UK 1920 über die Errichtung eines Primary Health Care

Es ist erschütternd zu sehen, auf welchem Niveau sich die Österreichische Gesundheitspolitik bewegt, bzw. sich nicht bewegt. Hier zum Vergleich ein Bericht des britischen Unterhauses über die nötigen Reformen – aus dem Jahr 1920 (!). Da wird praktisch alles bedacht, was wichtig ist – von der Ausbildung der Gesundheitsberufe, über die Funktion und Rolle des Krankentransportwesens bis hin zur einheitlichen Krankenakte als Kommunikationstool innerhalb eine abgestuften Versorgungssystems. (Lesezeit 65 Min.)

Interim Report on the Future Provision of Medical and Allied Services

1920 (Lord Dawson of Penn)

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Verantwortungs- und folgenlose Gesundheitspolitik

1969, also vor 44 Jahren, hat die WHO kritisiert, dass unser Gesundheitssystem zu wenig „zentralistisch“ ist. Die Bundesregierung, deren Amtssitz sich in Wien befindet und daher sogar von Regierungsmitgliedern, wenn sie aus anderen Bundesländern kommen, gerne als „die Wiener“ tituliert wird,  hat keine Möglichkeit, in die Spitalslandschaft einzugreifen, damit Spitäler Teil eines umfassenden Planes der Gesundheitspflege werden  – mit willkürlichen und der Qualität abträglichen Folgen. Das Spitalsproblem ist also alles andere als neu oder unbekannt.

Seither wurde enorm viel unternommen, um diese Willkür einzufangen.

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Österreich braucht mehr Spitäler

Tief im dunklen Norden Europas, in einem Land, in dem blonde Wilde hausen, spielt sich vor unseren Augen eine menschliche Katastrophe ab.

In Dänemark hat man der darbenden Bevölkerung die schlechte medizinische Versorgung noch verschlechtert. Tausende und Abertausende werden qualvoll sterben, die Wirtschaft restlos zusammenbrechen und die Bevölkerung wird verelenden. Denn man hat entschieden, 20 der 40 Spitäler (wir haben etwa 160) für immer zu schließen. Für 200.000 bis 400.000 Einwohner wird es nur noch ein Spital geben. Unerträglich – und die Welt schaut tatenlos zu.

Auch wenn unsere Gesundheitspolitiker auf Dänemark angesprochen so oder noch schwarzmalerischer reagieren dürften, eintreten wird das wohl nicht.

Mit nur 5,5 Millionen Einwohnern beträgt das dänische BIP 309 Milliarden US-Dollar. Bei uns (über 8 Millionen) sind es 385 Milliarden. Auch die dänische Arbeitslosigkeit liegt unter unserer. Zudem ist Dänemark, glaubt man dem Human Development Index der UNO, höher entwickelt als Österreich. Und als ob das nicht reicht: Ein 65-Jähriger hat dort fast doppelt so viele gesunde Lebensjahre vor sich wie bei uns – und dabei geben die weniger Geld aus. Wie machen die das nur mit so wenigen Spitälern?

Aber zurück nach Österreich. Da hat Landesrat Wolfgang Sobotka von Niederösterreich wieder einmal kundgetan, dass er Baden und Mödling – Synonyme für Verschwendung und Unsinn in der Spitalslandschaft – erhalten muss, weil ihm das Gesetz keine Wahl lässt. Und wieder einmal zitiert er das Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz, das für 50.000 bis 90.000 Einwohner eine Standardkrankenanstalt (die einfachste Spitalsvariante mit zumindest Innerer Medizin und Chirurgie) verlangt. Nachdem er das nun zum wiederholten Mal tut, muss auch ich einsehen, dass er nur gesetzestreu sein will. Immerhin ist er als Landesrat und sogar Landeshauptmann-Stellvertreter auf die Verfassung vereidigt und verpflichtet, die Gesetze zu halten.

Daher ist es dringend an der Zeit, dass die Politik gesetzeskonform neue Spitäler errichtet. Denn das Spital in Mödling hat ein Einzugsgebiet von 188.000 Einwohnern. Man braucht dort also nicht nur eines, nein sogar drei Spitäler und in Baden mindestens zwei. Eigentlich muss im Einzugsgebiet von fast jedem niederösterreichischen Spital ein zusätzliches errichtet werden.

Aber nicht nur die Niederösterreicher sind mit eklatanten Gesetzesbrüchen ihrer Obrigkeit konfrontiert. Mit Vöcklabruck, Steyr und Wels reiht sich Oberösterreich in die Schar der Gesetzesbrecher. Die Vorarlberger Autoritäten lassen rund um Bregenz die Menschen ungesetzlich im Regen stehen und in Kärnten sind es die Regionen rund um Villach und Spittal; in Tirol ist es die Schwazer Bevölkerung und in der Steiermark die Gegend rund um Judenburg. Aber am buntesten treiben es die Wiener. In Floridsdorf steht fast 300.000 Einwohnern nur ein winzig kleines Spital zur Verfügung – grässlich! Und die Liste ist sicher nicht vollständig.

