Über Selbstbehalte

Selbstbehalte leben in Österreich im Gesundheitssystem und kommen in allen Subsystemen vor. Lästig sind sie aber nur dort, wo sie auch so heißen.

Als Herr SC i.R MR Dipl-Ing. Breitfuss seine Abrechnung erhalten hat, hat er sich wieder einmal geärgert. „Wenn alle Selbstbehalte zahlen müssten, dann müssten wir das Gesundheitssystem nicht reformieren“ sinniert er in sich hinein, während er den Erlagschein ausfüllt. „Das wäre doch so einfach!“

In der Realität ist das aber ganz anders.

Das beginnt damit, dass zwar die meisten Bürger in den neun Gebietskrankenkassen (GKK) organisiert sind, doch gibt eine Unmenge anderer Kassen. Da haben neben den Bundesbeamten die Bauern, die Eisenbahner, die VÖSTler etc. ihre eigenen. Dazu kommen die Krankenfürsorgeanstalten (KFA), die sich um Bedienstete der Länder und Gemeinden kümmern. Am Ende gibt es ca. 60 KFA, die zu den mehr als 20 Krankenkassen kommen. Wer also welchen Selbstbehalt zahlt, das weiß niemand. Wie man so ein Wirrwarr umstellen könnte ist fraglich. Aber tun wir so, als ob es ginge. Doch ist es gescheit?

Nehmen wir der Einfachheit halber die Beamtenversicherten als Pars pro Toto. Diese zahlen einen lästigen 20-prozentigen Selbstbehalt auf alle Gesundheitsleistungen, die sie konsumieren. Und siehe da, die Beamtenversicherung gehört zu denen, die nicht von Pleite bedroht ist. Der einfache und für die meisten daher zwingende Schluss: Selbstbehalte halten Patienten davon ab, unnötige Leistungen in Anspruch zu nehmen. In der Kombination mit der ebenso einfachen Theorie, dass unnötige Leistungen das System unfinanzierbar machen, ist daher logisch: Selbstbehalte retten das Gesundheitssystem!

Wäre es so einfach, hätte die ganze Welt bereits top funktionierende Systeme und lauter gesunde Menschen.

Leider entstehen durch Krankheit aber weiterhin Kosten. Und nur zu einem Bruchteil sind diese durch Jux und Tollerei – was man ja bei der Konsumation von unnötigen Leistungen unterstellen muss – begründet. Die meisten „unnötigen Leistungen“ werden, wenn überhaupt, durch falsche Anreizsysteme vom Leistungserbringer verursacht, nicht vom Patienten. Selbstbehalten können hier kaum helfen. Der, der krank ist kostet. Daran ändern Selbstbehalte nichts. Nur wer gesund ist kostet nichts!

Und da kommen wir auf des Pudels Kern. Heute ist Gesundheit weniger eine Frage der Kosten des Systems, als eine Frage komplex ineinandergreifender sozioökonomischer Faktoren wie Bildung, Einkommen, Altersversorgung etc., die alle irgendwie das Gesundheitsbewusstsein beeinflussen. Und genau darin liegt es, warum die Beamtenversicherung schwarze Zahlen schreibt. Ihre Versicherten gehören auf Grund der Berufswahl automatisch zu den höchst Ausgebildeten. Sie haben verglichen mit den typischen GKK-Versicherten, den Arbeitern und Angestellten, die höchste Maturanten- und Akademikerquote. Dazu kommt, dass ihr Durchschnittseinkommen verglichen mit den GKKlern das höchste ist. Und last but not least beziehen Beamte im Vergleich zu den oben erwähnten die höchsten Pensionen. Wissenschaftlich betrachtet, müssten Beamte also zu den gesündesten der Republik gehören und daher am wenigsten kosten (auch dann, wenn sie die längsten Krankenstände aufweisen, was vermutlich anders zu erklären sein wird).

Selbstbehalte wie bei den Beamten haben eine untergeordnete Rolle auf das Gesundheitsbewusstsein. Keinesfalls könnte eine Einführung solcher Selbstbehalte die GKK sanieren. Da muss man schon die Selbstbehalte so umbauen, dass sie auch Anreize bilden, gesund zu bleiben. Und das würde dauern!

Dieser Artikel wurde im August 2008 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.