Wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld

   Das Wiener KH Nord, das gern als modernstes Spital Europas, ja der Welt gepriesen wird, hat diese Attribute nicht verdient. Im Grunde ist es ein einfaches „Provinzspital“ ohne sonderlich aufwendige Ausstattung, das schlicht viel zu teuer errichtet wurde und dessen Errichtung viel zu lange gedauert hat.

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Daraus ist ein Investitionsrückstau entstanden. Etwa im vor sich hin bröselnden Wilhelminenspital, dessen nun abgesagter Neubau längst hätte beginnen müssen und das nur noch durch Fotos, die es in die Medien schaffen, auffällt.

   Selbst in einer Schmalspurvariante stehen im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) 2,7 Milliarden Euro an Investitionen an, hunderte Millionen mehr als erwartet. Genau da liegt das Problem: Das Geld ist nicht da.

   Und so müssen sich Wiens Politiker etwas einfallen lassen.

   Wiens Spitäler sind sehr teuer – zwar nicht so sehr im patientennahen Bereichen, sondern vor allem in den patientenfernen, nicht-medizinischen. Dort fallen die österreichweit höchsten Personal- und Sachkosten an. Dort könnte man sparen. Könnte man, wenn man sich mit Gewerkschaften und Netzwerken anlegte. Vor Wien-Wahlen und gerade jetzt ist das keine Option fürs „rote“ Wien.

   Also Einnahmen erhöhen!

   Und das geht über Gastpatienten, die in einem anderen Bundesland behandelt werden, als sie wohnen. Seit 1997 harrt deren Finanzierung einer sinnvollen Lösung. Nach wie vor gibt es das damals eingeführte Provisorium über den Finanzausgleich. Dort wird verhandelt, wie der bundesweite Spitalsfinanzierungstopf auf die Länder verteilt wird. Und weil Wien viele Gastpatienten versorgt, erhält es mehr Geld, als es die Einwohnerzahl rechtfertigen würde. Und mangels anderer, patientenorientierter Lösungen ist es leicht, hier Gerüchte zu lancieren.

   Denn weder steigt die Zahl der Gastpatienten, noch lässt sich eine Kostensteigerung bei diesen ableiten. Es kommt also nicht wie gerne verkündet zu einer Steigerung von vor allem teuren Patienten. Und trotzdem wird gerade das behauptet. Vor allem das „schwarze“ Niederösterreich (nicht aber das „rote“ Burgenland) verdränge ungebührlich teure Patienten nach Wien, heißt es.

   Früher gab es solche Behauptungen nicht. Da gab es die Schiene Erwin Pröll/Michael Häupl, die das nicht zugelassen hat. Jetzt aber gibt es neue Spitzen in den beiden Bundesländern, und da dürfte das Klima anders sein. Wien bringt sich in Stellung, beim nächsten Finanzausgleich will es mehr. Dazu wird mobilisiert.

   Und das geht aktuell ganz leicht. Einerseits ist Wien-Bashing in den Bundesländern üblich geworden, Wien kann daher leicht in eine Opferrolle schlüpfen. Und zudem ziehen die Politiker damit die Ärztekammer an sich, statt sie gegen sich zu haben. Denn die Ärzte stöhnen nach der Arbeitszeitverkürzung unter einer enormen Arbeitsverdichtung. Anders als kolportiert, ist die Zahl der Ärzte nicht derart gestiegen, dass die Zahl der Patienten pro Arzt nach der Arbeitszeitreform gleichgeblieben wäre. Nein, sie ist gestiegen! Daher wünschen sich die Ärzte weniger Patienten und liefern den Politiker auch noch beweisende Anekdoten.

   Ja, so geht Politik

„Wiener Zeitung“ vom 24.10.2019  

Budgettricks in gewaltigen Dimensionen  

Die Länder werden ihre geforderten 500 Millionen Euro doch bekommen. Zahlentricks im Finanzausgleich machen es möglich.

