Wir brauchen mehr Medizin-Universitäten

Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Petra S. ist alleinerziehende Mutter eines Dreijährigen und seit einem Jahr in einem Wiener Spital in der Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin, auch Turnus genannt. Ausbildung ist allerdings zu viel gesagt, denn ihre Hauptaufgaben sind nach wie vor Blut abnehmen, Infusionen anhängen und Papierkram erledigen. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit, die bis zu 80 Wochen-Stunden ausmacht, wird sie alles andere als ausgebildet. Ausgenützt trifft es eher.

Auf die Tatsache, dass sie alleinerziehend ist, wird keine Rücksicht genommen. Eine Teilzeitausbildung, in manchem Bundesland möglich, gibt es beim Wiener Krankenanstaltenverbund, immerhin der größte Ausbildner Österreichs, nicht. Apropos Teilzeitturnus: bis zu 40 Wochen-Stunden (Teilzeit?) bei nur einem Drittel des Gehalts einer Vollzeitkraft – verdienen kann man nur mit Nachtdiensten, die aber bei Teilzeit seltener sind.

Petra S. hatte letzten Samstag Dienst, 24 Stunden am Stück. Da ihre Kollegin (auch Mutter), die sie am Sonntag ablösen hätte sollen, akut erkrankt war, und Petra S. kurzfristig keinen Ersatz für die erkrankte Kollegin finden konnte (ja, auch das ist Aufgabe der Turnusärzte!), musste sie bis Montag bleiben.

Als sie dann nach 48 Stunden Dienst, von denen sie insgesamt sechs Stunden geruht hatte, nach Hause kam, den Babysitter mit dem gerade verdienten Geld bezahlt hatte und vor dem Abholen ihres Sohnes vom Kindergarten noch ein bisschen Nachrichten lesen wollte, erfuhr sie auf orf.at, dass Gesundheitsminister Alois Stöger die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Ärzten in Österreich für gut befindet. Und lachte schallend.

Langsam aber sicher, finden Spitäler immer schwieriger Turnusärzte und auch fertig ausgebildete Ärzte wollen immer seltener im öffentlichen System bleiben. Ein Ärztemangel wird diagnostiziert. Und der soll sich verschlimmern, zum Beispiel wegen einer Pensionierungswelle. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Verweiblichung der Medizin. Viele Ärztinnen (zwei Drittel aller Turnusärzte) kehren noch während ihrer Ausbildung aufgrund der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Medizin für immer den Rücken.

Und, da nicht nur die Arbeits- sondern auch die Ausbildungsbedingungen schlecht sind, sind immer mehr Uni-Absolventen bereit, ins Ausland zu gehen. Auch wenn dort sicher nicht Milch und Honig fließen, werden Jungärzte deutlich weniger für ausbildungsirrelevante Tätigkeiten herangezogen und die Ausbildung ist verglichen mit hier in der halben Zeit absolviert.

Sind nun mehr Studienplätze die Lösung? Natürlich! Je mehr Absolventen, desto mehr drängen auf den Arbeitsmarkt. Und wenn dann einige Jungmediziner nicht bereit sind, sich versklaven zu lassen und ins Ausland desertieren, bleiben doch genug übrig, die ihre Heimat nicht verlassen und sich ein österreichisches Ärzteleben antun. Und die sind dann, wie auch schon in der Vergangenheit, glücklich, wenn sie einen Job haben und lassen sich weiter auspressen wie Zitronen. Sie werden weiterhin Blutabnehmen und Infusionen anhängen, obwohl das, wie in anderen Ländern auch, Aufgaben anderer Berufsgruppen, sein sollten. Sie werden es sich auch gefallen lassen, wenn trotz steigender Arbeitsbelastung beim ärztlichen Personal gespart wird, ohne delegierbare Arbeit an nicht-ärztliches Personal umzuschichten.

Und es wird weiter alleinerziehende Mütter geben, die 48 Stunden am Stück arbeiten – und das ganz freiwillig. Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wow! Sie bewegt sich doch

Am erstaunlichsten in der Gesundheitsreformdebatte ist, dass sie nun wirklich ganz oben von Selbstkritikfähigkeit getragen scheint – dass ich das erleben darf.

Kaum wer wird ihn kennen, Rudy, den gigantischen Suchomimus aus dem Zeichentrickfilm „.Ice Age 3“. Er ist der Leibfeind von Bug, dem Wiesel (fragen Sie nicht, warum Säuger und Dinosaurier zeitgleich vorkommen können), der trotz seiner relativen Winzigkeit das Ziel verfolgt, Rudy zur Strecke zu bringen. Gegen Ende wird Rudy von jemand anderem in eine Schlucht gestürzt, und Bug starrt ihm entgeistert nach. Was soll er denn jetzt tun?

So ähnlich geht es mir nach der letzten Woche.

Als ich vor zehn Jahren begann, das Gesundheitssystem nach wissenschaftlichen Kriterien zu durchleuchten und die Schwächen (unzureichende Versorgung im niedergelassenen Bereich, zu viele Spitäler, die wegen politischem Kalkül bestehen, fehlende Abstimmung zwischen Pflege, Reha und Akutversorgung, unpraktikabler Kompetenzdschungel etc.) analysierte, gab es außer einer Hand voll Experten niemand „Wichtigen“, der sie sehen wollte.

