Sand in die Augen der Patienten

Die angedachte Gesundheitsreform wird höhere Steuern und höhere Selbstbehalte bringen. Dass also der Patient davon nichts merken wird, stimmt nicht.

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   Aufgrund der heftigen Debatte um das geplante Reförmchen, kann man davon ausgehen, dass jeder davon weiß. Was man davon halten soll, insbesondere wenn man Patient ist, das wird wohl noch im Nebel liegen.

   Vorweg: Der Versuch, die wirre Situation der Krankenkassen mit den unterschiedlichen Leistungsangeboten und Honorarkatalogen zu bereinigen, ist zu begrüßen. Immerhin ist dieser „Wildwuchs“ aus nur einem österreichweit geltenden Gesetz entstanden und sollte daher nicht zu unterschiedlichen Behandlungen führen. Umso mehr sollte das nicht passieren, als das Kassensystem ein Pflichtsystem ist und der Patient keine Wahlfreiheit hat. Zweifelsfrei ist auch der Vorschlag, mit der Reform mehr Transparenz in das System zu bringen, ein Riesenschritt in die richtige Richtung.

   Trotzdem ist Skepsis angebracht. Das beginnt schon damit, dass die Macht des Hauptverbandes ausgereicht hätte, vieles zu ändern – allein, es ist nicht geschehen! Warum die Umorganisation in eine Holding daran etwas ändern soll, ist schleierhaft. Aber was wirklich zweifeln lässt, dass es um nicht mehr als nur um Macht geht, sind die Aussagen, dass sich für Patienten und Bezahler nichts ändern wird.

   Wer die Unterlagen genau liest, wird verwundert sein, dass die Ausgabensteigerung für Kassenärzte angeblich auf 2 Prozent jährlich gedrückt werden kann. Das ist nicht einmal das, was man durch die Demographie zu erwarten hätte (2,5 Prozent mehr Patienten jährlich!), geschweige denn, den medizinischen Fortschritt abbildet. Wie soll das gehen? Oder rechnet man eine Reduktion der Kassenärzte ein?

Trotz Dementis ist das wahrscheinlich, da man ja Oberösterreich als Richtwert anlegen will. Tut man das, werden österreichweit 10 bis 20 Prozent weniger Kassenärzte zur Verfügung stehen, als heute. Wenn man aber die Zahl der Ärzte auf das oberösterreichische Maß reduziert, dann wird man das sehr wohl merken, sei es, dass die Wartezeiten länger werden oder die Patienten häufiger in Spitalsambulanzen ausweichen. Nur am Rande sei bemerkt, dass der Hauptverband seit Jahren Oberösterreich dafür kritisiert, dass es dort zu wenige Kassenärzte gibt.

   Aber vielleicht will man ja die Patienten in den Wahlarztbereich abdrängen: Es spricht viel dafür. Kommt das Gesetz wie vorgeschlagen, dann wird das ein gigantischer Impuls für Kassenärzte sein, ihre Kassenverträge zurückzulegen und eine Wahlarztordination zu eröffnen. Da gibt es keine Gängelungen, man kann sich die Patienten aussuchen und die Preise selbst festsetzen. Für die Krankenkassen kommt das zudem billiger, weil sie nur 80 Prozent des Tarifs ersetzen müssen. Der Rest muss dann halt selbst bezahlt werden. Das ist aber eine versteckte Erhöhung des Selbstbehalts!

   Apropos Erhöhung der Selbstbehalte: Bei der Aut- idem-Regelung sind diese ebenfalls versteckt. Jeder, der ein Originalmedikament haben will – weil er es nicht besser weiß oder weil er glaubt es sei das bessere -, muss aufzahlen, zusätzlich zu den ohnehin schon hohen Rezeptgebühren, die ja nach offizieller Lesart auch keine Selbstbehalte sondern eben Gebühren sind.

   Und last but not least wird es spannend, wie Wirtschaftskammer – einst Hort wirtschaftlichen Denkens -, Gewerkschaften und Politiker denkenden Menschen klar machen, dass die Milliardenspritze für die Kassen keine „neuen“ Steuern sind.    So ist die Reform vermutlich wenigstens eine Steuererhöhung, wahrscheinlich aber auch eine Selbstbehaltserhöhung und womöglich auch eine Verschlechterung der Versorgung.

