel um Patienten kümmern, selbst wenn sie dafür das System „umgehen“ müssen – was der Patient offenbar zunehmend bemerkt.

91 (!)Prozent der OEKONSULT-Befragten haben keinen Zweifel, dass eine Gesundheitsreform, die nicht auch eine Reform des Spitalswesens darstellt, keine Reform ist. Mehr noch, 77 Prozent wissen, dass dazu wohl auch Spitalsschließungen gehören. Wie passt dazu das Ergebnis des „Gesundheitsbarometers“, wonach sich 67 Prozent der Österreicherinnen gegen Zusammenlegungen von Spitälern aussprechen? Und wenn Gesundheitsminister Stöger sagt: „Die Experten sind für mich in erster Linie die Patienten. Wenn ihnen die Standorte wichtig sind, sind sie mir das auch“, wen meint er dann? Die 77 Prozent von „Gesundheit 2010“ oder die 67 des „Gesundheitsbarometer“?

Wem soll man glauben? Also ich glaube der Studie „Gesundheit 2010“– nicht weil mir ihre Ergebnisse besser gefallen, was ja auch eine Kriterium sein könnte, sondern, weil sie transparenter ist und offenbar etwas wissen und nicht vertuschen will. Während die Daten des ministeriellen „Gesundheitsbarometers“ größtenteils geheim sind, sind die Daten von „Gesundheit 2010“ allen offenbart. Während die Ergebnisse des „Gesundheitsbarometers“ mehr als drei (!) Monate lang „ausgewertet“ werden mussten, bis sie veröffentlicht werden konnten, wurden die der „Gesundheit 2010“ bereits wenige Tage nach Beendigung der Studie publiziert. Während also „Gesundheit 2010“ für jeden nachvollziehbar (und kritisierbar) ist, bleibt der „Gesundheitsbarometer“ im Nebel der Intransparenz.

Aber ich bin nicht naiv genug, zu glauben, dass auch Minister an Transparenz interessiert sind. Daher wird die Strategie bleiben: Gib eine Studie in Auftrag, die du lenken kannst, damit die Ergebnisse so sind, dass du walten und schalten kannst, wie du willst!

Dieser Artikel wurde im Jänner 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Zufriedenheit als Regierungsauftrag – populistischer Wahnsinn

Dass Meinungsumfragen politisch nicht unwichtig sind, ist bekannt. Dass sie aber offen als Richtlinie dienen, ist eine beunruhigende Entwicklung.

Wenn man Meinungsumfragen macht, ist es leicht, Fragen so zu stellen, dass das erwünschte Ergebnis erscheint. Noch anfälliger sind bevölkerungsbasierte Zufriedenheitsmessungen im Gesundheitswesen.

Zufriedenheit ist der Quotient aus erwarteter durch erhaltene Qualität. Ein und dieselbe Qualität kann subjektiv bei niedriger Erwartung zur Zufriedenheit, bei hoher Erwartung zur Unzufriedenheit führen. Ein Rückschluss auf die real erbrachte Qualität ist nicht möglich. Dazu kommt, dass jeder weiß, dass unsere Gesundheitsversorgung sehr teuer ist und fast ausschließlich über Systeme organisiert wird, aus denen man nicht austreten kann; man hängt im Ernstfall also davon ab. Damit fällt es schwer, kritisch zu sein. Ein teures Pflichtsystem, dass von allen Ebenen der Politik als das beste der Welt beschrieben wird, kann doch nicht wirklich schlecht sein, oder?

Was sagt es also über die Versorgungsqualität aus, wenn laut Meinungsumfrage 94 Prozent der Österreicher über 16 Jahre mit ihr zufrieden sind? Nichts! Genauer geschaut antworten ohnehin nur 63 Prozent auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Gesundheitsversorgung in Österreich?“ mit „Sehr“. Die auf 94 fehlenden 31 Prozent antworten nur mit „Etwas“. Einmal ehrlich, wenn eines der teuersten Gesundheitssysteme nur ein „Etwas“ erreicht, ist das eher peinlich, und diese 31 Prozent unkritisch den Zufriedenen zuzurechnen, populistisch.

Gänzlich verschwiegen werden natürlich politisch unerwünschte Meinungsäußerungen.

Da wäre die Aussage, dass man die optimale Versorgung nur dann kriegt, wenn man eine Zusatzversicherung hat. 29 Prozent stimmen dem voll zu, 23 Prozent etwas. Zusammen also sind 51 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass eine optimale Versorgung etwas mit privaten Zuzahlungen zu tun hat – willkommen in der Zwei-Klassen-Medizin.

Und die teure Spitalsversorgung stellt nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung sehr zufrieden! Eigentlich ein katastrophales Ergebnis. Und gerade bei den Antworten rund um die Spitäler liegt auch der Skandal dieser Meinungsumfrage. Denn BM Alois Stöger will sich bei seinen Entscheidungen an die Ergebnisse solcher Meinungsumfragen halten. Obwohl Experten im Spitalsbereich das größte Einsparungspotenzial sehen, diese Potential aber nur von fünf Prozent der Bevölkerung ebenfalls gesehen wird, und weil sich zudem 67 Prozent gegen Zusammenlegungen von Spitälern aussprechen, lässt der Minister folgendes ausrichten: „Die Experten sind für mich in erster Linie die Patienten. Wenn ihnen die Standorte wichtig sind, sind sie mir das auch.“

Warum brauchen wir eigentlich Politiker mit ihren weitreichenden Machtbefugnissen noch? Ist es nicht so, dass wir Politiker für ihre REGIERUNGSARBEIT mit Macht und Geld ausstatten und ihnen dafür riesige Beamtenapparate (Experten!) zur Verfügung stellen? Wenn jedoch Meinungsumfragen als Richtlinie für Entscheidungen gelten, dann wäre es doch billiger, eine kleine Bürokratie aufzubauen, die den Ist-Stand bewahren muss und bei jeder Änderung des Zustands an Meinungsumfragen gebunden wird. Dass würde zwar katastrophal enden, weil nun einmal zu viele Widersprüchlichkeiten in der Bevölkerung bestehen, und es nicht möglich ist, es allen Recht zu tun; aber es wäre doch deutlich billiger, als so viele Politiker und Beamte durchzufüttern. Wenn ohnehin beide Wege ins Chaos führen, dann soll man sich wenigstens für den billigeren entscheiden.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.