Die Spitzenqualität unserer Spitäler

Das Ministerium will doch tatsächlich die Ergebnisqualität unserer Spitäler überprüfen, mit einem gut durchdachten Qualitätsprogramm.

Herr P. hat ein Dienstleistungsunternehmen. Was ihn von anderen unterscheidet, ist sein Monopol. Rund eine Millionen Menschen können gar nicht anders, als zu ihm zu kommen. Eine ähnliche Lage hat Herr H. Zwar gibt es für die zwei Millionen „abhängigen“ noch kleinste Konkurrenten, die jedoch durch Geld unter Kontrolle zu halten sind. Den anderen Herren (und einer Dame), geht es nicht ganz so gut, aber unter 70 Prozent Marktanteil rutscht kaum wer. Dafür sind die Konkurrenten (Bittsteller) von Gnadenakten (Subventionen) abhängig. Das reicht auch, um willkürlich agieren zu können.

Nun sollen die Dienstleistungen auf ihre Qualität kontrolliert werden. Schließlich will man seinen zunehmend unzufriedenen Untertanen sagen, wie spitze man ist.

Die Lösung ist ein Ampelsystem: Anhand von noch zu entwerfenden Indikatoren wird festgelegt, wer gut, also im grünen Bereich, arbeitet, wer im gelben und wer schon rot angelaufen ist – Letzteren soll geholfen werden, sich zu verbessern. Ein Meilenstein (?)!

Als Grundlage werden Abrechnungsdaten verwendet. Diese sind aber grob verzerrt und für Qualitätskontrollen ungeeignet. Probe gefällig? In Oberösterreichs Spitälern gibt es weniger Rückenschmerzpatienten, dafür mehr mit Rückenmarksschäden. Für letztere gibt es mehr Geld – ob das der Grund für diese unerwartete Diagnosehäufung ist, oder sind die einfach anders krank / besser / schlechter?

Aber selbst wenn es gelingt, diese Verzerrungen zu entfernen, wer darf die Referenzen für Rot, Gelb, Grün festlegen? Die Idee solcher Ampelsysteme, die einfach zu lesen sind, damit Patienten entscheiden können, stammt aus den USA, wo Spitäler sich, bei Teilnahme an solchen unabhängigen Programmen, Wettbewerbsvorteile versprechen. Auch in Deutschland wurden sie eingeführt – von privatisierten Spitälern, die es leid waren von ihren öffentlichen Pendants als geldgierige Minderleister dargestellt zu werden. Ich frage mich, welche Funktion hat es bei uns? Schließlich gibt es keinen Wettbewerb! Und es soll ja auch keiner, schon gar nicht der Patient, zu sehen bekommen – nur der engste Kreis und nur die eigenen Ergebnisse!

Und da kommen wir zu Kontrolle! Ausgewählte Primarärzte sollen das tun und den rot angelaufenen helfen, sich zu verbessern. Und da fällt mir spontan Niederösterreich ein. Dort hat man, als die Ergebnisse eines ähnlichen Programms unerfreulich waren, diese einfach unterdrückt. Tja und als sie unerlaubterweise das Licht der Öffentlichkeit erblickten, hat man den Kontrollarzt – ein seit Jahren um Qualitätssicherung bemühter Primararzt – beschimpft und rausgeworfen. Gnadenlos! Warum soll das jetzt anders werden? Mal ernst, nur weil das vom überaus mächtigen Gesundheitsministerium kommt?

Es wird anders laufen! Die Referenzwerte werden solange gebogen und gequetscht, bis jedes Spital im grünen Bereich liegt. Erst wenn das, auch unter Zuhilfenahme unredlicher Methoden, über die ich stundenlang referieren könnte, erreicht ist, wird man in die Öffentlichkeit gehen. Und kontrollieren werden das nicht Ärzte – denn nach dem obigen Beispiel wird sich kaum einer für so einen Höllenjob, der mit Berufsverbot in ganz Österreich verknüpft sein könnte, finden – sondern weisungsgebundene Beamte, die „nur“ die von oben zugelassenen Daten vergleichen. So ist bereits vor der Prüfung das Ergebnis bekannt und alle sind glücklich – im dann nachweislich besten aller Gesundheitssysteme.