Also, liebe Politiker, nehmt euch ein Beispiel an den niederösterreichischen Regenten: Dort wird wenigstens versucht, Gesetze – wer macht die überhaupt? – zu befolgen. Wenn ihr schon keine Behinderten einstellt, dann baut doch wenigstens Spitäler!

Manchmal frage ich mich ernsthaft, warum Politiker einfach so Unwahrheiten und Stuss verbreiten können – und das nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder –, ohne dass es Konsequenzen gibt. Ob man beim nächsten Mal vielleicht ein paar dänische Gesundheitspolitiker wählen kann?

Dieser Artikel wurde im Februar 2011 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.

Deutschland gegen Österreich: 2 zu 1

Dass die Deutschen einen doppelt so hohen Beitragssatz für die Krankenkassen haben, ist eher ein Zeichen für deren (mögliche) Effizienz. Aber wen interessiert’s?

„Wir hier in Österreich zahlen nur etwas mehr als sieben Prozent Kassenbeiträge. In Deutschland sind es 15 Prozent! Daran kann man sehen, wie gut und effizient unser Gesundheitssystem funktioniert.“

So ähnliches hört man leider nicht nur gelegentlich von hohen und höchsten Politikern. Ob diese Aussage schlicht auf Unwissen (was bei diesen Personen, die über riesige Beraterstäbe von Parteisoldaten und Beamten verfügen, an unbelehrbare Ignoranz erinnern muss), oder Dummheit (dafür könnte man ja nichts) basieren, oder auf bewusste Volksverblendung ausgerichtet sind, entzieht sich leider jeder Erkenntnis.

Klar allerdings ist, dass die Deutschen nicht deswegen doppelt so hohe Beiträge zahlen, weil sie schlechter wären, nein, die nehmen manche Grundsätze der selbstverwalteten Kassen mit solidarischer Finanzierung halt noch ernst. Und einer dieser Grundsätze ist es, durch Beiträge das zu bezahlen, was man bestellt und sich nicht auf „andere“, zum Beispiel Steuerzahler, zu verlassen.

Und so zahlen die deutschen Kassen halt noch (fast) alles selbst, wo bei uns längst Steuergelder herangezogen werden.

Bei uns betragen die reinen Kassen-Beiträge, also ohne irgendwelche direkten oder indirekten Steuergelder, je nach Rechenart etwa neun bis elf Milliarden Euro. Die Gesamtausgaben der öffentlichen Hand für die Gesundheitsversorgung, also sowohl das, was die Sozialversicherungen als auch das, was Bund, Länder und Gemeinden bezahlen, belaufen sich auf knapp 21 Milliarden Euro. Daher werden weniger als die Hälfte dieser Kosten durch Beiträge berappt. Der Rest kommt zum überwiegenden Teil aus Steuern. Und so ist es leicht verständlich, dass unsere Beitragssätze nur halb so hoch sind.

Daraus abzuleiten, wir sind effizienter ist schon mehr als Chuzpe. Besonders, wenn wir auf die Ausgaben in richtigem Geld schauen. Pro Kopf geben wir, gerechnet in harter Währung, nämlich fünf bis zehn Prozent mehr (!) aus als unser Nachbar. Und erreichen wir damit mehr? Sind die Österreicher gesünder als die Deutschen? – ein wesentliches Kriterium der Effizienz ist ja, bei gleicher Effektivität weniger Ressourcen zu verbrauchen!

Nun, ein kleiner Blick in ein paar harte Zahlen lässt wenigstens berechtigten Zweifel zu. Hierzulande sind wir absolute Spitze bei der Zahl der Invaliden, gemessen an den Invaliditätspensionisten, und bei der Pflege unumstrittene Sieger, wenn wir die Zahl der Pflegegeldbezieher als Kriterium heranziehen.

Also genau geschaut ist unser System definitiv nicht effizienter als das Deutsche – und ohne es jetzt belegen zu wollen, deren System zeichnet sich im internationalen Umfeld nicht gerade durch hohe Effizienz aus. Daran wird auch die letzte Reform nichts ändern. Denn hier wie dort sind es Blockierer auf allen Ebenen, die echte Strukturreformen verhindern und immer nur nach mehr Geld schreien.

Was die Deutschen uns aber voraus haben ist, dass, wenn es denn zu einer echten Kassenreform kommt, die Finanzierung aus einer Hand erfolgen könnte. Bei uns hingegen, werden weiter die „virtuellen Geldgeber“ Sozialpartner und Länder – die ja, wie uns Vizekanzler Pröll offen gestanden hat, nach der Realverfassung gewichtiger sind, als die politischen Entscheidungsgremien, die unsere „echte“ Verfassung vorsieht – streiten und jeder wird sagen, wie toll und effizient er denn nicht agiere, und das beste aller System feiern.

Dieser Artikel wurde im September 2010 in ähnlicher Form in der Wiener Zeitung veröffentlicht.