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Dass Österreichs Politiker in allen Institutionen etwas gegen Fakten haben, ist bekannt und hängt wohl damit zusammen, dass Fakten keine Meinung zulassen. Rund um die Gesundheitsreform fällt das dann doch krass aus. Während die Ärztekammer behauptet, dass 2021 um 4,5 Milliarden Euro weniger (von was?) ausgegeben werden, meint das Ministerium, es sind um 4,6 Milliarden mehr.

In der Ärztekammer meint man, dass „irrelevante Luftbuchungen“ enthalten sind, und im Ministerium, dass die Ärztekammer die Grundrechnungsarten nicht beherrscht. Bei zehn Milliarden Euro wäre ein bisschen mehr Klarheit angebracht, sollte man meinen. Also wie ist es wirklich?

Rein rechnerisch dürfte das Ministerium recht haben. Aber was genau rechnen die dort? Ein Blick in das Zahlenwerk der Gesundheitsreform offenbart nämlich Verblüffendes – genau bedacht, ist das aber gar nicht so verblüffend. Denn, wir erinnern uns, die Länder haben 500 Millionen Euro pro Jahr mehr gefordert, aber nur 200 Millionen für fünf Jahre erhalten. Und selbst die sind so verklausuliert, dass keiner genau weiß, ob es die jetzt extra gibt oder nicht. Warum also waren die Länder nicht sauer?

War Finanzminister Schelling so gut, dass er sie ausgebremst hat? Nun, eher nicht. Denn, er hat sogar mehr als 500 Millionen rausgerückt, aber eben nur sehr gut und gesichtswahrend versteckt. Alles liegt an der vereinbarten Bemessungsgrundlage. Bei den zukünftigen Gesundheitsausgaben wird als Ausgangsbasis jener Wert angenommen, den man vor vier Jahren als Obergrenze für 2016 angenommen hat. Aber das ist keine reale Zahl. Denn, wie ja auch medial bejubelt, die Grenze wurde stets unterschritten. 2015 lag man 800 Millionen Euro unter dem selbstgesteckten Ziel, das, wie auch der Rechnungshof bekrittelte, viel zu hoch angesetzt war. Und 2016 (da kamen die Ausgabensteigerungen für die Gehälter der Spitalsärzte dazu) waren es noch immer 500 Millionen Euro weniger. Und wie es aussieht, werden diese nächstes Jahr draufgelegt – ohne dass es jemand bemerkt. Und weil es in den Folgejahren ja um Prozente geht, wachsen die dann im Schnitt um 3,4 Prozent jährlich – also sogar weit über der Inflation!

Und, wohl um den Sozialversicherungen (via Ländern) etwas zustecken zu können, zudem dürfen die Ausgaben stärker als noch 2012 vereinbart wachsen. Das macht dann noch einmal etwa 100 Millionen zusätzlich und jährlich.

Am Ende dürfen die Kosten 2017 um über sechs Prozent steigen. Das ist doppelt so hoch wie das nominale Wirtschaftswachstum, und weit weg von den uns kolportierten 3,6 Prozent. Das war es mal endgültig mit der Gesundheitsreform 2012, aber es passiert eigentlich noch mehr. Denn auch wenn zugegebener Maßen diesmal die Argumentation auf der Seite der Ärztekammer besonders absurd ausfällt – bei solchen Steigerungen ein „unsoziales Kaputtsparen“ zu erkennen, lässt wirklich nicht auf ausreichende Rechenkapazitäten schließen –, ist es doch ein unwürdiges Propaganda-Spiel mit Zahlen, das alle Seiten aufführen, nur um der Bevölkerung Sand in die Augen zu streuen

„Wiener Zeitung“ Nr. 229 vom 24.11.2016    

Kriegserklärung über den Finanzausgleich

Die Wiener Ärztekammer hat dem Verhandlungsduo aus Stadtregierung und Gebietskrankenkasse ein „10-Punkte-Programm“ vorgelegt.

