Scheinheiligkeit in der Zwei-Klassen-Medizin

Österreicher leben auf einer Insel der Seligen und mögen keine Veränderungen. Dafür akzeptieren sie auch allerhand Scheinheiligkeit.

HR Dr. P, Beamter i.R. und Bezieher einer stattlichen Pension, hat eine Zusatzversicherung. Jetzt braucht er eine Hüfte und wähnt sich ob seiner Beziehungen und seiner Zusatzversicherung in guter Position, sowohl Spital als auch Zeitpunkt der Operation aussuchen zu können.

Tja – darf er das überhaupt? Dem geschriebenen Gesetz nach natürlich nicht. Aber was sind die hierzulande schon wert?

Rechtlich erlaubt eine Zusatzversicherung gar nichts, außer ein bisschen Luxus und die Möglichkeit, sich den Arzt im Spital auszusuchen.

Wie schaut es aber mit dem ungeschriebenen Gesetz aus? Immerhin gilt ja nicht einmal die Verfassung in ihrer geschriebenen Form, sondern nur die „Realverfassung“. Also gelten vermutlich auch „Realgesetze“.

1,1 Millionen Österreicher haben eine Zusatzversicherung. Von ihren Beiträgen werden an Ärzte in öffentlichen Spitälern jährlich 500 Millionen Euro als Honorare ausbezahlt. Bedeutet, dass jeder Spitalsarzt monatlich etwa 900 Euro netto (bei 14 Gehältern) zusätzliches Einkommen hat. Von seinem eigentlichen Arbeitgeber, meist Ländern, erhält er etwa 2.900 Euro. Zählen wir zusammen, verdient er – wohlgemerkt, vom Turnus- bis zum Primararzt – etwa 3.750 Euro netto – ein Viertel davon aus einer „Zusatzbeschäftigung“.

Aber, die Zusatzgelder werden nicht gleichmäßig verteilt. Der Chef kriegt am meisten, der Turnusarzt am wenigsten.

Nehmen wir eine Abteilung mit 20 Ärzten. Wären die Gelder normal verteilt (was keiner weiß), würden dort etwa 250.000 Euro zusätzlich und netto ausbezahlt. 60 Prozent behält der Primar – macht ein monatliches Zusatzbrot von 10.700 Euro. Das ist fast drei (!) mal mehr, als ihm sein eigentlicher Arbeitgeber bezahlt! 36,5 Prozent werden an die 12 Fach- und Assistenzärzte ausbezahlt – als drei Prozent pro Nase (hier gibt es je nach Alter und Funktion erhebliche Differenzen): sind pro Monat 540 Euro netto und knapp 20 Prozent des Einkommens. Die verbleibenden 3,5 Prozent teilen sich die sieben Turnusärzte; ergibt vielleicht 100 Euro; die machen sich gegenüber den 2.000 Euro Normaleinkommen (inklusiver Überstunden und Nachtdienste) richtig bescheiden aus.

Der Chef bezieht also in einem politisch dominierten System, dass offiziell eine Zwei-Klassen-Medizin weder sieht noch will, analog zum Bonussystem der Bankenwelt, ein „erfolgsabhängiges“ Einkommen. Warum? Ganz einfach, weil man ihm öffentlich nicht mehr zahlen will! Anders ausgedrückt, hat die Politik, nur um sich die vielen Spitäler leisten zu können, über die letzten Jahrzehnte es zugelassen, ja gefördert, dass Primarärzte danach trachten, zusätzliche Gelder zu lukrieren – von denen ja auch die Spitäler etwa 250 Millionen Euro erhalten.

Und jetzt überlegen wir. Wird der Primar an der Idee der „Ein-Klassen-Medizin“ fest- und die Gesetze einhalten und seine Abteilung so führen, dass jeder „gleich“ behandelt wird? Welche Hilfe erhält er dabei von der Politik – oder wird ein idealistischer, gesetzestreuer Primar nicht eher von ihr abgestraft?

Und wenn die Zwei-Klassen-Medizin dann öffentlich diskutiert wird, erzählt uns die Politik irgendetwas über Gesetze und schimpft auf böse neoliberale Versicherungen und geldgierige Ärzte. Aber das wahrlich Schlimme daran ist, dass 80 Prozent der Bevölkerung von dieser Scheinheiligkeit wissen und sich nicht darüber aufregen; denn: „Solange der Österreicher noch Bier und Würstel hat, revoltiert er nicht.“ (Beethoven)

Dieser Artikel wurde im März 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Wir brauchen mehr Medizin-Universitäten

Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Petra S. ist alleinerziehende Mutter eines Dreijährigen und seit einem Jahr in einem Wiener Spital in der Ausbildung zur Ärztin für Allgemeinmedizin, auch Turnus genannt. Ausbildung ist allerdings zu viel gesagt, denn ihre Hauptaufgaben sind nach wie vor Blut abnehmen, Infusionen anhängen und Papierkram erledigen. Die Hälfte ihrer Arbeitszeit, die bis zu 80 Wochen-Stunden ausmacht, wird sie alles andere als ausgebildet. Ausgenützt trifft es eher.