Vor acht Jahren, als ich mich „innerhalb“ bewegte, wurden die Verweigerer scheinbar mehr, aber es fanden sich zunehmend Spitalsärzte – vornehmlich in niedrigen Positionen –, Wahlärzte und auch einige Kassenärzte, die meine Kritik teilten.

Vor sechs Jahren, mit den Arbeiten zur Gesundheitsreform 2005, wurden die Zweifler immer höherrangig. Aber auch die Gesundbeter wurden immer kecker. Beinah amüsiert erinnere ich mich an die „politisch korrekte“ Aussage anlässlich einer Publikation aus Großbritannien, wonach es dort Tote wegen Spitalsinfektionen geben soll – bei uns gäbe es so was nämlich nicht!

Vor drei Jahren, ich hatte gerade meinen Job in Niederösterreich verloren, und zwar vollkommen unabhängig von der Veröffentlichung meines systemkritischen Buches, waren die Skeptiker bereits in die Primararztebene und die der „niedrigen“ Chargen der Ärztekammer vorgedrungen. Die höhere Politik allerdings hatte alle möglichen Superlative erfunden. Da denke ich nicht nur an BM a.D. Andrea Kdolsky, die wenige Monate nach Antritt aus dem „guten“, das „weltbeste“ Gesundheitssystem gemacht (herbeigeredet) hat – etwas, das sie heute bereut, aber wohl das nachhaltigste ihrer Regierungszeit ist.

Mit Hans Jörg Schelling ist vor zwei Jahren der erste Kritiker in höchste Ämter aufgestiegen. Hat es kurz danach ausgesehen, als ob er seine Kritikfähigkeit verlöre, meldete er sich mit „dem Selbstmord mit Anlauf“ (gemeint war das Gesundheitssystem, das ohne Reformen sehenden Auges an die Wand fährt) Anfang 2010 drastisch zurück.

Anfang November (genaugenommen bereits im August) kam Gesundheitsminister Alois Stöger mit dem Vorschlag, die Länder zu entmachten, weil es einfach einen zu krassen Reformstau gibt. Nach anfänglicher Kopflosigkeit kristallisierte sich eine parteipolitische Linie heraus. Die Schwarzen sind dagegen, die Roten dafür.

Als nun diese Woche der „Masterplan Gesundheit“ des Hauptverbandes, ein Stück Strategiearbeit, dem Anerkennung gebührt, das Licht der Welt erblickte, bröckelte sogar die schwarze Front und ein niederösterreichischer Landesrat sprach mit – für seine Verhältnisse – kreideweicher Stimme.

Die Selbstkritik ist ganz oben angekommen, auch wenn sie sich jetzt noch hinter einem unwürdigen Tauschgeschäft (Lehrer gegen Spitäler) versteckt.

Was soll ich tun, wenn wirklich ernsthafte und vor allem richtige Reformbewegung eintritt? Aber andererseits, auch in „Ice Age 3“ meldet sich Rudy unerwartet wieder, und Bug nimmt den Kampf erneut auf.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Chuzpe – oder die Demokratie im Gesundheitssystem

Kaum schaut es danach aus, als ob Vernunft in die Gesundheitspolitik einziehen möchte, ist es auch schon wieder vorbei – ich bin stinksauer.

Da scheint der Gesundheitsminister sein, für mein empfinden, sklavisches Verhalten gegenüber der Ärztekammer (der Minister machte einen Antrittsbesuch beim Ärztekammerpräsidenten, nicht umgekehrt!) abzulegen und für die Bevölkerung da zu sein, geht er auch schon wieder in die Knie! Warum?

Die Ärztekammer publizierte am 16.12. folgendes:

Sie sieht „im Falle der Verwirklichung des Hauptverband-Planes (Anm.: Masterplan Gesundheit) die Gefahr einer gravierenden Aushöhlung der kassenärztlichen Versorgung, in der Folge eine Ausweitung der Staatsmedizin“, und „dass Patienten und ihre Gesundheit keine Ware seien, deren Qualität und Preis sich an marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten orientierten.“ Also was jetzt? Was genau haben die Kämmerer da aus dem Plan gelesen (was ich nicht einmal ansatzweise finden konnte)? Verstaatlichung, Privatisierung oder beides gleichzeitig? Wurde da eine komplett neue Wirtschaftstheorie geboren? Oder werden einfach Klischees bedient, um zu mobilisieren – doch was soll rauskommen? Die Diktatur der ständischen Vertretung der Ärzteschaft?

Jedenfalls hat, am Tag nach diesen Veröffentlichungen, der Minister seine Meinung gegenüber dem Masterplan geändert. Hat er diesen vor kurzem noch gelobt, ist er jetzt überflüssig. Mehr noch, obwohl Mag. Ingrid Reischl, Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband, in der alle gewählten Funktionäre – die Obleute – der Kassen sitzen, und selbst Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse, festhielt: „Alle Obleute stehen hinter dem Masterplan“ meint der Minister: „Ich weiß nicht, was das soll. Mir ist auch kein Beschluss der Kassen zu diesem Masterplan bekannt.“

Und weil diese Kasperliade noch zu toppen ist, hat die Ärztekammer am 18.12. mittels Presseaussendung dem Hauptverband nicht nur jegliche Kompetenz (welche hat sie denn selbst, wenn man die Ausbildungssituation der Turnusärzte, die Arbeitssituation der Spitalsärzte oder das Einkommen der Hausärzte bedenkt!), sondern auch die „demokratische Legitimation für Planung, Steuerung und Finanzierung im Gesundheitswesen“ abgesprochen.