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   Diese Punkte lasen sich wie ein Ultimatum. Gefordert wurden unter anderem etwa 50 Prozent mehr Kassenstellen für Fachärzte, Eingliederung von Röntgenambulatorien in die Ärztekammer, Rücknahmen diverser Maßnahmen und natürlich zusätzliche finanzielle Mittel. Und Ärztekammer Vize Johannes Steinhart weiß auch, woher die kommen sollten: aus dem Finanzausgleich. Wird alles erfüllt, führt das zur Beruhigung der Ärzteschaft (oder der Ärztekammerfunktionäre- wer weiß das schon).

   Erstaunlich war die damalige, besonnene Reaktion von Stadträtin Sonja Wehsely und WGKK-Obfrau Ingrid Reischl – beide nicht für konfliktscheue Politik berühmt. Ruhig formulieren sie, dass, „die Zusammenarbeit aller wichtigen Institutionen im Gesundheitswesen unumgänglich ist.“ Nun, im Nachhinein hat das eine andere Konnotation. Denn, wie es aussieht, haben „alle wichtigen Institutionen“ (Landesräte und Kassenobleute) die Kriegserklärung der Ärztekammer angenommen und kontern mit Geheimverhandlungen rund um den Finanzausgleich.

   Finanzausgleichsverhandlungen dienen normalerweise nicht dazu, große Reformen zu konzipieren. Umso überraschender nun die Informationen, die jedoch nur durch die Ärztekammer verbreitet werden. Kein regierender Politiker oder Kassenfunktionär hat sich geäußert. Medienberichte sind dürftig – was damit zusammenhängt, dass sich keine der „wichtigen Institutionen“ äußert, und damit Journalisten zwingt, zu spekulieren – was die wegen der Sorgfaltspflicht jedoch nicht sollen. Aber in diesem unüberprüfbaren geheimen Geheimpapier – von dem ich ausgehe, dass es existiert – steht revolutionäres.

   Wahlärzte sollen in Versorgungswirksame und die Nicht-Versorgungswirksame geteilt werden. Patienten, die zu letzteren gehen, werden von ihren Pflichtkrankenkassen keine Rückerstattung bekommen. Kassenstellen sollen ohne Mitsprache der Ärztekammer gestrichen werden können, es soll zu einer Gleichstellung von Ambulatorien und Kassenärzten kommen (was das heißt, wurde das letzte Mal hier erläutert), und deren Verteilung völlig neu aufgestellt werden. Dazu die Idee, Spitalsambulanzen auf Kosten niedergelassener Ärzte zu stärken. Und über alles entscheiden ausschließlich „alle wichtigen Institutionen“ – die uns aber nicht sagen, wie und warum.

   Wenn das wahr ist, ist das eine Revolution, keine Reform. Denn, meiner Einschätzung nach geht das ohne Verfassungsänderung gar nicht und widerspricht wohl auch dem EU-Recht.

   Aber das gravierendste ist, dass hier unter Ausschluss der Öffentlichkeit etwas beschlossen wird, nur um die Ärztekämmerer auszuschalten. Zwar ist es verständlich, dass die überschießenden und heftigen Aktionen der Ärztekammer irgendwann einmal zu deren Ausschaltung führen müssen – aber ich frage mich, ob das der Weg ist? Denn, liege ich richtig, wird hinkünftig Gesundheitspolitik nur mehr in den hintersten Hinterzimmern „aller wichtigen Institutionen“ gemacht. Doch so ein paternalistisches, intransparentes und bürokratisches Vorgehen ist für uns alle schlecht, weil es nicht funktionieren kann.

„Wiener Zeitung“ Nr. 210 vom 27.10.2016 

Groß in der Ankündigung – klein im Abschluss

Die Reform des Finanzausgleichs wird so groß sein wie die Spitalsreformen und Gesundheitsreformen der vergangenen Jahre.