Auf die Tatsache, dass sie alleinerziehend ist, wird keine Rücksicht genommen. Eine Teilzeitausbildung, in manchem Bundesland möglich, gibt es beim Wiener Krankenanstaltenverbund, immerhin der größte Ausbildner Österreichs, nicht. Apropos Teilzeitturnus: bis zu 40 Wochen-Stunden (Teilzeit?) bei nur einem Drittel des Gehalts einer Vollzeitkraft – verdienen kann man nur mit Nachtdiensten, die aber bei Teilzeit seltener sind.

Petra S. hatte letzten Samstag Dienst, 24 Stunden am Stück. Da ihre Kollegin (auch Mutter), die sie am Sonntag ablösen hätte sollen, akut erkrankt war, und Petra S. kurzfristig keinen Ersatz für die erkrankte Kollegin finden konnte (ja, auch das ist Aufgabe der Turnusärzte!), musste sie bis Montag bleiben.

Als sie dann nach 48 Stunden Dienst, von denen sie insgesamt sechs Stunden geruht hatte, nach Hause kam, den Babysitter mit dem gerade verdienten Geld bezahlt hatte und vor dem Abholen ihres Sohnes vom Kindergarten noch ein bisschen Nachrichten lesen wollte, erfuhr sie auf orf.at, dass Gesundheitsminister Alois Stöger die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Ärzten in Österreich für gut befindet. Und lachte schallend.

Langsam aber sicher, finden Spitäler immer schwieriger Turnusärzte und auch fertig ausgebildete Ärzte wollen immer seltener im öffentlichen System bleiben. Ein Ärztemangel wird diagnostiziert. Und der soll sich verschlimmern, zum Beispiel wegen einer Pensionierungswelle. Ein weiterer Grund ist die zunehmende Verweiblichung der Medizin. Viele Ärztinnen (zwei Drittel aller Turnusärzte) kehren noch während ihrer Ausbildung aufgrund der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf der Medizin für immer den Rücken.

Und, da nicht nur die Arbeits- sondern auch die Ausbildungsbedingungen schlecht sind, sind immer mehr Uni-Absolventen bereit, ins Ausland zu gehen. Auch wenn dort sicher nicht Milch und Honig fließen, werden Jungärzte deutlich weniger für ausbildungsirrelevante Tätigkeiten herangezogen und die Ausbildung ist verglichen mit hier in der halben Zeit absolviert.

Sind nun mehr Studienplätze die Lösung? Natürlich! Je mehr Absolventen, desto mehr drängen auf den Arbeitsmarkt. Und wenn dann einige Jungmediziner nicht bereit sind, sich versklaven zu lassen und ins Ausland desertieren, bleiben doch genug übrig, die ihre Heimat nicht verlassen und sich ein österreichisches Ärzteleben antun. Und die sind dann, wie auch schon in der Vergangenheit, glücklich, wenn sie einen Job haben und lassen sich weiter auspressen wie Zitronen. Sie werden weiterhin Blutabnehmen und Infusionen anhängen, obwohl das, wie in anderen Ländern auch, Aufgaben anderer Berufsgruppen, sein sollten. Sie werden es sich auch gefallen lassen, wenn trotz steigender Arbeitsbelastung beim ärztlichen Personal gespart wird, ohne delegierbare Arbeit an nicht-ärztliches Personal umzuschichten.

Und es wird weiter alleinerziehende Mütter geben, die 48 Stunden am Stück arbeiten – und das ganz freiwillig. Wenn Jungmediziner wegen schlechter Arbeits- und Ausbildungsbedingungen ins Ausland gehen, dann produzieren wir halt mehr! Problem gelöst!

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Österreich braucht mehr Spitäler

Tief im dunklen Norden Europas, in einem Land, in dem blonde Wilde hausen, spielt sich vor unseren Augen eine menschliche Katastrophe ab.

In Dänemark hat man der darbenden Bevölkerung die schlechte medizinische Versorgung noch verschlechtert. Tausende und Abertausende werden qualvoll sterben, die Wirtschaft restlos zusammenbrechen und die Bevölkerung wird verelenden. Denn man hat entschieden, 20 der 40 Spitäler (wir haben etwa 160) für immer zu schließen. Für 200.000 bis 400.000 Einwohner wird es nur noch ein Spital geben. Unerträglich – und die Welt schaut tatenlos zu.

Auch wenn unsere Gesundheitspolitiker auf Dänemark angesprochen so oder noch schwarzmalerischer reagieren dürften, eintreten wird das wohl nicht.

Mit nur 5,5 Millionen Einwohnern beträgt das dänische BIP 309 Milliarden US-Dollar. Bei uns (über 8 Millionen) sind es 385 Milliarden. Auch die dänische Arbeitslosigkeit liegt unter unserer. Zudem ist Dänemark, glaubt man dem Human Development Index der UNO, höher entwickelt als Österreich. Und als ob das nicht reicht: Ein 65-Jähriger hat dort fast doppelt so viele gesunde Lebensjahre vor sich wie bei uns – und dabei geben die weniger Geld aus. Wie machen die das nur mit so wenigen Spitälern?