Schon erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Proponenten dieser Aussagen zusammen wohl nicht einmal 10.000 Stimmen auf sich vereinigen können! Stimmen übrigens, die nur gültig sind, wenn man in Ärztelisten geführt wird – ein exklusiver Club! Stellt man das den Obleuten der Kassen und damit auch dem Hauptverband gegenüber, findet man dort drei Millionen Stimmen – so viele Österreicher gingen zu den, für die Besetzung der politischen Positionen relevanten, Arbeiter- und Wirtschaftskammerwahlen! Nicht, dass ich das für eine ideale demokratische Vorgangsweise halte – immerhin können vier Millionen Kinder, Arbeitslose und Pensionisten nicht mitstimmen – aber doch deutlich demokratischer als dieses Ärztekammerdünkel!

Nun, ich gebe zu, dass im Masterplan einiges unlauter oder undiplomatisch verpackt ist, was den Ärzten sauer aufstoßen muss. Der Hauptverband hat Forderungen formuliert, wo er zumindest wissen müsste, dass die für die Ärztekammer absolut unakzeptabel sind. Aber daraus eine solche Reaktion abzuleiten ist echte Hybris.

Und wenn ich wählen könnte, dann fiele meine Wahl auf den Hauptverband – denn als Patienten, fühle ich mich in keinster Weise durch Ärztekammer oder Gesundheitsminister vertreten, daher verbiete ich mir auch, dass mich diese ständig für deren Eigeninteressen vorschieben.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Steuererklärungen à la Gesundheitspolitik

Demnächst werde ich wieder meine Steuererklärung machen müssen. Denn, wie bekannt ist, muss man ja nur zwei Sachen wirklich: Sterben und Steuern zahlen.

So eine Steuergeschichte ist immer sehr mühsam, weil man, will man legal bleiben, jedem Cent nachlaufen und genau schauen muss, ob er eh an der richtigen Stelle vermerkt wurde. In Deutschland wurde letzthin ein sehr unbequemer Gesundheitsökonom (Peter Sawicki) wegen einer falschen Taxi-Abrechnung aus seiner Position entfernt – da kennt das System keine Gnade. Und wenn ich mich recht erinnere, hat man einen gewissen Al Capone auch nicht wegen seiner wirklich kriminellen Handlungen hinter Gitter gebracht, sondern wegen Steuerhinterziehung. Jaja, die Steuer ist schon ein eigenes Thema.

Also, um Probleme zu vermeiden, versuche ich immer katholischer als der Papst zu sein.

Andererseits, wenn man es bedenkt, sind Politiker in einer Demokratie ja Vorbilder. Und man sollte meinen, wenn man die Zahlen mit der gleichen Sorgfalt verwendet, wie Politiker dies tun, dann dürfte man kein Problem mit der Steuer haben. Also sollte ich es mal machen wie die Politik.

Für meine Ausgaben, also die Kosten für mein Unternehmen, werde ich, statt Belege vorzulegen, der Steuer einfach irgendwelche Informationen übermitteln – am besten über Zeitungsmeldungen. Dabei werde ich Beträge nicht oder nur so ungefähr nennen, und dafür mehr mit Prozenten um mich werfen, aber auch keine Angaben machen, wovon ich diese berechne!

Als bestes Vorbild sollte für mich immer Niederösterreich dienen. Dort wird, neben vielem anderen, behauptet, der Gesamtaufwand für die landeseigenen Spitäler ist 2009 um 0,88 Prozent gestiegen. Nachgerechnet, was man in Österreich bei Politikern ja ungern macht, dürften die Spitäler daher 2009 nur etwa 1.535 Millionen Euro gekostet haben. Vielleicht setzt sich ja jemand hin und kontrolliert diese Zahl!

Aber auch Minister Stöger, der letzthin wirklich positiv auffällt, fast so, als ob er endlich als österreichischer Gesundheitsminister angekommen ist, hat merkwürdige Zahlen ins Spiel gebracht.

Er rechnet jetzt alle stationären Einrichtungen zusammen – also auch Reha, Pflege, Kur etc. – und kommt für diese auf 15,4 Milliarden Euro Kosten für 2009. Das ist eine Zahl, die man so überhaupt noch nie gehört hat. Ich konnte diese, mangels Datentransparenz, auch nicht nachrechnen – immerhin galten bis jetzt etwa zehn bis elf Milliarden für die Akutspitäler; dass Reha, Pflege, Kur etc. bereits etwa fünf Milliarden ausmachen sollen, erschreckt jetzt schon etwas, um so mehr, als wenigstens zwei dieser fünf Milliarden bis jetzt noch nirgends ihren Niederschlag gefunden haben. Ich freue mich schon auf die Neuberechnung der Gesundheitsausgaben der Statistik Austria. Denn dort werden für die stationäre Versorgung für 2008 nur etwa zwölf Milliarden ausgewiesen. Möglicherweise müssten noch etwa 1,5 Milliarden für die Spitalsambulanzen hinzugezählt werden, die in den oben genannten 15,4 enthalten sein könnten. Nichtsdestotrotz würde die Neuberechnung bedeuten, dass der Anteil am BIP für 2009 die 12 Prozent-Marke sprengen wird – ein Wert, der gleich einmal mehr als 20 Prozent über den bis jetzt gewohnten und liebgewordenen zehn BIP-Prozent liegt. Reisst es da niemanden, wenn 2009 plötzlich zwei Milliarden zusätzliche Kosten „gefunden“ werden, von denen 2008 noch niemand wusste?