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   2008 wurde der heute gültige Finanzausgleich für fünf Jahre beschlossen. Man wollte sich Zeit nehmen und kündigte eine Reform dieses Vertragswerkes an. Dann passierte nichts – deswegen wurde 2013 die Laufzeit um ein Jahr verlängert; weil jetzt aber wirklich eine Reform kommt. 2014 kam dann doch nichts. Logisch: noch einmal verlängern, diesmal bis 2016. Jetzt wird wieder verhandelt, doch wieder gab es keinerlei Vorbereitungen auf eine Reform. Ein wesentlicher Teil des Finanzausgleichs ist die Spitalsfinanzierung.

   Eigentlich, nähme die große Koalition ihre Reformen ernst, ein kurzes Kapitel – ist doch seit der Gesundheitsreform 2012 klar, wie viel die Spitäler in jedem Bundesland kosten dürfen: alles angekündigt und hochgejubelt in diversen Papieren mit klingenden Namen, wie Bundes-Zielsteuerungsvertrag, Finanzrahmenvertrag oder Kostendämpfungspfad. Wie die Monitoring-Berichte – ebenfalls groß angekündigte Managementinstrumente, die die Gesundheitsreform transparent machen sollen – zeigen, hat es keinerlei Strukturreform gegeben und jedes sinnvolle operative Ziel wurde nicht umgesetzt, oder wie es zum Status der Umsetzung heißt: „Aussage derzeit nicht möglich“ – selbst, wenn die Frist für die Umsetzung längst abgelaufen ist.

   Und so geht es auch dem Kostendämpfungspfad. Eigentlich nur eine Fake-Rechnung, da viel zu hohe Ausgabensteigerungen zugrunde gelegt wurden, die leicht unterschritten werden konnten. Wie sagt das der Rechnungshof: „Die ausgewiesene Ausgabendämpfung war daher weitgehend fiktiv.“ Aber selbst diese Schönrechnung wird nicht halten, weil völlig unerwartete Kosten die fiktiven Ausgabendämpfungen auffressen. Kein Land war oder ist gewillt, substanzielle Einschnitte in ihren Spitälern vorzunehmen und mit den Kassen neue, ambulante Versorgungskonzepte zu entwerfen. Alles blieb beim Alten – nur die Personalkosten, allen voran für Ärzte, gehen durch die Decke. Warum? Weil der Bund eine EU-konforme Arbeitszeitregelung für Ärzte beschließen musste. Auch wenn diese Regelung seit 2003 bekannt war, die Länder waren grosso modo desinteressiert, sich vorzubereiten. Macht nichts, ist ja Bundessache – der hat das Gesetz beschlossen. Damit muss er, die „Kosten dieser „unerwartbaren“ Neuregelung tragen. Der solle es jetzt auch für Patienten zahlen, die nicht aus dem eigenen Bundesland kommen – sogenannte Gastpatienten. Wie kommen Salzburger dazu, Oberösterreicher „unentgeltlich“ zu behandeln? Aber das reicht nicht. Auch für Pflege soll es mehr Geld geben. Zwar zeigen Berechnungen, dass eine sinnvolle Abstimmung zwischen Pflege- und Spitalssektor (beides Ländersache), mehr Lebensqualität bei sinkenden Kosten erzeugen würde – alleine, das ist uninteressant. Der 2011 mit 700 Millionen Euro eingerichtete, 2015 auf 1,5 Milliarden Euro aufgestockte Pflegefonds soll höher dotiert werden. Am Ende wollen die Länder für „ihre“ Gesundheitssysteme etwa eine Milliarde mehr; und die finden das völlig okay. Schließlich darf hier nicht gespart werden. Worte, dass sie unfähig sind, Reformen umzusetzen, die sie seit Jahrzehnten ankündigen, werden wir nicht hören.

„Wiener Zeitung“ Nr. 097 vom 19.05.2016