„Wiener Zeitung“ Nr. 103 vom 27.05.2008   

Die wundersame Medikamenten-Verbilligung

Reformen tun weh! Das weiß jeder Politiker. Daher sollten sie auch bei den anderen durchgeführt werden, zum Beispiel der Pharma-Industrie; die verdient ohnehin viel zu viel.

   Wenn wir demnächst zum Arzt gehen, dann kriegen wir, so jedenfalls die Vorstellung einiger „Reformer“, keine Medikamente mehr verschrieben, sondern nur mehr Wirkstoffe. Ob die Tablette dann rosa oder blau sein wird, das entscheidet der Apotheker und nicht der Arzt. Die Grundidee ist absolut richtig, aber aus qualitativen Gründen. Eine Verbilligung der Medikamentenpreise wird so nicht eintreten. Schon eher eine „Verstaatlichung“.

   Um die Diskussion zu verstehen, muss man wissen, dass der Pharma-Markt in Österreich alles andere als frei ist. Wenn ein Unternehmen ein Medikament zulassen will, dann darf es den Preis dafür nicht selbst festlegen. Der wird durch das Ministerium in einem der intransparentesten Bürokratieakte dieser Republik festgelegt. Der Pharma-Großhandel wiederum hat eine vom Staat festgelegte Handelsspanne, also auch keinerlei Gestaltungsfreiheit. Am Ende stehen die Apotheken und Hausapotheken, die ebenfalls nur einen staatlich festgelegten Aufschlag weiterverrechnen dürfen.

   Nicht, dass man sich jetzt um die Pharmabranche sorgen müsste, aber wenn man von Medikamentenpreisen spricht, dann sind diese vom Staat festlegt – nicht von der bösen Pharma-Industrie. Im Übrigen hat Österreich die niedrigsten Industrieabgabepreise Europas. Man kann also nicht behaupten, die Pharma-Industrie sei gierig. In Wahrheit muss man froh sein, dass sie überhaupt noch nach Österreich liefert.

   Worum wird dann gestritten? Wenn man genau zuhört, dann sind es die Mengenrabatte. Bei der Preisfestlegung, die einem Kuhhandel gleichen dürfte, versucht die Pharma-Industrie Kalkulationen vorzulegen, die durch die Menge an abgegebenen Pillen bestimmt ist. Wenn mehr abgegeben wird, kann man über den Mengeneffekt die Gewinne erhöhen. Dass ein solches System die Mengenausweitung und nicht den vernünftigen Medikamenteneinsatz fördert, ist zwar dumm, aber klar.

   Die Politik hat sich jedoch darauf eingestellt, regelmäßig Mengenrabatte einzufordern. Doch ist das offenbar nicht genug. Da ein leider immer größer werdender Teil der Kalkulation statt von Forschungs- von patientenfernen Marketingausgaben geprägt wird, haben es die Reformer nun auf dieses Geld abgesehen. Die Idee ist simpel. Wenn die Pharmaindustrie bei weniger Kunden (2000 Apotheken statt 30.000 Ärzte) werben muss, dann sinken die Marketingausgaben. Und diese Reduktion soll dann an die Politik weitergegeben werden, damit diese keine Reformen im eigenen Kreis machen muss. Dass so auch der Wettbewerb sinkt, dürfte egal sein.    Fassen wir zusammen. Die Preisbildung findet nicht, wie in der westlichen Welt üblich, über Angebot und Nachfrage statt. Das Vertriebsnetz soll aus gesetzlich vor Konkurrenz geschützten Geschäften, den Apotheken, bestehen. Und obwohl die Medikamentenwerbung ohnehin schon extrem reguliert wird, sollen Marketingmaßnahmen weiter beschnitten und Werbeausgaben begrenzt werden. Man kann ja darüber denken wie man will, aber so ein Vorgehen erinnert schon frappant an planwirtschaftliche Strukturen mit staatlich festgelegten Monopolisten. Bei allem, was man so in den letzten hundert Jahren über Markt- und Planwirtschaft gelernt hat, ist es schwer vorstellbar, dass mit solchen Maßnahmen die Ausgaben für Medikamente wirklich nachhaltig sinken können, selbst wenn vielleicht in den ersten paar Jahren eine Kostendämpfung zu beobachten sein könnte

„Wiener Zeitung“ Nr. 85 vom 29.04.2008