Eine neue Erbsünde in Oberösterreichs Spitälern

Statt Ostern und Befreiung von der Erbsünde, war in der Gesundheitspolitik ein Sündenfall der besonderen Art zu beobachten.

In Oberösterreich wird die Spitalsreform II diskutiert. Dass so etwas nicht ohne Wehgeschrei geht, war klar; dafür wurden und werden zu viele Fehler gemacht.

Irgendwann wurde, statt zu steuern, das Blaue vom Himmel versprochen. Aber, ein ungesteuertes Gesundheitssystem wird nicht nur versagen, sondern auch immer teurer. Das ist so in den USA und auch hier. Unser System „veramerikanisierte“, obwohl es ein solidarisches, plantwirtschaftliches Pflichtsystem ist!

Die Fehler der Vergangenheit haben dazu geführt, dass niemand ohne Gesichtsverlust was ändern kann. Eine Reform wäre nun ein Schuldbekenntnis, und um Kollateralschäden eines solchen vermeintlich gering zu halten, wird der nächste Fehler gemacht. Statt einer breiten Diskussion, gibt es im Vorfeld Geheimniskrämerei und am Ende eine fait accompli.

Objektiv betrachtet gäbe es Kritikpunkte: Die Einbindung der Kassen ist zu gering, der Fokus aufs Geld geht mir zu weit, die Methoden sind nicht überall stringent, was auf politische Kalibrierung deutet. All das könnte, auch pointiert, diskutiert werden, aber, was sich real abspielt ist anders – und ungustiös.

Die drei Innviertler Spitäler haben seit 2005, dem Zeitpunkt der in die Hose gegangenen Spitalsreform I, die Zahl ihrer Patienten massiv gesteigert – heute, bezogen auf die Wohnbevölkerung, gibt es dort die meisten Patienten österreichweit.

Dass diese Spitäler nun, um Besitzstand zu wahren, wild um sich schlagen, und alle, die der jetzigen Reform Positives abgewinnen, diskreditieren, mag kein guter Stil sein, aber als Meinungsfreiheit gelten.

Auch, dass PR-Agenturen eingeschaltet werden, um aufrührerisch-populistische Medienarbeit zu leisten, ist vielleicht unmoralisch (woher nehmen die Spitäler das Geld dafür?), aber noch nicht unethisch. Schließlich haben die Systemverantwortlichen seit Jahrzehnten ihre Führungsrolle vernachlässigt und den eigentlich zu führenden Dienstleistern (die ihre Dienste eben nicht im freien, sondern geschützten Markt anbieten, und daher reguliert werden müssen) quasi Narrenfreiheit gegeben, bei Garantie, niemals Pleite gehen zu können. Wer Sicherheit und Freiheit gleichzeitig verspricht, muss Populist sein, und die kann man nur mit eigenen Waffen schlagen.

All das bereitet mir Magenschmerzen, wäre aber verkraftbar. Aber dann begann man, unter dem Deckmantel demokratischer Meinungsfreiheit, Unterschriften in Ambulanzen und am Krankenbett zu sammeln – von Patienten, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, dass sie sich nicht einmal selbst aussuchen können! Abhängige Patienten, die von den gleichen Dienstleister als so unmündig erklärt werden, dass sie Marktversagen auslösen und deswegen durch ein öffentliches System zu schützen sind, werden nun als entscheidungsfähig betrachtet, über versorgungswissenschaftliche Entscheidungen eben dieses Systems zu urteilen? Das geht zu weit!

Wenn es wirklich Usus wird, dass zur Besitzstandswahrung Patienten mobilisiert werden, ohne dass legitimierte Volksvertreter dagegen auftreten, dann bin ich dafür, alle Spitäler auf Bundesebene zu verstaatlichen, oder aber das öffentliche Gesundheitssystem zu zerschlagen. Bei 110 Millionen Kassenarzt-Kontakten, 16 Millionen Ambulanz-Kontakten und 2,6 Millionen stationären Patienten, wird es sonst unmöglich, irgendetwas gegen den Willen der eigentlich abhängigen Dienstleister zu machen – an Steuerung ist so nicht mehr zu denken.

Dieser Artikel wurde im Mai 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.