Nach fachlicher Einschätzung – genug

   Warum wir bei den Corona-Impfungen so weit nachhinken.

Weiterlesen: Nach fachlicher Einschätzung – genug

   27. Juli 2020: Die Welt fiebert den Corona-Impfstoffen entgegen, wobei keiner weiß, welcher als Erster in die Phase III eintreten wird. Nur vier Tage später steht BioNTech/Pfizer fest – übrigens Monate, nachdem ein gewisser Bill Gates meinte, es wäre sinnvoll, für alle aussichtsreichsten Impfstoffkandidaten Fabriken zu bauen, damit die Produktion starten kann, sobald einer zugelassen wird, da sinnlos errichtete Fabriken allemal billiger kämen als jede Pandemieverlängerung.

   Am 27. Juli 2020 mailt der oberste ministerielle „Fachexperte“ Clemens Martin Auer mit anderen Ministerien, wo er erst einmal Nachhilfe geben muss: „Noch was dazu. HBK (Herr Bundeskanzler, Anm.) schreibt in seinem Brief von einer Gleichsetzung der Dosen mit der Bevölkerung = 8, irgendwas Dosen. Die meisten Impfstoffe brauchen aber 2 Dosen. Was gilt jetzt? Will er 8 Mio Menschen impfen? Dann brauch ma 16 Mio Dosen. In deinem Brief an ihn hab ich von 8 Mio Regiments gesprochen = also Impfobjekte.“ Ganz absurd wird es, als über Kosten sinniert wird: „Nein. Wir reden nicht von 50-100 Millionen Euro. Sondern jenseits von 100 Millionen Euro. Bei den Covid-Impfstoffen denke ich alles zusammen (für Impfstoffe, Material, Honorare etc.) von ca. 250 Millionen Euro, unter der Maßgabe, dass wir 8 Millionen Menschen impfen. Habe ich mir heute Nachmittag so zusammengerechnet / geschätzt.“

   Impfstoff und Impfen werden also untrennbar zusammengefasst, niemand weiß genau, worüber geredet wird, aber der oberste ministerielle „Fachexperte“ geht pro Stich von 15 Euro all inclusive aus. Was dann genau budgetiert wird, bleibt unklar – bis heute. Aktuell meint das Gesundheitsministerium, die damaligen „bis zu“ 200 Millionen Euro hätten ausgereicht – nach fachlicher Einschätzung (von wem?).

   Rechnen wir nach: Der Bund muss vier Sechstel der Kosten übernehmen, Länder und Kassen je ein Sechstel. So landen wir bei „fachlich eingeschätzten“ 300 Millionen Euro. Allein die Kosten der erwähnten 16 Millionen Stiche würden, angesichts der damaligen Impfhonorare von etwa 20 Euro pro Stich, den Rahmen sprengen. Interessant wäre es zu wissen, was für das Verimpfen kalkuliert wurde. Ach ja, im Jänner 2021 hat man sich mit der Ärztekammer auf 25 Euro pro Stich geeinigt. Es wurde also nicht billiger. Und der Impfstoff selbst hätte de facto gar nichts kosten dürfen. Eine Überbestellung war somit ausgeschlossen. Die Idee, das wirtschaftliche Risiko der Unternehmen zu minimieren, damit die Produktion so früh wie möglich beginnen kann, wurde nicht kalkuliert. Denn das hätte bedeutet, 16 Millionen Dosen bei jedem der damals vier potenziellen Hersteller vorzubestellen. Optimistisch wäre es gewesen, pro Dosis (also pro Stich) mindestens 10 Euro zu budgetieren (Israel zahlt 44 Euro) – das wäre dann eine „bis zu“-Budgetierung nur für die Impfstoffe von weiteren mindestens 650 Millionen Euro gewesen. Jede „bis zu“-Budgetierung unter einer Milliarde Euro wäre damit unfachlicher Blödsinn – das war alles schon im Sommer 2020 bekannt.    Und was hat es für Folgen, wenn eines der reichsten Länder der EU bei den Verhandlungen mit derartigen Kalkulationen auftritt? Die EU-Kommission wird zum Sparmeister. Und genau diese Pfennigfuchserei führt eben dazu, dass die EU beim Impfen weit nachhinkt.