Wie dem auch sei, ich werde jetzt meine Steuer machen. Also liebes Finanzamt, meine Ausgaben sind dieses Jahr um 11,4 Prozent gesunken. Viel Spaß bei der Berechnung meiner Steuerpflicht.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Hoffnungsloses Spitalswesen

Es ist schon ein Wahnsinn, wie fest die Klammer der Landesfürsten ist. Es gibt wohl keine Lösung außer einem Crash! Und der wird vielen ernsthaft schaden.

Sie fahren von Wien nach Pinkafeld. Dabei kreuzen Sie mehrere Landesgrenzen. Zuerst kommen Sie nach Niederösterreich, dann in die Steiermark um schließlich im Burgendland Ihr Ziel zu erreichen.

Stellen Sie sich vor, die Straßenverkehrsordnung (StVO) würde überall anders sein. In Wien dürften Sie erst ab November Winterreifen haben, in Niederösterreich sind sie, wenn Sie auf Straßen unterwegs sind, die höher als 500 Meter liegen, bereits ab Oktober Pflicht, im Burgenland hingegen sind sie bis 15. November überhaupt verboten, um Straßen zu schonen. Mit diesen Vorschriften würden Sie auf der Fahrt Wien-Pinkafeld wenigstens einmal Reifen wechseln müssen. Auf den Autobahnen würden (durch die ASFINAG mit Bundesgeldern) riesige Parkplätze errichtet und jeder würde fluchen, weil es für jeden ein Leichtes wäre, den Schwachsinn zu entlarven. Deswegen gibt es nur eine StVO für ganz Österreich.

In den Spitälern ist das anders. Da gibt es – weil eben nicht so leicht als Schwachsinn erkennbar und weil Landesfürsten mit gigantischen PR-Maschinerien den Untertanen einreden, dass alle sterben, wenn es eine Reform gibt – in jedem Bundesland ein eigenes Spitalsgesetz. Ein niederösterreichischer Patient ist – so die Argumente – von einem oberösterreichischen, steirischen oder gar Tiroler zu unterscheiden. Jeder braucht seine lokal colorierte Behandlung.

Vielleicht liegen deswegen Oberösterreicher auch gleich um ein Viertel häufiger im Spital als Steirer. Aber selbst innerhalb eines Bundeslandes sind Unterschiede zu finden. Mostviertler sind wohl kränker als ihre Nachbarn im Industrieviertel – oder liegen wenigstens um 25 Prozent öfter im Spital. Medizinisch betrachtet ist das nicht erklärbar, außer vielleicht, man macht gesunde Menschen krank, um sie in Spitäler stecken zu können – so was klingt aber abwegig, oder?

Und dann kam er, der Vorschlag, der alles bereinigen helfen könnte, der Vernunft in diesen populistischen und Menschenleben gefährdenden Wahnsinn bringen könnte. Es soll nur mehr ein Gesetz geben und bezahlt wird nicht mehr die örtlich geweckte Begehrlichkeit nach einem Spital, sondern die Qualität der Versorgung in einer Region; und es war gerade der eher reformunwillige Gesundheitsminister Alois Stöger, der ihn machte.

Ein skurriler Vorschlag, setzt er doch voraus, dass nebst Verfassungsänderung, die Länder zustimmen. Zwar wurde er von allen – nicht nur allen Experten, sondern auch geschlossen von der Opposition – gelobt, aber die Antwort der Fürsten ließ nicht lange warten.

Allen voran „E.P. von Niederösterreich“. Er verhandle nicht mit Ministern (lat. Diener). Seine Ansprechpartner seien Kanzler und Vizekanzler. Und sein, für die Spitäler zuständiger, Vasall „W.S. von Waidhofen“ lässt wissen, dass das wohl nur ein Rülpser war und der Minister ein unerträglicher Dilettant sei, der nicht einmal die Zahlen kenne. Außerdem sei die hiesige Verwaltung die beste, was man darin sehen möge, „dass sich der Gesamtaufwand im letzten Jahr um nur 0,88 Prozent erhöht hat“ (Übrigens und wahrheitsgemäß: 2009 sind dort die Kosten um mehr als 5 Prozent gestiegen, bei praktisch Null Inflation und einem Schrumpfen des BIP um über drei Prozent; damit wird das ohnehin schon riesenhafte Defizit 2010 um zusätzliche 150 Millionen explodieren!)

Ehrlich, ich glaube nicht, dass es eine Reform gibt! Ich hoffe nur, dass der Kollaps nicht all zu viel Schaden anrichtet.

Dieser Artikel wurde im November 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Markt, Populismus und das Gesundheitswesen

Griechenland überschattet alles, was sonst so an politischem Handeln passiert. Es ist schwierig sich dem zu entziehen – eine Reflexion über Moral.