Aber zurück nach Österreich. Da hat Landesrat Wolfgang Sobotka von Niederösterreich wieder einmal kundgetan, dass er Baden und Mödling – Synonyme für Verschwendung und Unsinn in der Spitalslandschaft – erhalten muss, weil ihm das Gesetz keine Wahl lässt. Und wieder einmal zitiert er das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, das für 50.000 bis 90.000 Einwohner eine Standardkrankenanstalt (die einfachste Spitalsvariante mit zumindest Innerer Medizin und Chirurgie) verlangt. Nachdem er das nun zum wiederholten Mal tut, muss auch ich einsehen, dass er nur gesetzestreu sein will. Immerhin ist er als Landesrat und sogar Landeshauptmann-Stellvertreter auf die Verfassung vereidigt und verpflichtet, die Gesetze zu halten.

Daher ist es dringend an der Zeit, dass die Politik gesetzeskonform neue Spitäler errichtet. Denn das Spital in Mödling hat ein Einzugsgebiet von 188.000 Einwohnern. Man braucht dort also nicht nur eines, nein sogar drei Spitäler und in Baden mindestens zwei. Eigentlich muss im Einzugsgebiet von fast jedem niederösterreichischen Spital ein zusätzliches errichtet werden.

Aber nicht nur die Niederösterreicher sind mit eklatanten Gesetzesbrüchen ihrer Obrigkeit konfrontiert. Mit Vöcklabruck, Steyr und Wels reiht sich Oberösterreich in die Schar der Gesetzesbrecher. Die Vorarlberger Autoritäten lassen rund um Bregenz die Menschen ungesetzlich im Regen stehen und in Kärnten sind es die Regionen rund um Villach und Spittal; in Tirol ist es die Schwazer Bevölkerung und in der Steiermark die Gegend rund um Judenburg. Aber am buntesten treiben es die Wiener. In Floridsdorf steht fast 300.000 Einwohnern nur ein winzig kleines Spital zur Verfügung – grässlich! Und die Liste ist sicher nicht vollständig.

Also, liebe Politiker, nehmt euch ein Beispiel an den niederösterreichischen Regenten: Dort wird wenigstens versucht, Gesetze – wer macht die überhaupt? – zu befolgen. Wenn ihr schon keine Behinderten einstellt, dann baut doch wenigstens Spitäler!

Manchmal frage ich mich ernsthaft, warum Politiker einfach so Unwahrheiten und Stuss verbreiten können – und das nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder –, ohne dass es Konsequenzen gibt. Ob man beim nächsten Mal vielleicht ein paar dänische Gesundheitspolitiker wählen kann?

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Lernfähiges Oberösterreich?

Über Jahre hat man vom „Modell Oberösterreich“ gehört, und so die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse für ihre Wirtschaftlichkeit gelobt.

Das „Modell Oberösterreich“ umfasst aber nicht nur die Kasse, sondern auch Spitäler.

Seit Jahren steigen in OÖ die Spitalsfälle und haben heute den höchsten Wert österreichweit. Pro 100 Einwohner werden 30 Aufnahmen (50.000 über dem Bundesdurchschnitt!) gezählt – und das, obwohl die Bevölkerung verhältnismäßig jung ist.

Jedes andere Bundesland, sogar Niederösterreich, wäre längst pleite. Nicht aber OÖ. Denn dort, und nur dort, werden 50 Prozent der Patienten in Ordensspitälern versorgt. Und weil diese Spitäler, zwischen 17 und 25 Prozent effizienter sind, als öffentliche, können Spitalskosten trotz hoher Inanspruchnahme niedrig gehalten werden.

Würden Ordensspitäler mit der gleichen Effizienz arbeiten wie öffentliche, kostete das um mindestens 180 Millionen Euro mehr – Geld, das vom Land bezahlt werden müsste.

Weiter: Würde, durch Reformen, die Zahl der Aufnahmen auf normales Maß reduziert, dann ersparte sich das Land „nur“ etwa 100 Millionen. Bleiben daher ein „Netto-Gewinn“ von mindestens 80 Millionen jährlich, UND der nicht zu unterschätzende politische Gewinn, jede Abteilung in jedem Spital halten zu können. Seitens der Politik gab es also wenig Anreize, das Modell zu ändern.

Der große Nachteil des Modells, alle Spitäler sind in einen Konkurrenzkampf eingetreten und haben versucht, über immer mehr Patienten ständig zu wachsen – eine desaströse Strategie. Aber genau das war andererseits die Rahmenbedingung für die Kassen!

Zwar haben Hausärzte ein für Österreich geradezu vorbildliches Leistungsangebot und könnten damit ein gut funktionierendes Hausarztsystem aufbauen. Aber, ob das auch in ausreichendem Maß am Patienten ankommt, wurde nicht kontrolliert – weil nicht nötig. Eine etwaige Unterversorgung wurde durch die Spitäler aufgefangen. Auch bei Fachärzten, die deutlich seltener als in anderen Bundesländern zu finden sind (was per se nicht schlecht sein muss, aber deswegen ist die Kasse wirtschaftlich im Plus), wurde nicht darauf geachtet, wie sie arbeiten.