„Wiener Zeitung“ vom 01.04.2021 

Impfpflicht?

Österreich gehört seit Jahrzehnten zu den Ländern mit den meisten Masernfällen – weil wir Impfmuffel sein dürfen.

Weiterlesen: Impfpflicht?

   Wir haben ein Problem mit der Durchimpfungsrate. Darunter versteht man den Bevölkerungsanteil, der zweimal geimpft wurde – empfohlen wird, dass diese Rate bei Kindern mindestens 95 Prozent betragen soll. Zwischen 2000 und 2009 meldete Österreich der OECD schwankende Durchimpfungsraten, errechnet aufgrund verkaufter Impfdosen (Impfdaten gab es keine), zwischen 74 Prozent und 81 Prozent. Damit war Österreich europaweit immer Schlusslicht.

Nun, die Masernausbrüche blieben nicht aus und verborgen, und nach einem größeren Ausbruch 2008 hat das European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) sich die Situation einmal angeschaut. Dabei wurde festgestellt, dass wir noch nicht einmal vernünftige Daten haben. Wir haben dann fest versprochen, dass ab 2009 das bereits für 2006 versprochene Impfregister eingerichtet sein wird, damit Impflücken identifiziert und gezielt geschlossen werden können. Das geschah natürlich nicht, womit halt weiter keine Daten erhoben werden konnten, die Impflücken offenblieben und die Masern immer wieder kamen.

Und wohl weil es einigen peinlich war, wurden ein paar Jahre keine Daten gemeldet – Kopf, Sand und so. 2014 mussten wir aber dann doch wieder etwas melden – und was lag näher, als einen Erfolg zu melden. Wegen fehlender Daten konnte ja niemand das Gegenteil beweisen. Und so behaupteten offizielle Stellen einfach mal, die Rate liege bei den empfohlenen 95 bis 96 Prozent – und das wird seither jedes Jahr gemeldet.

   Alleine – es ist falsch. Denn 2016 wurde, statt über die Verkaufszahlen zu rechnen, ein mathematisches Modell (Impfdaten gab es ja immer noch nicht) etabliert, das für 2015 von einer Durchimpfungsrate von 82 Prozent ausgeht – eine Rate, die besser zur Historie vor 2009 und den fehlenden Impfinitiativen seither passt. Man bedenke, in Italien wurde die Impfpflicht eingeführt, weil die Rate auf 86 Prozent gesunken ist – ein Wert, den wir noch nie erreicht haben.

   Wäre jetzt also auch bei uns eine allgemeine Impfpflicht eine Lösung? Nein, denn diese ist erst sinnvoll, wenn man weiß, wo und warum es Impflücken gibt, und zuerst versucht, dort Impfskeptiker (das sind noch keine Impfgegner) zu informieren und aufzuklären und dieses Feld nicht germanischen Medizinern, Loibner-Jüngern, Homöopathen oder Esoterikern überlässt. Solange die das Sagen haben, wäre eine allgemeine Impfpflicht nur kontraproduktiv.

Aber, es entsteht der Eindruck, Politiker wollen eigentlich diese Impflücken gar nicht kennen, um nicht Wählerstimmen in diesen Kreisen zu verlieren. Und genau deswegen wird auch der E-Impfpass, der 2021 kommen soll, nicht weiterhelfen. Erstens ist er eine Elga-Anwendung, die Auswertungen nicht oder kaum erlaubt, und zweitens muss, wegen der Opt-out-Regeln, niemand seine Impfungen eintragen lassen. Damit bleibt alles, wie es ist, und wir werden weiterhin mit Masernausbrüchen konfrontiert sein.

PS: Etwa jedes tausendste Kind, das sich mit Masern ansteckt, stirbt. Diese Mortalität liegt deutlich höher als die, ohne Gurt Auto zu fahren – sollten wir die Gurtenpflicht überdenken?

„Wiener Zeitung“ vom 16.05.2019