In all diesem wirtschaftlichen Schlamassel werden sehr schnell Schuldige gefunden, seien es Spekulanten oder Ratingagenturen. Schuld sind also der Markt und die Ökonomisierung aller Lebensbereiche – also andere. Der liberale Weg war eine Fehlentwicklung, heißt es, und der Staat (also die Politiker), muss autoritärer (totalitärer) werden.

Nun, hat denn der Markt wirklich versagt? Eigentlich nicht! Er macht genau das, was er für richtig hält. Allerdings, und das stößt unangenehm auf, gefällt das vielen nicht. Sie sind der Meinung, dass das, was passiert, böse und unmoralisch ist.

Und genau darin sind die Lügen zu finden; denn, haben wir noch so etwas wie einen moralischen Konsens?

Im Gesundheitssystem versprechen alle Politiker, dass allen alles überall auf allerhöchstem Niveau feilgeboten wird, kostenlos. Doch ist das so? Natürlich nicht! Abgesehen davon, dass wir wegen fehlender Qualitätsmessung gar nicht wissen, welches Niveau wo existiert (es ist zu vermuten, dass es ganz grausliche Unterschiede gibt) kostet das Gesundheitssystem sehr viel Geld. Doch die Frage, ob es uns das auch Wert (eine moralische Frage!) ist, diese Frage wird tunlichst vermieden. Ja, es gilt sogar als unmoralisch nicht davon auszugehen, dass Gesundheit unendlich viel Wert ist. Unter diesen Bedingungen muss das System demnächst auch unendlich viel kosten (die ja jemandes Einkommen sind!) dürfen. Doch erstens, ist das realistisch, und zweitens ehrlich?

Wenn man an die Versuche denkt, alle Spitäler, die meist unter dem Blickwinkel des Wohlfühl- und Zufriedenheitsfaktors und nicht der Gesundheitsversorgung betrachtet wurden, nun auch als wirtschaftlich sinnvoll darzustellen, dann ist das bedenklich; und wenn der Gesundheitsminister allen Experten widerspricht, dass im Spitalswesen Geld zu sparen ist, sondern einstimmt in den Chor der unendlich kostbaren Spitalsversorgung, beängstigend. Denn mit „Moral“ oder wenigstens nur Wahrheit hat das nichts zu tun.

Wenn mit Zahlen operiert wird, die gelogen sind, nur damit niemand besorgt fragen könnte, ob denn doch was nicht stimmt, dann ist das arg. Denken wir nur an die nicht erfassten Ausgaben bei den Wahlärzten, die nur deswegen verschwiegen werden, weil die ohnehin hohen Selbstbehalte offiziell nicht noch höher werden dürfen.

Wenn Ärzte Patienten nicht die Wahrheit erzählen, sondern gefällige Interpretationen von oft selbstgestrickten Daten referieren, nur um einem ernsten Gespräch zu entgehen und „ewiges“ Leben versprechen können, wenn Patienten auf Intensivabteilungen gequält werden, nur weil die Gesellschaft (von oben verordnet) sich dem Problem Lebensqualität versus Lebenslänge entzieht und den handelnden Ärzten kein moralisches Gerüst bereitstellt um diese heiklen Fragen im Alltag zu klären, dann ist das alles unmoralischer Selbstbetrug.

Wenn also Populismus jegliche Werte ersetzt, wenn die Maxime des Handelns Stimmmaximierung ist, ja dann dürfen wir uns nicht wundern, dass der (logische und unmoralische) Markt, dessen Ziel Gewinnmaximierung ist, kurzsichtig, destruktiv und gefräßig handelt. Der Markt ist so nur Spiegel unseres eigenen Versagens.

Und wenn man schon liberalem Gedankengut die Schuld zuschieben will, dann nur dahingehend, dass Liberale zu naiv sind. Denn sie glauben tief in ihrem Herzen, dass demokratisch gewählte Politiker die Freiheit weniger missbrauchen als Diktatoren. Aber wahrscheinlich liegen sie hier falsch.

Dieser Artikel wurde im Mai 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wem soll ich nun glauben?

Durch das zeitgleiche Erscheinen einer nicht bestellten Meinungsumfrage wird die politische Manipulation entlarvt – allerdings nur für Interessierte!

Gesundheitsminister Stöger plant alle drei Monate eine Meinungsumfrage zur Gesundheitsversorgung in Auftrag zu geben, nach deren Ergebnissen er sein Handeln ausrichten will. Da stellt sich die Frage, was er will?

Es trifft sich, dass kurz nach den Jubelmeldungen über die erste dieser Umfragen, die sich „Gesundheitsbarometer“ nennt, eine weitere Umfrage veröffentlicht wurde; eine, ganz ohne Auftraggeber, einfach um Wissen zu schaffen, also um wissenschaftlich und nicht politisch zu sein: die OEKONSULT-Studie „Gesundheit 2010“.

Vergleicht man die Ergebnisse dieser beiden Studien, dann wird jede Klarheit beseitigt.