Es ist überhaupt jedem Kassenarzt überlassen, was er tut. Ob alles oder nur Teile der „erlaubten“ Spektrums und was wie oft angeboten wird, ist seine Sache. Anders ausgedrückt, keiner kontrolliert, ob ein Arzt so behandelt, wie es im Sinne des Patienten richtig wäre (also so selten wie möglich ins Spital zu müssen); aber sehr wohl wurde die Wirtschaftlichkeit kontrolliert. Und da Spitäler „gerne“ Patienten angenommen haben und die Honorare verhältnismäßig niedrig sind, wurde bei niedergelassenen Ärzten, besonders bei Fachärzten, eine Überweisungskultur gefördert, die zu häufigeren Ambulanzbesuchen und so zu immer mehr stationären Aufnahmen führte. Für Patienten war das Blödsinn, auch wenn es betriebswirtschaftlich „gut“ aussieht.

Jetzt dämmern ob der Enns „echte“ Reformen. Es gibt dabei zwei große Aufgabenblöcke: Für das Land, die Spitalslandschaft so umzubauen, dass die Abstimmung mit der Pflege möglich wird, und so Pflegepatienten nicht mehr unnötig oft oder zu lange im Spital liegen. Für die Kasse heißt es, darauf zu achten, dass ihre Ärzte „mehr“ behandeln und so die Zuweisungen zu den Spitälern reduzieren. Letzteres hat sich die Kasse offen als Ziel gesetzt und ist damit vorgeprescht. Nun kann man gespannt sein, ob auch das Land die Aufgaben einer Spitalsreform erkennt und ähnliche Ziele formuliert. Ob das dann auch umgesetzt wird, steht ohnehin auf einem anderen Blatt Papier.

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Das Gerede über die Spitalsreform

Die Spitalsreform dreht sich seit Jahrzehnten um die gleichen Themen, die konsequenzlos nicht nur be- sondern meist auch zerredet werden. Auch diesmal?

1997, nach zehnjähriger Vorbereitung, wurde die Spitalsfinanzierung reformiert – mit dem Ziel, die hohe (verglichen mit heute allerdings um 30 Prozent niedrigere!) Zahl an Spitalsaufnahmen zu reduzieren und Kosten transparent darzustellen. Das ging schief, wie eine politisch zurückgehaltene Evaluierung ergab.

Ab 2000 wurde eine Reform der Planung vorbereitet, mit dem Ziel, der regional inhomogenen Versorgungssituation und der seit der Finanzierungsreform sprunghaft steigenden Zahl an Aufnahmen zu begegnen. Statt Standorte und Betten, sollten Leistungen geplant werden, um die Strukturen (Standorte und Betten) dem Bedarf anzupassen. Mehr als drei Jahre dauerten die politischen Vorgespräche bevor mit konkreten Arbeiten begonnen wurde.

Als diese Mitte 2005 fertig waren, war die Politik, trotz jahrelanger Vorbereitung, ständiger Arbeitsgruppen, regelmäßiger Arbeitsfortschrittberichte an die Politik und Projektkosten in Millionenhöhe, mit den Ergebnissen nicht einverstanden; innerhalb kürzester Zeit wurden Kaugummiparagraphen erfunden. Zwar haben sich nach außen alle darauf verständigt, dass Strukturen bedarfsorientiert sein müssen, aber mit Hilfe dieser Paragraphen konnte man für alles „Ausnahmeregelungen“ finden.

Als Anfang 2006 der Österreichische Strukturplan Gesundheit (ÖSG), das Produkt dieser jahrelangen Arbeiten, von Ländern, Sozialversicherungen und Bund in der Bundesgesundheitskommission – die ja auch diesmal wieder bestimmend sein soll – in Kraft gesetzt wurde, war vom ursprünglichen Vorhaben wenig übrig, und das was blieb, musste, weil ohne Sanktionsmechanismen, nicht Realität werden.

Als im Dezember 2010, mit mehrjähriger Verspätung, endlich auch Niederösterreich mit der im ÖSG vorgeschriebenen regionalen Planung fertig war, konnte jeder, der sich auskennt, sehen, dass doch nur wieder Standorte und Betten wichtig waren. Und um diese zu schützen, wurde (fast) österreichweit auf die „Planer“ solange „Druck“ ausgeübt, bis deren Berechnungen das ergaben, was die Politik wünscht. „Schönrechnen“ ist überall Unart; warum das bei der Heeresreform so große Wellen schlägt?

All das und viel mehr führt nicht dazu, zu glauben, dass die jetzige Spitalsreform was wird. Auch dass ein Zeitplan existiert, heißt nichts. Denn solche haben es sogar schon in Gesetze hinein geschafft – allerdings ohne, dass irgendwer sie gehalten hätte; ohne Sanktionen sind diese doch nur Makulatur.

Und trotzdem, es könnte diesmal anders sein. Einerseits ist da der Hauptverband mit seiner schonungslosen Fehleranalyse. Fehlerbewusstsein bei wichtigen Playern ist immer gute Basis für echte Reformen. Aber noch wichtiger scheint, dass die neue Führung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse, medial völlig unbemerkt, erstaunliches formuliert. Dort will man in den eigenen Reihen nach Möglichkeiten suchen, Spitalsaufnahmen zu reduzieren, zum Beispiel durch den Ausbau der Hausarztbetreuung. Und ganz offen wird festgehalten (und damit zugegeben), dass das bloße Hin- und Herschieben von Leistungen und Kosten zwischen Spital und niedergelassenem Bereich nicht im Sinne der Versicherten sein kann. Einfach toll!