Dieser Artikel wurde im April 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Typisches Schauspiel um eine Abteilungsschließung

Vom Rest Österreichs weitgehend unbemerkt, versucht man in der Steiermark, eine Chirurgiereform durchzuziehen, die beispielhaft sein könnte.

Die schlechte Auslastung der kleinen Chirurgien (die meisten davon sind kaum zur Hälfte ausgelastet, obwohl man mittlerweile jeden noch so kleinen Eingriff, der sonst überall ambulant durchgeführt wird, stationär aufnimmt) und die Befürchtung, dass sowohl die Ergebnis- als auch die Aus- und Fortbildungsqualität nicht mehr dem Stand des Wissens entspricht, hat die Steirer dazu bewogen, sehr kleine Chirurgien aus der stationären Versorgung zu nehmen. Was jedenfalls vorort bleiben soll, ist eine ambulante chirurgische Versorgung durch in einem nächstgelegenen größeren Spital angestellte Ärzte. Vom Versorgungsstandpunkt aus ist so ein abgestuftes Modell goldrichtig – aber für manche Politiker offenbar ein Armageddon.

Eines der betroffenen Spitäler steht in Bad Aussee, dessen Chirurgie seit Jahrzehnten als Schließungskandidat diskutiert wird. Das Spital liegt 27 Kilometer und eine Landesgrenzen von Bad Ischl entfernt und ist daher eigentlich nicht als Randlage zu betrachten – außer, man macht die Landesgrenze „dicht“, dann ist das nächste Spital 55 Kilometer entfernt; und für österreichische Verhältnisse – wohlgemerkt nur hier zulande – ist die Entfernung dann „extrem“.

Beeindruckend der Stil der Diskussion: Die Chirurgie Bad Aussee ist DAS Herzensanliegen der Bevölkerung, sie stellt die Seele der Region dar. Atemberaubend! Es ist ja nicht so, dass man den Grundlsee trockenlegen oder die Wälder zubetonieren will. Dass man in so einem Fall davon sprechen könnte, man reißt der Region das Herz und die Seele heraus, wäre verständlich; aber die Chirurgie?

Um ein bisschen mehr Sachlichkeit und weniger Polemik in die Diskussion zu bringen, hat die Landesregierung eine Enquete veranstaltet. Dazu wurden Experten geladen, die ihre Meinungen abgaben. Aus wissenschaftlicher Sicht war nichts Neues zu hören. Mindestfallzahlen – deren Nicht-Erreichung eines der wichtigsten Argumente für die Schließung ist – seien zwar kein Garant für gute Qualität, aber es gibt doch deutliche Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Menge und Qualität. Jedenfalls muss man Prozessqualität mitberücksichtigen. Und der deutsche Experte stürmte vor und sagte, dass, seit Ergebnisqualitätsparameter (Komplikationen und Sterblichkeitsraten) pro Spital publiziert werden, ein Qualitätssprung gemacht worden ist, der die Mengen-Relationen stark verwässert hat. Auch kleine Spitäler können gute Qualität liefern.

Gut, so kleine Spitäler wie Bad Aussee ist (74 Betten!) sind in Deutschland eine Seltenheit. Aber man darf es glauben. Größe alleine ist nicht ausschlaggebend, öffentliche Ergebnisqualitätsparameter schon. Aber nachdem in Österreich kaum Prozessdefinitionen bestehen und man das Wort Ergebnisqualität im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung nicht einmal denken darf, bleibt der Politik halt nur, sich auf Strukturqualität und damit auch auf Mindestfallzahlen zu stützen – leider!

Wie dem auch sei, die Reaktion der Politik auf diese Experten war schon merkwürdig. Jeder hat nur das gehört, was er hören wollte. Besonders beeindruckend die ÖVP, die sich in einer brachialoppositionellen Rolle gut gefallen hat. Sachlich war da nichts mehr.

Es gilt zu hoffen, dass auch Österreich beginnt, Ergebnisqualitätsparameter öffentlich zugänglich zu machen, statt sich in peinlicher Parteipolitik zu ergehen und die Stimmungslage der Bevölkerung so dermaßen zu missbrauchen, um Angst zu verbreiten.

Dieser Artikel wurde im Mai 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.