Im politisch bestellten „Gesundheitsbarometer“ geben 63 Prozent der Bevölkerung an, mit der Gesundheitsversorgung sehr zufrieden zu sein. Demgegenüber sind laut „Gesundheit 2010“ erstaunlicherweise 76 Prozent davon überzeugt, dass die „große Gesundheitsreform“ nun keinen weiteren Aufschub mehr zulassen würde. Wie geht das? Wissenschaftlich betrachtet, muss man zwar Gesundheitssystem streng von der Versorgung trennen. Die Versorgung ist das, was bei jedem Patienten ankommt, während das (reformbedürftige) System nur den Rahmen definiert. Man kann also durchaus mit der Versorgung zufrieden, aber mit dem System unzufrieden sein. Dass allerdings das System durch seine steuernden Bedingungen immer die Versorgung beeinflusst, darf nicht vergessen werden. Wenn also eine so große Diskrepanz in zwei unabhängigen Studien auftritt, ist es nicht gewagt zu behaupten, dass die Versorgung nur mehr funktioniert, weil es genug Ärzte mit Zivilcourage gibt, die sich im Zweifel um Patienten kümmern, selbst wenn sie dafür das System „umgehen“ müssen – was der Patient offenbar zunehmend bemerkt.

91 (!)Prozent der OEKONSULT-Befragten haben keinen Zweifel, dass eine Gesundheitsreform, die nicht auch eine Reform des Spitalswesens darstellt, keine Reform ist. Mehr noch, 77 Prozent wissen, dass dazu wohl auch Spitalsschließungen gehören. Wie passt dazu das Ergebnis des „Gesundheitsbarometers“, wonach sich 67 Prozent der Österreicherinnen gegen Zusammenlegungen von Spitälern aussprechen? Und wenn Gesundheitsminister Stöger sagt: „Die Experten sind für mich in erster Linie die Patienten. Wenn ihnen die Standorte wichtig sind, sind sie mir das auch“, wen meint er dann? Die 77 Prozent von „Gesundheit 2010“ oder die 67 des „Gesundheitsbarometer“?

Wem soll man glauben? Also ich glaube der Studie „Gesundheit 2010“– nicht weil mir ihre Ergebnisse besser gefallen, was ja auch eine Kriterium sein könnte, sondern, weil sie transparenter ist und offenbar etwas wissen und nicht vertuschen will. Während die Daten des ministeriellen „Gesundheitsbarometers“ größtenteils geheim sind, sind die Daten von „Gesundheit 2010“ allen offenbart. Während die Ergebnisse des „Gesundheitsbarometers“ mehr als drei (!) Monate lang „ausgewertet“ werden mussten, bis sie veröffentlicht werden konnten, wurden die der „Gesundheit 2010“ bereits wenige Tage nach Beendigung der Studie publiziert. Während also „Gesundheit 2010“ für jeden nachvollziehbar (und kritisierbar) ist, bleibt der „Gesundheitsbarometer“ im Nebel der Intransparenz.

Aber ich bin nicht naiv genug, zu glauben, dass auch Minister an Transparenz interessiert sind. Daher wird die Strategie bleiben: Gib eine Studie in Auftrag, die du lenken kannst, damit die Ergebnisse so sind, dass du walten und schalten kannst, wie du willst!

Dieser Artikel wurde im Jänner 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Zufriedenheit als Regierungsauftrag – populistischer Wahnsinn

Dass Meinungsumfragen politisch nicht unwichtig sind, ist bekannt. Dass sie aber offen als Richtlinie dienen, ist eine beunruhigende Entwicklung.

Wenn man Meinungsumfragen macht, ist es leicht, Fragen so zu stellen, dass das erwünschte Ergebnis erscheint. Noch anfälliger sind bevölkerungsbasierte Zufriedenheitsmessungen im Gesundheitswesen.

Zufriedenheit ist der Quotient aus erwarteter durch erhaltene Qualität. Ein und dieselbe Qualität kann subjektiv bei niedriger Erwartung zur Zufriedenheit, bei hoher Erwartung zur Unzufriedenheit führen. Ein Rückschluss auf die real erbrachte Qualität ist nicht möglich. Dazu kommt, dass jeder weiß, dass unsere Gesundheitsversorgung sehr teuer ist und fast ausschließlich über Systeme organisiert wird, aus denen man nicht austreten kann; man hängt im Ernstfall also davon ab. Damit fällt es schwer, kritisch zu sein. Ein teures Pflichtsystem, dass von allen Ebenen der Politik als das beste der Welt beschrieben wird, kann doch nicht wirklich schlecht sein, oder?

Was sagt es also über die Versorgungsqualität aus, wenn laut Meinungsumfrage 94 Prozent der Österreicher über 16 Jahre mit ihr zufrieden sind? Nichts! Genauer geschaut antworten ohnehin nur 63 Prozent auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit der Gesundheitsversorgung in Österreich?“ mit „Sehr“. Die auf 94 fehlenden 31 Prozent antworten nur mit „Etwas“. Einmal ehrlich, wenn eines der teuersten Gesundheitssysteme nur ein „Etwas“ erreicht, ist das eher peinlich, und diese 31 Prozent unkritisch den Zufriedenen zuzurechnen, populistisch.

Gänzlich verschwiegen werden natürlich politisch unerwünschte Meinungsäußerungen.

Da wäre die Aussage, dass man die optimale Versorgung nur dann kriegt, wenn man eine Zusatzversicherung hat. 29 Prozent stimmen dem voll zu, 23 Prozent etwas. Zusammen also sind 51 Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass eine optimale Versorgung etwas mit privaten Zuzahlungen zu tun hat – willkommen in der Zwei-Klassen-Medizin.