Wenn Oberösterreich Schule macht und die Ärztekammer noch aus ihrem Schmollwinkel heraus käme, dann wären vielleicht sogar die Länder, denen glücklicherweise das Wasser bis zum Hals steht, besiegbar – und dann könnten es wirklich so sein, dass dem Reden echte Reformen folgen.

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Jetzt wird es ernst

Maastricht lehrt den Landesspitälern das fürchten – und weil es keine Gesundheitsreform gibt, werden Spitalsmitarbeiter an den Lehren leiden.

Als die Finanzkrise kam, gab es mahnende Stimmen, die vor massiv schrumpfenden Steuereinnahmen aufgrund der daraus resultierenden Wirtschaftskrise warnten. Spätestens seit 2008 mahnten Stimmen, endlich jene Strukturreformen anzugehen, die seit Jahrzehnten überfällig sind; immer mit dabei, Gesundheitssystem und Spitäler.

Dann war sie da, die Krise. Dass wir Normalsterblichen kaum etwas mitbekommen haben, liegt an den gigantischen Geldmitteln, die zu unserem Wohl (?) und um uns bei Laune zu halten, verteilt wurden. Das Geld kam und kommt über Schulden, aber das interessiert nur Kleingeister.

Den Reigen hat Ex-Finanzminister Wilhelm Molterer eingeleitet, als er den Ländern Schulden statt Überschüsse erlaubte. Und tatsächlich haben diese 2009 drei Milliarden Euro mehr unters Volk gebracht als noch 2008. Das meiste davon ging in Spitäler – vermutlich eine Milliarde in den Betrieb, mindestens eine weitere in Neubauten oder „dringend notwendige“ Modernisierungen. An eine Reform war bei einem solchen Geldsegen gar nicht zu denken. Und die Kleingeister (wozu wohl auch Hauptverbandschef Hans Jörg Schelling gezählt werden muss), die stetig eine solche einforderten, wurden belächelt.

Und so haben sich jene, die sich nicht kümmern, woher Geld kommt, auch nicht im geringsten Gedanken gemacht, was passiert, wenn es nicht mehr kommt – so etwas galt in diesen Kreisen wohl als obszön.

Und dann passierte es. Die Griechen haben uns dermaßen hineingeritten, dass die Euro-Länder (nicht aber unsere Bundesländer) beschlossen haben, der populistischen Schuldenpolitik entgegenzutreten. Die Folge ist, dass die „Maastricht-schonend“ ausgelagerten Spitalsschulden – mindestens drei, vielleicht aber auch zehn Milliarden Euro – nun ins Budget zurückfallen. Damit war der Traum vom ewigen Geldregen vorbei. Das passierte fast ohne Aufschrei, denn vermutlich haben viele Bundesländer die Schreckstarre noch nicht überwunden oder sich in eine neurotische Verweigerung zurückgezogen. Ändert aber nichts! Sie werden demnächst auf dem Trockenen sitzen.

Da aber keine Überlegungen stattgefunden haben, wie man mit einer solchen Situation umgeht, und auch jede Gesundheitsreform untergraben oder unterbunden hat, tritt ein, wovor vor zwei Jahren gewarnt wurde.

Die Personalkosten sind mit 56 Prozent der Gesamtkosten der größte Block. Im Personalabbau sieht man nun (nicht nur in Wien) sein Heil. Da politisch ein solcher über Kündigungen kaum umzusetzen ist, greift man zum „natürlichen“ Abgang. Damit kommt es zu einer paradoxen Situation.

Den größten „natürlichen“ Abgang, der in Spitälern weniger durch Pensionierung als durch Fluktuation gegeben ist, findet man dort, wo die Arbeitsbelastung (insbesondere für Jungärzte, die meist nur auf Zeit angestellt sind, und für das Pflegepersonal) am größten ist. Dort, wo die Arbeit vergleichsweise gemütlich ist, ist die Fluktuation geringer. Der Stellenabbau wird daher genau dort stattfinden, wo der größte Arbeitsdruck herrscht, der dadurch noch größer wird. Das wird die Fluktuation weiter anheizen und es wird immer schwieriger werden, Personal zu finden – ein virtueller Mangel wird entstehen.

Und so beginnen sich die Spiralen schneller zu drehen und am Ende steht dann doch eine Reform. Allerdings eine erzwungene, und solche sind immer schlechter als gut vorbereitete.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Finanzierung aus zwei Töpfen

Die Ärztekammer präsentiert – wieder einmal – ein totgeglaubtes und unlogisches Konzept der getrennten Finanzierung des Gesundheitssystems.

Es war kalt, als vor zwei Jahren, im Linzer Industrieviertel dunkle, chauffierte Limousinen eintrafen. Auf den ersten Blick hätte man gemeint, Hochfinanz und Industrie trifft sich zu einem ja nicht rein privaten Treffen, bei dem es nie ums Geschäft geht.

Realiter trafen sich aber Größen des öffentlich finanzierten Gesundheitssystems. Da kam der Minister und Kammerpräsidenten, Kassenobleute und Geschäftsführer landeseigener Krankenhausbetreiber und viele andere zum ersten gesundheitspolitischen Gespräch – initiiert vom oberösterreichischen Ärztekammerpräsidenten Peter Niedermoser, der sich als Speerspitze der Berufsvertretung etabliert sehen will.

Weil man heimischen Experten nicht traut, wurde ein deutscher Professor eingeladen, darüber zu referieren, ob nun ein Sozialversicherungssystem oder ein staatliches besser ist. Ein spannender Vortrag, der damit endete, dass es für beide Pros und Kontras gibt, aber das wichtigste die Finanzierung aus einer Hand ist.

Tja, und dann trat die Ärztekammer zum Referat an. Und als die erste Folie die Leinwand erhellte, wurde es dunkel: „Getrennte Finanzierung: der Weg in die Zukunft“.

Nun, das Gelächter, dass diese Folie begleitete, verhallte genau so, wie die Expertenkritik, die folgte. Aber auch das Konzept verschwand scheinbar. Und dann, plötzlich zu Jahresbeginn 2011 taucht es wieder auf; unerwartet und genau so falsch wie es schon zwei Jahre davor war.

Dem Kenner war klar, dass es bei dieser „getrennten Finanzierung“ nicht um eine Verbesserung der Versorgung ging. Ziel war, die rund vier Milliarden Euro, die die Kassen in die Spitäler zahlen, behalten zu können, damit deren finanzieller Spielraum größer wird, damit die Ärztekammern bei Vertragsverhandlungen wieder punkten können. Denn der Großteil der Kammermacht basiert auf deren Verhandlungsmonopol mit den Kassen, das allerdings nur solange funktioniert, solange die Kassen flüssig sind. Eine gesundheitswissenschaftliche Begründung für diese Finanzierungsform gab und gibt es nicht.

Was lernt man. Zuallererst, dass es gar nichts bringt, Expertise in die Diskussion zu bringen. Sitzt die Politik einmal auf einem Gaul, dann will es den auch reiten, ob er tot ist oder nicht. Ist die öffentliche Meinung gerade dafür, den Gaul für Tot zu halten, dann wartet man einfach, bis alle vergessen haben um was es ging, und kommt dann mit der alten Idee neu raus, erklärt den Tot als besiegt und verlangt vom Volk mehr Geld, wenn es den Gaul galoppieren sehen will. Aussitzen bewährt sich!

Dann kann man lernen, dass die Mächtigen trotz immer knapper werdender Ressourcen nichts gelernt haben. Auf die Idee, versorgungswissenschaftlich vernünftige Forderungen zu stellen, kommt niemand. Ist ja auch nicht wichtig, in einem System, in dem es seit jeher nur um Verhandlungsmacht geht. Beharrung ist besser als Reformen!

Und zum Schluss, aber das ist Prophetie, könnte man auch eine anstehende Personalrochade sehen. Des längern halten sich Gerüchte, der Präsident Walter Dorner will sich zurückziehen. Als Nachfolger fällt fallweise der Name Peter Niedermoser. Und da schließlich er es war, der diese zersplitterte Finanzierung entwerfen ließ, wäre es denkbar, dass hinter dessen „Neuerscheinung“ eine Amtsübergabe vorbereitet wird. Ob es Ärzten und Patienten wohl bekommt, wenn sowohl Minister als auch Ärztekammerpräsident aus Oberösterreich kommen? Nun, Zweifel sind hier erlaubt!

Dieser Artikel wurde im Jänner 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Die Salzburger und ihr Medikamentenexperiment

Die Idee der Salzburger Gebietskrankenkassen über Wettbewerb Medikamentenpreise zu senken wird funktionieren – aber zu welchem Preis?

Wenn ein Unternehmen ein Original-Medikament von den Kassen erstattet haben will, darf es den Preis – den sogenannten Fabriksabgabepreis (FAP) – nicht selbst festlegen. Zuerst wird der EU-Durchschnittspreis ermittelt, denn kein Original darf teurer als dieser sein. Auf dieser Basis wird dann mit dem Monopoleinkäufer Hauptverband verhandelt. Folgerichtig sind, international verglichen, unsere Preise niedrig. Generika, also Imitate der Originale, müssen sich nicht an EU-Durchschnittspreise halten, und so sind deren Preise vergleichsweise hoch. Nun gibt es ein weiteres Spezifikum. Originale sind an die Generikapreise gebunden. Je nachdem, wie viele Generika es gibt, müssen entsprechende Originale mit dem Preis runter. Ab dem dritten Generikum darf das Original nicht teurer, als das teuerste Generikum sein.

Am Ende geben Kassen, auf FAP-Basis, knapp zwei Milliarden Euro aus. Dazu kommt noch eine Milliarde für die staatlich festgelegten Handelsspannen der Großhändler und Apotheken.

Gemessen an den Preisen für Originale ist diese regulierte Vorgangsweise erfolgreich, aber nicht ungefährlich. Das zeigt die Tatsache, dass der oligopolartig organisierte Großhandel begonnen hat, zu exportieren, und die niedrigen Einstandspreise dazu nützt, international höhere Gewinne als die hierzulande festgelegten Handelsspannen abzugreifen. Die Folge sind Lieferschwierigkeiten für einzelne Medikamente in Österreich.