Und die teure Spitalsversorgung stellt nicht einmal mehr die Hälfte der Bevölkerung sehr zufrieden! Eigentlich ein katastrophales Ergebnis. Und gerade bei den Antworten rund um die Spitäler liegt auch der Skandal dieser Meinungsumfrage. Denn BM Alois Stöger will sich bei seinen Entscheidungen an die Ergebnisse solcher Meinungsumfragen halten. Obwohl Experten im Spitalsbereich das größte Einsparungspotenzial sehen, diese Potential aber nur von fünf Prozent der Bevölkerung ebenfalls gesehen wird, und weil sich zudem 67 Prozent gegen Zusammenlegungen von Spitälern aussprechen, lässt der Minister folgendes ausrichten: „Die Experten sind für mich in erster Linie die Patienten. Wenn ihnen die Standorte wichtig sind, sind sie mir das auch.“

Warum brauchen wir eigentlich Politiker mit ihren weitreichenden Machtbefugnissen noch? Ist es nicht so, dass wir Politiker für ihre REGIERUNGSARBEIT mit Macht und Geld ausstatten und ihnen dafür riesige Beamtenapparate (Experten!) zur Verfügung stellen? Wenn jedoch Meinungsumfragen als Richtlinie für Entscheidungen gelten, dann wäre es doch billiger, eine kleine Bürokratie aufzubauen, die den Ist-Stand bewahren muss und bei jeder Änderung des Zustands an Meinungsumfragen gebunden wird. Dass würde zwar katastrophal enden, weil nun einmal zu viele Widersprüchlichkeiten in der Bevölkerung bestehen, und es nicht möglich ist, es allen Recht zu tun; aber es wäre doch deutlich billiger, als so viele Politiker und Beamte durchzufüttern. Wenn ohnehin beide Wege ins Chaos führen, dann soll man sich wenigstens für den billigeren entscheiden.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Der nächste Sündenfall

Jetzt haben wir (k)ein neues Kapitel in der Gesundheitsreform, wieder Einahmenseitiges und wieder ein Stück weiter weg von Demokratie und Kostenwahrheit.

Dass die Kassen neues Geld kriegen, darf nicht verwundern. Standhafte Politiker hat es vermutlich nie gegeben – sie entstammen einer Sagenwelt, wie die Gesundheitsreform. Und folgt man den Aussagen des Gesundheitsministers in Alpbach, dann ist die Reform dort auch gut aufgehoben. Das beste System braucht keine, schon gar keine Strukturreform, nur eine Weiterentwicklung. Dass über eine Kassenreform nachweislich seit den frühen 1960er Jahren diskutiert wird, dürfte an der für Österreich typischen Reformfreudigkeit liegen. Reformen um der Reformen willen, das macht das Land aus!?

So ist auch das Kassenpaket zu sehen. Die kriegen frisches Geld. Der Steueranteil an deren Einnahmen wird über 25 Prozent (weit über 3 Mrd. Euro jährlich) betragen – aber ohne Reform, also mehr Mitspracherecht des Steuerzahlers. Ganz im Gegenteil, demokratisch legitimierte Volksvertreter haben weniger Einfluss denn je! Kassen werden künftig so agieren, wie sie es sich mit der Ärztekammer ausmachen. Die anderen sollen schweigen und zahlen.

Klar wird das neue Geld öffentlichkeitswirksam an Bedingungen geknüpft – man will zeigen, dass dieses Land noch von einer Regierung regiert wird. So müssen die Kassen belegen, dass sie die ominösen 1,7 Mrd. Euro Einsparungen wirklich realisieren. Einmal abgesehen, dass die dahinterstehenden Milchmädchenrechnungen nicht nachvollziehbar sind, erinnert mich das an jene Auflagen, die die Länder 2005 erhalten haben. Diese mussten gesetzlich innerhalb von vier Jahren 300 Millionen Euro (weniger als 1% p.a.) in den Spitälern einsparen. Als dann 2008 der neue Finanzausgleich vorgezogen wurde, und der Bund den Nachweis verlangte – der natürlich nicht erbracht werden konnte – hat man einfach ins Gesetzt geschrieben, dass die vorgeschriebenen Einsparungen als erbracht betrachtet werden – so leicht ist das, wenn man das Gewaltmonopol hat!

Bleibt der Prosateil des Kassensanierungspapiers. Da steht viel drinnen – lauter Absichtserklärungen. Und auch dafür gibt es historische Beispiele. Wussten Sie z.B., dass bereits 1996 beschlossen wurde, einen Stellenplan für alle niedergelassenen Ärzte verbindlich einzuführen? Jetzt steht das wieder drinnen, und wird als Verhandlungserfolg verkauft. 2005 wurden zum Erhalt der Qualität in Spitälern Mindestfrequenzen gesetzlich fixiert! Kleinstkrankenhäuser wie Bad Aussee stehen aber fester denn je. Papierene Reformen wurden noch nie umgesetzt!