Nun, was heißt das im Zusammenhang mit der Salzburger Liste. Da Medikamente, wenn es mindestens drei Generika gibt, etwa gleich viel kosten, stehen Produzenten in einem preisunabhängigen Wettbewerb. Wer verkaufen will, kann sich nur durch Service abgrenzen. Es ist müßig nachzudenken, in wie weit es unethisch zugeht – am Ende, so will es das System, bleibt nur der Service um Produkte an Patienten zu bringen. Und weil wir kaum pharmaunabhängige Fortbildung haben, bildete dieser Service, ob wir wollen oder nicht, eine wichtige Stütze für die Qualität der Versorgung.

Die Idee der Salzburger Liste ist es, einen additiven Preiskampf einzuführen. Da wir hohe Generikapreise haben, wird es zu einem solchen kommen. Ist man der „billigste“, hat man die Chance, für eine Zeit lang, „Quasi“-Monopolverkäufer zu sein, ganz ohne Vertriebssystem und Sponsoring. Wirklich große Generikahersteller werden diese Chance nützen.

In der Folge werden Generika-Preise sinken. Die kleinen werden sich das nicht leisten können und aufhören. Der heute atomistische Markt wird zunehmend von Großen dominiert. Weiters wird es – dank unserem Gesetz – dazu kommen, dass die Preise für Originale noch weiter sinken müssten. Spätestens dann werden internationale Unternehmen nachdenken, ob sie Österreich noch beliefern. Und da der Großhandel bereits begonnen hat zu exportieren und so international auf Preise drückt, wird diese Entscheidung leicht fallen. Die Folge ist, dass Medikamente gar nicht mehr angeboten, und immer mehr Unternehmen ihre Forschungsaktivitäten und (auch die Generikafirmen) Vertriebsysteme einstellen werden.

Durch Kombination aus planwirtschaftlicher Preisregulierung und marktwirtschaftlichem Preiswettbewerb wird so die medikamentöse, und wohl auch – wegen immer schwieriger zu findenden Sponsoren für Fortbildungsveranstaltungen – die ärztliche Versorgung leiden. Und das alles wegen ein paar kurzfristig ersparter Millionen, die das System ohnehin nicht retten können.

Dieser Artikel wurde im Jänner 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Neujahrswünsche

Es ist undurchschaubar, unser Gesundheitssystem. Wenigsten 50 Interessensgruppierungen haben nur ein Ziel – unser Wohl. Ein tröstlicher Gedanke.

Da wären die Gesundheitspolitiker unterschiedlichster Couleur, auf Bundes- und Landesebene, so wie aus den Städten und Gemeinden, und natürlich die Sozialpolitiker, die oft aus anderen Parteien sind und schon deswegen immer das Gegenteil behaupten. Dann die Wirtschaftspolitiker, vor allem auf regionaler Ebene und nicht zu vergessen die Finanzpolitiker – ja, man muss diese getrennt betrachten, weil sie unterschiedliche Ziele verfolgen, wenn wir nur an die Schulden der Länder denken, die der Finanzminister nicht unter Kontrolle bringt. Absolut nicht zu vergessen sind die, den Politikern unterstellten Beamten, auch sie verfolgen nur all zu gerne eigene Ziele.

Die Funktionäre aus den 20 Krankenkassen und 15 Krankenfürsorgeanstalten, und natürlich die Funktionäre der Pensionsversicherungsanstalt, die ja hauptsächlich für die Rehabilitation zuständig ist. Nicht zu vergessen die privaten Versicherer, denen insbesondere bei den Löhnen der Spitalsärzte eine wichtige Rolle zukommt – fragen sie nicht!

Die Träger der Spitäler, seien sie nun staatlich oder auch gemeinnützig-privat (Ordenspitäler) oder rein profitorientiert. Nicht zu vergessen die Besitzer der Ambulatorien – die können Kassen oder niedergelassene Ärzte sein, auch wenn deren Ambulatorien, anders als Ordinationen, der Wirtschaftskammer und nicht der Ärztekammer zugerechnet werden (alles sehr verwirrend). Und natürlich die Personalvertreter aller Einrichtungen zur Wahrung von Standortinteressen.

Dann die Funktionäre der großen Gewerkschaften – ihnen „gehören“ ja nicht nur die Gebietskrankenkassen, sondern auch die meisten Reha-Zentren. Die Funktionäre der zehn Ärztekammern, die es mit den dutzenden Parteien in ihren Reihen sicher nicht leicht haben, oder wenigstens nicht so leicht wie die Funktionäre der Wirtschaftskammer.

Die mehr oder weniger gut organisierten Interessenvertreter (innerhalb und außerhalb der Kammern) der Primarärzte, der angestellten Ärzte mit Ordinationen und die der ohne Ordinationen (jaja, diese Unterscheidungen sind wichtig) und natürlich die Vertreter der Wahlärzte. Ebenfalls in dieser Reihe zu erwähnen sind die Funktionäre in den vielen wissenschaftlichen Fachgesellschaften, die oft gar nicht harmonisch mit den anderen zusammenarbeiten.

Fast nicht wahrnehmbar, aber doch vorhanden sind die Interessensvertreter der nicht-ärztlichen Gesundheitsberufe, besonders, wenn sie freiberuflich arbeiten können.

Die Funktionäre der meist gemeinnützigen Pflegevereine (übrigens nicht selten klar parteipolitisch zugeordnet inklusive Gebietsschutz; man sollte nicht glauben, wo es überall Pfründe geben kann) und natürlich die Träger der Pflegeheime.

Die Organisatoren des Krankentransportwesens und die Manager der Blaulichtorganisationen (auch hier ist zu unterscheiden!). Achja, nicht zu vergessen, die Manager der Pharmaindustrie und der Firmen, die sich Medizinprodukten widmen (zum Beispiel den sehr beliebten Großgeräten wie Computertomographen).

Und last but not least, die Patientenanwälte, die – ganz ohne Sarkasmus – glücklicherweise eine immer wichtigere Rolle einnehmen.

Und natürlich alle, die, obwohl alleine die oben genannten etwa 50 zu unterscheidende Interessensgruppierungen ergeben, hier vergessen wurden.

Sie alle arbeiten – so wollen wir wenigstens glauben – uneigennützig und nur zu unserem Wohle. Ich wünsche daher auf diesem Weg das allerbeste fürs kommende Jahr.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Fohnsdorf braucht dringend ein Spital

FOHNSDORF; gelegen zwischen Judenburg und Knittelfeld, besitzt der kleine Ort eine Therme – und hohe Schulden. Eine Satire!

Die steirische Therme, seit Dezember 2007 in Betrieb, hat noch nie schwarze Zahlen gesehen. Was nicht verwundert. Bereits beim Spatenstich wurde gezweifelt, ob der „Thermen-Markt“ nicht längst gesättigt sei. Bereits September 2009 (damals wurde ein Bericht der Fachabteilung 7A des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung über die Gebarung der Gemeinde Fohnsdorf ruchbar) war klar, dass die Zweifler recht behalten und die Therme nur durch „frisches“ Steuergeld gerettet werden kann; Geld, das allerdings nicht wirklich da war. Immerhin hat die 8.000 Seelen-Gemeinde bereits Verbindlichkeiten von etwa 30 Millionen Euro.

Und weil man vermutet hat, dass da ein Fass ohne Boden steht, wurde eine Überprüfung durch den Rechnungshof bis vor kurzem verhindert. Der allerdings hat jetzt geprüft und ein vernichtendes Urteil gesprochen.

Die Reaktion war typisch: Der Rechnungshof kennt sich nicht aus. Damit zeigt der Fohnsdorfer Bürgermeister bereits, dass er gelernt hat. Warum also nicht mehr lernen?

Klar hält er ja fest, dass die Therme ein Zuschussbetrieb ist und wohl auch bleiben wird: „Aber wir wissen, dass Infrastrukturprojekte in ganz Österreich nur funktionieren, wenn die öffentliche Hand, Bund und Länder, ihren Teil dazu beitragen. Das sehe ich auch als Aufgabe der öffentlichen Hand, die Regionen zu unterstützen.“ Mit der Definition der Therme als Infrastruktur- und Regionalförderprojekt ist er auf dem richtigen Weg.

Betrachten wir die Ausgangslage. Fohnsdorf liegt, über Hauptstraßen, mehr als 13 Kilometer von den Spitalsstandorten Judenburg und Knittelfeld entfernt. Damit, legt man niederösterreichische Logik (die auch bei der Finanzierung helfen könnte) an, weit genug, um ein Spital zu rechtfertigen, sowohl unter dem Aspekt der Versorgung, als auch der (!) Regionalförderung. Klar, das Einzugsgebiet ist mit dem Industrieviertel, wo in Baden und Mödling zwei Spitäler nebeneinander neu gebaut werden, nicht einfach vergleichbar – aber was ein „leeres“ Einzugsgebiet betrifft, da gibt es glücklicherweise ein anderes „Best-Practice-Modell“; und das gleich auch noch in der Steiermark: Bad Aussee. Dort wird für 14.000 Einwohner um knapp 30 Millionen Euro ein Spital neu gebaut. Es gib keinen Grund, nicht auch Fohnsdorf zum Spitalsstandort zu machen.

Ich denke, man kann erkennen, worauf ich hinaus will. Die Therme sollte nicht ein Wellness-Tempel, sondern ein Spital sein. Und da sollte man sich auf die wohnortnahe Behandlung von alten Patienten konzentrieren. Also eine kleine (aber feine) Chirurgie und eine kleine (aber persönliche) Innere Medizin und dann eine große Akutgeriatrie und Remobilisation – die voll auf Hydrotherapie mit Thermalwasser setzt – ein weltweit einzigartiges Angebot!

So kann man gleich zwei Fliegen auf einmal erschlagen. Erstens kann man um viel Geld die Therme umbauen. In der Zeit der Krise sollte man ja viel bauen, da kann niemand was dagegen haben. Zweitens wird man, einmal als Spital anerkannt, nie wieder irgendwelche peinliche Prüfungen über sich ergehen lassen müssen. Bei Spitälern wird nie nach Auslastung oder Bedarf gefragt, und niemand würde eine Schließung in Erwägung ziehen.

Im Übrigen sind solche Regionalförderungsprogramme, also die Errichtung von Produktionsstätten in wirtschaftlich schwachen Regionen nicht neu. Jenseits des ehemaligen eisernen Vorhangs wurde das lange geübt, mit hervorragenden Ergebnissen.

Dieser Artikel wurde im Dezember 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.