Kommen wir zu den Ländern. Dass deren Sparwille mehr als unterentwickelt ist, ist bekannt. Was werden diese nach dieser Kassen-Einigung denken!? Das die Länder pleite sind, wird offensichtlich. Dass so gut wie jedes Bundesland – trotz anderslautender Meldungen – die Bau- und Investitionsprogramme nach hinten streckt ist nur ein kleines Zeichen. Dass aber bereits in zwei Ländern die Landeskrankenhäuser trotz Landeshaftung keine Bankkredite mehr kriegen, wäre anderswo ein Alarmsignal! Oder doch nicht?

Wenn der Finanzminister schon Kassen nicht in den Konkurs schickt, was wird er erst unternehmen, um die Länder zu retten? Wenn er jetzt so einfach pro Jahr eine Viertel Milliarde Euro zusätzlich aus unseren Taschen zieht, dann werden die Länder für ihre Krankenhäuser sicher eine halbe, oder gleich eine ganze Milliarde mehr kriegen!?

Und dann schaue ich in die Augen meines zweijährigen Sohnes und frage mich: „Wie willst du das alles bezahlen – oder willst du das überhaupt bezahlen?“

Dieser Artikel wurde im September 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Licht ins Dunkel

Dass man dem Finanzministerium vorwirft, nicht an Patienten zu denken ist lächerlich; dass aber nur mehr dort an die Steuerzahler gedacht wird, erschreckend.

Ich werde mich hüten, die Meriten des geheimen, mir aber letztendlich doch bekannt gewordenen Hauptverbandpapiers zu kritisieren; denn diese sind gegeben. Insbesondere die Arbeitsgruppe „Qualität“ hat einiges zu Papier gebracht. Was davon zu leben beginnt, werden wir sehen. Viel Arbeit liegt hier vor denen, die Willen gezeigt haben.

Was sich aber politisch rund um das Papier abspielt, ist sagenhaft. So wirft der Gesundheitsminister denen, die zahlen sollen (Finanzministerium), vor, „Zahlenmenschen“ zu sein, denen es nicht um Patienten, sondern um „Machtspiele“ gehe. Und der Ärztekammerpräsident meint drohend, wenn das Geld nicht fließt, dann wäre der nächste Schritt dezidierte Leistungskürzungen.

Dass die beiden so reagieren ist ja verständlich, schließlich wollen sie nur eines: die Macht des siamesischen Ärztekammer-Krankenkassen-Zwillings retten. Den anderen Machtspiele vorzuwerfen, lenkt da wohl nur vom eigenen Wunsch ab.

Wenn man sich die Modellrechnungen im vierten Teil des geheimen Papiers ansieht, dann kann man den Finanzminister nur zu gut verstehen. Selbst ein Würstelstand, der einen Kredit beantragt, muss einen detaillierteren Plan vorlegen, will er nicht riskieren, aus der Bank gejagt zu werden.

Schauen wir einmal hinein, in das Zahlenwerk.

Bei den Medikamenten wird beispielsweise angenommen, dass die Ausgaben ohne Maßnahmen um etwa sieben Prozent jährlich steigen würden. Weil man aber Maßnahmen setzt, wird die Steigerung bei genau vier Prozent liegen. Das was aus dieser einfachen Rechnung als Differenz rauskommt, das ist das „Dämpfungspotential“. Woher die Zahlen kommen, ist unklar. Man kann nur froh sein, dass sie nicht gänzlich frei erfunden sein dürften. Wenn man zum Beispiel statt sieben acht Prozent Steigerung prognostiziert hätte, dann wären zu den 883 Millionen Dämpfungspotenzial gleich noch einmal 450 dazu gekommen! Was aber wirklich rauskommt, ist fraglich.

Wie man genau auf die avisierten vier Prozent kommen will, bleibt geheim. Denn in den dafür vorgesehen Tabellen – also dort, wo der Finanzminister vermutlich gerne genauere Zahlen hätte – herrscht gähnende Leere. Nur die Summenzeile ist ausgefüllt; mit genau den Zahlen, die aus der oben beschriebenen, simplen Rechnung stammen.

Was Leistungskürzungen betrifft, ist auch was zu finden. So wollen die Kassen 260 Millionen in der Rehabilitation sparen, in dem sie sie gänzlich der Pensionsversicherung (PV) übertragen. Es ist zwar sehr löblich hier endlich Kompetenzen zu bereinigen, aber wo bleibt das sonst so gerne zitierte „Geld folgt Leistung“? Wenn die PV die ganze Reha übernimmt, dann darf sie doch auch das Geld dafür von den Kassen erwarten! Nur die Leistungen rüber zu schieben und das Geld behalten, ist Chuzpe. Dass da der Finanzminister, der ja am Ende des Tages die Defizite der PV aus dem Budget decken muss, nicht glücklich sein kann, ist klar!

In den eigenen Reihen sehen die Kassen übrigens auch Potential – heiße 45 Millionen, oder gerade einmal 2,6 Prozent des gesamten ausgabenseitigen Dämpfungspotentials. Eine echte Kassenreform sieht anders aus.

Am Ende bleibt der schale Geschmack, dass hinter all den Rechnungen wohl nur die Beibehaltung der Strukturen (und Macht) stand, und das dafür notwendige Geld gefälligst aufzubringen ist. Froh kann man sein, dass doch noch manche wissen, dass Geld nicht auf Bäumen wächst, sondern von Bürgern erarbeitet werden muss. Gratulor!

Dieser Artikel wurde im Juli 2009 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.